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Kurier zum Sonntag 20/2021

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15.5.2021 |Nummer 20 DIE WOCHE IM VEST

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Corona-Zahlen mitHilfeder

Mathematik vorhersagen?

VEST. Professor Thorsten Lehr istvon Simulationen überzeugt.SeineZahlenenthalten fürden Kreis

Recklinghausen überraschendePrognosen. Die Ausgangssperre im Kreis könnte schonEnde Mai fallen.

VonBernd Turowski

Wann fällt die

Ausgangssperre

im Kreisgebiet

und welchen

Prognosen kann man überhaupt

noch glauben? Den

Aussagen von Politikern, Virologen,

dem eigenen Gefühl

oder gar der Mathematik?

Letztere ist immerhin

frei von Hoffnungen und

Sehnsüchten. Allein Fakten

und Daten zählen. Darauf

setzen Professor Dr. Thorsten

Lehr und sein Forscherteam

von der Universität

des Saarlandes. Nach mehrmonatiger

Arbeit haben sie

ein statistisches Modell zur

Berechnung des Infektionsverlaufes

auf die Beine gestellt,

in dem auch die Daten

für den Kreis Recklinghausen

erfasst sind. Glaubt

man der Statistik, könnten

bereits in zwei Wochen

weitreichende Lockerungen

im Kreis Wirklichkeit werden.

Schon beim ersten Aufkeimen

der Pandemie, im

Frühjahr 2020, starteten die

Saarbrücker Forscher mit

der Entwicklung ihrer Simulation.

Ziel war es, den

weiteren Verlauf der Infektionen

mit Krankenhausbelegung

und Beatmungspatienten

vorherzusagen, umden

Verantwortlichen wichtige

Entscheidungshilfen an die

Hand zugeben. Ganz nebenbei

wollte man auch einer

breiten Öffentlichkeit das

Pandemie-Verständnis näherbringen.

Ergebnis der intensiven

Entwicklungsarbeit ist der

Online-Simulator „CoSim“,

der anhand eines mathematischen

Modells das Infektionsgeschehen

simuliert. Dazu

benötigt erallerdings eine

Menge aktueller Daten,

die wöchentlich eingepflegt

werden. Daraus generiert

der Simulator anschließend

Vorhersagen für Bundesländer,

Kreise und Städte.

Dennoch gibt es Unwägbarkeiten,

wie die vor Ostern

noch prognostizierten

„Horror-Inzidenzen“ von

weit über 300 zeigten. „Ich

habe die sehr hohen Zahlen

ThorstenLehr, Saarbrücker Pharmazie-Professor,präsentierthierdie an seinemLehrstuhl

entwickelteCorona-Simulation.

nie für realistisch gehalten,

weil oft ein Selbstbremseffekt

nicht mit einmodelliert

wurde, der eintritt, wenn

die Leute hören, was die

Stunde geschlagen hat“, erläuterte

dazu SPD-Gesundheitsexperte

Karl Lauterbach.

Inzidenzunter 100 erst ab

dem22. MaiimKreis?

Aber genau solche Erfahrungen

fließen ständig in

den Online-Simulator ein:

Aufgrund der aktuell positiven

Entwicklung wurde

„CoSim“ erst inden letzten

Tagen auf ein stark überarbeitetes

und verbessertes

Modell umgestellt, bei dem

Alters- und Geschlechtsstruktur

der Infizierten, die

Verbreitung bestimmter

Mutationen, Testanzahl und

Positivrate als Einflussfaktoren

berücksichtigt werden.

Was aber sagt die Simulation

nun inBezug auf den

Kreis Recklinghausen aus?

Beinahe ebenso schnell, wie

die Inzidenz imKreis Richtung

200 marschiert ist,

sank sie inden vergangenen

Tagen wieder ab. Das weckt

sHoffnungen auf einen

ebenso schnellen Rückgang

in Richtung „Inzidenz 100“.

Die aber lässt laut Saarbrücker

Simulation noch

mehr als zwei Wochen auf

sich warten. Laut „CoSim“-

Datensatz vom 5. Mai wird

die „100“ imKreis erst am

22. Mai unterschritten. Weitere

fünf aufeinanderfolgende

Tage mit Werten unter

„100“ müssten zudem verstreichen,

ehe die harten Beschränkungen

fallen könnten

–also frühestens am 27.

oder 28. Mai.

Schaut man auf die Liste

der möglichen Erleichterungen,

ist das durchaus verlockend:

So wären wieder

Treffen von zwei Haushalten

mit maximal fünf Personen

erlaubt. Auch die

nächtliche Ausgangssperre

von 22bis 5Uhr könnte entfallen.

Ladengeschäfte dürften

mit vorheriger Terminbuchung

und FFP2-Maskenpflicht

öffnen. Beim Friseur

und bei der Fußpflege entfiele

die Vorlage eines negativen

Schnelltests. Mit einigen

Einschränkungen wäre

auch wieder kontaktfreier

Sport möglich.

Mit ursächlich für den

Rückgang der Zahlen ist

nach Angaben der Saarbrücker

Forscher bereits jetzt

die „Bundesnotbremse“,

und auch erste Einflüsse

durch die Impfungen wurden

festgestellt. Bei aller Euphorie

gibt es dennoch weiterhin

Grund zur Sorge:

Durch die Lockerungen, so

befürchtet das Team von

Professor Lehr, käme es im

Juni nur noch zueinem gebremsten

Abfall, bei dem

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sich die 7-Tage-Inzidenz auf

einem Niveau zwischen 50

und 100 einpendeln würde.

Das genaue Ausmaß hinge

aber letztlich vom Verhalten

der Bevölkerung ab.

Weitaus optimistischer ist

in dieser Hinsicht ausgerechnet

SPD-Gesundheitspolitiker

Karl Lauterbach, der

sich zuletzt nicht gerade als

Überbringer optimistischer

Prognosen hervortat: „So

wie die Werte exponentiell

gestiegen sind, fallen sie

auch wieder exponentiell.“

Dabei spiele auch der Ende

Mai erreichte Impffortschritt

von 30 bis 40 Prozent

der Bevölkerung eine

Rolle. Das hätten Erfahrungen

und Studien aus Israel

gezeigt. Daher appelliert er,

noch bis Ende Mai Zurückhaltung

zu üben.

Zurück zur aktuellen Simulation

für den Kreis: Gibt es

keine Lockerungen, würde

hier eine 7-Tage-Inzidenz

von unter 50schon am12.

Juni erreicht. Gut vier Wochen

später, am11. Juli, wäre

der Wert sogar nur noch

einstellig und Ende Juli hätten

dann die Inzidenzzahlen

kaum noch Relevanz. Ein

Hoffnungsschimmer, nach

über einem Jahr Pandemie.

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