Seite 6 HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DES KLAGENFURTER ALPENVEREINS Geschlossene Veranstaltung 1. Boulder- Europacup in Kärnten Bereits im April 2<strong>02</strong>0 hätte der erste Europacup im Boulderama stattfinden sollen. Knapp ein Jahr später war es dann endlich soweit: Ein klug gewählter Termin – oder vielleicht auch etwas Glück – brachte die Boulderelite aus dem ganzen Kontinent nach Klagenfurt, um endlich die neue Wettkampfwand im Boulderama einzuweihen. Franziska Sterrer
HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DES KLAGENFURTER ALPENVEREINS Seite 7 Warum der Lokalmatador Nicolai Užnik (AUT) in seiner Heimhalle die Konkurrenz alt aussehen ließ und warum Chefroutensetzer Jacky Godoffe (FRA) im zarten Alter von 64 Jahren noch auf Topniveau bouldern kann, erfährt in diesem Artikel eine nähere Analyse. Nebenbei gibt es noch ein paar Hintergründe, wie Events in diesen Zeiten überhaupt stattfinden können und eine Aussicht auf zukünftige Veranstaltungen in Klagenfurt. Über Wahrscheinlichkeiten oder das Problem der Internationalität Wer bis jetzt geglaubt hat, Wahrscheinlichkeiten wären ein rein mathematisches Problem ohne praktische Konsequenzen, wurde wahrscheinlich im letzten Jahr eines Besseren belehrt. In diesen Zeiten steht nämlich hinter jeder Aussage, die vor COVID niemanden auch nur ein müdes Lächeln entlockt hätte, ein großes Fragezeichen. Machen wir einen Bewerb? Vielleicht. Können wir die Zimmerreservierungen bestätigen? Möglich. Wir befinden uns zur Zeit des Europacups in einem Stadium der Pandemie, in welchem ein Bundesland im Lockdown ist, während in einem anderen relativ normal ein Gasthaus besucht werden kann. Rechnet man das auf eine internationale Ebene hoch, kann es vorkommen, dass der Jurypräsident aus England bis zwei Tage vor dem Bewerb nicht weiß, ob er überhaupt anreisen kann, weil es nicht sicher ist, ob Österreich nicht doch noch auf die dortige rote Liste kommt. Es erfordert ein starkes Nervenkostüm oder ein riesiges Backup von Officials, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Bewerb überhaupt stattfinden kann. Wenn ein paar AthletInnen ausfallen, weil sie nicht ausreisen dürfen, ist das zwar bedauerlich, kann aber nicht das ganze System Europacup zum Einsturz bringen. Die Freude war also sehr groß, als Jurypräsident Tim Hatch 3 Tage vor dem Bewerb tatsächlich in Wien gelandet ist. Durchführungswahrscheinlichkeit: 90 %. Besonderes Kopfzerbrechen hat uns das Routensetzerteam bereitet: Chefroutensetzer Jacky Godoffe (FRA) brachte ein Team von 8 Routensetzern aus 5 Nationen mit, die alle unterschiedlichen Einreisebestimmungen unterlagen. Entgegen allen Erwartungen war 5 Tage vor dem Bewerb das Team vollzählig und gesund vor Ort. Um die Durchführung nicht im letzten Moment zu gefährden, wurden alle, die an den Vorbereitungen beteiligt waren, jeden Tag getestet. Durchführungswahrscheinlichkeit: 96 %. Spitzensportveranstaltung oder Spitzensportverantwortung? Spitzensportveranstaltungen erforden im Moment ein besonderes Maß an Fingerspitzengefühl und Verantwortung. Für viele ist es schwer verständlich, dass SportlerInnen an Wettkämpfen teilnehmen wollen, während andere das eigene Haus nicht verlassen dürfen. Für einen großen Teil der AthletInnen ist das Bouldern ihr Hauptberuf und auch Haupteinnahmequelle. Es ist daher nachvollziehbar, dass Bewerbe für ihre Berufsausübung essentiell sind, noch dazu, wo Olympia theoretisch vor der Türe steht und Wettkämpfe als Vorbereitung dafür eher rar gesät sind. Trotzdem sind wir als Veranstalter in einer besonderen Verantwortung: Ein positiver Fall oder gar ein Cluster wären ein Albtraum quer über alle Disziplinen hinweg. Um erst gar nicht in diese Lage zu kommen, sind ein ausgeklügeltes Präventionskonzept, welches vom Dachverband AustriaClimbing entwickelt wurde, sowie eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden in Klagenfurt essentiell. Dazu gehört unter anderem auch, dass alle Personen, die am Tag des Bewerbs anwesend sind, noch vor Ort (in einem Zelt im Freien) getestet werden, was eine logistische Herausforderung sein kann, wenn über 200 Menschen in kurzer Zeit wissen wollen, ob sie denn teilnehmen können. Besonders spannend ist es dann, wenn nach österreichischer Verordnung bei einem positiven Antigentest gleich das gesamte Team ausfällt, auch wenn alle anderen negativ gestestet wurden, weil sie Kontaktpersonen waren. Bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 10% dieser Tests kann man auch einfach Pech haben. Glücklicherweise waren alle Tests negativ. Das Testen war sozusagen die Challenge vor der Challenge und alle Teams waren sichtlich erleichtert, starten zu dürfen. Die Legende – Chefroutensetzer Jacky Godoffe In Kletterkreisen gibt es ein paar Namen, die von einer geheimnisvollen Aura begleitet sind: Wolfgang Güllich (erste 9a), John Gill („Erfinder“ des Boulderns) oder Nikolai Užnik eben Jacky Godoffe (Autor, Shaper, Boulderlegende). Im Gegensatz zu ersteren erfreut sich Jacky noch immer bester Gesundheit und schraubt als Chefroutensetzer noch Finalboulder auf hohem Niveau. Und das mit 64! In körperlich vergleichbar fordernden Berufen sind viele in diesem Alter bereits seit Jahren in Rente ... Die Routensetzer nämlich haben die körperlich anstrengendste Arbeit bei einem Bewerb: Sie müssen alle Boulder bauen, testen, abbauen, wegtragen und dann in kürzester Zeit wieder in die Wand schrauben, wenn sie für die entsprechenden Klassen benötigt werden. Der Routenbau erfordert logistische Fähigkeiten ebenso wie organisatorische: Es gilt nicht nur, gut kletterbare Boulder zu bauen! Die Anforderungen sind mittlerweile extrem hoch geworden: Der Boulder darf kein reiner Fitnesstest sein (keine Aneinanderreihungen bestimmter maximalkräftiger Züge), soll abwechslungsreich zum Bouldern, spannend zum Zuschauen und natürlich auch noch optisch sowie ästhetisch ansprechend fürs Auge sein. Das alles unter einen Hut zu bringen, erfordert vor allem langjährige Erfahrung. Hier dürfte Jacky der erfahrenste Routenbauer der Welt sein ... Während des Wettkampfes hocken die Routenbauer in einem Winkel und hoffen, dass sie die Schwierigkeiten gut getroffen haben, um dann in den Pausen binnen kürzester Zeit die ganze Wand umzuschrau-