Die Kraft des Evangeliums 1/2021
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe <strong>des</strong> Missionswerks Voice of Hope • 1/<strong>2021</strong><br />
Hoffnung<br />
mitten<br />
im<br />
Kampf<br />
• Das lebendige Wort Gottes<br />
• Ein Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
(Afghanistan)<br />
• Das neue Missionsfeld (Sierra Leone)<br />
• <strong>Die</strong> Leitung einer Gemeinde<br />
• <strong>Die</strong> Gemeinde Jesu in der Zerreißprobe<br />
• Matthew Henry – Vater, Prediger<br />
und Bibelkommentator<br />
• Eine Familie mit Gott im Zentrum<br />
• Amy Carmichael – Retterin bei Nacht
INHALT<br />
4<br />
10<br />
14<br />
20<br />
26<br />
32<br />
36<br />
42<br />
Das lebendige Wort Gottes<br />
Hebräer 4,12-13<br />
Ein Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
Mission – Afghanistan<br />
Das neue Missionsfeld<br />
Mission – Sierra Leone<br />
<strong>Die</strong> Leitung einer Gemeinde<br />
– unterschiedliche Konzepte<br />
<strong>Die</strong> Gemeinde Jesu<br />
in der Zerreißprobe<br />
Vater, Prediger<br />
und Bibelkommentator<br />
Matthew Henry<br />
Eine Familie<br />
mit Gott im Zentrum<br />
Retterin bei Nacht<br />
Das Leben von Amy Carmichael
KÄMPFE DEN GUTEN KAMPF<br />
DES GLAUBENS<br />
Als wir zum Glauben an Jesus Christus kamen,<br />
da freuten wir uns, dass wir endlich<br />
von der Last der Sünde befreit sind. Wir<br />
dachten, jetzt gehe das Leben nur noch auf Höhenwegen,<br />
ohne große Sorgen und Kämpfe, ohne<br />
Leid und Kummer. Doch wenn wir schon etwas<br />
länger im Glauben stehen, dann merken wir, dass<br />
die Realität völlig anders ist. Wir erleben immer<br />
wieder Kämpfe und Niederlagen, Schwierigkeiten<br />
und Prüfungen, Versuchungen und Enttäuschungen.<br />
Und wir fragen uns verwundert: Sieht<br />
so das Leben eines Christen aus? Müssten wir<br />
nicht von Sieg zu Sieg schreiten, von einer Segnung<br />
zur anderen? Müssten nicht alle Probleme<br />
überwunden sein?<br />
Nun, die Bibel verheißt uns nirgends, dass<br />
unser Leben als Christen in dieser Welt frei von<br />
Schwierigkeiten und Prüfungen sein werde. Denn<br />
der Widersacher unserer Seelen ist stets am Werk.<br />
Sein großes Ziel besteht darin, uns ständig zu entmutigen<br />
und uns nach Möglichkeit dazu zu bringen,<br />
unseren Glauben zu verleugnen. Mit vielfältigen<br />
Versuchungen naht er sich uns, wobei er<br />
alles daransetzt, unseren Glauben auszuhöhlen.<br />
<strong>Die</strong> Heilige Schrift lehrt uns eindeutig, dass<br />
die Schwierigkeiten und Prüfungen <strong>des</strong> Lebens<br />
nur gut für uns sind, da sie zum Aufbau innerer<br />
Stärke dienen, indem sie Gläubige dazu bringen,<br />
demütig und zuversichtlich in der Abhängigkeit<br />
von Gott zu bleiben. Der Apostel Paulus hatte in<br />
seinen Leiden Gottes <strong>Kraft</strong> erfahren und konnte<br />
<strong>des</strong>halb den Gläubigen sagen: »Ich vermag alles<br />
durch Den, der mich stark macht, Christus« (Phil. 4,13).<br />
Als er am Ende seines Lebens <strong>des</strong> Trostes von Seiten<br />
früher ihn unterstützenden Glaubensbrüder<br />
beraubt war, erklärte Paulus: »Der Herr aber stand<br />
mir bei und stärkte mich« (2.Tim. 4,17). Leiden führen<br />
zu geistlichem Wachstum. Doch sind wir auch<br />
heute bereit, für unseren Herrn zu leiden?<br />
Wir leben in einer sehr unruhigen Zeit. Auf der<br />
ganzen Welt sind die Menschen beunruhigt über<br />
die gegenwärtige Situation. Wenn wir als Christen<br />
nicht erkennen, dass uns die Heilige Schrift<br />
eine bestimmte Weltanschauung zu vermitteln<br />
sucht, dann überrascht es allerdings nicht, dass<br />
uns die Welt in ihrem gegenwärtigen Zustand<br />
zur Verzweiflung führen kann. Wenn wir unsere<br />
Bibel fortlaufend lesen und ihre ganze Botschaft<br />
aufnehmen, statt nur gelegentlich einen Psalm,<br />
die Bergpredigt oder unser Lieblingsevangelium<br />
herauszupicken, dann werden wir entdecken,<br />
dass sie eine sehr ausgeprägte Geschichtsphilosophie<br />
und eine sehr genau definierte Weltsicht<br />
beinhaltet. Dank der Heiligen Schrift können wir<br />
verstehen, was um uns herum vorgeht, und dass<br />
auch die gegenwärtigen Ereignisse einen Platz im<br />
göttlichen Plan haben.<br />
Gerade in so einer Zeit, wo die Gemeinde Jesu<br />
in einer Zerreißprobe steht, ruft uns die Schrift<br />
auf: »Kämpfe den guten Kampf <strong>des</strong> Glaubens« (1.Tim.<br />
6,12). Wir müssen das Feld gegen jeden Widerstand<br />
behalten, koste es, was es wolle. Wir dürfen<br />
uns keine Trägheit erlauben; wir dürfen keine<br />
Kompromisse schließen, weder mit der Sünde<br />
noch mit der Welt. Wir müssen durch den Glauben<br />
gegen alles Böse Widerstand leisten, denn<br />
unser Leben ist ein Kampf.<br />
Liebe Geschwister, es ist unmöglich, in dieser<br />
Welt für die reine Wahrheit <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> einzustehen<br />
und ein kompromissloses Leben führen<br />
zu wollen, ohne dem Widerstand <strong>des</strong> Fein<strong>des</strong><br />
zu begegnen. Als Christen müssen wir begreifen,<br />
dass alles, was dem Wort Gottes entgegensteht<br />
oder davon abweicht, das Festhalten an der<br />
Wahrheit gefährdet. Gegenüber offensichtlichen<br />
Irrtümern können wir nicht passiv bleiben. Wenn<br />
wir die Wahrheit lieben, dann dürfen wir nichts<br />
Unbiblisches unter uns dulden – keine Unwahrheit,<br />
keine Irrlehren und keinerlei Übergriffe <strong>des</strong><br />
Staates in die Gemeinde Jesu. All dies zerstört die<br />
Gemeinde und ist eine Unehre für den Gott der<br />
Wahrheit. Deshalb »kämpfe den guten Kampf <strong>des</strong><br />
Glaubens!«<br />
Im Herrn verbunden,<br />
Niko Derksen
Denn das Wort Gottes ist lebendig<br />
und wirksam und schärfer als<br />
je<strong>des</strong> zweischneidige Schwert,<br />
und es dringt durch, bis es scheidet<br />
sowohl Seele als auch Geist, sowohl<br />
Mark als auch Bein, und es ist<br />
ein Richter der Gedanken und<br />
Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens.<br />
Und kein Geschöpf ist vor ihm<br />
verborgen, sondern alles ist<br />
enthüllt und aufgedeckt vor den<br />
Augen <strong>des</strong>sen, dem wir<br />
Rechenschaft zu geben haben.<br />
Hebräer 4,12-13
DAS LEBENDIGE<br />
WORT GOTTES<br />
NIKO DERKSEN<br />
Eine der großen Reformationen im Alten<br />
Testament scheint ganz zufällig begonnen<br />
zu haben. Josia, der junge König von Juda,<br />
hatte dem Hohenpriester Hilkija befohlen, den<br />
verfallenen Tempel in Jerusalem zu restaurieren.<br />
Josia scheint von aufrichtiger Hingabe motiviert<br />
gewesen zu sein, und er war sicher beunruhigt<br />
über die Art und Weise, wie der heruntergekommene<br />
Zustand <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> das geistliche Leben<br />
<strong>des</strong> Volkes Israel symbolisierte. Eine Renovierung<br />
<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> konnte jedoch nur oberflächliche<br />
Verbesserungen bringen; hingegen im Inneren<br />
<strong>des</strong> Tempels fanden die Arbeiter etwas, das viel<br />
mehr auszurichten versprach. Hilkija informierte<br />
Josias Schriftführer über die wichtige Neuigkeit<br />
von der Baustelle: »Ich habe das Buch <strong>des</strong> Gesetzes im<br />
Haus <strong>des</strong> HERRN gefunden!« (2.Kö. 22,8).<br />
Obwohl dies scheinbar zufällig geschah, war<br />
offensichtlich eine große Vorsehung am Werk.<br />
Josia hatte den Wunsch, Gott zu ehren, indem er<br />
den Tempel wieder in Ordnung brachte, und Gott<br />
segnete Josia im Gegenzug, indem Er ihm die<br />
mächtigste <strong>Kraft</strong> der Welt für Reformation und<br />
Erweckung, für Hoffnung und Freude, für Frieden<br />
voiceofhope.de | 5
und Erlösung in die Hände legte. Der Herr hatte<br />
dem Volk das Verlorene zurückgegeben, das Wort<br />
Gottes selbst, von dem uns der Hebräerbrief sagt,<br />
es sei »lebendig und wirksam und schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />
Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet<br />
sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein,<br />
und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong><br />
Herzens« (Hebr. 4,12).<br />
Josia begann damit, das Wort Gottes zu lesen, welches<br />
die Arbeiter gefunden hatten, und bald zerriss<br />
er seine Kleider, um zu beklagen, was so lange<br />
Zeit im Leben Israels gefehlt hatte. Er versammelte<br />
die gottesfürchtigsten Menschen, um das Wort<br />
Gottes zu studieren. Dann setzten sie das, was sie<br />
in der Heiligen Schrift lasen, in die Praxis um, und<br />
das Ergebnis war eine Erneuerung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> mit<br />
Gott und die Wiederherstellung der Segnungen,<br />
die durch den Glauben an Ihn kommen. Was Josia<br />
und die Einwohner von Jerusalem vor so vielen<br />
Jahren gelernt hatten, lernen gottesfürchtige<br />
Menschen seitdem immer wieder. Es ist das, worüber<br />
der Apostel Petrus in seinem ersten Brief<br />
schrieb: »Ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem,<br />
sondern aus unvergänglichem Samen, durch das<br />
lebendige Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt« (1.Pt. 1,23).<br />
1. DAS WORT GOTTES – LEBENDIG UND WIRKSAM<br />
Der Schreiber <strong>des</strong> Hebräerbriefes ermahnt seine<br />
Leser, in der Not an ihrem Glauben festzuhalten.<br />
Er besteht darauf, dass ein Versäumnis, an die<br />
Botschaft Jesu Christi zu glauben, bedeutet, die<br />
große Sabbatruhe, die Gott verkündigen lässt, zu<br />
missachten. Solche Aussagen belegt er stets mit<br />
