Ausgabe Nr. 1 / 2011 - St. Vincenz Krankenhaus Limburg
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Anschaulich erklärte der Chefarzt der Neurologie Dr. Christoph Oberwittler,<br />
welche Faktoren einen epileptischen Anfall auslösen können.<br />
„Als epileptischen Anfall bezeichnet man<br />
die plötzliche, zeitlich begrenzte, rhythmische<br />
und gleichzeitige (synchrone)<br />
Entladung eines Nervenzellverbandes<br />
oder des gesamten Gehirnes“, erklärte Dr.<br />
Oberwittler. „Von Epilepsie spricht man<br />
allerdings erst, wenn wiederholte, zumeist<br />
unprovozierte, epileptische Anfälle aufgetreten<br />
sind.“ Die Ursachen seien weitgehend<br />
unbekannt. Genetische Einflüsse<br />
spielten eine Rolle.<br />
Anschaulich erklärte der Neurologe die Zusammenhänge<br />
und Mechanismen im Gehirn,<br />
wo erregende und hemmende Synapsen<br />
Impulse freisetzen und dadurch für ein<br />
bestimmtes Spannungsverhältnis sorgen.<br />
Wenn dieses Gleichgewicht durch einen<br />
Impuls gestört wird, kommt es zum Anfall,<br />
das heißt der Betroffene verkrampft,<br />
es kommt zu Bewusstseinsveränderungen,<br />
Kribbeln – je nachdem, welche Areale im<br />
Gehirn betroffen sind. Und das kann prinzipiell<br />
in jedem Gehirn passieren, wenn<br />
starke Auslösefaktoren vorhanden sind.<br />
Auch der Fieberkrampf bei Kindern sei<br />
nichts anderes als ein epileptischer Anfall,<br />
so Christoph Oberwittler.<br />
Man unterscheide generalisierte und fokale,<br />
das heißt partielle, Anfälle. Generalisierte<br />
Anfälle betreffen das gesamte Gehirn,<br />
während bei fokalen nur bestimmte<br />
Hirnregionen betroffen sind. Anhand von<br />
Filmen zeigte der Mediziner verschiedenartige<br />
Verläufe von Anfällen, auch einen<br />
Fall des „Grand Mal“. Ein Mädchen litt unter<br />
so genannten Absencen, kleine Anfälle<br />
(„Petit Mal“), bei denen sie fünf bis zehn<br />
Sekunden lang abwesend war. Sie hatte bis<br />
zu hundert Anfälle pro Tag. Ein anderer<br />
Patient hatte so genannte Dämmerattakken.<br />
Deutlich wurde hierbei insbesondere,<br />
dass epileptische Anfälle sich ganz unterschiedlich<br />
darstellen können. Gemeinsam<br />
ist allen Formen, dass der Patient nicht<br />
ansprechbar ist, das Ereignis spontan und<br />
ohne erkennbare Ursache auftritt.<br />
„Als epileptischen Anfall<br />
bezeichnet man die<br />
plötzliche, zeitlich begrenzte,<br />
rhythmische und<br />
gleichzeitige (synchrone)<br />
Entladung eines Nervenzellverbandes<br />
oder des<br />
gesamten Gehirnes.“<br />
Manche Menschen erlebten einen provozierten<br />
Anfall. Als Auslösefaktoren<br />
kommen in Betracht: Unterzuckerung,<br />
Schlafmangel, Alkoholkonsum, Alkohol-<br />
oder Medikamentenentzug, Narkoseausleitung,<br />
Flickerlicht. Die Diagnose wird<br />
mittels Elektroenzephalogramm (EEG) erstellt,<br />
die Therapie medikamentös durchgeführt.<br />
Bei etwa 70 Prozent der Patienten<br />
kann so eine vollständige Anfallsfreiheit<br />
erzielt werden, bei den verbleibenden Patienten<br />
können die Anfälle deutlich reduziert<br />
werden. Die Dosierung müsse vorsichtig<br />
erfolgen, da plötzliches Absetzen<br />
von Medikamenten ebenfalls einen Anfall<br />
provozieren könne. Ausdrücklich wies Dr.<br />
Christoph Oberwittler darauf hin, dass jemand,<br />
der einen epileptischen Anfall erlitten<br />
hat, kein Fahrzeug führen darf. Wie<br />
lange dieses Fahrverbot gilt, hängt von<br />
der Art des Anfalls ab. Sie reicht von drei<br />
Monaten Anfallsfreiheit nach einem einmaligen<br />
Ereignis bis hin zu drei Jahren.<br />
Viele Besucher suchten nach dem Vortrag<br />
das Gespräch mit dem Neurologen.<br />
Aktuell < VIA < 11<br />
Erste Hilfe<br />
bei epileptischen Anfällen<br />
Wenn es zu einem Anfall kommt, sollte<br />
man unbedingt darauf achten, dass der<br />
Betroffene sich nicht verletzt. Deshalb<br />
muss er sofort aus einer eventuellen<br />
Gefahrenzone wie <strong>St</strong>raßenverkehr oder<br />
Wasser, gebracht werden. Eine weiche<br />
Unterlage schützt den Kopf vor Verletzungen.<br />
Keine Gegenstände in den Mund<br />
schieben - Verletzungsgefahr! Die den<br />
Anfall begleitenden Bewegungen sollten<br />
nicht durch Festhalten unterdrückt werden.<br />
Wenn der Anfall vorüber ist, sollte<br />
man den Betroffenen auf die Seite legen,<br />
um die Atemwege frei zu halten. Außerdem<br />
sollte man bei ihm bleiben, bis er<br />
vollständig erwacht ist. Wenn ein Anfall<br />
länger als fünf Minuten dauert oder der<br />
Betroffene zwischen einzelnen Anfällen<br />
nicht zu sich kommt, muss umgehend<br />
der Notarzt gerufen werden.<br />
Aus der Geschichte<br />
der Epilepsie<br />
Epilepsie, früher oft auch als Fallsucht<br />
oder Veitstanz bezeichnet, ist eine der<br />
ältesten und eine der bekanntesten<br />
chronischen Erkrankungen. Sie lässt<br />
sich zurückverfolgen bis ins alte Ägypten.<br />
Auch in der Bibel wird berichtet,<br />
dass ein Vater seinen an Epilepsie erkrankten<br />
Sohn zu Jesus brachte, der ihn<br />
heilte. Fragwürdigen Deutungen unterlagen<br />
in der Geschichte die Symptome<br />
des „Grand mal“, des so genannten großen<br />
Anfalls, die oft als übernatürlich<br />
galten. Teilweise wurden sie als heilige<br />
<strong>St</strong>rafe oder sogar als dämonische Besessenheit<br />
interpretiert.