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tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

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Herr Lehrner, Sie bespannen seit 45 Jahren Tennisschläger.<br />

Was war der kurioseste Schläger, den<br />

Sie in dieser Zeit besaitet haben?<br />

Da fällt mir auf jeden Fall der Wilson T2000 von<br />

Jimmy Connors ein. Das war der Rahmen, der<br />

sicherlich am schwierigsten zu bespannen war. Den konnte man<br />

ohne Anleitung nicht bespannen, das war schon so etwas wie die<br />

Meisterprüfung. Ebenfalls kurios war die doppelseitige Spaghetti-<br />

Bespannung, bei der bei den Längssaiten immer zwei Saiten durchgezogen<br />

und nur wenige Quersaiten verwendet wurden. Das hat dazu<br />

geführt, dass die Längssaiten auf der Quersaite enorm gearbeitet haben<br />

und gerutscht sind und so dem Ball einen wahnsinnigen Drall<br />

gegeben haben. Das war damals auch ein Grund, warum Guillermo<br />

Vilas nach 53 Siegen auf Sand gegen Ilie Nastase verloren hat. Der hat<br />

nämlich mit dieser Bespannung gespielt. Im Endeffekt hat das dann<br />

dazu geführt, dass der Verband begonnen hat, das Saitengeflecht zu<br />

reglementieren.<br />

Wenn Sie zurückblicken: Wieso haben Sie sich für die Profession als<br />

Besaiter entschieden?<br />

Ich war immer ein Materialfetischist, mir ging es in meiner kurzen<br />

aktiven Zeit immer darum, dass die Schläger gleich waren, dass die<br />

Bespannung gut war. Ich bin etwa 1971 zur Orange Bowl gefahren,<br />

hatte damals einen Vertrag mit Slazenger, und wir haben<br />

aus 50 Holzschlägern mit gleicher Griffstärke nur fünf<br />

gefunden, die gleich schwer waren und den gleichen<br />

Balancepunkt hatten. Ich habe das nämlich einfach<br />

gespürt, wenn mir ein Schläger gerissen ist und der<br />

nächste etwas anders war. Das hat mich irritiert, da<br />

habe ich immer ein bis zwei Games gebraucht, um<br />

mich daran zu gewöhnen. Wenn das dann aber in<br />

einer entscheidenden Phase ist, macht dich das als<br />

Spieler nervös.<br />

EIN MANN UND SEIN<br />

LIEBSTES WERKZEUG<br />

Der junge Jimmy Connors.<br />

In der Vergangenheit wurde ja durchaus hart<br />

bespannt, wenn man an Thomas Muster mit angeblich<br />

bis zu 39 Kilo denkt. Sie waren der Servicemann von<br />

Muster – wenn das jemand wissen muss, dann Sie.<br />

Als ich Tom 1986 als jungen Spieler kennengelernt habe,<br />

hat er nur Naturdarm gespielt. Irgendwann kam dann aber<br />

die Firma Isospeed – das Problem mit dieser Saite war, dass<br />

sie innerhalb von vier, fünf Stunden rund 20 Prozent an Gewicht<br />

verloren hat. Das heißt, man musste sie bespannen und gleich spielen.<br />

Im Endeffekt haben wir die Schläger, wenn ich vor Ort war, mit 38<br />

Kilo bespannt. Pete Sampras zum Beispiel hat seinen Pro Staff, der<br />

von der Fläche her kleiner war, mit einer dünnen 1,20er-Naturdarmsaite<br />

auch mit 33 Kilo bespannt. Das war eigentlich sogar fast härter<br />

als bei Tom. Und auch ein gewisser Björn Borg hat in seinen Holzschlägern<br />

Naturdarm mit 30 Kilo bespannt. Da gibt es die berühmten<br />

Geschichten, dass sein Trainer Lennart Bergelin in der Nacht neben<br />

ihm aufgewacht ist, weil es einen furchtbaren Knall gegeben hat,<br />

weil die Saiten ohne Zutun gerissen sind. Oder Andre Agassi, bei<br />

dem ich erstmals die Darm-Kunst-Mischung gesehen habe, als ich<br />

1994 in Wien für ihn bespannen durfte. Der hat eine komplett steife<br />

SAGENUMWOBEN<br />

Sicherlich nicht für<br />

jeden Spieler<br />

geeignet, der<br />

Wilson T2000.

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