der Autorität <strong>des</strong> Wortes Gottes. Während dieser<br />
ganzen Ermahnung hat er seine Argumente auf<br />
Zitate aus dem Alten Testament, insbesondere<br />
aus dem Psalm 95, gegründet. <strong>Die</strong>ser Psalm wurde<br />
vom König David etwa tausend Jahre vor dem<br />
Hebräerbrief geschrieben. David war auch daran<br />
interessiert, seine Leser zu ermahnen, und er tat<br />
dies, indem er über den Unglauben der Auszugsgeneration<br />
nachdachte, der etwa vierhundert Jahre<br />
zuvor zu ihrer Vernichtung geführt hatte. Anhand<br />
dieses Beispiels schrieb David: »Heute, wenn<br />
ihr Seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht, wie<br />
bei der Herausforderung, am Tag der Versuchung in der<br />
Wüste, wo Mich eure Väter versuchten« (Ps. 95,7-9).<br />
Es sind diese Worte, die der Hebräerbrief-<br />
Schreiber auf seine eigene Generation anwendet.<br />
Dabei geht er davon aus – und behauptet dies<br />
mutig –, dass die von David geschriebenen Worte<br />
nicht nur wichtig sind, sondern auch maßgebend<br />
für diejenigen, die sie in seiner eigenen Zeit lasen.<br />
<strong>Die</strong>se Leser hatten die Anfänge der Verfolgung<br />
erlebt; vielleicht hatten sie wegen ihres Glaubens<br />
an Christus ihre Arbeit oder sogar ihr Eigentum<br />
verloren. Doch sein Argument für sie lautet: Warum<br />
sollten sie bereit sein, ihre Arbeit, ihre weltlichen<br />
Güter und sogar ihr Leben um Jesu willen zu<br />
opfern? Weil die von David gesprochenen Worte<br />
nicht nur alte und unbedeutende Worte sind. Es<br />
ist das Wort Gottes Selbst, welches auch heute<br />
noch lebendig und wirksam ist. Noch viel mehr,<br />
mit diesen Worten hängt ihr eigenes Leben zusammen,<br />
das entweder von Glauben oder Unglauben<br />
geprägt ist.<br />
Das ist der Punkt, den die ersten Worte aus<br />
Hebräer 4,12 wiedergeben: »Denn das Wort Gottes<br />
ist lebendig und wirksam.« Wie kann das sein? Wie<br />
können Davids Worte, die ja schließlich die Worte<br />
eines Menschen sind, lebendig und wirksam sein?<br />
Der Grund dafür wird in diesem ganzen Brief belegt:<br />
Weil sie auch die Worte Gottes sind. Bereits<br />
im ersten Vers <strong>des</strong> Hebräerbriefes wird diese Tatsache<br />
betont, in dem der Schreiber mit den Worten<br />
beginnt: »Nachdem Gott in vergangenen Zeiten<br />
vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat<br />
durch die Propheten.« Das ist es, was die Bibel zum<br />
Wort Gottes macht. Überall, auch im Hebräerbrief,<br />
werden alttestamentliche Zitate angeführt,<br />
welche die Worte beinhalten: »Wie Gott gesagt<br />
hat«, oder »wie der Heilige Geist spricht«. In Vers<br />
7 von Kapitel 4 lesen wir: »So bestimmt Er [Gott] wiederum<br />
einen Tag, ein ›Heute‹, indem Er nach so langer<br />
Zeit durch David sagt, …«<br />
<strong>Die</strong> Worte, die durch David gesprochen und zu<br />
Papier gebracht wurden, sind also nicht in erster<br />
Linie als Davids eigene Worte zu verstehen – als<br />
Worte eines Menschen –, sondern als die Worte<br />
Gottes. Hier müssen wir sehr vorsichtig sein, um<br />
die menschliche Urheberschaft der Bibel nicht<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
herunterzuspielen oder gar zu leugnen. <strong>Die</strong> Bibel<br />
wurde von etwa vierzig verschiedenen menschlichen<br />
Autoren verfasst. Wie kann dann die Bibel<br />
das Wort Gottes sein? <strong>Die</strong>se Frage zu beantworten<br />
war den Aposteln wichtig, denn sie betrachteten<br />
die Schreiber <strong>des</strong> Alten Testaments als maßgeblich<br />
für ihre eigenen Leser. <strong>Die</strong> vielleicht bekannteste<br />
Aussage ist die, welche Paulus in seinem zweiten<br />
Brief an Timotheus machte: »Alle Schrift ist von Gott<br />
eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung,<br />
zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit,<br />
damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten<br />
Werk völlig ausgerüstet« (2.Tim. 3,16-17).<br />
<strong>Die</strong> Worte der Bibel sind nicht etwa inspirierte<br />
Worte von Menschen, die aus ihrer eigenen geistlichen<br />
Erkenntnis reden, sondern sie sind aus<br />
Gottes Mund gehauchte Worte, die durch die Bibel<br />
wiedergegeben werden. Das ist es, was dieses Buch<br />
für uns so gewinnbringend macht, wie Paulus<br />
es betont. Durch Sein Wort lehrt uns Gott Selbst,<br />
weist zurecht und korrigiert uns. Er erzieht uns<br />
in der Gerechtigkeit und rüstet uns für je<strong>des</strong> gute<br />
Werk aus. Wenn wir im Glauben an Gottes Wort herantreten,<br />
wenn wir die Lehren der Bibel zu unserem<br />
Herzen und Verstand reden lassen – entweder<br />
so, wie sie gepredigt werden oder wie wir sie selbst<br />
lesen –, dann wird dieses Wort in uns lebendig,<br />
weil es von Gott Selbst zu diesem Zweck gesandt<br />
ist. Er lebt und wirkt in uns durch Sein lebendiges<br />
und wirksames Wort. Deshalb sagte Martin<br />
Luther: »Lasst den Mann, der Gott sprechen hören<br />
will, die Heilige Schrift lesen.« Der Puritaner Thomas<br />
Watson fügt hinzu: »Durch das Lesen anderer<br />
Bücher wird das Herz vielleicht erwärmt; aber<br />
durch das Lesen der Bibel wird es verwandelt.«<br />
2. DAS WORT GOTTES GIBT LEBEN<br />
Ein weiterer großer Beweis dafür, dass die Bibel<br />
lebendig und wirksam ist, hat mit ihrem Inhalt<br />
und Zweck zu tun. Sie erzählt nicht nur interessante<br />
Fakten und Überzeugungen über unsere<br />
christliche Tradition. Nein, sie hat ein übergreifen<strong>des</strong><br />
Thema: Gottes Werk in der Geschichte zur<br />
Erlösung sündiger Menschen. Das ist es, was die<br />
Bibel berichtet – nämlich, dass Gott die Sünden<br />
Seines Volkes vergeben hat, weil an ihrer Stelle<br />
Jesus Christus für ihre Sünden gestorben ist. Und<br />
somit ist jeder, der an Ihn glaubt, mit Ihm gestorben<br />
und in Christus zu neuem Leben erweckt<br />
worden.<br />
Wie Paulus an den jungen Timotheus schrieb,<br />
besteht der Zweck der Bibel darin, uns durch ihre<br />
<strong>Kraft</strong> »weise zu machen zur Errettung durch den Glauben,<br />
der in Christus Jesus ist« (2.Tim. 3,15). <strong>Die</strong> Botschaft<br />
der Bibel ist Gottes Heilswerk durch Jesus Christus;<br />
und der Zweck der Bibel besteht eigentlich darin,<br />
dieses Heil den Menschen, die diese Botschaft<br />
empfangen und glauben, nahezubringen. Gottes<br />
Wort ist lebendig und wirksam in derselben Weise,<br />
wie Jesu Worte lebendig und wirksam waren,<br />
als Er vor dem Grab Seines toten Freun<strong>des</strong> stand<br />
und rief: »Lazarus, komm heraus!« (Joh. 11,43). Auf<br />
Jesu Wort hin erwachte der Tote zum Leben. So<br />
ist auch das Wort Gottes, wie wir es in der Bibel<br />
vorfinden; es ist nicht nur lebendig, sondern es ist<br />
wirksam, indem es uns das Leben vermittelt. Es<br />
macht diejenigen lebendig, die geistlich tot sind.<br />
3. DAS WORT GOTTES DRINGT DURCH<br />
Der Schreiber <strong>des</strong> Hebräerbriefes hat uns noch<br />
mehr über Gottes Wort zu sagen; er fährt mit einer<br />
Erklärung fort, wie es seine Wirkung ausübt.<br />
Das Wort Gottes ist »schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />
Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele<br />
als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist<br />
ein Richter der Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens«<br />
(Hebr. 4,12).<br />
<strong>Die</strong> Darstellung <strong>des</strong> Wortes Gottes als Schwert<br />
findet sich häufig in der Heiligen Schrift. Paulus<br />
spricht in seiner Beschreibung der Waffenrüstung<br />
Gottes vom »Schwert <strong>des</strong> Geistes, welches das<br />
Wort Gottes ist« (Eph. 6,17). Johannes berichtet uns<br />
in seiner Vision vom verherrlichten Herrn Jesus<br />
voiceofhope.de | 7
Christus: »Aus Seinem Mund ging ein scharfes, zweischneidiges<br />
Schwert hervor« (Off. 1,16). <strong>Die</strong>ses zweischneidige<br />
Schwert ist gleichermaßen geeignet,<br />
sowohl zu retten als auch zu richten. Was dieses<br />
Bild beschreibt, ist die durchdringende oder<br />
durchbohrende <strong>Kraft</strong> von Gottes Wort: »Es dringt<br />
durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl<br />
Mark als auch Bein« (Hebr. 4,12). Es geht dabei um das<br />
Eindringen <strong>des</strong> Wortes Gottes in die innerste Tiefe<br />
<strong>des</strong> menschlichen Wesens. Das Wort dringt gegen<br />
alle Widerstände ein, um den ganzen Menschen,<br />
nicht nur einen Aspekt seiner Person, zu erfassen.<br />
Darüber hinaus wird uns gesagt, was das Wort<br />
bewirkt, wenn es erst einmal ins Innere <strong>des</strong> Menschen<br />
eingedrungen ist: »Es ist ein Richter der Gedanken<br />
und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens« (Hebr. 4,12).<br />
Wenn das Wort Gottes in unser Inneres eindringt,<br />
macht seine Gegenwart unsere wahren Gedanken<br />
und Haltungen deutlich; es erkennt und beurteilt<br />
unsere Haltung gegenüber dem, der es gesandt<br />
hat. Aber wenn es vom belebenden Wirken <strong>des</strong><br />
Heiligen Geistes begleitet wird, tut es noch mehr:<br />
Es verurteilt uns wegen unserer Rebellion gegen<br />
Gott und überführt uns; es führt uns wie Schafe<br />
zum Guten Hirten.<br />
Wenn Gott zu uns redet – wie tut Er das heute?<br />
– Durch Sein Wort! Wenn wir in der Heiligen<br />
Schrift von den vollkommenen Anforderungen<br />
<strong>des</strong> Gesetzes lesen – was geht dann in uns vor,<br />
was erkennen wir? – Wir erkennen durch Gottes<br />
Urteil über uns, dass wir verdammt und verloren<br />
sind. Wohin treibt uns dann diese Erkenntnis über<br />
