20.05.2021 Aufrufe

tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

042<br />

einmal über ihre frühen Jahre auf der Juniorinnen-Tour. „Und ich wollte sie besiegen.“ Während<br />

Mari im vergangenen März ihre Karriere beendete, zählt Naomi seit 2018 zu den zehn<br />

besten Spielerinnen der Welt. Schon im Alter von 14 Jahren spielte sie ihr erstes Profiturnier,<br />

vier Jahre später ihr erstes WTA-Finale. 2016 wurde sie zur Newcomerin des Jahres gewählt.<br />

Den letzten Feinschliff holte sich Osaka ausgerechnet von Sascha Bajin, dem langjährigen<br />

Hitting Partner von Serena Williams. Sie verbesserte ihre Beinarbeit, brachte<br />

Sicherheit in ihre Grundschläge, ohne dabei an Offensivgeist einzubüßen. Das Selbstvertrauen<br />

wuchs, Osaka gewann auch große Matches; gleichzeitig stieg ihre Popularität<br />

dank ihrer Authentizität.<br />

SELBSTIRONIE<br />

Als Naomi 2018 das Turnier von Indian Wells gewann, sprach sie danach selbst von der<br />

„schlechtesten Siegerinnenrede aller Zeiten“: Sie bedankte sich zunächst bei den Veranstaltern,<br />

den Sponsoren, dann (ach ja!) bei ihrer Finalgegnerin. Dann ein „Habe ich etwas vergessen?“<br />

Es folgte Dank an ihre Betreuer, den Ausrüster, ihre zwei Sponsoren – „habe ich sonst etwas<br />

vergessen?“ Ihre Schlägerfirma, die Ballkinder, die Fans … „und das war’s, glaube ich“. Die<br />

WTA legte ihr nahe, ein Medientraining zu absolvieren – sie lehnte dankend ab.<br />

Es folgten größere Erfolge und noch kuriosere Ansprachen. Bei ihrem ersten Grand-<br />

Slam-Titel ein halbes Jahr später schlug sie im Finale Serena Williams. Bei der Siegerinnenehrung<br />

buhte das Publikum: Vorangegangen war ein Disput der US-Amerikanerin mit dem<br />

Schiedsrichter, Williams warf diesem Sexismus vor, die Fans in New York standen hinter ihr.<br />

Osaka genierte sich dafür, gewonnen zu haben. Sie hielt sich die Hand vors Gesicht. „Ich<br />

wollte nicht, dass die Leute mich weinen sehen“, sagte sie, denn „das wäre lächerlich.“<br />

Osaka spielte weiterhin lächerlich gut, holte auch den Titel bei den darauf folgenden<br />

Australian Open, wurde zur Nummer eins und stieg dank diverser Sponsorenverträge zur<br />

bestbezahlten Sportlerin der Welt auf. Nach einem durchwachsenen Jahr wechselte sie ihren<br />

Trainer, heute betreut sie der analytische Belgier Wim Fissette.<br />

ERST SCHEU, DANN LAUT<br />

Die Konkurrenz beneidet die 1,80 Meter große Osaka um ihren Aufschlag und ihre Spielintelligenz.<br />

In langen Rallyes sind es nicht nur ihre harten Grundschläge, sondern vor allem<br />

die richtigen Schläge, die ihr den Punkt einbringen. Auf dem Platz gibt sie sich schon lange<br />

wie eine Erwachsene – ihre Schwester vergleicht Naomi aber nach wie vor gerne mit Stewie<br />

Griffin, dem Baby aus der Comicserie „Family Guy“: Im privaten Umgang sei sie ein Genie,<br />

in dem ein kleines Kind schlummere. Sie überrascht mit schlagfertigen Aussagen; man will<br />

zunächst freundlich lachen und merkt erst im Nachhinein, wie überlegt und in die Tiefe<br />

gehend ihre Bemerkungen sind.<br />

Naomi Osaka galt als verschlossene Person, bezeichnete sich als „extrem scheu“. Ihr<br />

Verhältnis zum Trainer war distanziert und professionell. Das soll sich inzwischen geändert<br />

haben, sie sehe es nun nicht mehr als Schwäche, über ihre Emotionen zu reden. „Ich bereue<br />

vieles, bevor ich mich schlafen lege“, sagte sie einmal in einem Interview, „am meisten, wenn<br />

ich es nicht ausspreche, was ich mir denke.“<br />

Heute ist sie lauter denn je, und damit eine Inspiration für unzählige junge Frauen mit<br />

vielseitigem Migrationshintergrund. Zu Beginn der Black-Lives-Matter-Bewegung flog sie<br />

mit ihrem Freund, dem Rapper Cordae Dunston, zu den Protesten nach Minneapolis. Sie<br />

sieht sich als schwarze Frau – daran ändert auch eine Nudelfirma nichts, die sie in einem<br />

Werbe-Cartoon heller zeichnen ließ.<br />

Ihre sieben Masken bei den US Open dienten als Inspiration. Als sie in der Bubble von<br />

New York merkte, welche Reaktionen ihre Aktion hervorrief, sagte sie, sie sei „sprachlos und<br />

sehr emotional“ gewesen. Obwohl das sonst selten vorkomme. Die sieben Namen waren<br />

Breonna Taylor, Elijah McClain, Ahmaud Arbery, Trayvon Martin, George Floyd, Philando<br />

Castile und Tamir Rice. „Es hat mich stärker gemacht. Ich hatte einen größeren Drang, zu<br />

gewinnen, weil ich noch mehr Namen zeigen wollte, und ich wollte noch mehr Menschen<br />

zum Reden bringen.“ ●<br />

SIEBEN MATCHES Sieben<br />

Statements, sieben Siege.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!