Kurier zum Sonntag 20/2021
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15.5.2021 |Nummer 20 DIE WOCHE IN RECKLINGHAUSEN
3
„Ja, ich habeeinen
Knochenjob, aber...“
RECKLINGHAUSEN. Nils Metschulatmacht eineAusbildungzum Gesundheits- und Krankenpfleger.
Er hatseinen Traumberuf gefunden.
VonTinaBrambrink
Er wollte „etwas Sinnvolles“
machen, einen
Job, der ihn „bereichert“,
bei dem er
„mit Menschen kommunizieren
kann“. Nach einem
halbjährigen Praktikum
stand für den ehemaligen
Herwig-Blankertz-Kollegschüler
Nils Metschulat der
Berufswunsch fest. Im August
2018 begann der 21-
Jährige seine Ausbildung
zum Gesundheits- und
Krankenpfleger am Prosper-Hospital.
Schon als Praktikant war
der junge Mann auf der Geriatrie-Station
im Einsatz,
hat dort die Pflege inihrer
reinsten Form kennengelernt.
„Ich mache hilflose
Menschen sauber, das gehört
dazu, auch Blut muss
man sehen können und das
Leiden der Patienten aushalten.“
Heute ist Nils Metschulat
im dritten Lehrjahr, als Auszubildender
rotiert er durch
alle Stationen im Haus, hat
ein Faible für die Intensivstation.
Bereut hat er seine
Entscheidung nie. Der
Schichtdienst sei fordernd,
das Tagespensum oft
enorm, die Arbeit körperlich
und psychisch belastend.
Gerade jetzt inder Corona-Pandemie.
„Überfordert
fühle ich mich trotzdem
nie. Man muss seine
Grenzen kennen.“
Prosper-Azubi NilsMetschulat(21) und seine PraxisanleiterinLydia Wolf (61).
Als Praxisanleiterin steht
ihm Lydia Wolf im hektischen
Stationsalltag zur Seite.
„Ich sehe mich als helfende
Hand, gebe Tipps, versuche
Stärken zu fördern,
mit den Ausbildenden an
Schwächen zu arbeiten.“
Die 61-Jährige ist seit 1994
im Pflegebereich tätig. Sie
Anforderungen sindenorm gestiegen
Allein 400 Bewerbungen
sind in diesem Jahr schon
auf seinem Schreibtisch gelandet.
„Der Run auf die
Krankenpflegeschulen hält
ungebrochen an“, freut sich
Frank Huismann (kl. Foto).
Allerdings habe sich die
Qualität der Bewerber verändert,
der Pflegedirektor
des Stiftungsklinikums Proselis
muss viele, die auf einen
Ausbildungsplatz in der
Pflege hoffen, enttäuschen.
„Die Anforderungen sind
gestiegen, der Medizinfortschritt
hat sich genau wie
der pflegewissenschaftliche
Bereich
verändert.“
kam als junge Ingenieurin
aus Kasachstan nach
Deutschland, musste umschulen
und war damals
sehr skeptisch. Heute möchte
sie keinen anderen Beruf
haben. „Das ist ein Job für
die eigene Seele, ich gehe
abends zufrieden nach Hause.
Die Menschen sind dankbar
für die Hilfe.“ Die Zeit,
als Personal abgebaut und
die Arbeit immer mehr wurde,
sei gottlob vorbei. Auch
die öffentliche Wertschätzung
für den Pflegeberuf sei
durch Corona gewachsen.
„Das muss sich noch festigen“,
ist Nils Metschulat
überzeugt. Er sehe sich
Runauf Krankenpflegeschulenungebrochen. Abbrecher-Quote liegt bei gut 20 Prozent.
Ein Mindestalter
von 18Jahren
und ein
mittlerer
Bildungsabschnitt
gehören zu
den Grundvoraussetzungen.
Rund 20bis 25 Prozent
halten den körperlichen
und psychischen Belastungen
nicht stand und brechen
ihre Ausbildung frühzeitig
ab. „Deshalb raten wir
zum Reinschnuppern zu einem
Praktikum.“ Auch ein
Kurzpraktikum sei normalerweise
möglich, allerdings
nicht in der medizinisch angespannten
Corona-Zeit.
Dreimal im Jahr starten
bei Proselis neue Ausbildungskurse.
Vor zwei Jahren
wurde die Zahl der Auszubildenden
von 150 auf
175 aufgestockt. Anders als
früher wird fast jeder übernommen.
„Leider verlieren
wir immer Abiturienten, die
nach der Ausbildung Medizin
studieren“, so Huismann.
Mit Blick auf den Pflege-
Notstand gehe es darum, die
Pflege inZukunft neu zu erfinden.
Auch finanziell
müsse der Beruf attraktiver
werden. Der Deutsche Berufsverband
für Pflegeberufe
fordert ein Monatsgehalt
von 4000 Euro brutto nach
dem Examen.
FOTO:PROSELIS
nicht als Held oder Retter.
Aber während die Vergütung
in der Ausbildung sehr
gut sei, müsse das Gehalt
danach den gestiegenen Anforderungen
angepasst werden.
Die Corona-Zeit sei für
die Kranken sehr belastend,
die Mehrarbeit durch
Schutzmaßnahmen koste
Zeit, die er lieber für seine
Patienten hätte. Dass das
Zwischenmenschliche gerade
in dieser schwierigen
Pandemie-Phase wichtiger
denn jeist, hat der empathische
junge Mann nicht erst
bei seiner Praxisanleiterin
gelernt. Sei es, dass ein Patient
mit Angehörigen telefonieren
möchte oder sich
einsam fühlt und tröstende
Worte braucht. Eine Beziehung
zu den Menschen aufzubauen,
die er pflegt, ist
das oberste Ziel des 21-Jährigen.
„Der Moment, wenn
Angst und Misstrauen verschwinden,
ich die Patienten
knacke und ihr Vertrauen
gewinne, ist für mich das
Größte. Dieses Gefühl entschädigt
für alles andere.“