uns? – Sie treibt uns zu Christus, zum Kreuz. Weil<br />
wir unsere Sünden nicht mehr länger ertragen<br />
können, wollen wir sie loswerden. Also fallen wir<br />
vor dem Herrn nieder, weil wir von unseren Sünden<br />
überführt wurden. Dann erfahren wir auch in<br />
der Bibel, dass wir durch Christus gerechtfertigt<br />
sind, weil Er all unsere Sünden hinweggenommen<br />
hat, indem Er für uns Sünder am Kreuz starb.<br />
Das ist es, was Gott durch Sein Wort tut – Er rettet<br />
die Elenden, Er findet die Verlorenen, Er macht<br />
die Blinden sehend. Gottes Wort ist lebendig und<br />
wirksam; es dringt durch, es urteilt und richtet, alles<br />
zur Durchführung <strong>des</strong> großen Erlösungswerkes;<br />
das ist seine Botschaft und sein Ziel. Auf sehr<br />
unterschiedliche Art und Weise kommen verhärtete<br />
Sünder dazu, das Wort Gottes zu hören, und<br />
es bringt sie durch den Glauben an Christus zur<br />
Errettung.<br />
Jeder wahre Christ wird bekennen, dass das<br />
lebendige Wort Gottes uns gefunden hat; es ist in<br />
uns eingedrungen, es hat unsere Gedanken und<br />
Einstellungen bloßgestellt, und daraufhin stehen<br />
wir verurteilt da. Es ist ein zweischneidiges<br />
Schwert, das mit seiner Klinge nicht <strong>des</strong>halb über<br />
uns steht, um uns das Leben zu geben, sondern<br />
um uns zum Tod zu verurteilen. Der Herr fordert<br />
Sünder durch Sein Wort auf, Buße zu tun, ihre<br />
Sünden zu bekennen und sich Dem hinzugeben,<br />
der wirklich erretten kann. Jesus ist nicht gekommen,<br />
um die Welt zu verdammen, sondern um sie<br />
zu retten. Und doch sagte Er: »Wer Mich verwirft und<br />
Meine Worte nicht annimmt, der hat schon seinen Richter:<br />
Das Wort, das Ich geredet habe, das wird ihn richten<br />
am letzten Tag« (Joh. 12,48).<br />
4. DAS WORT GOTTES IST ALLGENUGSAM<br />
Wir haben gesehen, dass Gottes Wort lebendig<br />
und wirksam ist, ebenso dass seine durchdringende<br />
<strong>Kraft</strong> unsere Gedanken und die Gesinnungen<br />
<strong>des</strong> Herzens richtet, sodass wir uns Gott hingeben.<br />
Der letzte Punkt, den wir hier lernen, ist die<br />
Allgenugsamkeit von Gottes Wort für all unsere<br />
Bedürfnisse in den Fragen <strong>des</strong> Glaubens und der<br />
Heiligung.<br />
Wir sehen dies in Vers 12, wo ein Vergleich<br />
zwischen Gottes Wort und weltlichen Waffen gemacht<br />
wird. Es ist »schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />
Schwert«. Gottes Wort ist nicht nur ein Schwert,<br />
sondern im Vergleich zu anderen Waffen auch<br />
schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige Schwert. Als<br />
Werkzeug für Gottes mächtige Taten ist es mächtiger<br />
und durchdringender als das schärfste vom<br />
Menschen erdachte Werkzeug. Da Gottes Wort<br />
»lebendig und wirksam« ist, ist es in einer Weise<br />
wirksam, wie es keine andere Waffe sein kann.<br />
Ein weiterer Beweis dafür, dass Gottes Wort für<br />
unsere Bedürfnisse ausreicht, findet sich in Vers<br />
13: »Und kein Geschöpf ist vor Ihm verborgen, sondern<br />
8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
alles ist enthüllt und aufgedeckt vor den Augen <strong>des</strong>sen,<br />
dem wir Rechenschaft zu geben haben.« Gottes Wort ist<br />
lebendig und wirksam, es dringt durch und richtet,<br />
und außerdem kann ihm nichts entgehen. Interessanterweise<br />
setzt der Hebräerbrief-Schreiber<br />
hier Gottes Wort mit Gottes Augen gleich. Es<br />
deckt je<strong>des</strong> Herz, jede Handlung, jede Absicht, jeden<br />
Gedanken und jeden Wunsch auf und bringt<br />
alles vor den durchdringenden Blick <strong>des</strong> lebendigen<br />
Gottes. Dennoch leben wir heute in einer Zeit,<br />
in der viele Christen, die einst für die Wahrheit<br />
<strong>des</strong> Wortes Gottes gekämpft haben, vielleicht sogar<br />
verspottet wurden, jetzt das Vertrauen in die<br />
Wirksamkeit der Bibel verloren haben. Sie geben<br />
zwar zu: Ja, die Bibel ist inspiriert; ja, sie ist<br />
nützlich, aber sie muss durch menschliche Mittel<br />
und Methoden ergänzt werden. Heute beruht die<br />
Evangelisation auf manipulativen psychologischen<br />
Tricks; das geistliche Wachstum hängt angeblich<br />
von Methoden ab; der Gottesdienst wird<br />
mit einem Unterhaltungsprogramm gefüllt.<br />
Etwas ganz anderes zeigt aber die Botschaft im<br />
Hebräerbrief, die besagt, dass dem enthüllenden<br />
und aufdeckenden Wort Gottes nichts entgehen<br />
kann. Deshalb ist es allgenugsam für all unsere<br />
Bedürfnisse. <strong>Die</strong>s war auch die Lehre <strong>des</strong> Apostels<br />
Paulus. Brauchen wir weltliche Methoden<br />
und Hilfsmittel, um die Arbeit in der Gemeinde<br />
zu verrichten? Paulus schrieb: »Denn obgleich wir<br />
im Fleisch wandeln, so kämpfen wir doch nicht nach Art<br />
<strong>des</strong> Fleisches; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht<br />
fleischlich, sondern mächtig durch Gott zur Zerstörung<br />
von Festungen, sodass wir Vernunftschlüsse zerstören<br />
und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt,<br />
und jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam<br />
gegen Christus« (2.Kor. 10,3-5).<br />
Wir sollten <strong>des</strong>sen gewahr werden, welche<br />
<strong>Kraft</strong> uns durch das Wort Gottes zur Verfügung<br />
gestellt wird und was für ein Ansporn dies ist, sie<br />
in unserem Zeugnis und in unserem eigenen Leben<br />
einzusetzen! Was könnten wir zur Rettung<br />
von Seelen Besseres tun, als Gottes Wort zu verkündigen<br />
und zu lehren?! Ausschließlich das Wort<br />
Gottes bringt die <strong>Kraft</strong> Gottes zum Ausdruck, zu<br />
überführen und zu erretten, das steinerne Herz zu<br />
zerschlagen und ein neues, fleischernes Herz zum<br />
Leben zu erwecken. Bedenken wir die Frage unserer<br />
Heiligung, d. h. unseres eigenen Wachstums in<br />
der Heiligung. Was könnte wirksamer sein, als das<br />
Licht von Gottes Wort auf unser Leben, in unseren<br />
Verstand und in unsere Herzen leuchten zu lassen?!<br />
Das ist es, was Paulus in Römer 12,2 betont<br />
hat: »Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern<br />
lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung<br />
eures Sinnes.«<br />
So betete Jesus in Johannes 17,17 für unsere<br />
Heiligung: »Heilige sie in Deiner Wahrheit! Dein Wort<br />
ist Wahrheit.« In unserem Abschnitt heißt es, dass<br />
Gottes Wort die »Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens«<br />
offenbart und richtet. Welch ein Segen ist es,<br />
dass dies jetzt geschieht: von Ihm gelehrt, ermahnt<br />
und ermutigt zu werden; in diesem Leben schon<br />
im Gehorsam gegenüber Gott geformt zu werden,<br />
im Wissen, dass Er derjenige ist, »dem wir Rechenschaft<br />
zu geben haben«, wie Vers 13 abschließend sagt.<br />
Denken wir auch an den Trost, den wir Christen<br />
beständig brauchen. Trauern oder leiden wir?<br />
Werden wir versucht und geprüft? Suchen wir<br />
die Gewissheit unserer Errettung? Dann wenden<br />
wir uns der Heiligen Schrift zu, die von einem<br />
Gott spricht, der für unsere Errettung völlig ausreichend<br />
ist. »Er, der sogar Seinen eigenen Sohn nicht<br />
verschont hat«, heißt es, »sondern Ihn für uns alle dahingegeben<br />
hat, wie sollte Er uns mit Ihm nicht auch alles<br />
schenken?« (Römer 8,32).<br />
Zum Schluss möchte ich uns allen noch folgende<br />
Frage stellen: Soll in deinem Leben etwas verändert<br />
werden? Dann verpflichte dich dem Wort<br />
Gottes, lass dich in sein lebensverändern<strong>des</strong> Licht<br />
stellen und erzähle der Welt, was der Herr an dir<br />
getan hat. Das ist es, was gottesfürchtige Prediger<br />
im Laufe der ganzen Geschichte getan haben,<br />
auch Menschen wie König Josia, durch den Gottes<br />
Wort wiedererlangt und dadurch eine ganze Nation<br />
erweckt wurde. Gott hat auf Sein Wort große<br />
Verheißungen gelegt: »Denn gleichwie der Regen<br />
und der Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin<br />
zurückkehrt, bis er die Erde getränkt und befruchtet<br />
und zum Grünen gebracht hat und dem Sämann Samen<br />
gegeben hat und Brot dem, der isst – genau so soll auch<br />
Mein Wort sein, das aus Meinem Mund hervorgeht: Es<br />
wird nicht leer zu Mir zurückkehren, sondern es wird ausrichten,<br />
was Mir gefällt, und durchführen, wozu Ich es<br />
gesandt habe!« (Jesaja 55,10-11).<br />
Daher kann je<strong>des</strong> Werk, das sich auf Gottes<br />
Wort stützt, sicher sein, dass es Seinen Segen hat,<br />
Sein Ziel erreicht und Ihm Ehre bringt, so wie es<br />
auch Seine <strong>Kraft</strong> zur Errettung bringt.<br />
Amen.<br />
voiceofhope.de | 9
Mission – AFGHANISTAN<br />
EIN PREDIGER DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Omar1 und Sarah1 sind ein hingebungsvolles<br />
Missionarsehepaar, das 7 Jahre lang in<br />
Afghanistan den Muslimen das Evangelium<br />
der Gnade Gottes verkündigt hat. Nachdem<br />
Gott in Seiner Gnade einheimische Menschen<br />
errettet hat und einige Untergrundgemeinden<br />
gegründet wurden, reiste die Missionarsfamilie<br />
zurück in ihre Heimat und unterstützt jene Geschwister<br />
seitdem vom Ausland aus.<br />
Omar war in dem damals vorherrschenden Zeitgeist<br />
<strong>des</strong> Atheismus und Kommunismus in Kasachstan<br />
erzogen worden, ohne einen Bezug zur<br />
Religion oder zu Gott zu haben. <strong>Die</strong> (Un-)Werte,<br />
die in der Welt galten, wurden auch ihm mitgegeben;<br />
er hatte sie in sein Leben integriert. <strong>Die</strong><br />
Straße trug auch ihren Teil zu seiner Prägung bei:<br />
Als Mitglied einer Verbrecherbande hatte er mit<br />
