Retterin bei Nacht DAS LEBEN VON AMY CARMICHAEL 42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
»Das missionarische Leben ist schlichtweg eine Chance, zu sterben.« Das war Amy Carmichaels Antwort auf die Frage, was man vom Leben auf dem Missionsfeld erwarten könne. <strong>Die</strong>se Antwort spiegelt ihre völlige Hingabe an den Herrn wider und macht deutlich, worin ihre Hoffnung lag. Sie hatte verstanden, was der Kern der Nachfolge Christi ist: Tod bewirkt Leben. Du musst dich selbst, dein eigenes Ich, aufgeben, um dem Herrn nachfolgen und dienen zu können. Ian Hamilton schreibt: Das Leben eines Missionars ist völlig unromantisch. Es erfordert Einsatz, Hingabe, Entschlossenheit und die Bereitschaft, zu sterben. Das war die Grundvoraussetzung, die Jesus an jeden angehenden Jünger stellte. Denn Er sagte: »Wenn jemand Mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge Mir nach« [Lk. 9,23], und Er meinte damit nicht, dass Ihm zu folgen bedeute, dass das Leben von Unannehmlichkeiten durchsetzt sein würde. In höchst dramatischer Sprache sagte Jesus: »Wenn ihr nicht bereit seid, zu sterben, könnt ihr Mir nicht nachfolgen.« Deshalb sollte die erste Frage, die jedem potenziellen Missionar gestellt werden sollte, lauten: »Teilen Sie uns mit, wie hoch Sie den Herrn Jesus Christus achten und wertschätzen.« Es ist der Wert, den wir Gottes Sohn beimessen, der uns mehr als alles andere befähigen wird, die Kosten zu tragen – die oft schmerzhaften Kosten –, um Ihm in dieser dunklen und feindlichen Welt zu dienen. Amy Carmichael lebte ein solches Leben. Viele Jahre verbrachte sie damit, Tempelkinder, die als Opfergabe für hinduistische Götter preisgegeben wurden, ihrem Verderben zu entreißen, und sie sorgte für einen Zufluchtsort für sie. Doch wer war sie? Und was bewog sie zu solch einem Leben? Amy Carmichael wurde 1867 in einer gläubigen Familie in Millisle, Nordirland, geboren. Sie war ein kleiner Wildfang mit einer fröhlichen Natur, lustigen Ideen und großen Träumen. Der Entschluss ihrer Eltern, sie im Alter von 12 Jahren auf das Mädcheninternat in Harrogate, Yorkshire zu schicken, stieß bei Amy zunächst auf Begeisterung. <strong>Die</strong> Eltern beteten weiterhin für ihre Umkehr und schickten ihr Briefe. Das waren für Amy – gerade in der ersten Zeit der Umgewöhnung – die schönsten Momente. Hin und wieder schickte ihr die Mutter auch Blumen, um ihrer Tochter eine Freude zu machen. Während der Zeit am Internat besuchten die Mädchen Gottesdienste, die in der Nähe stattfanden, und Missionsabende, die eigens dazu organisiert wurden, den Kindern und Jugendlichen das Evangelium zu erklären. Amy war gerade 15 Jahre alt, als sie einen dieser Missionsabende besuchte. Von ihrer Sünde überführt, tat sie Buße und setzte ihr Vertrauen auf den Retter – Jesus Christus. Sie schickte einen Brief nach Hause, in dem sie ihren Eltern ihre Freude mitteilte – ein Brief, der die Herzen der Eltern vor Freude übersprudeln ließ. Von diesem Moment an veränderte sich Amys Leben völlig. WIE AMYS MISSIONSDIENST BEGANN Es war kein spektakuläres Ereignis, das Amy im Alter von etwa 20 Jahren dazu antrieb, Menschen von der Rettung in Christus zu erzählen. Als sie mit ihren Geschwistern an einem Sonntag nach dem Gottesdienst nach Hause ging, sahen sie eine dürftig gekleidete alte Frau, die ein schweres Bündel trug, und beschlossen ihr zu helfen. <strong>Die</strong>se Frau gehörte zu den sogenannten Schalträgerinnen, die oft unter furchtbaren Bedingungen in den örtlichen Fabriken in Belfast arbeiteten. Es waren verachtete Frauen, am Rande der Gesellschaft, die der Herr nun mit Seinem Evangelium erreichte. Bald darauf versammelten sich etwa 500 von ihnen in der neuen Willkommenshalle, die für diesen <strong>Die</strong>nst errichtet worden war. Ob Amy Carmichael wohl schon ahnte, dass der Herr sie auf eine größere Aufgabe und Verantwortung vorbereitete? voiceofhope.de | 43