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tennisnetMAGAZIN 2021 Deutschland

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DIETER KINDLMANN hat es als Profi knapp<br />

an die Top 100 der ATP-Weltrangliste<br />

geschafft. Der Deutsche war danach Teil<br />

des Betreuerteams von Maria Sharapova<br />

(Bild) und Coach von Madison Keys, Elise<br />

Mertens, Anastasia Pavlyuchenkova und<br />

Angelique Kerber.<br />

„Eine ganz<br />

andere<br />

Mentalität“<br />

Herr Kindlmann, die Spitzenspieler reisen längst<br />

mit einem ganzen Hofstaat zu den Turnieren<br />

an. Ist das eine Entwicklung, die sich auch<br />

schon zu ihrer aktiven Zeit abgezeichnet hat?<br />

Na ja – das lässt sich in meinem Fall schwer<br />

vergleichen, weil ich ja meilenweit vom Niveau eines Federer<br />

oder Nadal entfernt war. Bei mir war es eine Frage der finanziellen<br />

Mittel. Ich war froh, wenn ich meinen Trainer finanzieren und<br />

damit wenigstens eine Person dabeihaben konnte. In meiner<br />

späteren Phase hatte ich dann ab und zu einen Physio dabei, weil<br />

ich öfter verletzt war.<br />

Verdienen Coaches denn so gut, dass man sie sich als Spieler so<br />

um die Position 100 nicht leisten kann?<br />

Das Problem sind nicht die Gehälter, es sind die Spesen: das<br />

Hotel, das Essen, die Flüge. Das geht extrem ins Geld. Das darf<br />

man bei den Tennisspielern nicht vergessen.<br />

Die meisten Turniere stellen einen oder mehrere Physiotherapeuten<br />

für die Spieler ab. Reicht diese Betreuung<br />

aus Ihrer Sicht?<br />

Der Tennissport wird physisch immer anspruchsvoller. Die meisten<br />

Matches sind sehr intensiv. Da ergibt es natürlich Sinn, sich einen<br />

eigenen Physio zu nehmen. Die ATP und die WTA bieten zwar<br />

Physiotherapeuten an, aber es geht ja immer darum: Wenn man<br />

zu einem Turnier kommt, kennt einen der dortige Physio nicht<br />

– wenn man einen eigenen hat, weiß der, was man braucht, und<br />

kann die Behandlung jederzeit durchführen. Bei Turnier physios<br />

gibt es eine Liste, in die man sich eintragen muss, und wenn diese<br />

voll ist, hat man keine Chance auf Behandlung.<br />

Sie waren vor ein paar Jahren Teil eines sehr großen Teams,<br />

jenem von Maria Sharapova. Wer macht dort die Ansagen?<br />

In der Regel sollte das der Spieler oder die Spielerin tun. Aber<br />

oft ist es gerade bei den Frauen so, dass der Agent dieses Team<br />

zusammenstellt; auch, weil es für die Athleten schwierig ist, in<br />

jedem Bereich Fachleute zu kennen und sich eine perfekte<br />

Mannschaft zu basteln. Da hört eine Spielerin in jüngeren Jahren<br />

oft auf die Eltern oder den Manager. Wenn man dann Erfahrungen<br />

gesammelt hat, ändern sich auch die Entscheidungsmechanismen.<br />

Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Tennisverbände? Sie haben<br />

mit Madison Keys gearbeitet, die von der USTA unterstützt wurde.<br />

Im konkreten Fall hatten wir die ganze Zeit einen regen Austausch<br />

mit dem Verband, und das ist auch extrem wichtig, weil gerade<br />

die USTA unheimlich viele Ressourcen hat, auf die man<br />

zurückgreifen kann. Uns hat der Verband etwa eine Datenbank<br />

über die Spielerinnen auf der WTA-Tour zur Verfügung gestellt.<br />

Normalerweise muss man für dieses Scouting bezahlen.<br />

Der größte Unterschied zwischen den Männern und den Frauen<br />

ist wohl, dass Letztere oft einen Hitting Partner mit auf die Reise<br />

nehmen. Sie selbst haben damit auch Erfahrungen gemacht.<br />

Welche Anforderungen hat ein Hitting Partner zu erfüllen?<br />

Es ist sehr schwierig, dass Frauen tagtäglich perfekt miteinander<br />

trainieren können. Hitting Partner können sich unterordnen,<br />

können sich anpassen, können Trainingsformen durchziehen, die<br />

die Spielerin verlangt. Bei den Männern ist das ganz anders: Ein<br />

Federer spielt mit einem Nadal, ein Zverev trainiert die ganze Zeit<br />

mit einem Thiem. Das ist einfach eine ganz andere Mentalität.<br />

Und spielerisch muss der Hitting Partner alles draufhaben?<br />

In den professionellen Teams schon. Ich erinnere mich, dass wir<br />

den starken Spin der Vorhand von Sara Errani simuliert haben.<br />

Heutzutage geht der Trend aber auch dahin, dass viele Spitzenspielerinnen<br />

eher jüngere Coaches haben, mit denen sie sich<br />

einschlagen und auch trainieren können. Das wird natürlich<br />

schwierig, wenn man 50 Jahre alt ist …<br />

Corona hat auch den Tenniszirkus nicht verschont.<br />

Wie sieht Ihr Ausblick für die nähere Zukunft aus?<br />

Ich mache mir keine Sorgen um die Topspieler und die Top trainer<br />

– sehr wohl aber um den Nachwuchs und deren Betreuer. Es ist<br />

aktuell sehr schwer, Fuß zu fassen. ●<br />

FOTOS: CLIVE BRUNSKILL / STAFF / GETTY IMAGES SPORT / GETTY IMAGES EUROPE

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