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tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

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noch selbst erledigt und konnten sich noch nicht<br />

mit technischen Hilfsmitteln aus der Affäre<br />

ziehen. Am Tennisplatz kommst du einer persönlichen<br />

Auseinandersetzung aber nicht aus – für<br />

mich eindeutig ein weiterer Grund, wa rum sich<br />

die Jüngeren so schwertun, an den dreien vorbeizukommen.<br />

Diese drei Alten können sich wirklich<br />

durchsetzen, da kommt auch verbal viel mehr rüber.<br />

Da spielen Männer gegen noch Jugend liche –<br />

selbst wenn diese schon jenseits der 20 sind.<br />

Früher war man im Profitennis also<br />

selbstständiger?<br />

Ja, allein das Handy macht einen riesigen Unterschied.<br />

Heute hast du auf Tour 15, 20 Mal pro Tag<br />

Kontakt mit daheim. Früher hat’s das nicht gegeben.<br />

Da warst du alleine in Südamerika und hast einmal<br />

in der Woche telefoniert, weil sonst dein<br />

Konto leer gewesen wäre. Auffällig ist zudem,<br />

dass heute viele mit ihren Eltern reisen. Auch<br />

das hat es übrigens bei den Big Three nicht<br />

gegeben. Deren Familien sind früher maximal zu<br />

Grand-Slam-Endspielen gekommen. Insgesamt<br />

bemerke ich, dass es heute viel mehr um dieses<br />

ständige „Wohlfühlen“ geht, andere Erfolgsfaktoren<br />

bleiben dafür oft ungeschult. Für mich<br />

ist Dominic Thiem der technisch beste Tennisspieler,<br />

auch andere wie ein Zverev oder ein<br />

Tsitsipas haben unglaubliche Fähigkeiten und sind tennismäßig<br />

vielleicht schon weiter als die drei Großen im selben Alter. Aber<br />

überall fehlt ein Mosaiksteinchen, damit sich diese Leistungsfähigkeit<br />

auch wirklich in absoluten Top-Ergebnissen niederschlägt.<br />

Das stört mich. Aber die nächste Generation wird es da<br />

möglicherweise leichter haben. Dass etwa ein Jannik Sinner mit<br />

19 schon ganz vorne mitspielen kann, finde ich sehr beachtlich.<br />

Was hat sich im Damentennis in den letzten Jahren getan?<br />

Vor 15, 20 Jahren haben dort Spielerinnen wie die Williams-<br />

Schwestern zu diktieren begonnen, wenngleich für mich Steffi<br />

Graf die beste Tennisspielerin aller Zeiten ist: eine Kombination<br />

aus perfekter Athletik und technisch großartigen Schlägen; ich<br />

denke da an ihre Vorhand und ihren legendären Rückhand-Slice.<br />

Mit ihrem Spiel wäre sie auch einer Serena Williams in Bestform<br />

gefährlich geworden. Grundsätzlich denke ich, dass du im<br />

heutigen Damentennis mit etwas mehr Raffinesse à la Arantxa<br />

Sanchez oder Justine Henin einiges erreichen könntest, weil die<br />

meisten auf dasselbe Spiel setzen.<br />

Die Entwicklung ist also überschaubar?<br />

Tennismäßig ja, aber dafür hat sich sonst enorm viel Positives für<br />

die Damentour getan – man denke an die nun gleichen Preisgelder<br />

und die weltweite Aufmerksamkeit. Wenn man heute nach weiblichen<br />

Weltstars im Sport fragt, fallen den Leuten praktisch nur<br />

mehr Tennisspielerinnen ein. Was mir nicht taugt, ist, dass es sich<br />

Für mich ist<br />

Dominic Thiem<br />

der technisch<br />

beste Tennisspieler.<br />

dann wieder schnell nur mehr ums Drumherum<br />

drehen kann und vor allem darüber diskutiert<br />

wird, ob eine einen Ganzkörperbody anhat,<br />

aber sich niemand überlegt, warum die keinen<br />

Slice kann.<br />

Eine gute Technik zählt zu deinen wichtigsten<br />

Prinzipien. Geht da noch was?<br />

Das glaube ich schon. Das wird sich immer<br />

verbessern. Früher hielt man ein Match<br />

Becker gegen Ivanisevic für fad, weil es extrem<br />

von den schnellen Aufschlägen dominiert war.<br />

Meine Antwort war immer: Man wird sich<br />

an das Tempo gewöhnen und auch diese<br />

Aufschläge retournieren können! Dann ist<br />

Andre Agassi gekommen und hat’s gemacht.<br />

Bis heute lizitieren sich die Besten ständig nach<br />

oben, nur mehr in Nuancen, aber trotzdem.<br />

Letztlich geht es immer darum, wie schnell man<br />

spielen kann und wie schnell man angespielt<br />

werden kann.<br />

Thomas Muster hat in den 1990er-Jahren mit<br />

44 ATP-Titeln zwölf Millionen Dollar Preisgeld<br />

verdient, Dominic Thiem mit 17 Turniersiegen<br />

Stand Mitte April <strong>2021</strong> satte 28 Mil lionen.<br />

Warum diese rasante Entwicklung?<br />

Der wirtschaftliche Anreiz für die guten<br />

Spielerinnen und Spieler ist immer größer geworden, weil diese<br />

extrem zur Popularität der Marken ihrer Sponsoren und jener<br />

der Turniere beitragen. Auch da muss man den Herren Federer<br />

und Co Danke sagen! Die halten seit Jahren das globale Interesse<br />

am Tennis hoch. In Österreich ist deshalb für mich eindeutig<br />

Dominic Thiem der Nummer-eins-Athlet – und als ganzjährig<br />

aktiver Einzelsportler, der es quasi im Alleingang an die Spitze<br />

einer Weltsportart geschafft hat, ist er auch als Werbeträger<br />

besonders interessant.<br />

Hat sich die Klientel in deiner Akademie verändert?<br />

Eigentlich nicht. Mann muss schon sagen, dass aufgrund der<br />

Erfolge von Dominic das Interesse definitiv wieder gewachsen<br />

ist, aber das betrifft mich weniger. Zu mir kommen traditionell<br />

Kinder, die keine „Social-Tennisspieler“ sind, sondern Leistungstennis<br />

spielen wollen; Kinder, in deren Familien der Sport eine<br />

wichtige Rolle spielt – aus allen sozialen Schichten, und in den<br />

letzten Jahren auffällig oft aus Familien mit Migrationshintergrund,<br />

besonders oft Mädchen.<br />

Zum Finale: Kann ein Kind in Österreich heute noch Tennis profi<br />

werden, ohne dass die Eltern reich oder nach kurzer Zeit pleite sind?<br />

Tennis ist natürlich eine teurere Sportart als Fußball – Teamsportarten<br />

sind immer billiger. Aber ich bezweifle, dass es in Österreich<br />

wirklich daran scheitern würde, dass jemand keinen pekuniären<br />

Hintergrund hat. ●<br />

FOTOS: GÜNTER BRESNIK PRIVAT, JÜRGEN SKARWAN, GEPA PICTURES/INGRID GENCSERER, GEPA PICTURES/<br />

DORIS HOEFLER, GEPA PICTURES/MATTHIAS HAUER, ULLSTEIN BILD / KONTRIBUTOR / GETTY IMAGES

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