Drogen und Alkohol zu tun, beging Erpressung,<br />
Raubüberfälle und andere Delikte. Das war sein<br />
Leben.<br />
DIE SUCHE NACH RETTUNG<br />
Doch mit Anfang zwanzig sollte sein Leben eine<br />
entscheidende Wendung nehmen. Omar sah bei<br />
einem Freund zu Hause eine Bibel liegen – das<br />
Buch, von dem wir wissen, dass es die <strong>Kraft</strong> hat,<br />
Sünder zu erretten und sie völlig zu verwandeln.<br />
Omar hatte schon von diesem Buch gehört und begann,<br />
wie er es gewohnt war, zuerst von hinten zu<br />
1 Name geändert<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
lesen. Denn wenn das Ende gut ist, dann muss es<br />
ein interessantes Buch sein. Doch mit der Offenbarung<br />
konnte er nicht viel anfangen; und so begann<br />
er von vorne zu lesen. Er las und las und konnte<br />
sich nicht mehr davon losreißen – er hatte schon<br />
immer gerne gelesen und hielt nun ein Buch in den<br />
Händen, das anders war als normale Literatur.<br />
Beim Lesen der fünf Bücher Mose führte Gott<br />
ihm deutlich vor Augen, wer er war: ein verlorener<br />
Sünder.<br />
»Verflucht sei, wer die Worte dieses Gesetzes nicht<br />
aufrechterhält, indem er sie tut!« (5.Mo. 27,26). Als<br />
Omar diese Worte las, ergriff ihn die Furcht, einst<br />
Gott begegnen und sich für alles verantworten zu<br />
müssen.<br />
So begab er sich auf die Suche nach Menschen,<br />
die etwas von Gott wussten und ihm vielleicht<br />
eine Lösung für sein Problem zeigen könnten.<br />
Als er an einem Sonntag mit einem Freund<br />
unterwegs war, sahen sie ein Gemeindehaus, und<br />
der Freund schlug vor, hineinzugehen. Drinnen<br />
wurden sie freundlich empfangen und eingeladen,<br />
im Saal Platz zu nehmen; doch Omar schaute<br />
nur kurz hinein und verließ das Haus. Am nächsten<br />
Sonntag kam er wieder und wurde erneut<br />
eingeladen. Nun setzte er sich auf den hintersten<br />
Platz, ganz am Rand, direkt neben der Tür, erhob<br />
sich aber kurz darauf wieder und ging. Als er am<br />
dritten Sonntag wiederkam, war der Gottesdienst<br />
bereits vorbei und der Versammlungsraum fast<br />
leer. Omar kam nur kurz mit einem Mann ins Gespräch<br />
und ging wieder.<br />
EIN NEUES LEBEN<br />
<strong>Die</strong> nächsten zwei Monate besuchte er die Sonntagsgottesdienste<br />
dieser Gemeinde und kam immer<br />
wieder mit vielen Fragen zum Pastor. Bei<br />
einer Predigt wurde Omar über das Wort aus<br />
Römer 5,8 erschüttert. »Gott aber beweist Seine Liebe<br />
zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist,<br />
als wir noch Sünder waren.« – Ihm wurde klar, dass<br />
dies die Lösung auf seine Fragen ist! Der gerechte<br />
Sohn Gottes starb für Sünder! Jetzt konnte er<br />
an Jesus Christus glauben! An diesem Tag brachte<br />
Gott eine Wendung in Omars Leben; er bekam<br />
eine völlig neue Identität. Ja, er war immer noch<br />
der gleiche junge Mann mit einer dunklen Vergangenheit;<br />
aber der Herr hatte Omars Schuld auf<br />
sich genommen und durch die <strong>Kraft</strong> Seines <strong>Evangeliums</strong><br />
Licht ins Dunkel gebracht!<br />
Omar erzählte überwältigt, dass seit diesem<br />
Tag weder Drogen noch Alkohol oder Nikotin eine<br />
Anziehungskraft auf ihn hatten. Doch das wohl<br />
größte Zeugnis seines Lebens war die Versöhnung<br />
mit seinem Vater, der die Familie verlassen hatte,<br />
als Omar erst 15 war. Omar hatte es ihm bisher<br />
nicht vergeben können; doch nun war alles anders<br />
– er wollte und konnte jetzt seinem Vater durch die<br />
verändernde <strong>Kraft</strong> Gottes vergeben und wünschte<br />
sich so sehr, dass sein Vater auch von dieser Freudenbotschaft<br />
erführe.<br />
Sein Leben veränderte sich völlig. <strong>Die</strong> alten<br />
Freunde wollten mit ihm als einem Christen nichts<br />
mehr zu tun haben, denn seine Interessen waren<br />
jetzt völlig gegensätzlich zu den ihrigen. Omar<br />
wollte keinen Gottesdienst mehr versäumen; der<br />
Hunger nach der Gemeinschaft und nach Gottes<br />
Wort war so groß, dass er fast täglich den Pastor<br />
besuchte. Er hatte vieles in seinem Leben zu ordnen,<br />
aber der Herr gab ihm Mut und Freudigkeit,<br />
für seine Sünden und Vergehungen an anderen<br />
Menschen um Vergebung zu bitten. <strong>Die</strong> Brüder der<br />
örtlichen Gemeinde sahen bei Omar die Frucht<br />
seiner Errettung; sie sahen eine völlige Veränderung<br />
– und nicht lange danach wurde er getauft.<br />
PREDIGE DAS EVANGELIUM<br />
DORT, WO CHRISTUS<br />
NOCH UNBEKANNT IST!<br />
Omar war nun 23 Jahre alt und wollte sein ganzes<br />
Leben in den <strong>Die</strong>nst Gottes stellen. Deshalb bat<br />
er den Herrn, ihm eine Aufgabe zuzuweisen. Als<br />
ein Evangelist für einige Wochen einen Begleiter<br />
für eine Missionsreise nach Tadschikistan suchte,<br />
war Omar zur Stelle.<br />
Bei einem Seminar für Mitarbeiter in der Gemeinde<br />
wurde ein Teil <strong>des</strong> Römerbriefes ausgelegt.<br />
Im 10. Kapitel geht es um die Frage, wie die<br />
Menschen an Jesus glauben sollen, ohne von Ihm<br />
gehört zu haben, wo doch der Glaube vom Hören<br />
<strong>des</strong> Wortes Gottes kommt, und es heißt weiter:<br />
»Wie sollen sie aber hören ohne einen Verkündiger?« (V.<br />
14). Omar nahm dieses Wort für sich persönlich<br />
an, als seine Lebensaufgabe. Es wurde ihm klar:<br />
Das war Gottes Bestimmung für ihn.<br />
voiceofhope.de | 11
Er arbeitete zunächst weiter in seinem Beruf<br />
als Automechaniker und bat den Herrn, ihm einen<br />
Weg in den vollzeitigen <strong>Die</strong>nst zu öffnen. Zwei<br />
Jahre lang war er in einer Evangelisationsgruppe<br />
aktiv. Sie fuhren durch alle Regionen Kasachstans<br />
und predigten dort, wo sie »offene Türen« vorfanden.<br />
Doch es lag ihm auf dem Herzen, nach Tadschikistan<br />
zurückzukehren, wo es nur sehr wenige<br />
Gemeinden und Gläubige gab. Paulus betont in<br />
Römer 15,20-21, dass es ihm daran lag, das Evangelium<br />
dort zu predigen, wo es noch unbekannt<br />
war, wo noch niemand gepredigt hatte – um nicht<br />
auf fremden Grund zu bauen.<br />
Nachdem Omar am Bibelunterricht seiner Gemeinde<br />
teilgenommen hatte, wurde er 1998 nach<br />
Tadschikistan ausgesandt, wo er zusammen mit<br />
anderen Brüdern am Evangelisations- und Predigtdienst<br />
teilnahm. Durch diesen <strong>Die</strong>nst öffnete<br />
der Herr manch einem Sünder das Herz für das<br />
Evangelium. Eine junge Frau namens Sarah gehörte<br />
auch zu denen, die durch die Predigten von<br />
Omar zum Glauben an Christus kamen. Wenige<br />
Jahre später heirateten Omar und Sarah. Ab 2005<br />
diente er als Pastor in einer Gemeinde. Gleichzeitig<br />
betete eine Gruppe von Brüdern, dass Gott eine<br />
Tür nach Afghanistan öffnen möge; denn auch<br />
dort lebten etwa 7,6 Mio. Tadschiken, von denen<br />
die meisten das Evangelium noch nie gehört hatten.<br />
<strong>Die</strong> wenigen Gläubigen in Afghanistan konnten<br />
sich nur im Untergrund versammeln, wie es ja<br />
auch heute noch ist.<br />
2007 verließ Omar mit seiner jungen Familie<br />
Tadschikistan und ging zurück in seine Heimat<br />
nach Kasachstan, ohne zu wissen, welche Aufgabe<br />
der Herr als nächstes für ihn vorbereitet hatte.<br />
Im Gebet bat das junge Ehepaar Gott um Wegweisung.<br />
In Kasachstan mangelte es zwar auch nicht an<br />
Arbeit: Gott hatte Menschen zu neuem Leben erweckt.<br />
In vielen Städten gab es bereits Hausgemeinden,<br />
in denen ein Pastor benötigt wurde.<br />
Doch dann wurde Omar gebeten, mit seiner<br />
Familie nach Afghanistan umzuziehen, um<br />
dort als Missionare zu leben. <strong>Die</strong>se Bitte lastete<br />
schwer auf seiner Seele. Bei ihren Überlegungen<br />
besprachen Omar und Sarah die vielen Gefahren<br />
und Probleme, denen sie in Afghanistan begegnen<br />
würden. Da kamen ihm wieder die Worte aus<br />
Römer 15,20-21 in den Sinn, durch die Gott schon<br />
früher zu ihm gesprochen hatte: »Dabei mache ich<br />
es mir zur Ehre, das Evangelium nicht dort zu verkündigen,<br />
wo der Name <strong>des</strong> Christus schon bekannt ist, damit<br />
ich nicht auf den Grund eines anderen baue, sondern, wie<br />
geschrieben steht: ›<strong>Die</strong>, denen nicht von Ihm verkündigt<br />
worden ist, sollen es sehen, und die, welche es nicht gehört<br />
haben, sollen es verstehen‹.« Erneut erinnerte Gott<br />
ihn an diese Menschen und somit an seine Berufung.<br />
In dieser Entscheidungsphase geriet Omar in<br />
einen schweren Autounfall. Er erzählte: »Mein<br />
Wagen überschlug sich und kam erst ganz knapp<br />
vor einem Abgrund zum Stehen. Unten verliefen<br />
Bahngleise, auf denen kurz darauf ein Zug vorbeifuhr.<br />
Durch diesen Unfall machte Gott mir<br />
deutlich: ›Du bist in Meiner Hand, und sicher bist<br />
du nur dort, wo Ich mit dir bin. Ungefährlich ist es<br />
nicht dort, wo es logisch betrachtet ungefährlich<br />
ist; ungefährlich ist es dort, wo Ich mit dir bin.‹«<br />
So kam Omar zu der Entscheidung, nach Afghanistan<br />
zu gehen, und fragte seine Frau nach ihrer<br />
Einschätzung. Er wollte sie nicht einfach vor vollendete<br />
Tatsachen stellen, da es eine folgenschwere<br />
Entscheidung war, bei der er sich ihres völligen<br />
Vertrauens auf den Herrn und ihrer rückhaltlosen<br />
Unterstützung seines Entschlusses sicher sein<br />
wollte.<br />
Einige Monate später war es soweit; sie zogen<br />
nach Afghanistan um und begannen dort ihren<br />
<strong>Die</strong>nst. Sie wussten vorher nicht, wo sie wohnen<br />
und wo ihre Kinder zur Schule gehen könnten,<br />
aber sie vertrauten dem Herrn, der sie in dieses<br />
