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Und jetzt? Ja, es gibt sie noch, die ganz große Aufgabe, die größte<br />
im Tennis, vielleicht im Sport überhaupt: die French Open zu<br />
gewinnen, solange Rafael Nadal noch spielt. Und dabei den<br />
Matador auf seinem ureigensten Terrain zu besiegen. 2009 hat der<br />
Schwede Robin Söderling das geschafft, 2016 Novak Djokovic. Zu<br />
beiden Anlässen war Nadal nicht fit; bei seinen vier Begegnungen<br />
gegen Thiem auf der Pariser Asche schon. Einen von 13 gespielten<br />
Sätzen hat Dominic Thiem im Schatten des Eifelturms gegen<br />
Nadal gewonnen, 2019 im Endspiel. 2014 durfte Thiem in Runde<br />
zwei Lehrgeld bezahlen, 2017 reichte es im Halbfinale auch nur<br />
zu sieben Spielgewinnen, ein Jahr später verkrampfte Nadal zwar<br />
in den Händen, seine Beine und sein Kampfgeist trugen ihn aber<br />
dennoch zum damals elften Triumph am Bois de Boulogne.<br />
FOTOS: GEPA PICTURES/HANS OSTERAUER, GEPA PICTURES/MATTHIAS HAUER, GEPA PICTURES/WALTER LUGER, CAMERON SPENCER/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES, TPN/GETTY IMAGES<br />
SPORT/GETTY IMAGES, CLIVE BRUNSKILL/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES, AL BELLO/GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES(2), MATTHEW STOCKMAN/ GETTY IMAGES SPORT/GETTY IMAGES,<br />
HIER SIND NOCH MEHRERE RECHNUNGEN OFFEN …<br />
… die Dominic Thiem begleichen kann, kein Zweifel. Der mittlerweile<br />
27-Jährige hat die spielerischen Waffen, hat die notwendige<br />
Physis, hat die Erfahrung und – im Gegensatz zu anderen<br />
aufstrebenden Kollegen wie Alexander Zverev, Daniil Medvedev<br />
oder Andrei Rubjlow – auch das Wissen, dass er die beiden besten<br />
Spieler der Welt, Nadal und Novak Djokovic, bei einem Major<br />
bezwingen kann. Noch nicht in einem Finale; mit der<br />
Betonung auf „noch“. Ein derartiger „Signature Win“ ist von der viel<br />
besungenen ersten #NextGen nur Stefanos Tsitsipas geglückt,<br />
zuletzt bei den Australian Open. Aber eben auch nicht, als es um den<br />
Siegerscheck ging, sondern schon im Viertelfinale (gegen Nadal).<br />
FEDERER UND VOR ALLEM AGASSI MUSSTEN WARTEN<br />
Ein Erfolg bei einem der vier größten Turniere kann Kräfte frei<br />
machen. Roger Federer war ein solcher Triumph jahrelang vorhergesagt<br />
worden – dem ersten Grand-Slam-Sieg in Wimbledon<br />
2003 ließ der Schweizer 19 weitere folgen. Andre Agassi<br />
mühte sich auf Asche und Hartplatz redlich, ehe er, für<br />
alle überraschend, 1992 wie aus dem Nichts in Wimbledon<br />
auf Rasen zuschlug. Auch Agassi war danach ein anderer<br />
Tennisspieler, einer, der die für ihn<br />
schwierigste Prüfung bestanden hatte. Und<br />
der zu neuen Abenteuern aufbrach, die<br />
in einem Karriere- Grand-Slam mündeten.<br />
Agassi agierte als globaler Superstar,<br />
als Werbeikone, als Trendsetter, der<br />
sportlich dennoch oft – zu oft, wenn man<br />
seiner äußerst lesenswerten Biografie<br />
„Open“ glaubt – in Pete Sampras seinen<br />
Meister gefunden hat. Die Krux, mit der<br />
die männlichen Tennisprofis seit fast zwei<br />
Dekaden zu kämpfen haben: In diesem<br />
Zeitraum gab es nicht einen Sampras, sondern gleich drei. Federer,<br />
Nadal und Djokovic haben den Kuchen untereinander aufgeteilt,<br />
selten bis nie ist ein Krümel heruntergefallen. Und wenn, dann<br />
waren der oftmals unterschätzte Stan Wawrinka und der eiserne<br />
Andy Murray da, die bei jeweils drei Major- Titeln stehen. Und<br />
stehen bleiben werden – während zumindest bei Djokovic und<br />
Nadal die Aussichten auf weitere ausgesprochen gut sind.<br />
„DAS NÄCHSTE MAL. VIELLEICHT.“<br />
Der Matador und sein größter Herausforderer.<br />
Die Langzeitwirkungen des Erfolgs von Dominic Thiem im<br />
Endspiel der US Open gegen Alexander Zverev – bemerkenswerterweise<br />
ebenfalls nach einem 0:2-Satzrückstand – werden<br />
erst in ein paar Jahren zu bewerten sein. Das New Yorker<br />
Finale war spielerisch gesehen kein Leckerbissen, Thiem meinte<br />
im Anschluss, er sei noch nie so nervös gewesen wie an jenem<br />
Tag. Als ihm Zverev aber in Durchgang drei plötzlich den kleinen<br />
Finger gereicht hat, so wie Thiem weiland del Potro, da hat<br />
Österreichs Sportler des Jahres 2020 zugepackt. Mit Verve. Und<br />
mit einem Killerinstinkt, der auch für künftige Treffen mit eben<br />
einem Rafael Nadal in Paris hoffen lässt.<br />
DOMINIC THIEM MUSS SICH WOHLFÜHLEN<br />
Für ein Dacapo, also für einen zweiten Grand-Slam-Titel und ergo<br />
das Überholen von Thomas Muster zumindest in dieser Hinsicht,<br />
müssen bei Dominic Thiem viele Dinge<br />
stimmen. Am allermeisten wohl seine<br />
Stimmung. Coach Nicolas Massu, der<br />
Ein „Signature Win“ ist<br />
außer Thiem bei einem<br />
Grand-Slam-Turnier aus<br />
der #NextGen nur Stefanos<br />
Tsitsipas geglückt.<br />
Anfang 2019 zunächst als Tour-Coach<br />
einsprang und dann plötzlich Günter<br />
Bresnik als Cheftrainer ersetzte, durfte<br />
die Reise zu den Australian Open in<br />
diesem Jahr nicht mitmachen, einem<br />
positiven Covid-19-Test geschuldet.<br />
Massu, so heißt es, war dafür<br />
verantwortlich, dass Dominic Thiem<br />
plötzlich wieder den Spaß am Tennis<br />
entdeckt hat. Der bis dahin größte Coup, der Turniersieg in<br />
Indian Wells wenige Tage nach der Inauguration Massus, hat dem<br />
Verhältnis Thiems zu seinem chilenischen Übungsleiter einen Schub<br />
gegeben, den man ohne Übertreibung als Kickstart beschreiben<br />
kann. Mit Anlauf.<br />
Massu, der 2004 in Athen im Einzel und mit Fernando<br />
Gonzalez im Doppel zwei olympische Goldmedaillen geholt hat,