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Flensburg Journal - 225 Juni 2021

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Beate Rotermund hatte ab 1962 ein Büro in der Gutenbergstraße 12

Foto: Sammlung Kirschner

Zur Einweihung am 13. August 1969 erschienen

340 Gäste und Boxerhündin Tanja, die gleich auf

den gelben Teppich piete. „Flensburg ist um eine

Attraktion reicher geworden“, sagte Flensburgs

Oberbürgermeister Heinz Adler in seiner Festrede

und wünschte dem Unternehmen „allzeit mit

Lust und Liebe für die Lust und Liebe tätig zu

sein.“ Stolz führte Beate Rotermund die Medien

durch die „Großraumwabe“. Folgen noch weitere

Baumaßnahmen, fragte ein Journalist. Die Unternehmerin

verriet, dass ein achtgeschossiges

Hochhaus in Planung sei. Ein Projekt, das allerdings

in der Schublade landete.

Das damals hochmoderne Großraumbüro sorgte für

große Resonanz. Sogar das US-Magazin „Time“ berichtete.

Das Wochenblatt „Die Zeit“ schrieb zwei

Jahre später: „Aus einem über 1000 Quadratmeter

großen honiggelben Teppichboden ragen weiß

angemalte präparierte Bäume mit riesigen Papierblumen

in den kahlen Ästen. Dazwischen, wie

willkürlich aufgetragene Farbtupfen, blaue Stahlschränke

und Schreibtische, weiße und lila Plastiksitzmöbel,

rote, gelbe und orange Papierkörbe und

da und dort ein Luftballon-Arrangement. Dezente

Hintergrundmusik aus unsichtbaren Klangkörpern

unter der Wabendecke sorgt für einen gleichmäßigen

Stimmungspegel. Dem körperlichen Wohlbefinden

in diesem Burggarten Eden dient eine mit Hilfe

sensibler Stabthermostaten gesteuerte automatische

Klimaanlage. Zwei repräsentative Freitreppen

aus afrikanischem Edelholz führen auf die Galerie

der stilvollen Großraumidylle…“

Die Wilhelmstraße 1a hatte endgültig ausgedient.

Zum 22. März 1971 wurde dort der letzte

Mietvertrag gekündigt. In einem Rückblick bezeichnete

Beate Rotermund Jahre später die

Bündelung aller Geschäftszweige im „Sechseck“

einmal als ihren schönsten Geschäftserfolg. „Für

mich ist Grund und Boden wichtiger als ein Büro

und ein Postfach“, sagte sie. „Ich bin vom Lande

und solide.“

Diese Vorlieben zeigten sich auch im Privatleben.

Im Marienkirchhof 4 war die Familie noch bis zum

9. Mai 1961 gemeldet. Doch da ging die Post bereits

seit einem Jahr nach Glücksburg-Rüdeheck.

Die Rotermunds lebten nun direkt am Rüder See

in einer alten Wehrmachtsbaracke, die zu einem

behaglichen Holzhaus ausgebaut wurde. Im Frühjahr

1960 packten alle mit an, um die hügelige

Fläche etwas zu glätten und Rasen zu säen. Über

die Inneneinrichtung wunderten sich die Besucher

bisweilen: Als einziges Bild hing ein Poster

mit Mao Tse-tung. Beate Rotermund mochte es

bisweilen auch schrill: Das Dach ihres Citroen DS

ließ sie pink spritzen.

Das gesamte Domizil war ein kleiner Freizeitpark.

Auf dem Rüder See ließ sich im Winter Schlittschuhlaufen,

im Sommer wurde geschwommen –

oft bis zur kleinen „Schokoladeninsel“. Am Ufer

wurde gegrillt. Es entstanden eine Sauna und

auch ein Tennisplatz aus Asphalt. An einem typischen

Sonntag mussten alle drei Söhne nacheinander

zu einer Partie antreten. Auch das leitende

Personal von „Beate Uhse“ wurde am Wochenende

zum Tennis vorgeladen. Firmengespräche inklusive.

Beate Rotermund führte ihr Unternehmen

manchmal wie einen ostpreußischen Gutsbetrieb.

Ernst-Walter Rotermund pflegte ein besonderes

Eigenleben. Er hatte sich frühzeitig von der Arbeit

verabschiedet und wechselte zwischen Ehefrau

Beate und der Geliebten Helga. Er war aber

auch oft allein am Mittelmeer unterwegs und meldete

sich wochenlang nicht. Nur die Bewegungen

auf dem Konto übermittelten seiner Gattin die

aktuellen Aufenthaltsorte.

Die drei Söhne hatten auf dem Gelände am Rüder

See ihre eigenen kleinen Holzhütten. Sie mischten

immer mehr im Unternehmen mit. Für den

Band „Söhne der Sonne“, der natürlich im „Carl

Stephenson Verlag“ erschien, posierten sie vor

der Kamera. Für ein ansehnliches Honorar. „Die

haben sich doch alle so sehr ein eigenes Auto gewünscht“,

schmunzelte die Mutter Jahre später.

Text: Jan Kirschner

Fotos: Privat

Besuch bei Dirk Rotermund in Rüde: Wohnsitz der 60er Jahre

Foto: Jan Kirschner

1964: Beate Rotermund vor dem Häuschen am Rüder See

Foto: R. Thomas/Mitarbeiter Beate Uhse

FLENSBURG JOURNAL • 06/2021

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