Land geführt hatte, dass Er auch für alles Weitere<br />
sorgen würde.<br />
Zunächst kamen sie im Haus einer Familie unter,<br />
die für einige Zeit außer Lan<strong>des</strong> war.<br />
ARBEIT IN AFGHANISTAN<br />
In Absprache mit der Regierung starteten sie Bildungsprojekte:<br />
Allgemeinbildung für Vorschulkinder,<br />
Englisch- und Computerkurse. In einem<br />
Frauenzentrum konnten Englisch- und Nähkurse<br />
belegt werden. In den meisten Fällen bleibt<br />
afghanischen Frauen eine Ausbildung verwehrt.<br />
Wenn eine afghanische Familie einen Sohn und<br />
eine Tochter hat, ihr Geld aber nur für die Schulbildung<br />
eines Kin<strong>des</strong> reicht, finanzieren sie dem<br />
Jungen die Ausbildung. <strong>Die</strong>se Bildungsprojekte<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
waren eine hervorragende Möglichkeit für<br />
Omar und Sarah, Kontakt zu Menschen aufzubauen<br />
und ihnen nach und nach das Evangelium<br />
zu vermitteln.<br />
Daneben konnte Omar mit einem Bruder<br />
Neubekehrte im Wort Gottes unterweisen.<br />
Ihr Ziel war es, gesunde afghanische<br />
Gemeinden aufzubauen, die auf dem Wort<br />
Gottes gegründet sind. <strong>Die</strong>ser <strong>Die</strong>nst war<br />
begleitet von einem harten Kampf, der vor<br />
dem Herrn auf den Knien im Gebet ausgefochten<br />
werden musste. Omar und Sarah<br />
waren sich stets <strong>des</strong>sen bewusst, dass allein<br />
Gottes Wort und Geist eine bleibende<br />
Umkehr in den Herzen dieser vom Islam<br />
geprägten Menschen vollbringen konnten,<br />
und es war ihnen auch klar, dass sie dieser<br />
<strong>Die</strong>nst ihr Leben kosten könnte, weil es<br />
Verräter geben konnte – und auch tatsächlich<br />
gab.<br />
Innerhalb der 7 Jahre, die Omar und Sarah mit<br />
ihrer Familie in Afghanistan gelebt und gedient<br />
haben, hat der Herr viele Afghanen errettet und<br />
ihnen den Glauben an Jesus Christus geschenkt.<br />
Kein Charakterzug eines Menschen ist so schön<br />
wie seine Liebe zum Herrn. Bei vielen der Gläubigen<br />
in Afghanistan hat sie sich darin gezeigt, dass<br />
sie nach der Gemeinschaft mit dem Herrn und<br />
mit anderen Christen hungerten und darum bereit<br />
waren, für Jesus Christus zu sterben. Drei der<br />
afghanischen Brüder sind sogar in den vollzeitigen<br />
Missionsdienst eingetreten.<br />
Nachdem im Jahr 2014 eine andere Missionarsfamilie<br />
Ziel eines Anschlags wurde, den nur<br />
die Frau und Mutter überlebte, und nachdem<br />
Omar mitsamt seiner Familie daraufhin ebenfalls<br />
Morddrohungen erhielt, beschloss er, seine Familie<br />
außer Lan<strong>des</strong> zu bringen. Für einige Wochen<br />
kamen sie gemeinsam zu uns nach Deutschland,<br />
erholten sich hier, genossen die Gemeinschaft mit<br />
den Gläubigen und wurden zum weiteren <strong>Die</strong>nst<br />
ausgerüstet.<br />
<strong>Die</strong> Verantwortung für die Missionsarbeit in<br />
Afghanistan übergab Omar nach und nach den<br />
einheimischen Christen. Er berichtet: »Gott ermöglicht<br />
es uns, mehrere Schulungen im Jahr mit Glaubensbrüdern<br />
durchzuführen, um sie in ihrem Ältestendienst<br />
zuzurüsten. Sie sind zu selbstständigen <strong>Die</strong>nern im Reich<br />
Gottes geworden. Auch die Seelen, die durch sie mit dem<br />
Evangelium erreicht und gerettet wurden, wachsen im<br />
Glauben und in der Erkenntnis. Des Weiteren können<br />
jährlich mehrere Frauenseminare durchgeführt werden,<br />
was unsere Glaubensschwestern stärkt und geistlich wachsen<br />
lässt. Sie sehnen sich sehr nach Gesprächen und Gemeinschaft<br />
mit anderen Gläubigen. Gott sei Dank für Sein<br />
Wirken an Seiner Gemeinde in Afghanistan! Trotz großer<br />
Verfolgung sind die Geschwister motiviert, dem Herrn<br />
nachzufolgen und für Ihn zu leiden. Wir danken euch für<br />
eure Gebete, die uns bis hierhin begleitet haben.«<br />
Herzlichen Dank, liebe Geschwister und<br />
Freunde, für eure Gebete und auch für eure Gaben!<br />
Durch Gottes große Güte durften wir Omar<br />
und drei weitere Missionare Jahr für Jahr finanziell<br />
unterstützen.<br />
Seit nun schon 6 Jahren lebt Omar mit seiner Familie<br />
wieder in Kasachstan, dient dem Herrn dort<br />
als Prediger und Lehrer und fährt regelmäßig<br />
nach Afghanistan, um die verfolgten Geschwister<br />
zu ermutigen und zu stärken und um zu sehen,<br />
wie es ihnen ergeht.<br />
Im März <strong>2021</strong> war Omar schwer erkrankt und<br />
lag sieben Tag lang auf der Intensivstation. Es<br />
war eine schwere Zeit für die Familie; gemeinsam<br />
haben wir den Herrn angefleht, und Er gab Seine<br />
Gnade. Omar durfte nach zweieinhalb Wochen<br />
das Krankenhaus verlassen, ist jetzt wieder wohlauf,<br />
und wir dürfen dem Herrn weiter dienen, solange<br />
Er uns in dieser Welt leben lässt!<br />
Bitte beten Sie für die verfolgten Christen in<br />
Afghanistan!<br />
voiceofhope.de | 13
Mission – SIERRA LEONE<br />
Das neue<br />
Missionsfeld<br />
Daniel und Patricia Lusenie,<br />
Missionare in Sierra Leone (Afrika)<br />
14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
EINE STIMME DER<br />
HOFFNUNG IN SIERRA LEONE<br />
Daniel kam als Flüchtling mit der ersten<br />
großen Welle im Jahr 2013 nach Europa,<br />
wurde durch Gottes Gnade errettet und<br />
fing an, eifrig die Bibel zu studieren, viele Auslegungspredigten<br />
zu hören und daraus zu lernen.<br />
Er blieb ständig mit Bruder Niko Derksen in Kontakt,<br />
der sein Lehrer und Seelsorger ist, wurde<br />
von ihm anhand der Heiligen Schrift in theologischen,<br />
sozialen und ethischen Fragen belehrt,<br />
erledigte die Studienaufgaben, die er ihm gab,<br />
und zeigte Jahr für Jahr mehr geistliche Reife.<br />
Der Herr hat in Seiner Gnade Bruder Daniel völlig<br />
verändert; er begann, anderen Flüchtlingen<br />
das Evangelium zu erklären, und nach einigen<br />
Jahren predigte er jeden Sonntag. Seit 2016 ist er<br />
Mitglied der Reformierten Baptistengemeinde<br />
in Reichshof und wurde später auch Mitarbeiter<br />
von Voice of Hope. Im Jahr 2018 heiratete Daniel<br />
Patricia, eine junge Frau aus seiner Heimat Sierra<br />
Leone, und eineinhalb Jahre später kam ihre<br />
Tochter zur Welt. Als der ehemals Geflüchtete<br />
zum ersten Mal in sein Heimatland zurückkehrte<br />
und die Menschen dort sah, überkam ihn großes<br />
Mitleid, weil ihm plötzlich schmerzlich bewusst<br />
wurde, dass dies ein Volk ist, das ohne Gott in der<br />
Finsternis lebt. <strong>Die</strong>ses Bild von seiner Heimat hat<br />
ihn nicht mehr losgelassen. Als er es uns erzählte,<br />
fingen wir mit der ganzen Gemeinde an, intensiv<br />
für das Land Sierra Leone zu beten. Es folgten<br />
mehrere Reisen nach Afrika, bei denen etliche<br />
Gläubige in den Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens unterrichtet<br />
und in den Dörfern und Schulen viele<br />
Schriften und Bibeln verteilt wurden. Inzwischen<br />
durften wir dort eine kleine Kirche errichten lassen,<br />
und auch der Bau einer Schule geht stetig<br />
vorwärts.<br />
UMZUG<br />
NACH SIERRA LEONE<br />
Da alle Versuche, Bruder Daniels Frau und seine<br />
Tochter nach Europa zu holen, scheiterten, regten<br />
wir ihn dazu an, darüber zu beten, ob er nicht zu<br />
ihr ziehen sollte. Nach viel Gebet und innerem<br />
Kampf sprach er bei seinem letzten Aufenthalt in<br />
Sierra Leone im September 2020 mit seiner Frau<br />
darüber. So beschlossen sie gemeinsam, dass er<br />
in seine Heimat, nach Sierra Leone, zurückgeht,<br />
um Gott dort mit seiner Familie zu dienen und als<br />
Missionar seinem Volk die rettende Botschaft zu<br />
verkündigen.<br />
Als Daniel sich auf den Umzug vorbereitete, wusste<br />
er noch nicht, was auf ihn zukommen würde.<br />
Wochenlang wartete er auf wichtige Dokumente;<br />
zudem sorgten die aktuellen Auflagen dafür, dass<br />
die Reise, die er dann erst im Februar antreten<br />
konnte, sich auf 5 Tage erstreckte. Es gab mehr<br />
Wartezeiten als sonst üblich, aber keine Möglichkeiten,<br />
irgendwo zu übernachten. So sammelte<br />
er sein Gepäck um sich herum – alles, was nicht<br />
schon im November 2020 mit dem Container<br />
nach Sierra Leone geschickt worden war –, nutzte<br />
sein wichtigstes Gepäckstück als Kopfkissen und<br />
schlief ein. Als er wieder aufwachte, war ein Teil<br />
seiner Gepäckstücke nicht mehr da. Damit hatte<br />
Bruder Daniel schon gerechnet, nachdem ihm<br />
von der Fluggesellschaft gesagt worden war, dass<br />
seine Weiterreise sich verzögern würde; doch als<br />
Auftakt für einen neuen Lebensabschnitt belastete<br />
es ihn ein wenig. Wer würde da nicht entmutigt<br />
sein?!<br />
Bei seiner Landung in Freetown am 27. Februar<br />
<strong>2021</strong> dankte er dem Herrn, dass Er ihn gnädig bewahrt<br />
hatte, und freute sich, in wenigen Stunden<br />
seine Frau Patricia und ihre gemeinsame Tochter<br />
in die Arme zu schließen – wie hatte er sie vermisst!<br />
Hatte er doch gehofft, schon zwei Monate<br />
früher bei ihnen sein zu können!<br />
Am Tag darauf – es war ein Sonntag – durfte Bruder<br />
Daniel in der neu erbauten Kirche predigen.<br />
Sie war zwar noch nicht ganz fertig; doch das hinderte<br />
die Dorfbewohner nicht daran, zur Predigt<br />
zu kommen.<br />
voiceofhope.de | 15
HANDWERKLICHE ARBEIT<br />
UND EVANGELIUMSVERKÜNDIGUNG<br />
In der ersten Woche nach seiner Ankunft machte<br />
er sich zusammen mit den Männern aus dem<br />
Dorf gleich daran, die Bauarbeiten an der Kirche<br />
fortzusetzen. Sie strichen das Gebäude, entfernten<br />
Palmenstümpfe und reinigten das gesamte<br />
