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verschiedenen Zugängen man zum Erfolg<br />
kommen kann. Und ich konnte von allen meinen<br />
Spielern – die ja aus vielen verschiedenen<br />
Nationen kamen und zum Teil nicht unkomplizierte<br />
Charaktere waren – etwas mitnehmen.<br />
Vor ein paar Tagen hat mich zum Beispiel Jim<br />
Grabb angerufen. Er war als Aufschlag-Volley-<br />
Spezialist Nummer eins im Doppel, Top 20 im<br />
Einzel und Stanford-Absolvent. Er ist heute<br />
derselbe Analytiker wie damals. Andere, wie der Horsti oder<br />
Henri Leconte, hatten einen sehr emotionalen Zugang. Da musst<br />
du als Problemlöser vielseitig sein.<br />
Tennisfreaks diskutieren oft Vergleiche zwischen Stars von einst<br />
und jetzt, spielen durch, wie etwa Roger Federer gegen Björn<br />
Borg ausgegangen wäre. Sinnlos oder reizvoll?<br />
Natürlich großteils sinnlos, aber ich liebe diese Spielchen trotzdem!<br />
So wäre Borg gegen Federer ja eigentlich eine mit ganz viel<br />
neuem Wissen über Athletik und neuem Material durchgespielte<br />
Weiterentwicklung von Borg gegen McEnroe vor 40 Jahren. Fix ist,<br />
dass ganz an der Spitze schon immer nur Platz für ganz wenige<br />
war und die wenigen Superstars einer Generation einen massiven<br />
Konkurrenzkampf unter ihren Nachfolgern ausgelöst haben. Bei<br />
Federer, Nadal und Djokovic ist das aber extrem: Die stehen ihren<br />
jüngeren Konkurrenten seit fast zwei Jahrzehnten im Weg. So wäre<br />
Dominic Thiem vielleicht schon mehrfacher Grand-Slam-Sieger,<br />
wenn ihn speziell die drei nicht schon jahrelang aufhalten würden.<br />
Was waren die ganz großen Veränderungen im Tennissport<br />
in der bisherigen Bresnik-Ära?<br />
Zum Beispiel die Geschwindigkeit im Spiel, die einerseits der<br />
Athletik und andererseits dem Material geschuldet ist. Die Beläge<br />
und die Bälle hingegen hat man ja angeglichen res pektive<br />
verlangsamt, weil es irgendwann zu schnell geworden ist. War<br />
Ivan Lendl Anfang der 1980er-Jahre der Erste, der den damaligen<br />
Stand der Dinge im körperlichen Bereich ausgeschöpft hat, so<br />
ist das heute natürlich gang und gäbe. Dafür ist die taktische<br />
Seite mehr oder weniger weggefallen und es läuft fast nur<br />
DER LEHRER Der Australier Bob<br />
Brett (1953–<strong>2021</strong>) coachte<br />
Boris Becker, Goran Ivanisevic<br />
oder auch Marin Cilic – und<br />
irgendwie auch Günter Bresnik.<br />
mehr über die technischen und körperlichen<br />
Fähigkeiten. Ich behaupte, dass heute in einem<br />
Match mit 200 ausgespielten Punkten 180<br />
nur durch technische Meisterleistungen oder technische<br />
Fehler entschieden werden. Auf die Taktik<br />
kommt es hingegen nur mehr zu allerhöchstens<br />
20 Prozent an.<br />
Technisch ist die Weiterentwicklung<br />
des Topspin-Spiels interessant.<br />
Absolut. Bei Pionieren wie Guillermo Vilas oder auch Björn Borg<br />
sind die Bälle ja anfangs vor allem höher übers Netz geflogen; mit<br />
dem um so viel aggressiveren und schnelleren Spiel von heute hatte<br />
das aber gar nichts zu tun. Rafael Nadal hat das dann auf ein<br />
komplett neues Niveau gehoben. Trotzdem, und obwohl Thomas<br />
Muster und ich nicht die dicksten Freunde sind: Einen Muster in<br />
Höchstform auf Sand gegen den Rafa würde ich mir gern anschauen!<br />
Der Tom war nicht der Allerschnellste, aber wie der seine Leistungen<br />
im Wettkampf steigern konnte, war außergewöhnlich.<br />
Waren die Guten von damals, etwa Becker,<br />
anders als heutige Stars?<br />
Mein erster großer Spieler war eben der Boris. Schon durch das<br />
spezielle Verhältnis zwischen <strong>Deutschland</strong> und Österreich bin ich<br />
da besonders auf dem Prüfstand gestanden. Leichter getan habe<br />
ich mir natürlich, weil wir dieselbe Sprache sprechen – auf Englisch<br />
wäre die Akzeptanz meiner Person sicher niedriger gewesen! (lacht)<br />
Überhaupt ist damals noch das meiste übers Miteinander-Reden<br />
gegangen. Heutzutage spielt sich leider sehr viel nur mehr übers<br />
Handy ab. Ich kann natürlich auch eine Whatsapp-Nachricht<br />
schreiben, aber das liegt mir nicht. Und wenn ich mit einer<br />
Person nur per Mail verkehre, ist mein Gefühl für diesen<br />
Menschen schlechter, als wenn ich ihn persönlich sprechen kann.<br />
Vielleicht auch ein weiterer Vorteil für die Herren Djokovic,<br />
Nadal und Federer?<br />
Meiner Meinung nach ja. Die mussten sich noch persönlich mit<br />
vielen Dingen und Menschen auseinandersetzen, haben vieles<br />
1. Das Medizinerpaar Elvira und<br />
Walter Bresnik mit Sohn Günter und<br />
den Töchtern Ingrid und Karin im<br />
Jahr 1970.<br />
2. Bei der Arbeit in der Akademie<br />
in der Südstadt unweit von Wien:<br />
„Zu mir kommen die Kinder zwecks<br />
Leistungstennis!“<br />
3. Günter Bresnik liebt den Umgang<br />
mit Menschen – auch Diskussionen<br />
mit der Journalistenriege.<br />
4. & 5. Fast 20 Jahre stand man<br />
gemeinsam am Court, 2019 trennte<br />
sich Dominic Thiem dann von<br />
Mentor Bresnik.<br />
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