20.05.2021 Aufrufe

tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

036<br />

DIE ZVEREV Gute Laune ist im Familienverbund garantiert.<br />

Da stand er, der neue deutsche Tennisheld,<br />

mitten im menschenleeren Arthur<br />

Ashe Stadium. Mit Tränen in den Augen<br />

und brüchiger Stimme. Minuten zuvor<br />

hatte Alexander „Sascha“ Zverev das<br />

US-Open-Finale 2020 gegen Dominic Thiem im Tiebreak<br />

des fünften Satzes verloren und dabei nicht nur eine<br />

Möglichkeit auf den ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere<br />

ausgelassen. Eine 2:0-Satzführung, ein Breakvorsprung im<br />

letzten Durchgang und ein von Krämpfen geplagter Gegner<br />

– all das hatte nicht ausgereicht, um sich den großen Lebenstraum<br />

zu erfüllen. Und so stand Zverev eben da, nach der<br />

bittersten Niederlage seiner Karriere.<br />

Doch der erste Gedanke, er galt nicht der verpassten<br />

Chance: Er galt seinen Eltern, die die Reise nach New York<br />

aufgrund positiver Coronatests nicht mitgemacht hatten.<br />

„Es sind einige wichtige Leute, die heute fehlen. Ich möchte<br />

meinen Eltern danken“, setzte Zverev an, ehe ihn die Gefühle<br />

endgültig übermannten. „Ich vermisse sie. Ich bin sicher,<br />

sie sind zu Hause und bestimmt auch so<br />

stolz auf mich. Und ich hoffe, eines Tages<br />

kann ich die Trophäe nach Hause bringen“,<br />

schloss der Hamburger unter Tränen ab.<br />

UNTERSCHIEDLICHE ROLLEN<br />

FÜR MAMA UND PAPA<br />

Diese Minuten in den USA, sie waren Indiz<br />

dafür, wie dick das Band zwischen Alexander<br />

Zverev und seiner Familie ist. Mutter<br />

Irena, Vater Alexander senior und Bruder Mischa – sie sind<br />

für den Deutschen sowohl privat als auch sportlich die drei<br />

wichtigsten Bezugspersonen. Schon früh entwickelte sich<br />

aus der vierköpfigen Familie ein wahrer Tennisclan: Mischa<br />

zählte zu den besten Junioren <strong>Deutschland</strong>s, in seinem<br />

Windschatten reifte sein um fast zehn Jahre jüngerer Bruder<br />

Alexander heran. Immer mit dabei: Irena und Alexander<br />

Meine Mutter<br />

war immer eine<br />

Inspiration.<br />

senior, die einst selbst beide für die Sowjetunion als<br />

Tennisprofis aktiv waren und sich seit Kindheitstagen auch<br />

um die sportlichen Belange ihrer Kinder kümmern.<br />

Die Rollen der beiden könnten dabei kaum unterschiedlicher<br />

sein. Irena, die oftmals zu nervös ist, um sich<br />

Matches ihrer Söhne anzusehen, gilt im Team als gute Seele.<br />

„Meine Mutter war immer eine Inspiration, hat immer alles<br />

für mich und meinen Bruder getan. Sie hat mich schon in<br />

jungen Jahren trainiert. Sie hat alles getan, um uns zu Tennisspielern<br />

und den Menschen zu machen, die wir heute sind“,<br />

erzählt Sascha Zverev. Alexander senior ist im Training<br />

hingegen der Schleifer und der harte Hund. Doch der 24-Jährige<br />

weiß, was er seinem Vater alles zu verdanken hat: „Er hat<br />

mich zu dem Tennisspieler gemacht, der ich bin.“<br />

SCHWIERIGES VERHÄLTNIS ZU DEUTSCHLAND<br />

Dass dieser Tennisspieler über riesengroßes Talent verfügt,<br />

war Beobachtern der Szene schon früh bewusst – auch<br />

Patricio Apey, der den Hamburger 2012 unter Vertrag nahm.<br />

Das Ziel des chilenischen Managers: Zverev sollte der nächste<br />

globale Superstar werden. Aus diesem Grund verzichtete<br />

Apey auch auf eine Positionierung am deutschen Markt –<br />

ein Umstand, der das Verhältnis zwischen <strong>Deutschland</strong> und<br />

Zverev bis heute belastet. Zwar endete die Zusammen arbeit<br />

mit Apey in einem Rechtsstreit, den der Tennisstar gewann,<br />

bleiben sollte jedoch das Unverständnis, mit welchem man<br />

einigen Entscheidungen Zverevs in seinem Herkunftsland<br />

begegnete. So ließ der Hamburger 2017 beispielsweise<br />

sein Heimturnier am Rothenbaum aus; auch der Verzicht<br />

auf das eine oder andere Daviscup-Duell kam bei seinen<br />

Lands leuten nicht gut an.<br />

Zverev selbst betont jedoch immer wieder, wie viel ihm<br />

seine Heimat bedeutet. „Ich liebe <strong>Deutschland</strong>, ich liebe<br />

Hamburg. Wenn ich irgendwo mein Leben lang sein<br />

könnte, wäre es Hamburg“, erklärte er 2017 gegenüber<br />

der „Süddeutschen Zeitung“. Dass die Familie Zverev<br />

äußerst eng mit <strong>Deutschland</strong> verbunden ist, zeigte sich<br />

auch nach Saschas erstem Titel auf<br />

heimischem Boden: Der ansonsten so<br />

stoische Alexander senior vergoss 2017 in<br />

München bei der Siegerehrung Tränen der<br />

Rührung und Dankbarkeit.<br />

Exakt zwölf Monate später präsentierte<br />

er sich in der bayerischen Hauptstadt gleich<br />

noch einmal ungewohnt emotional. Der Grund<br />

war diesmal aber ein anderer: Nachdem<br />

Alexander senior vom Deutschen Tennis<br />

Bund (DTB) als „Trainer des Jahres 2017“ ausgezeichnet<br />

worden war, griff sein jüngster Sohn zum Mikrofon. „Mein<br />

Vater ist einer der besten Trainer der Geschichte. Für mich<br />

ist er der beste Trainer aller Zeiten. Er hat aus dem Nichts<br />

zwei Söhne in die Top 25 geführt“, trug Alexander Zverev vor.<br />

Das einzige Manko zum damaligen Zeitpunkt: Die<br />

Grand-Slam-Ergebnisse passten noch nicht. Aus diesem

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!