Gelände.<br />
Außerdem versammelte er jeden Tag Kinder in<br />
der neuen Schule, sang mit ihnen und brachte ihnen<br />
biblische Lektionen bei. Wenn Sie die Kinder<br />
sehen könnten, würden Sie wohl mit den Tränen<br />
kämpfen … <strong>Die</strong> Kinder im Dorf kommen aus sehr<br />
armen Familien, sind meist nur leicht bekleidet;<br />
die Kleidungsstücke, die sie tragen, sind in der<br />
Regel zerschlissen. Doch das Schlimmste sind die<br />
Umstände, in denen die Kinder aufwachsen. Ihre<br />
Umgebung ist eine Allegorie dafür, was Sünde aus<br />
uns Menschen macht. Sie sind schmutzig, und es<br />
bekümmert sie nicht, weil es überall um sie her<br />
schmutzig ist und selbst in den Häusern kaum<br />
Ordnung herrscht. Wenn wir diese Bilder sehen,<br />
müssen wir unvermittelt an Jesu Gleichnis vom<br />
verlorenen Sohn denken, der sich wegen seines<br />
Sündenlebens im erbarmungswürdigsten Zustand<br />
befand, den man sich nur vorstellen kann.<br />
Doch der Vater hatte Erbarmen mit ihm – Gott der<br />
Vater hat Erbarmen mit Sündern! Wird Er vielleicht<br />
einige oder gar alle diese Kinder erretten?<br />
Wird Er sich über sie erbarmen? Wir wissen es<br />
nicht, und gerade <strong>des</strong>halb wollen wir alles daran<br />
setzen, dass diese Kleinen das Evangelium von<br />
Jesus Christus hören – dass sie erkennen, dass sie<br />
verloren sind und Errettung brauchen.<br />
Gerade Bruder Daniel kann, wie einst der Apostel<br />
Paulus, oftmals sagen, »dass ich große Traurigkeit<br />
und unablässigen Schmerz in meinem Herzen habe«<br />
(Röm. 9,2). Paulus dachte dabei an die Angehörigen<br />
seines Volkes, an seine Brüder nach dem Fleisch,<br />
mit denen er verbunden war. Ihretwegen war er in<br />
ständiger innerer Not, weil sie nicht an Christus<br />
glaubten.<br />
Hin und wieder motiviert Daniel die Kinder<br />
mit kleinen Geschenken und Getränken, zur<br />
Schule zu kommen, um aus Gottes Wort zu lernen;<br />
er ist besonders um die Kinder von muslimischen<br />
Eltern besorgt.<br />
Am Sonntag gibt es nach dem Gottesdienst eine<br />
Bibelstunde für diejenigen, die noch mehr vom<br />
Evangelium lernen wollen.<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
KÄMPFE UND PRÜFUNGEN<br />
Eine Woche nach Daniels Ankunft wurde er von<br />
den Verwandten seiner Frau heftig angefahren,<br />
weil er nicht in Europa geblieben ist und sie nicht<br />
alle miteinander versorgen kann. Es ging so weit,<br />
dass sie ihn unter falschen Beschuldigungen verhaften<br />
ließen. Doch Gott hat in Seiner Gnade dafür<br />
gesorgt, dass er nach einigen Tagen wieder<br />
freikam.<br />
Nur 3 Wochen nach seiner Ankunft bekam er<br />
Fieberanfälle – er wusste sofort, was es war: Malaria.<br />
Daniel hatte 6 Tage lang hohes Fieber und war<br />
sehr geschwächt, als es sich endlich wieder legte.<br />
Er ließ es sich aber nicht nehmen, am folgenden<br />
Sonntag wieder zu predigen.<br />
Kurz darauf wurde das Auto gestohlen. Zwischen<br />
den Dörfern liegen durchschnittlich etwa<br />
4 Meilen, und mit dem ganzen Gepäck würden<br />
sie nur wenige Menschen zu Fuß erreichen können.<br />
Nach drei Tagen fand die Polizei das Auto. Es<br />
war demoliert und musste erst wieder repariert<br />
werden.<br />
Das waren nur einige der Schwierigkeiten, die<br />
er in den ersten Wochen durchlebte. Für manchen<br />
wären diese Herausforderungen sicher Grund genug,<br />
zurückzufahren und sich in die Komfortzone<br />
zu begeben, oder sich zumin<strong>des</strong>t zurückzuziehen<br />
und sich von den Liebsten bedienen zu lassen.<br />
Doch Gott hatte Daniels Herz ergriffen und ihm<br />
diesen <strong>Die</strong>nst aufs Herz gelegt, so dass er nicht<br />
anders konnte, als das Wort weiterhin zu verkündigen.<br />
All diese Hindernisse können unseren<br />
Bruder auf größere Schwierigkeiten vorbereiten,<br />
die sicher kommen werden, wenn er treu das Wort<br />
Gottes predigt.<br />
Anfang April konnte er wieder täglich in die Stadt<br />
und in die Dörfer gehen, um das Wort Gottes zu<br />
verkündigen; gemeinsam mit einem Helfer verteilte<br />
er Bibeln und Literatur. Er schrieb der Gemeinde:<br />
»Wir brauchen bald mehr Bibeln und Schriften,<br />
um die Einheimischen zu unterrichten; außerdem<br />
ist die Kirche schon überfüllt, es ist kaum noch<br />
Platz! Jeden Sonntag kommen mehr Leute zum<br />
Gottesdienst. Wir danken Gott für diese offenen<br />
Türen. Betet für Erweckung in Sierra Leone, dass<br />
wahrer, rettender Glaube geschenkt wird!«<br />
voiceofhope.de | 17
EIN HELFER UND BRUDER IN DER NOT<br />
Gerade da, wo sich die neuerbaute Kirche und die<br />
Schule befinden, gibt es in der Umgebung sehr<br />
viele Muslime. Das Erstaunliche ist, dass viele von<br />
ihnen am Sonntag zur Predigt kommen, und dass<br />
unter ihnen die Nachfrage nach arabischen Bibeln<br />
wächst. Auch in einigen umliegenden Dörfern<br />
wurden schon arabische Bibeln verteilt. Einmal<br />
kam Bruder Daniel in ein Dorf und traf dort<br />
Francis, einen jungen Mann muslimischer<br />
Herkunft, der sich riesig<br />
freute, als er über Jesus Christus<br />
zu sprechen begann! Das<br />
war ungewöhnlich. Francis<br />
pries Gott, dass er Bruder<br />
Daniel begegnete und von<br />
ihm erfuhr, dass dieser<br />
nach Bagbo gekommen war,<br />
um den Menschen dort das<br />
Evangelium zu verkündigen.<br />
Daniel fragte ihn, woher er Jesus<br />
Christus, den Sohn Gottes, kenne.<br />
Daraufhin erzählte Francis ihm seine Geschichte:<br />
Sein Vater ist Imam und war sehr darauf erpicht,<br />
dass sein geliebter Sohn in seine Fußstapfen treten<br />
möge.<br />
Doch eines Tages traf Francis einen Prediger,<br />
der Jesus Christus liebt und Ihm dient, aber früher<br />
ein Moslem war. Zu jener Zeit hatte Francis<br />
bereits islamische Theologie studiert und strebte<br />
danach, Koran-Lehrer zu werden. Er nahm die Bibel,<br />
die er bekommen hatte, mit nach Hause und<br />
las darin. In Seiner Gnade öffnete Gott Francis’<br />
Herz für das Evangelium. Er hatte viele Gespräche,<br />
viele innere Kämpfe; doch schließlich gelangte<br />
er zu der Überzeugung, dass Jesus Christus der<br />
einzige Retter und Gott ist. Francis dufte Buße<br />
tun, fand Vergebung und tiefen Herzensfrieden.<br />
Darauf folgte jedoch eine schwere Zeit für ihn,<br />
denn sein Vater war zornig, verstieß und verleugnete<br />
ihn – seinen »unehrenhaften« Sohn. <strong>Die</strong>se<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
Zeit war hart für Francis. Er verließ die Familie,<br />
kam aber nach einiger Zeit wieder zurück in sein<br />
Dorf und sprach mit den Leuten über das Evangelium<br />
von Jesus Christus. Einige hörten ihm zu, andere<br />
verachteten ihn noch mehr; sein Vater verurteilte<br />
ihn für seine »Lügenreden«. Francis Zeugnis<br />
brachte einige Muslime aus seiner Familie zum<br />
Nachdenken; sie wollten mehr über Jesus Christus<br />
erfahren.<br />
Als nun Bruder Daniel kam und dort aus dem<br />
Wort Gottes predigte, sprach Francis die Bitte aus,<br />
bei ihm bleiben und ihn unterstützen zu dürfen.<br />
Er möchte von Bruder Daniel lernen.<br />
WEITERE ARBEITEN<br />
Zurzeit wird sowohl für die Kirche als auch für die<br />
Schule der Sanitärbereich gebaut. Danach beginnen<br />
wir, so Gott will, mit einem systematischen<br />
Bibelunterricht für alle, die regelmäßig zum Gottesdienst<br />
kommen.<br />
Liebe Freunde und Geschwister, liebe Leser,<br />
Gott erlaubt es uns, in Sierra Leone eine Stimme der Hoffnung<br />
zu sein. Bitte beten Sie für die Menschen dort und insbesondere<br />
für Daniel, seine Frau Patricia und ihre gemeinsame Tochter!<br />
Daniels Verantwortung ist groß und die Aufgabe schwer.<br />
In Gottes Wort werden wir dazu angehalten, besonders<br />
für solche Brüder im Gebet zu kämpfen, die Prediger, Lehrer<br />
der Gemeinde Christi und Evangelisten sind.<br />
voiceofhope.de | 19
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
DIE<br />
LEITUNG<br />
DER<br />
GEMEINDE<br />
– unterschiedliche<br />
Konzepte<br />
Welche<br />
Gemein<strong>des</strong>truktur<br />
entspricht<br />
der Bibel?<br />
Warum lehnt<br />
eine autonome<br />
örtliche Gemeinde<br />
einen Gemeinde-<br />
verband ab?<br />
20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
Wenn wir über die Leitung der Gemeinde<br />
oder über Gemeinde- und<br />
Kirchenverbände bzw. Denominationen<br />
sprechen, dann entdecken wir, dass dies ein<br />
höchst umstrittenes und kontroverses Thema ist.<br />
Es ist interessant zu beobachten, dass das Neue<br />
Testament sich nicht sehr konkret über eine Denomination<br />
äußert. Es gibt uns keine detaillierten<br />
Anweisungen, wie es dies bezüglich vieler anderer<br />
Lehren sehr wohl tut. Zweifellos lag das daran,<br />
dass das Neue Testament geschrieben wurde,<br />
als die meisten der Apostel noch am Leben waren<br />
– und sie und die Propheten vermochten die<br />
Gemeinde zu belehren und zu lenken. Wenn wir<br />
jene Teile <strong>des</strong> Neuen Testaments lesen, die zuletzt<br />
geschrieben wurden – wie zum Beispiel die Pastoralbriefe<br />
–, so finden wir darin eine deutliche Zunahme<br />
an Belehrungen über die Gemeindeleitung<br />
und Gemein<strong>des</strong>truktur, was natürlich genau dem<br />
entspricht, was man auch erwarten würde. Selbst<br />
schon in der Apostelgeschichte sehen wir, wie die<br />
Apostel Älteste einsetzten und ihnen Anweisungen<br />
darüber erteilten, wie das Gemeindeleben<br />
geordnet sein sollte. Obwohl wir also nur wenig<br />
spezielle Belehrungen darüber finden, haben wir<br />
deutliche Anzeichen dafür, dass eine Ordnung im<br />
