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066<br />
Gespräch noch knisternde 500-PS-Bolide draußen vor dem Café<br />
Landtmann. Unsere Themen: das bald danach angenommene<br />
Jobangebot als Davis cup-Kapitän, Thomas Musters Anfänge als<br />
Unternehmer oder die verrückte Nacht nach seinem bis dahin<br />
letzten Profimatch, der Niederlage gegen Nicolas Lapentti in<br />
Roland Garros 1999.<br />
Noch entspannter verläuft Jahre später die „Gegeneinladung“<br />
zu Musters Lieblingswirt im südsteirischen Leibnitz. Dort<br />
schwadroniert ein gereifter Mitvierziger über die Gründe seines<br />
temporären Comebacks, welches er auch<br />
als Feldstudie zum angeblichen Tempo im<br />
modernen Tennis („Früher war es schneller!“)<br />
verstanden wissen will. Er spricht über seine<br />
durch Futterneid getrübte Begeisterung<br />
für den Weinbau, seinen Bezug zu allem<br />
Digitalen oder auch die ideenfeindliche Bürokratie<br />
in Österreichs Politik und Sport. Und er<br />
lässt sich erstmals mit einer Sehhilfe aus der<br />
„Tom’s“-Brillenkollektion ablichten.<br />
OSCARREIF<br />
Am Aschermittwoch<br />
1995 nimmt<br />
Thomas Muster<br />
vom Autor den<br />
Goldenen<br />
Pinguin<br />
entgegen.<br />
ERSTE REIHE FUSSFREI<br />
Selbst mit verbundenen Augen hätte sich Thomas Muster mit<br />
mir auf ein und denselben Tennisplatz stellen können. Etwa beim<br />
Pro-Am-Event im Rahmen der Erste Bank Open, wo ich selbst<br />
noch 2018 in gutmütig vorgetragenen Schlägen dieses gewisse<br />
Extra an Vorwärtsdrall zu spüren bekomme, oder bei einem einst<br />
FAREWELL Nach<br />
dem Out gegen<br />
Dominic Thiem bei<br />
den Erste Bank<br />
Open 2011 ist<br />
endgültig Schluss.<br />
Ich hab geglaubt,<br />
du verstehst zumindest<br />
ein bisserl<br />
was vom Tennis.<br />
zusammen mit Tennisnet-Boss Alex<br />
Antonitsch organisierten Racket-Test.<br />
Dabei drückt mir Muster zum Vergleich<br />
das Werkzeug aus seiner Hochzeit ins<br />
Pratzerl: über 370 Gramm schwer,<br />
bespannt mit an die 40 Kilopond und<br />
einem megadicken und am unteren Ende<br />
mit einem mächtigen Knauf getunten<br />
Griff. Immerhin, beim bereits sechsten<br />
Schlag gelingt es mir, die Kugel damit<br />
übers Netz zu wuchten.<br />
Doch ein Stück weit spektakulärer ist<br />
jene Bilanz, die sich der Sohn von Inge<br />
und Heinz Muster mit dem erwähnten<br />
Schlag-Zeug erkämpft hat. Von vielen<br />
seiner 898 erfassten Profimatches hüte<br />
ich höchst vitale Eindrücke, bei nicht<br />
wenigen war ich live dabei, etwa bei<br />
sämtlichen Davis Cup-Heimspielen ab<br />
1988 inklusive des Thrillers gegen <strong>Deutschland</strong>s Michael<br />
Stich in Unterpremstätten im März 1994 oder vier Jahre davor<br />
eben im Happel-Oval. Klar vor mir habe ich Musters Finalsiege<br />
in Kitzbühel 1993 und in St. Pölten 1994 und 1995, genau<br />
wie die Niederlage im von Kotzen und Krämpfen geprägten Stadthallen-Endgame<br />
gegen den um ein Jahr jüngeren Horst Skoff im<br />
Jahr 1988. Und selbstverständlich ist mir das gegen Michael Chang<br />
letztlich glatt gewonnene Paris-Finale 1995 präsent – selbst wenn<br />
ich dieses zunächst nur bruchstückartig in den Wechselpausen<br />
einer Meisterschaftspartie irgendwo in Niederösterreich auf einem<br />
an den Zaun gerückten Portable-Fernseher verfolgen konnte.<br />
Das für mich beeindruckendste Muster- Match aller Zeiten<br />
steigt aber im Herbst dieses Megajahres 1995 mit satten zwölf<br />
Titeln auf ultraschnellem Teppich im deutschen Essen. Im Semifinale<br />
erledigt Thomas Muster dort das damalige Maß aller Dinge,<br />
den bereits siebenfachen Major-Sieger Pete Sampras, in zwei Sätzen<br />
– eine Partie, die nicht nur mich staunend zurücklässt. Vor allem,<br />
weil der gefürchtete Kämpfer Dinge hervorholt, was nur ganz<br />
wenige im Werkzeugkoffer eines Mannes<br />
vermutet hätten, den man in Frankreich „Le<br />
Bûcheron de Leibnitz“, den Holzfäller aus<br />
Leibnitz, nennt. Nämlich wohldosierte<br />
Return-Chips auf Sampras’ Aufschlagraketen,<br />
gefühlvoll abgeschlossene Netzattacken<br />
und sensationelle Passing-Shots auch von<br />
der Rückhand.<br />
An diesem Abend setzte Thomas Muster ein<br />
weiteres Zeichen und zeigte der Tenniswelt, was<br />
er tatsächlich alles mit links anstellen konnte … ●<br />
PS: Ich persönlich habe Thomas Muster immer vor allem für seine Art<br />
respektiert, Ziele zu definieren, diese dann mit aller Konsequenz<br />
anzustreben und letztlich auch zu erreichen. Wäre cool, wenn der heute<br />
erst 53-Jährige dieses Odeur doch wieder auf einem Tennisplatz verströmen<br />
wollte – idealerweise auf einem mit jungen Österreichern drauf.<br />
FOTOS: PROFESSIONAL SPORT/POPPERFOTO/GETTY IMAGES(2), RENNBAHN-EXPRESS, GEPA PICTURES/INGRID GERENCSER, GEPA PICTURES/WALTER LUGER(2)