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ZAS MAGAZIN, 302. Ausgabe, Juni 2021

Dicht, schlicht, Schicht!: Tatort-Schauspieler im heftigen Disput um eine Video-Aktion, die schwer nach „Querdenkern“ roch. Von Michael Zäh

Dicht, schlicht, Schicht!: Tatort-Schauspieler im heftigen Disput um eine Video-Aktion, die schwer nach „Querdenkern“ roch. Von Michael Zäh

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Bild: Achim Keller

Nasse Nase, lange Schlange,

historische Teilhabe!

Es war Regen angesagt und der Wind war stark. Es waren hunderte, vielleicht tausende Menschen

gekommen. Über einen Termin im Impfzentrum Freiburg, der mich beeindruckte. Von Michael Zäh

Es war Regen angesagt an diesem Tag. Zu

100 Prozent, hieß es auf der Wetter-App

schon lange zuvor. Da stellte sich mir die Frage,

ob ich denn einen Schirm mitnehmen muss, am

Tag meiner Erstimpfung. Doch dann begann

der Tag ganz ohne Regen, einen Spaziergang

bei aufgeklartem Himmel machte ich noch

zum Nachdenken und Abregen, bevor ich zum

Impfzentrum Freiburg fuhr. Aber klar, genau

als ich dort auf dem Parkplatz stand und die

vielen Menschen sah, die auf den Eingang zu

strebten, fielen die ersten Tropfen.

Die Schlange war riesig. Es erinnerte mich

an eine fast verlorene Zeit, als wir Menschen

noch ins Stadion durften, Schulter an Schulter

(und doch oft entzweit), zum SC Freiburg in

frühen Finke-Jahren, zum SC Freiburg unter

Dutt, zum SC Freiburg dann auch mit Streich.

Damals dachte niemand, dass von den Mitmenschen

ein paar Zentimeter vor und jenen

ein paar Zentimeter hinter einem eine Gefahr

ausgehen könnte. Zur Not, wenn es in der

Schlange ein Geschiebe gab, nahm man sich

auch mal lachend in den Arm.

Der Wind war stark. Die Fahnen und das

Gestänge vor der Freiburger Messe gaben laut

pfeifende Töne von sich. Die Schlange war so

lang, dass sie weit vor der Überdachung begann.

Ich sah niemand mit Schirm. Wenn jetzt

der Wolkenbruch käme, dachte ich, kriegen hier

viele Leute eine nasse Nase (was eine schöne

Wortschöpfung für Schnupfen ist, die mir

erzählt wurde), inklusive ich selbst, weil ich zu

blöd war, um der Wetter-Ansage zu vertrauen.

Doch dann geschah das Verblüffende. Die

lange Schlange bewegte sich schnell, quasi

in Windeseile. Zwei Ordner schauten sich im

Eingang zum Impfzentrum nur schnell die

Bestätigung des Impftermins an – das ging

schneller als früher das Lochen der Dauerkarte

beim SC. Es flutschte.

Bald war ich auch drin, gespannt auf die

nächste Station. Der Mann hinter mir, der schon

draußen im böigen Wind hinter mir war, hielt

einen Abstand von ca. fünf Zentimetern. Ich

dachte, er muss wohl früher auch ins Stadion

gegangen sein. Ich hätte ihn fragen können, ob

er mich überholen will. Aber ich sah die vielen

Leute in der Schlange, Hunderte, vielleicht

Tausende, die so unterschiedlich waren. Das

gebückte Mütterchen mit der rosa Handtasche,

das sich gegenseitig stützende Paar, die jungen

Boys mit weißen Snikers, etliche Frauen und

Männer so um die Sechzig, von denen ich

dachte, dass ich vielleicht jemand von früher

kennen könnte und nun doch nicht mehr erkennen

würde. Nicht nur wegen den Masken. Mir

wurde klar, dass ich ein kleiner Teil im Ablauf

einer historischen Impfaktion war.

An der zweiten Station (Verifizierung der

Terminbestätigung mit dem Ausweis) konnte

ich den Mann hinter mir durch eine plötzliche

Körpertäuschung abschütteln. Denn da konnte

man wählen, ob man in der linken oder rechten

Schlange stehen wollte. Tja, und dann noch der

Tempovorteil: Mein Name war wegen seines

„Z“ schnell auf der dicken ausgedruckten Liste

zu finden, letztes Blatt, wie mir der Mitarbeiter

mit Freude verkündete. Nichtmal meinen Vornamen

musste er zum Ankreuzen hernehmen,

denn ich war halt der einzige mit meinem

Nachnamen. Also, geht doch!

Dritte Station mit Fiebermessen (super:

36,2 Grad) und Abfrage per eingeschweißten

Merkzettel mit riesigen Buchstaben (Hatten Sie

schon Corona?), vierte Station mit der Karte

der Krankenkasse und Laufzettel, fünfte Station

die Spritze im Oberarm. Die vollmaskierte Frau,

die das erledigte, hielt mir meine Papiere schon

wieder hin, bevor ich mein Hemd angezogen

hatte. Tempo ist alles. Ich war beeindruckt.

20 Politik und Gesellschaft

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