Zusammenhang mit der Gemeindeleitung immer<br />
notwendiger wurde.<br />
Was die Verwirrung für uns in unserer Zeit und<br />
Generation verursacht, ist die Tatsache, dass nach<br />
der Zeit der Apostel und Propheten und nach der<br />
Zeit ihrer direkten Belehrung innerhalb der Heiligen<br />
Schrift die Gemeinde bzw. Kirche selbst begann,<br />
Dinge zu tun und hinzuzufügen, die nicht immer<br />
in der Bibel wiedergefunden werden können,<br />
und dass sie damit eine Tradition schuf, die oftmals<br />
sogar im klaren Widerspruch zur Schrift stand.<br />
Welches sind nun die Hauptideen hinsichtlich<br />
der Gemeindeleitung, die sich über die Jahrhunderte<br />
in der Kirche gehalten haben?<br />
VERSCHIEDENE AUFFASSUNGEN<br />
ÜBER DIE LEITUNG DER GEMEINDE<br />
1. GEMEINDE<br />
OHNE JEGLICHE LEITUNG<br />
Als Erstes hat es solche Menschen gegeben, die gar<br />
keine Gemeindeleitung zu brauchen meinten, und<br />
es gibt auch heute Christen, die immer noch Vertreter<br />
dieser Auffassung sind. Sie sagen, dass keine<br />
Notwendigkeit für eine Gemeindeleitung als solche<br />
bestehe, weil alle Glieder der Gemeinde, wenn<br />
sie zusammenkämen, dem Geist gehorsam seien.<br />
Ich möchte nun ganz offen zugeben, dass vieles<br />
für diese Auffassung spricht. Leider beschloss die<br />
christliche Kirche, als das Römische Reich christianisiert<br />
wurde, sich »Christenheit« zu nennen<br />
und dabei viele Gedanken und Ideen vom Römischen<br />
Reich zu übernehmen – einschließlich seines<br />
Regierungssystems. Und ich kann für mich<br />
selbst – das möchte ich ganz deutlich und klar<br />
zugeben – keine Art Gemeinde im Sinn der heutigen<br />
römisch-katholischen Kirche in der Heiligen<br />
Schrift entdecken. Ich stellte diese Frage einmal<br />
einem römisch-katholischen Priester, mit dem ich<br />
über diese Dinge diskutierte. Ich sagte: »Seien Sie<br />
mal ganz ehrlich: Können Sie Ihre Kirche, so wie<br />
sie heute ist, im Neuen Testament wiederfinden?«<br />
Und er gestand, dass er dies nicht könne. Natürlich<br />
fügte er dann hinzu – so wie es viele tun –:<br />
»Allerdings hat es auch danach noch Offenbarungen<br />
gegeben.« Und die römisch-katholische Kirche<br />
setzt ihre Offenbarungen bzw. Tradition der<br />
Heiligen Schrift gleich.<br />
Nun können wir sehr gut verstehen, dass eine<br />
Reaktion gegen diese Vermischung von Kirche<br />
und Staat, gegen die Erhebung von Ämtern und<br />
Hierarchien und gegen die Machtgier aufkam. Es<br />
ist sehr leicht nachvollziehbar, dass Menschen<br />
so heftig dagegen reagiert haben, dass sie sogar<br />
sagten: »Ich glaube, dass gar keine Gemeindeleitung<br />
nötig ist, denn jede Gemeindeleitung ist gefährlich.<br />
Wenn man einen Menschen über andere<br />
erhebt, dann wird er bald etwas zu dem hinzufügen,<br />
was man ihm gegeben hat, und am Ende hat<br />
voiceofhope.de | 21
man eine gewaltige Organisation, die das Leben<br />
und Wirken <strong>des</strong> Geistes unterdrücken wird.« Sie<br />
sagen, dass eine Organisation immer den Geist<br />
töte. <strong>Die</strong> Gemeinde wird so komplex, so engstirnig<br />
und steif, dass der Heilige Geist keine Gelegenheit<br />
zum Wirken mehr erhält. Historisch hatte das zur<br />
Folge, dass immer dann, wenn es eine Erweckung<br />
gab, diese fast unweigerlich zur Gründung einer<br />
neuen Denomination geführt hat, weil das Alte,<br />
die vorherige Gemeinde, das Neue nicht in ihrem<br />
Schoß halten konnte. Es war zu lebendig, ein stören<strong>des</strong><br />
Element; und Menschen, die zuvor an alte<br />
kirchliche Strukturen gebunden waren, fanden<br />
sich ausnahmslos außerhalb derselben wieder.<br />
Man kann also einige Argumente für diese Weigerung,<br />
eine Gemeindeleitung anzunehmen, ins<br />
Feld führen. Dennoch frage ich mich, ob man bei<br />
dieser Auffassung wirklich von allem Kenntnis<br />
genommen hat, was in der Heiligen Schrift gelehrt<br />
wird – ob nun dort auf bestimmte Ämter hingewiesen<br />
wird oder auf Funktionen, die diesen Ämtern<br />
zugeschrieben werden.<br />
Vielleicht besteht das letzte schlagkräftige Argument<br />
darin, dass es eine Sache ist, dass man gar<br />
keine Führung zu brauchen meint, dass es aber<br />
eine ganz andere Sache ist, eine Gemeinde zu haben,<br />
in der es auch in der Praxis keine Leiter gibt.<br />
Führung ist unvermeidlich, und wenn man sie<br />
nicht offiziell ernennt, wird sich irgendjemand der<br />
Sache annehmen und dafür sorgen, dass es selbsternannte<br />
Leiter gibt. Wenn wir also schon eine Gemeindeleitung<br />
haben müssen, dann sollten wir sie<br />
auf die Lehre der Heiligen Schrift gründen.<br />
2. GEMEINDE UNTER DER<br />
LEITUNG DES STAATES<br />
<strong>Die</strong> nächste Theorie im Hinblick auf die Gemeindeleitung<br />
wird von solchen aufgestellt, die an der<br />
erastianischen Auffassung festhalten, die, wie<br />
wir bereits gesehen haben, bedeutet, dass die Kirche<br />
ein Funktionszweig <strong>des</strong> Staates sei und dass<br />
<strong>des</strong>halb der Staat die Kirche regiere. Der Staat ernennt<br />
die Amtsträger der Kirche, insbesondere die<br />
hohen Würdenträger, die dann wiederum andere<br />
einsetzen. Dem örtlichen Prediger ist überhaupt<br />
keine Machtbefugnis gegeben. Das gewöhnliche<br />
Gemeindemitglied hat nur ein sehr geringes Mitspracherecht.<br />
Schließlich wird auch die Gemeindezucht<br />
vom Staat ausgeübt, und die Gemeinde<br />
hat nicht einmal die Befugnis, einen Ausschluss<br />
vorzunehmen. Der erastianische Gedanke findet<br />
sich in der ehemaligen Auffassung der evangelisch-lutherischen<br />
Kirche wieder.<br />
3. GEMEINDE UNTER DER<br />
LEITUNG VON BISCHÖFEN<br />
<strong>Die</strong> nächste Auffassung ist das episkopale System<br />
– die Meinung, eine bischöfliche Gemeindeleitung<br />
nötig zu haben. <strong>Die</strong> Verfechter dieser Auffassung<br />
lehren, dass Christus Selbst die Sorge für die Gemeinde<br />
gewissen Männern anvertraut habe, einer<br />
»Abordnung« oder dem »Bischofsgremium«,<br />
<strong>des</strong>sen Mitglieder Nachfolger der Apostel in einer<br />
direkten geistlichen Amtsfolge seien. Es handelt<br />
sich dabei um die Lehre, dass Christus die Apostel<br />
angewiesen habe, dass sie ihre Ämter und deren<br />
Aufstellung durch die Ernennung von Bischöfen<br />
fortsetzen sollten, und dass die Gemeindeleitung<br />
ausschließlich auf Bischöfe beschränkt bleiben<br />
müsse. <strong>Die</strong>s wird von allen episkopalen Kirchen<br />
gelehrt. Auch hier haben die Mitglieder in der<br />
Ordnung <strong>des</strong> Gemeindelebens ein wirklich sehr<br />
eingeschränktes Mitspracherecht.<br />
Was sollen wir davon halten? Nun, alles, was<br />
ich dazu anmerken würde, ist, dass im Neuen Testament<br />
überhaupt kein Unterschied zwischen dem<br />
Ältesten und dem Bischof besteht – dass die Begriffe<br />
Bischof, Ältester und Presbyter austauschbar sind. So<br />
sagt beispielsweise der Apostel Paulus, als er an die<br />
Gemeinde in Philippi schreibt: »Paulus und Timotheus,<br />
Knechte Jesu Christi, an alle Heiligen in Christus<br />
Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Diakonen«<br />
(Phil. 1,1). Das Wort »Aufseher« oder »Bischöfe«<br />
steht dort für Presbyter oder Älteste, und man<br />
bemerkt, dass es in der einen Gemeinde in Philippi<br />
nicht nur einen, sondern mehrere »Bischöfe« bzw.<br />
Älteste oder Aufseher gab. Es ist weit von der biblischen<br />
Lehre entfernt, dass ein Aufseher für mehrere<br />
Gemeinden verantwortlich ist; denn im Neuen<br />
Testament gab es viele Älteste in einer Gemeinde.<br />
Sie waren also folglich keine Bischöfe nach unserem<br />
heutigen Verständnis <strong>des</strong> Wortes. Sie waren<br />
»Älteste«, »Aufseher« oder »Presbyter« bzw. Vorsteher<br />
– einfach die älteren Männer, denen diese<br />
Stellung und Aufgabe anvertraut war.<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
Wiederum scheint es mir – und ich bin glücklich,<br />
sagen zu dürfen, dass ich hierin mit vielen treuen<br />
Brüdern auf einer Linie bin –, dass es keinen neutestamentlichen<br />
Beleg für die episkopale Sichtweise<br />
der Gemeindeleitung (z. B. örtliche Kirchensitzungen,<br />
regionale Presbyterien, größere Synoden,<br />
Generalversammlungen) gibt. Tatsächlich war dies<br />
eine Idee, die erst mehrere Jahrhunderte nach dem<br />
ersten Jahrhundert Eingang fand und die von einem<br />
Mann namens Cyprian von Karthago in Umlauf<br />
gesetzt wurde. Wiederum können wir leicht<br />
erkennen, wie diese Kirchenstruktur aufkam. In<br />
der Kirche entstanden Probleme, Schwierigkeiten<br />
traten zutage, und man empfand die Notwendigkeit<br />
einer Kirchenzucht, eines Gremiums, welches<br />
über strittige Fragen entscheiden sollte. Und wenn<br />
man einmal auf diesem Kurs startet, befindet man<br />
sich schon auf dem Weg zur bischöflichen Verfassung.<br />
Oft hat man von denjenigen unter uns, die<br />
nicht für ein »Bischofsgremium« sind, gesagt, dass<br />
wir sehr wohl Vorsteher schätzen würden, allerdings<br />
örtliche Vorsteher! Vielleicht könnte in diesem<br />
Vorwurf ein wenig Wahrheit liegen. In dem<br />
Augenblick, wo wir Gemeindezucht auszuüben<br />
beginnen, benötigen wir einen gewissen Maßstab,<br />
eine gewisse Befugnis und Abordnung, sodass Gemeindezucht<br />
umgesetzt werden kann. Und nur<br />
aufgrund dieses Erfordernisses wurde die episkopale<br />
Idee überhaupt ins Leben gerufen. Seither<br />
aber hat sich auch die römisch-katholische Kirche<br />
große Mühe gegeben, die bischöfliche Verfassung<br />
direkt auf den Apostel Petrus zurückzuführen.<br />
4. DIE KIRCHE UNTER DER<br />
