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Flensburg Journal - 225 Juni 2021

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Die

Foto: Sammlung Kirschner

Beate Uhse

Chronik

Beate Rotermund faszinierte die Vereinigten

Staaten, die gerade im Handel als fortschrittlich

galten. Am 19. September 1961 gehörte die

Unternehmerin aus Flensburg zu den 2000 Teilnehmern

einer Versammlung der „Direct Marketing

Association of America“. Aus New York nahm

sie einige Ideen mit zurück nach Deutschland:

Etwa den Grundsatz bunter Werbung – und die

Einrichtung eines Ladengeschäftes in der Flensburger

Innenstadt. Ein praktischer Nebeneffekt:

Der anwachsende Strom neugieriger Touristen

zum Versandhaus in der Wilhelmstraße könnte so

abgeleitet werden. Eine Rolle mag auch ein anhängendes

Strafverfahren gespielt haben. Dem

Versandhandel drohten aus Gründen des Jugendschutzes

strikte Auflagen – einem realen Shop

weniger.

Zum 20. September 1962 war ein Einzelhandel mit

Büchern und Artikeln für Ehehygiene in der Angelburger

Straße 58 angemeldet. Die Geschäftsräume

lagen zwischen Bäcker und Metzger. Manch

einer bei „Beate Uhse“ begegnete den Plänen der

Folge 5:

Shops und „Sex-Eck“

Chefin mit Skepsis. „Mensch, das Versandgeschäft

läuft doch gut“, meinten sie. „Aber in einem

Laden werden uns die Leute empört die Schaufenster

einschmeißen.“ Für manche Zeitgenossen

waren Spezialkondome und Aufklärungsbücher

lediglich „Schweinkram“. Und die evangelische

Aktion „Sorge um Deutschland“ wetterte generell

gegen die Erotik-Branche: „Eine Flut dämonischer

Kräfte überschwemmt unser Volk. Unzählige werden

zum hemmungslosen Lebensgenuss und Ausleben

ihrer Triebe verlockt.“

Die Stimmung in der Gesellschaft war nur schwer

zu kalkulieren. Der Firmenjurist schlug schließlich

vor, die Neueröffnung in die Weihnachtszeit zu

verlegen, da die Menschen dann besinnlicher wären

und so keine Übergriffe zu befürchten seien.

So stieg die Einweihungsfeier für das erste „Fachgeschäft

für Ehehygiene“ am 11. Dezember 1962.

Die Geschäftsleitung hatte in die Angelburger

Straße 58 geladen. Bei der Premiere des ersten

Sex-Shops der Welt erschienen aber nur wenige

Gäste: Nachbarn, Vertreter des Bauamtes und der

Handelskammer. Die Presse machte sich rar. Das

„Flensburger Tageblatt“ etwa berichtete in jenen

Tagen über Straßen- und Schulbau oder über einen

mysteriösen „Knall“ durch die Schallmauer –

aber nicht über „Beate Uhse“.

Das Grundschema des Ladens, das gemeinsam mit

dem Flensburger Architekten Karl-Heinz Sönnichsen

entstanden war, war schlicht. Den vorderen

Teil wie auch die Schaufenster prägten die Aufklärungsbücher.

Im hinteren Teil befanden sich

die Produkte der „Ehehygiene“. Ein kleiner Extra-Raum

war für Beratungsbedarf reserviert. Es

gab noch keine Selbstbedienung: Die Kunden gingen

mit Nummernschildern zur Kasse, wo sie die

eingepackten Waren entgegennahmen. Diskretion

war das oberste Gebot. Dennoch kamen zunächst

nur wenige Einheimische, sondern hauptsächlich

auswärtige Handelsvertreter. Zum 13. Dezember

1970 zog „Beate Uhse“ in den Holm 60.

„Beate Uhse“ zog ein Filialnetz über Deutschland.

Im Februar 1965 wurde das erste Geschäft in Hamburg

eröffnet. Dann folgte Frankfurt – und im Juli

Foto: FZH Hamburg 18-9.2.6.Bd.4

38 FLENSBURG JOURNAL • 06/2021

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