20.05.2021 Aufrufe

tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

030<br />

scheint seinem Schützling neben guter Laune auch die Lust auf<br />

Edelmetall vermittelt zu haben. Der ursprüngliche Plan, erstmals<br />

2024 in Paris in das olympische Dorf einzuziehen, wurde von<br />

Thiem gekippt, nun soll es schon im Sommer <strong>2021</strong> so weit sein<br />

– Tokio ruft. Wenn schon keine ausländischen Fans, sollte es dort<br />

immerhin den besten österreichischen Tennisspieler zu bestaunen<br />

geben. Und seine gehobenen Ansprüche.<br />

Er fahre als Grand-Slam-Champion<br />

zu jedem Turnier in der Erwartung, es<br />

Nicolas Massu war<br />

dafür verantwortlich,<br />

dass Dominic Thiem<br />

wieder Spaß am<br />

Tennis gefunden hat.<br />

gewinnen zu können. Oder zu müssen?<br />

Dominic Thiem schien sich da vor dem<br />

Turnier in Doha nicht ganz sicher, die<br />

unschöne Niederlage gegen Grigor<br />

Dimitrov bei den Aus tralian Open<br />

bedurfte einige Wochen später wohl<br />

immer noch einer en gültigen Aufarbeitung.<br />

Die erste Phase der laufenden<br />

Saison hat aber auch (und vor allem am<br />

Beispiel Thiem) gezeigt, durch welches<br />

emotionale Wechselbad die Tennisprofis gehen müssen: In<br />

Melbourne startete Thiem nach 14-tägiger Quarantäne in<br />

Adelaide und einem Schaukampf gegen Rafael Nadal<br />

(vor ausverkauftem Haus, wohlgemerkt) als Leader des<br />

österreichischen Teams in den ATP Cup. Die Stimmung<br />

war eher mau, die Leistungen Thiems auch. Vater Wolfgang,<br />

der den Kapitän gab, neigt nicht zum Cheerleadertum. Von<br />

Zuschauern nichts zu sehen. Keine Stimmung, nirgendwo.<br />

Fazit: So macht das keinen Spaß.<br />

TOKIO UND TURIN ALS JAHRESZIELE?<br />

Ein paar Tage später dann eine 180-Grad-Wendung, das<br />

atmosphärisch vielleicht dichteste Tennismatch des ganzen<br />

Jahres, ganz sicher aber bei den Aussie Open <strong>2021</strong>: Thiem<br />

darf vor fast vollen Rängen gegen Lokalmatador<br />

Nick Kyrgios ran, verliert die<br />

ersten beiden Sätze; Gegner und Publikum<br />

pushen sich gegenseitig, nicht ahnend,<br />

dass in Thiem das steckt, was ein ehemaliger<br />

französischer Präsident zu seinem<br />

Leitspruch in einem Wahlkampf gemacht<br />

hat: „La force tranquille“, die stille Kraft.<br />

Und die Kraft als solche überhaupt.<br />

Während Kyrgios, in Coronazeiten nur<br />

Teilzeitprofi und hauptsächlich ein<br />

nimmermüder Mahner seiner Kollegen,<br />

mit jeder Minute an Power verliert, legt<br />

Thiem eher noch zu. Und feiert einen<br />

letztlich, ja, ungefährdeten Sieg. Sachen<br />

gibt’s …<br />

Am gleichen Abend aber wurden die<br />

Fans rechtzeitig vor Mitternacht nach<br />

Hause geschickt, Melbourne ging in einen<br />

fünftägigen Lockdown – see ya later, mate!<br />

Was für Thiem bedeutete: einmal Grigor<br />

Dimitrov im Achtelfinale, bitte, und zwar solo, im aus tralischen<br />

Sommer und ohne Feedback von den billigen Plätzen. Diese<br />

Versuchsanordnung bewältigte der Bulgare deutlich besser,<br />

auch wenn es keiner spielerischen Meisterleistung bedurfte, um<br />

Thiem aus dem Turnier, zurück nach Europa und in eine Phase<br />

des Grübelns zu schicken.<br />

Die Auftritte in Doha und vor allem in<br />

Dubai haben nicht dabei geholfen, diese<br />

Phase zu beenden – obwohl Nicolas Massu<br />

wieder mit im Team war, an der Seite<br />

von Physio Alex Stober, der seit<br />

seinem Dienstantritt gegen Ende 2015<br />

der treueste Begleiter von Dominic<br />

Thiem ist. Aber wer seine Energie auch<br />

von den Rängen bezieht, der konnte in<br />

Doha höchstens noch die von Medizinern<br />

vorgeschriebene Mindestmenge an<br />

Kalorien abgreifen, in Dubai herrschte<br />

tote Hose.<br />

Damit müssen alle Spieler klarkommen, es sei denn,<br />

sie verzichten wie Kyrgios auf Gastspiele, die von einer mehr<br />

oder minder strengen Abschottung der Sportler und von<br />

Einschränkungen für die Fans geprägt sind.<br />

DER JACKPOT<br />

Dominic Thiem wird sich der Herausforderung stellen, vielleicht<br />

ein wenig am Turnierkalender schrauben; auch das eine Lehre<br />

aus den ersten zehn Jahren im professionellen Tenniszirkus. Im<br />

Grunde spielt Thiem seit den vergangenen US Open mit „House<br />

Money“, mit dem Geld der Bank. Alles kann, nichts muss. Thiem<br />

ist Stammgast bei den ATP Finals (und hätte nach anfänglichen<br />

Schwierigkeiten in London zumindest das dort letzte, vielleicht<br />

sogar die beiden jüngsten Austragungen dort für sich entscheiden<br />

müssen) – trotz des Stotterstarts <strong>2021</strong><br />

sollte man ihn für das Saisonfinale auch<br />

in diesem Jahr nicht abschreiben.<br />

Tokio und Turin, die Olympischen<br />

Spiele und das Endspiel der besten acht<br />

Spieler der Saison also, das sind die<br />

lohnenden Ziele für Dominic Thiem in<br />

den kommenden Monaten. Neben der<br />

einen, der größten Aufgabe überhaupt:<br />

Mit einem Sieg gegen Rafael Nadal in<br />

Roland Garros hätte sich die Geschichte<br />

mit dem „House Money“ auch erledigt.<br />

Dominic Thiem hätte dann den Superjackpot<br />

geknackt. Nicht, dass er den<br />

zur Abrundung seiner herausragenden<br />

Karriere noch bräuchte. Aber geil<br />

wär’s schon. ●<br />

RESPEKT Die gegenseitige Achtung zwischen<br />

Rafa und Dominic ist mit den Händen zu greifen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!