6. Mai 2021
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8 graz<br />
www.grazer.at <strong>6.</strong> MAI <strong>2021</strong><br />
ATG-Geschäftsführer Bernd Pazolt:<br />
„Wir haben durch Corona 20<br />
Prozent weniger Mitglieder“<br />
INTERVIEW. Viele Sportvereine sind durch die Pandemie stark eingeschränkt. Auch der Allgemeine Turnverein<br />
Graz (ATG) verliert Mitglieder. Geschäftsführer Bernd Pazolt spricht über die aktuelle Situation.<br />
Von Julian Bernögger<br />
julian.bernoegger@grazer.at<br />
Herr Pazolt, viele, wenn nicht<br />
sogar fast alle Sportvereine<br />
sind schwer von der Corona-Pandemie<br />
betroffen. Zahlreiche<br />
Vereine klagen auch über einen<br />
Schwund bei den Mitgliedern. Wie<br />
ist denn die Situation momentan<br />
beim ATG?<br />
Pazolt: Wir haben derzeit nach<br />
aktueller Auswertung ein Minus<br />
von 20 Prozent bei den Mitgliedern.<br />
Am Anfang der Krise gab es noch<br />
wenige Abmeldungen, im Laufe<br />
des letzten Jahres ist es dann mehr<br />
geworden. Viele Leute wollten die<br />
Vereine zunächst unterstützen<br />
und dabeibleiben. Der Mitgliederschwund<br />
bei uns deckt sich auch in<br />
etwa mit den Zahlen, die man bei<br />
Vereinen in der ganzen Steiermark<br />
sehen kann.<br />
Wieso sinkt die Zahl der Mitglieder<br />
und welche Folgen hat die Situation<br />
für die Vereine?<br />
Pazolt: Gerade die Zielgruppen,<br />
die für die Volksgesundheit besonders<br />
wichtig sind, Kinder und<br />
Erwachsene im Breitensport, sehen<br />
die Leistungen des Vereins oft<br />
wie ein Fitnessstudio. Das heißt,<br />
wenn keine Leistung angeboten<br />
wird, dann meldet man sich auch<br />
ab. Kinder und Jugendliche, die<br />
im Leistungssport aktiv sind, bleiben<br />
natürlich mehr dabei, da gab<br />
es auch weniger Abmeldungen.<br />
Aber gerade aus dem Breitensport<br />
kommt ja normalerweise viel<br />
Nachwuchs, da ist ein riesen Loch<br />
entstanden. Da kann ich für alle<br />
Vereine sprechen, bei den jungen<br />
Altersklassen fehlt es in allen Sportarten<br />
an Nachwuchs. Vor allem im<br />
Schwimmsport hat sich das eklatant<br />
ausgewirkt.<br />
Viele der jüngeren Kinder konnten<br />
im vergangenen Jahr ja gar nicht<br />
schwimmen lernen. Das ist neben<br />
dem gesundheitlichen Aspekt auch<br />
ATG-Geschäftsführer Bernd Pazolt hier<br />
beim „Grazer“-Sportmontag, zu sehen auf:<br />
https://youtu.be/ZFTFNOuh9OY. LUEF<br />
ein großes Sicherheitsrisiko, was<br />
kann der ATG hier tun?<br />
Pazolt: Die Anfängerkurse sind<br />
komplett auf der Strecke geblieben.<br />
Da gibt es enormen Aufholbedarf.<br />
Die Stadt Graz startet jetzt eine<br />
Schwimmkursoffensive. Bei uns<br />
und im Union Bad gibt es in den<br />
Sommerferien Intensiv-Schwimmkurse.<br />
Rund 500 Grazer Kinder<br />
können dann zusätzlich schwimmen<br />
lernen.<br />
Abgesehen vom Schwimmen, welche<br />
Sportarten haben es bei Ihnen<br />
im Verein denn momentan besonders<br />
schwer?<br />
Pazolt: Sicherlich alle Kontaktund<br />
Teamsportarten. Judo, Karate<br />
oder Fechten haben zum Beispiel<br />
sehr schwierige Bedingungen.<br />
Auch Schulkooperationen, etwa in<br />
der Leichtathletik oder im Volleyball<br />
sind komplett weggefallen.<br />
Geschlossene Schulen und eingeschränkter,<br />
oder gar kein Betrieb in<br />
den Vereinen. Viele Kinder kommen<br />
seit über einem Jahr fast gar nicht<br />
mehr dazu, Sport zu machen. Wie<br />
sehen Sie das?<br />
Pazolt: Ich hab ein Fallbeispiel<br />
aus meiner Nachbarschaft. Ein Jugendlicher,<br />
gerade in der Pubertät,<br />
hat sich seit einem Jahr komplett<br />
zurückgezogen. Videospiele und<br />
auf der Couch sitzen, er hat nun<br />
über zehn Kilo zugenommen. Das<br />
ist natürlich ein massives Defizit,<br />
alle Kinder, die sich nicht sowieso<br />
sportlich betätigen, machen jetzt<br />
halt nichts. Viele verbringen sowieso<br />
schon zu viel Zeit vor dem Handy<br />
oder vor dem Computer. Das ist<br />
für diese Generation gesundheitlich<br />
bedenklich.<br />
Was könnte man Ihrer Meinung<br />
nach tun, um das zu ändern?<br />
Pazolt: Es ist zum einen ein Ressourcenproblem.<br />
Schon vor der<br />
Krise haben die meisten Vereine<br />
ihre Ressourcen voll ausgeschöpft.<br />
Ich glaube, ich kenne keinen Verein,<br />
der irgendwo eine leere Halle<br />
oder so hätte. Aber es gibt auch<br />
einfach Zielgruppen, die man sowieso<br />
schwer zum Sport bekommt.<br />
Ich glaube, es braucht auch Maßnahmen<br />
zur Sensibilisierung der<br />
Eltern. Man muss ihnen sagen:<br />
„Bitte fördert eure Kinder. Nehmt<br />
die Angebote und Initiativen wahr,<br />
die wir euch bieten. Bringt die Kinder<br />
zum Sport und zur Bewegung.<br />
Aber auch in der Schule braucht<br />
der Sport mehr Vorrang. Sportstunden<br />
sind die, die immer als erstes<br />
gestrichen werden. Hier braucht es<br />
mehr Initiative von oben. Wir brauchen<br />
den Sport und die Bewegung<br />
einfach für die Volksgesundheit.<br />
Wie sehen Sie die geplanten Öffnungsschritte<br />
im <strong>Mai</strong> ? Sind Sie optimistisch<br />
für die Zukunft?<br />
Pazolt: Ja sind wir. Wir hoffen,<br />
dass die Fallzahlen mit zunehmendem<br />
Impffortschritt und den steigenden<br />
Temperaturen auf einem<br />
niedrigen Niveau bleiben, wo das<br />
alles vertretbar ist.