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tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

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FOTOS: GEORGES DE KEERLE/HULTON ARCHIVE/GETTY IMAGES, PROFESSIONAL SPORT/POPPERFOTO/GETTY IMAGES, GARY M. PRIOR/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES, HENRI SZWARC/BONGARTS/GETTY IMAGES, HAMISH BLAIR/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES, CLIVE BRUNSKILL /<br />

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KOSENAMEN ZU DEN AKTEN GELEGT<br />

Als vor zwei Jahren Stefanie Graf ihren 50. Geburtstag feierte,<br />

die zweite überlebensgroße Tennisfigur <strong>Deutschland</strong>s, kam<br />

einem erst so richtig ins Bewusstsein, wie verschwunden und<br />

abwesend die 22-fache Grand-Slam- Gewinnerin doch ist.<br />

Und daran änderte der Feier-Tag auch nicht viel, denn wer<br />

auch immer damals mit Graf reden wollte, bekam von einer<br />

Mitarbeiterin an ihrem neuen Lebens mittelpunkt Las Vegas<br />

zu hören, die Jubilarin sei nicht so der Geburtstagstyp, sie<br />

mache sich nicht viel draus und wolle keine Interviews geben.<br />

Die freundlich abweisende Dame sagte dabei immer wieder<br />

betont „Stefanie“ – dazu muss man wissen, dass die Tennisheldin<br />

selbst größten Wert darauf legt, nicht mehr mit der<br />

Verniedlichungsform „Steffi“ konfrontiert zu werden; dem<br />

Kosenamen, der ihr anderthalb Jahrzehnte über die Tennisplätze<br />

der Welt folgte und den sie partout nicht mehr hören<br />

konnte, als sie am 13. August 1999 ihre großartige Karriere<br />

zu den Akten legte.<br />

Mehr als zwei Jahrzehnte datiert ihr Abschied nun schon<br />

zurück, und wenn sie in ihren aktiven Zeiten oft ein Rätsel war,<br />

oft auch eine Unverstandene außerhalb der Center-Courts,<br />

so ist Graf inzwischen vor allem zu einem regelrechten<br />

Phantom geworden. Das hat mit der großen räumlichen<br />

Distanz von Las Vegas zu ihrer Heimat <strong>Deutschland</strong> zu tun,<br />

aber nicht nur damit – sie ist auch für viele Freunde und<br />

Freundinnen kaum noch greifbar, sie lebt ihr Leben in einem<br />

sehr kleinen, überschaubaren Umfeld und Radius, mit einer<br />

kleinen Gruppe von Menschen. Die neue Familie gehört<br />

dazu, ihre eigene Familie: Ihr Mann Andre Agassi, der<br />

amerikanische Superstar; ihre beiden Kinder Jaden Gil<br />

und Jazz Elle; und auch die alte Familie Graf, Mutter Heidi<br />

vor allem.<br />

Andererseits ist diese Entschleunigung<br />

des eigenen Lebens und<br />

der weitgehende Rückzug aus der<br />

Öffentlichkeit und ins sehr Private<br />

hinein nicht überraschend gekommen<br />

für die, die Grafs Tenniskarriere<br />

erlebten; die all die Verwerfungen,<br />

kleineren und größeren Aufregungen<br />

– den Steuer skandal um ihren Vater<br />

Peter, die ewigen Verletzungen in der<br />

Spätphase, die stets fürsorgliche<br />

Belagerung durch die Medien – mitverfolgten.<br />

Stefanie Graf, die professionelle Athletin, wollte<br />

ja eigentlich immer nur Tennis spielen, nichts sonst.<br />

Öffentlicher Rummel war ihr stets so verhasst wie Pest<br />

und Cholera zusammen.<br />

EINZIGE GEWINNERIN DES GOLDEN SLAM<br />

Alles, was in der Schein- und Kunstwelt des scheinbar<br />

glamourösen Tennisbetriebs neben den Matches inszeniert<br />

wurde, blieb ihr ein Gräuel. Die oft täglichen Pressekonferenzen,<br />

das Herumgereichtwerden von Termin zu<br />

MUTTER HEIDI UND<br />

VATER PETER GRAF<br />

waren vor allem in der<br />

frühen Karrierephase<br />

von Steffi immer dabei.<br />

Graf ging es rein<br />

um den sportlichen<br />

Wettbewerb, Becker<br />

sehnte sich nach<br />

Aufmerksamkeit.<br />

Termin, Verpflichtungen gegenüber Sponsoren: Sie machte<br />

es mit, sie setzte ein Lächeln auf, das man bei näherem<br />

Hinsehen aber nicht mehr als Lächeln identifizieren konnte.<br />

Als man im Herbst 1999 an einem Buchprojekt mit ihr<br />

arbeitete – es sollte um eine Jahreschronik ihrer Karriere<br />

gehen –, sagte sie in einer ruhigen Stunde: „Vieles war schon<br />

eine Last, eine Qual.“<br />

Befreit wirkte Graf immer dann, wenn sie auf den Platz<br />

gehen konnte, dort hatte sie alles selbst im Griff. Sogar wortwörtlich:<br />

Sie siegte und siegte und siegte, holte schon 1988<br />

den Golden Slam (alle vier Top-Turniere in einem Kalenderjahr!),<br />

gewann 22 Majorpokale, stand 377 Wochen an der<br />

Spitze der Weltrangliste. Sie siegte allerdings dann so<br />

oft, dass man es ab einem gewissen Zeitpunkt schon mit<br />

Gleichmut hinnahm. In der Branche<br />

würdigte man vorübergehend nicht<br />

den nächsten Glanzauftritt der<br />

Deutschen, sondern wartete darauf,<br />

dass sie stolpern würde – was indes<br />

selten genug geschah.<br />

Graf war als Typ, als Charakter,<br />

aber eben auch als Profi ja immer ganz<br />

anders als der Mann, dessen Karriere<br />

zeitlich parallel über die Bühne ging;<br />

sie war, ohne es zu wollen, der Gegenentwurf<br />

zu Boris Becker. Der rotblonde<br />

Bursche, der nicht weit von Grafs<br />

Wohnort Brühl aufwuchs, in Leimen nämlich und der sogar<br />

in Jugendzeiten mit Graf trainierte, dieser Becker sehnte<br />

sich nach Aufmerksamkeit, nach Blitzlicht gewitter, nach der<br />

Liebe der Fans. Graf ging es am anderen Ende der Skala rein<br />

um den sportlichen Wettbewerb, um das Duell, sie brauchte<br />

auch da kein Abenteuer, keinen Extra thrill. Das Geld und das<br />

ganze Ballyhoo rund ums Profi tennis waren ihr schlicht egal.<br />

Becker und Graf sind immer verglichen worden. Sie hatten<br />

wenig gemein, aber sie konnten sich nicht entkommen auf<br />

der großen gemeinsamen Tennisbühne … ●

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