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DIE ZVEREV Gute Laune ist im Familienverbund garantiert.<br />
Da stand er, der neue deutsche Tennisheld,<br />
mitten im menschenleeren Arthur<br />
Ashe Stadium. Mit Tränen in den Augen<br />
und brüchiger Stimme. Minuten zuvor<br />
hatte Alexander „Sascha“ Zverev das<br />
US-Open-Finale 2020 gegen Dominic Thiem im Tiebreak<br />
des fünften Satzes verloren und dabei nicht nur eine<br />
Möglichkeit auf den ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere<br />
ausgelassen. Eine 2:0-Satzführung, ein Breakvorsprung im<br />
letzten Durchgang und ein von Krämpfen geplagter Gegner<br />
– all das hatte nicht ausgereicht, um sich den großen Lebenstraum<br />
zu erfüllen. Und so stand Zverev eben da, nach der<br />
bittersten Niederlage seiner Karriere.<br />
Doch der erste Gedanke, er galt nicht der verpassten<br />
Chance: Er galt seinen Eltern, die die Reise nach New York<br />
aufgrund positiver Coronatests nicht mitgemacht hatten.<br />
„Es sind einige wichtige Leute, die heute fehlen. Ich möchte<br />
meinen Eltern danken“, setzte Zverev an, ehe ihn die Gefühle<br />
endgültig übermannten. „Ich vermisse sie. Ich bin sicher,<br />
sie sind zu Hause und bestimmt auch so<br />
stolz auf mich. Und ich hoffe, eines Tages<br />
kann ich die Trophäe nach Hause bringen“,<br />
schloss der Hamburger unter Tränen ab.<br />
UNTERSCHIEDLICHE ROLLEN<br />
FÜR MAMA UND PAPA<br />
Diese Minuten in den USA, sie waren Indiz<br />
dafür, wie dick das Band zwischen Alexander<br />
Zverev und seiner Familie ist. Mutter<br />
Irena, Vater Alexander senior und Bruder Mischa – sie sind<br />
für den Deutschen sowohl privat als auch sportlich die drei<br />
wichtigsten Bezugspersonen. Schon früh entwickelte sich<br />
aus der vierköpfigen Familie ein wahrer Tennisclan: Mischa<br />
zählte zu den besten Junioren <strong>Deutschland</strong>s, in seinem<br />
Windschatten reifte sein um fast zehn Jahre jüngerer Bruder<br />
Alexander heran. Immer mit dabei: Irena und Alexander<br />
Meine Mutter<br />
war immer eine<br />
Inspiration.<br />
senior, die einst selbst beide für die Sowjetunion als<br />
Tennisprofis aktiv waren und sich seit Kindheitstagen auch<br />
um die sportlichen Belange ihrer Kinder kümmern.<br />
Die Rollen der beiden könnten dabei kaum unterschiedlicher<br />
sein. Irena, die oftmals zu nervös ist, um sich<br />
Matches ihrer Söhne anzusehen, gilt im Team als gute Seele.<br />
„Meine Mutter war immer eine Inspiration, hat immer alles<br />
für mich und meinen Bruder getan. Sie hat mich schon in<br />
jungen Jahren trainiert. Sie hat alles getan, um uns zu Tennisspielern<br />
und den Menschen zu machen, die wir heute sind“,<br />
erzählt Sascha Zverev. Alexander senior ist im Training<br />
hingegen der Schleifer und der harte Hund. Doch der 24-Jährige<br />
weiß, was er seinem Vater alles zu verdanken hat: „Er hat<br />
mich zu dem Tennisspieler gemacht, der ich bin.“<br />
SCHWIERIGES VERHÄLTNIS ZU DEUTSCHLAND<br />
Dass dieser Tennisspieler über riesengroßes Talent verfügt,<br />
war Beobachtern der Szene schon früh bewusst – auch<br />
Patricio Apey, der den Hamburger 2012 unter Vertrag nahm.<br />
Das Ziel des chilenischen Managers: Zverev sollte der nächste<br />
globale Superstar werden. Aus diesem Grund verzichtete<br />
Apey auch auf eine Positionierung am deutschen Markt –<br />
ein Umstand, der das Verhältnis zwischen <strong>Deutschland</strong> und<br />
Zverev bis heute belastet. Zwar endete die Zusammen arbeit<br />
mit Apey in einem Rechtsstreit, den der Tennisstar gewann,<br />
bleiben sollte jedoch das Unverständnis, mit welchem man<br />
einigen Entscheidungen Zverevs in seinem Herkunftsland<br />
begegnete. So ließ der Hamburger 2017 beispielsweise<br />
sein Heimturnier am Rothenbaum aus; auch der Verzicht<br />
auf das eine oder andere Daviscup-Duell kam bei seinen<br />
Lands leuten nicht gut an.<br />
Zverev selbst betont jedoch immer wieder, wie viel ihm<br />
seine Heimat bedeutet. „Ich liebe <strong>Deutschland</strong>, ich liebe<br />
Hamburg. Wenn ich irgendwo mein Leben lang sein<br />
könnte, wäre es Hamburg“, erklärte er 2017 gegenüber<br />
der „Süddeutschen Zeitung“. Dass die Familie Zverev<br />
äußerst eng mit <strong>Deutschland</strong> verbunden ist, zeigte sich<br />
auch nach Saschas erstem Titel auf<br />
heimischem Boden: Der ansonsten so<br />
stoische Alexander senior vergoss 2017 in<br />
München bei der Siegerehrung Tränen der<br />
Rührung und Dankbarkeit.<br />
Exakt zwölf Monate später präsentierte<br />
er sich in der bayerischen Hauptstadt gleich<br />
noch einmal ungewohnt emotional. Der Grund<br />
war diesmal aber ein anderer: Nachdem<br />
Alexander senior vom Deutschen Tennis<br />
Bund (DTB) als „Trainer des Jahres 2017“ ausgezeichnet<br />
worden war, griff sein jüngster Sohn zum Mikrofon. „Mein<br />
Vater ist einer der besten Trainer der Geschichte. Für mich<br />
ist er der beste Trainer aller Zeiten. Er hat aus dem Nichts<br />
zwei Söhne in die Top 25 geführt“, trug Alexander Zverev vor.<br />
Das einzige Manko zum damaligen Zeitpunkt: Die<br />
Grand-Slam-Ergebnisse passten noch nicht. Aus diesem