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tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

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Sie haben vor ein paar Jahren die Positionen des Women’s<br />

respektive Men’s Head of Tennis beim DTB eingeführt.<br />

Wie zufrieden sind Sie damit?<br />

Zunächst war es eine sehr positive Sache, dass Boris Becker viele<br />

Jahre ehrenamtlich für das deutsche Tennis gearbeitet hat. Boris<br />

hat einen exzellenten Job gemacht. Barbara Rittner war ja zuvor<br />

schon involviert. Als ich anfing, hatten wir bei den Männern einen<br />

hauptamtlichen Trainer – heutzutage ist es ein Team von acht<br />

Coaches bei den Männern, fünf bei den Frauen. Die Installation<br />

dieser Zwischenstufe zwischen Sportdirektor Klaus Eberhardt<br />

und den hauptamtlichen Trainern war die richtige Entscheidung.<br />

Michael Kohlmann hat unser Vertrauen bekommen, leitet alle<br />

Trainer, steht den Programmen vor – und macht aus unserer Sicht<br />

einen hervorragenden Job.<br />

von kurzer Zeit aufholen. Ein Baby braucht neun Monate, ein<br />

Tennisspieler braucht neun Jahre. Wenn es reicht. Aber: Wir haben<br />

eine Trendwende geschafft. Wir haben fünf Jugendliche in<br />

den Top 100, in den Jahren zuvor waren es maximal zwei. Wir<br />

haben motivierte Trainer, können durch die Förderungen durch<br />

den DOSB die notwendigen Maßnahmen durchführen; in den<br />

Leistungszentren, bei den Turnieren. Daniel Altmaier hat Lichtblicke<br />

gebracht, wir haben mit Jan-Lennard Struff und Dominik<br />

Koepfer zwei weitere Spieler in den Top 100, wollen aber auch<br />

Philipp Kohlschreiber nicht vergessen, der so viel für <strong>Deutschland</strong><br />

gespielt hat wie kein anderer. Und natürlich Kevin Krawietz<br />

und Andreas Mies, die die letzten beiden Titel in Roland Garros<br />

geholt haben. Wir sind okay, aber nicht ganz vorne. Das wissen<br />

wir, daran arbeiten wir.<br />

FOTOS: ALEXANDER SCHEUBER/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES, BEIGESTELLT<br />

Was haben Sie in der Coronazeit über den Tennissport gelernt?<br />

Tennis konnte zeigen, dass es als Sportart mit großer Distanz auch<br />

in solch schwierigen Zeiten die richtige Sportart ist. Tennis hat<br />

wieder Fans gewonnen, die schon verloren waren. Die Tennishallen,<br />

die Tennisplätze waren voll – wo es erlaubt war. Wir sind<br />

für die Zukunft sehr gut aufgestellt.<br />

Nun wurde im Winter in Hessen oder Schleswig-Holstein gespielt,<br />

in Bayern oder Baden-Württemberg nicht. Hätte der DTB mehr zu<br />

einer gesamtdeutschen positiven Lösung beitragen können?<br />

Es ist manchmal fast unmöglich, den Föderalismus zu verstehen.<br />

Jeder mahnt ein einheitliches Vorgehen an, nur hält sich halt<br />

keiner dran. Der Tennissport hat im Sommer 2020 ein Hygienekonzept<br />

vorgelegt, und mein Respekt geht noch einmal an die<br />

etwa 8.000 Vereine, die dieses Konzept auch umgesetzt haben.<br />

Der DTB hat hier gute Vorarbeit geleistet. Und es wurde im Jahr<br />

2020 kein Fall bekannt, in dem Tennis für eine Neuinfektion<br />

verantwortlich war. Umso schwieriger ist es<br />

für mich, Argumente wie „Man kann doch<br />

nicht die Sportarten differenzieren!“ nach-<br />

zuvollziehen. Das halte ich für nicht intelligent.<br />

Man muss differenzieren! Bürgerrechte dürfen<br />

nur dann eingeschränkt werden, wenn<br />

gesundheitliche und andere Gefahren entstehen<br />

können. Das ist beim Tennis nicht<br />

der Fall. Tennis ist ein Volkssport, der der<br />

Gesundheit der Menschen dient. Tennisspieler<br />

leben länger, Tennisspieler sind gesünder.<br />

Alexander Zverev steht bei den deutschen Männern über allen,<br />

Angelique Kerber nimmt diese Rolle bei den Frauen ein.<br />

Wie sieht es dahinter aus?<br />

Es gibt eine ganze Menge junger Männer hinter der nationalen<br />

deutschen Spitze. Man kann allerdings nicht eine verfehlte Nachwuchsarbeit,<br />

die zunächst aufgrund fehlender Fördermittel<br />

am Geld gescheitert war, aber auch an der Einstellung der<br />

Verantwortlichen wie auch der Spieler zustande kam, innerhalb<br />

Ein Baby braucht<br />

neun Monate –<br />

ein Tennisspieler<br />

braucht neun Jahre.<br />

Auf wen stützen sich ganz konkret Ihre Hoffnungen?<br />

Ich bin davon überzeugt, dass Rudi Molleker ein hervorragender<br />

Tennisspieler werden kann; Daniel Altmaier wurde ja schon<br />

erwähnt. Wir haben immer noch die Hoffnung, dass Nikola Kuhn<br />

irgendwann nach <strong>Deutschland</strong> zurückkommt. Nikola hat in der<br />

Jugendnationalmannschaft mit Rudi und mit Marvin Möller<br />

Erfolge gefeiert. Und danach kommt eine Menge junger, hungriger<br />

Spieler, allen voran Max Rehberg aus Bayern, der das auch bei der<br />

deutschen Serie gezeigt hat.<br />

Sind junge Spieler durch das aktuelle Rankingsystem, bei dem<br />

Punkte bis zu drei Jahre lang in der Wertung bleiben, benachteiligt?<br />

Corona trifft uns alle: jede Gaststätte, jeden Wirtschaftsbetrieb –<br />

und auch junge Tennisspieler. Es ist natürlich schwierig, durch<br />

die mehrmalige Verlängerung des „Rang listen-Lockdowns“ nach<br />

oben zu kommen. Ich bin davon nicht begeistert, das hätte man<br />

besser regeln müssen. Aber: Wer wirklich gut ist, der schafft es<br />

auch in die erweiterte Weltspitze. Das haben<br />

wir bei Jannik Sinner gesehen, der in sehr<br />

jungem Alter bereits unter den Top 25 steht.<br />

Wie bewerten Sie die Arbeit der großen<br />

Verbände und Turniere im vergangenen Jahr?<br />

Man muss großen Respekt vor der ATP und<br />

den Grand-Slam-Turnieren haben, die in<br />

dieser Zeit das Richtige gemacht haben:<br />

Tennis am Leben zu erhalten. Wenn ein<br />

Event zwei Jahre lang nicht stattfindet,<br />

sind die Sponsoren und das Fernsehen<br />

weg. Da müssen alle Beteiligten Verständnis haben, wenn es zu<br />

Einschränkungen kommt. Trotzdem muss die Balance stimmen:<br />

Wenn es bei einem Turnier wie in Miami, das viele Millionen<br />

verdient, zu Preisgeldreduktionen von 60 Prozent kommt, ist<br />

jedes vernünftige Maß verloren gegangen. Da haben sich im<br />

Hinterzimmer andere Mächte durchgesetzt. In der Sportpolitik<br />

finden manchmal Sachen statt, die es nicht geben sollte. Dieses<br />

Problem hat Tennis aber nicht exklusiv. ●

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