LEITUNG DES PAPSTES<br />
Das führt mich dann weiter zur römisch-katholischen<br />
Auffassung, die im Grunde genommen die<br />
logische Weiterentwicklung der episkopalen Sicht<br />
ist. Wir wollen Folgen<strong>des</strong> darüber sagen: <strong>Die</strong>se Ansicht<br />
ist von daher gesehen absolut logisch und konsequent.<br />
Wenn man wirklich für die bischöfliche<br />
Verfassung der Kirche plädiert, dann ist die logische<br />
Folgerung, dass ein Episkopat, also ein Bistum 1 ,<br />
über allen anderen steht, <strong>des</strong>sen Amtsinhaber endgültige<br />
Autorität hat. Wenn er ex cathedra spricht,<br />
gilt er als unfehlbar, und je<strong>des</strong> seiner Worte ist ganz<br />
gewiss von Gott. Das ist der Anspruch, den die Katholiken<br />
erheben. Sie behaupten, dass der Papst<br />
nicht nur der Oberste Bischof, sondern auch der<br />
direkte Nachfolger <strong>des</strong> Apostels Petrus und folglich<br />
auch der »Stellvertreter Christi auf Erden« sei.<br />
Wir wollen uns jetzt nicht in die Argumente<br />
gegen all diese Behauptungen vertiefen – es gibt<br />
zahlreiche Bücher, die Ihnen eine ausführliche<br />
Antwort bieten können. <strong>Die</strong> wesentliche Antwort<br />
liegt jedoch darin, dass die Lehre der römisch-katholischen<br />
Kirche historisch gesehen völlig unbegründet<br />
ist. Ich stelle hiermit nicht einfach eine<br />
leere Behauptung auf; dies ist etwas, was bewiesen<br />
werden kann.<br />
5. GEMEINDE UNTER DER<br />
LEITUNG EINER PRESBYTERIA-<br />
NISCHEN DENOMINATION<br />
<strong>Die</strong> nächste Form der Gemeindeleitung ist die<br />
presbyterianische Auffassung. <strong>Die</strong> Presbyterianer<br />
gingen von der Annahme aus, dass die örtliche<br />
Gemeinde in sich selbst eine Einheit ist, dass<br />
Gemeinden aber aus formellen Gründen, um der<br />
Ordnung willen und zur Vermeidung von Chaos<br />
gut daran tun, einen Gemeindeverband zu bilden,<br />
welcher von allen anerkannt wird und nach dem<br />
sie sich alle richten wollen. Einige Gemeinden<br />
kamen also zusammen und bildeten eine presbyterianische<br />
Denomination. Wenn ich »einige<br />
Gemeinden« sage, dann meine ich damit nicht,<br />
dass die ganze Gemeinschaft der Gemeinden zusammenkam,<br />
sondern dass jede Ortsgemeinde in<br />
einem festgelegten Gebiet Abgeordnete – einen<br />
Prediger und einen Ältesten – entsandte und diese<br />
dann alle zusammenkamen und ein Presbyterium<br />
bildeten. Dann kamen sie verbindlich darin überein,<br />
dass jede Ortsgemeinde zu den Entscheidungen<br />
<strong>des</strong> Presbyteriums stehen solle. Danach gingen<br />
sie einen Schritt weiter und ließen einige der<br />
Ältesten aus dem Presbyterium in einer Hauptversammlung<br />
(oder Synode) zusammenkommen.<br />
Aus jedem Presbyterium kamen also Älteste, die<br />
dann die Hauptversammlung bzw. Synode bildeten,<br />
und die Ältesten einigten sich darauf, sich an<br />
die Beschlüsse der Synode zu halten. Das ist nun<br />
der Kern <strong>des</strong> presbyterianischen Systems, worauf<br />
die Kirchenstruktur in der presbyterianischen<br />
Kirche seit der Zeit von John Knox und der reformierten<br />
Denomination beruhte.<br />
1 Amtsbereich eines katholischen Bischofs<br />
voiceofhope.de | 23
6. EINE UNABHÄNGIGE<br />
ORTSGEMEINDE<br />
Und dann gibt es schließlich noch die Sichtweise<br />
der Gemeindeleitung, die wir die kongregationalistische<br />
oder independente (unabhängige) Sicht<br />
nennen. Es ist ziemlich schwierig, dieses Thema<br />
zu behandeln, weil nicht ein einziger Aspekt der<br />
Beschreibung, die ich liefern werde, in völliger<br />
Übereinstimmung mit dem steht, was heute tatsächlich<br />
praktiziert wird. Heutzutage gibt es nur<br />
sehr wenige unabhängige Gemeinden mit diesen<br />
Eigenschaften. <strong>Die</strong> unabhängigen Gemeinden<br />
sind der Auffassung, dass jede Ortsgemeinde eine<br />
Einheit in sich selbst sei, dass sie die höchste Befugnis<br />
habe, alles selbst zu entscheiden. Es handelt<br />
sich um eine Versammlung von Christen, die<br />
glauben, dass der Herr gegenwärtig und das Haupt<br />
der Gemeinde ist, und dass Er, wenn sie auf Ihn<br />
schauen und auf Ihn warten, sie durch den Geist<br />
leiten und ihnen die Weisheit geben werde, die sie<br />
benötigen, um über Lehr- und Zuchtfragen usw.<br />
zu entscheiden. <strong>Die</strong> Ortsgemeinde ist autonom,<br />
sie regiert sich selbst, und sie muss nicht auf ein<br />
höheres Gremium, sei es ein Bischofskollegium,<br />
Presbyterium, eine Synode, einen Kirchenverband,<br />
eine Vereinigung, Bruderschaft oder Ähnliches,<br />
achten.<br />
Ich frage aber: Wie viele von solchen Gemeinden<br />
gibt es heute noch? Ursprünglich traf die<br />
Beschreibung auf die sogenannten Kongregationalisten<br />
und auf die Baptisten zu; denn die<br />
Baptisten vertraten die kongregationalistische<br />
Gemeindeordnung, nämlich Unabhängigkeit<br />
von einem Gemeindeverband bzw. einer Denomination.<br />
Heutzutage haben jedoch gemeinhin<br />
sowohl die Kongregationalisten als auch die meisten<br />
Baptisten den presbyterianischen Gedanken<br />
übernommen, was sich zum Beispiel an ihren Unterstützungsfonds<br />
und an ihrer finanziellen Kontrolle<br />
über die einzelnen Ortsgemeinden zeigt. Sie<br />
sind somit keine unabhängigen Gemeinden mehr,<br />
sondern Presbyterianer geworden, bei denen ein<br />
höhergestelltes Gremium die Befugnis hat, die<br />
Ortsgemeinden zu beeinflussen und sich in ihre<br />
Belange einzumischen.<br />
BIBLISCHE LEITUNG<br />
EINER GEMEINDE<br />
Nun, damit haben wir also die unterschiedlichen<br />
Auffassungen über die Leitung der Gemeinde und<br />
Strukturen kennengelernt. Ich zweifle nicht daran,<br />
dass viele an dieser Stelle geneigt sind, mir<br />
eine Frage zu stellen: Ziehen Sie eine Gemein<strong>des</strong>truktur<br />
einer anderen vor? Nun, ich fürchte mich<br />
nicht vor dieser herausfordernden Frage! Wenn<br />
ein Mann sich von Gott zum Lehren berufen weiß,<br />
dann ist es seine Aufgabe, zu versuchen, Anleitungen<br />
zu geben. Ich möchte nicht zu dogmatisch<br />
sein; aber ich meine: Wenn man im Licht der Lehre<br />
<strong>des</strong> Neuen Testaments über diese Dinge nachdenkt<br />
und das vergisst, was sich in der Kirchengeschichte<br />
zugetragen hat, kommt man sicherlich zu<br />
der Schlussfolgerung, dass das Konzept einer unabhängigen<br />
Ortsgemeinde am ehesten der Bibel<br />
entspricht. Ja, die Ortsgemeinden versammelten<br />
sich auch schon in der Zeit <strong>des</strong> Neuen Testaments,<br />
um Gemeinschaft zu pflegen, und sicherlich müssen<br />
auch wir das tun.<br />
Alle unter uns, die wir Christen sind, sehnen<br />
sich nach Gemeinschaft mit Christen in anderen<br />
Gemeinden. Wir halten an denselben Glaubensüberzeugungen<br />
fest, wir beten denselben Herrn<br />
an, und es ist wirklich gut, wenn wir uns z. B. auf<br />
Konferenzen treffen können. Aber so, wie ich die<br />
Lehre der Heiligen Schrift aus der Zeit <strong>des</strong> Neuen<br />
Testaments verstehe, besaß kein Konzil eine<br />
bindende Autorität. Nehmen wir zum Beispiel<br />
das Apostelkonzil, das in Jerusalem tagte, was in<br />
Apostelgeschichte 15 beschrieben wird. Es hatte<br />
keine Befugnis, für die Ortsgemeinden Gesetze<br />
zu erlassen; es sprach einfach nur Empfehlungen<br />
aus. Es heißt dort einfach: »Es hat nämlich dem<br />
Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last<br />
aufzuerlegen, außer diesen notwendigen Dingen« (Apg.<br />
15,28). Das Konzil konnte die Ortsgemeinden<br />
nicht zwingen; es konnte keinen Zwang ausüben.<br />
Es sagte nur: »<strong>Die</strong>s ist unser Verständnis; dies ist<br />
unser Ratschlag.« Und die Ortsgemeinden konn-<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
ten es entweder annehmen oder ablehnen.<br />
Wenn natürlich eine Ortsgemeinde mit anderen<br />
Gemeinden überhaupt nicht auf eine Linie<br />
kam, dann wären bei ihrem nächsten Gemeinschaftstreffen<br />
andere Christen wahrscheinlich<br />
bevollmächtigt worden, vorschlagen zu dürfen,<br />
dass eine solche Gemeinde kein Recht haben<br />
dürfe, in die Gemeinschaft aufgenommen zu<br />
werden. Wenn sie nicht mehr in Eintracht miteinander<br />
waren, dann bestand keine Gemeinschaft<br />
mehr. Aber es gab in der Zeit <strong>des</strong> Neuen Testaments<br />
keine gesetzgebende, keine zwingende<br />
Gewalt. Und <strong>des</strong>halb schlage ich die Auffassung<br />
von der unabhängigen Ortsgemeinde vor; sie<br />
scheint mir dem neutestamentlichen Muster am<br />
nächsten zu kommen. Jede örtliche Gemeinde<br />
sollte autonom und unabhängig, aber auch immer<br />
bereit sein, sich in Gemeinschaft mit solchen<br />
zu versammeln, die ihr gleichgesinnt sind<br />
und sich an die gleichen biblischen Grundsätze<br />
halten.<br />
Wenn Sie die Auffassung von unabhängigen<br />
Ortsgemeinden nicht akzeptieren und irgendeine<br />
der anderen Gemein<strong>des</strong>trukturen für sich annehmen,<br />
dann werden Sie sich eventuell als ein<br />
Mitglied in einer Denomination wiederfinden, in<br />
der die bestimmenden Kräfte in ihrer Lehre oder<br />
in ihrer Praxis nicht mit Ihnen übereinstimmen –<br />
und doch wird von Ihnen erwartet, dass Sie eine<br />
Lehre unterstützen, von der Sie glauben, dass sie<br />
falsch und gefährlich ist –, einfach weil Sie einer<br />
solchen Denomination und deren Strukturen angehören.<br />
Das ist in der Geschichte immer wieder<br />
geschehen, und in dieser Position befinden sich<br />
heutzutage viele Christen wieder. Sie gehören Gemeinden<br />
bzw. Denominationen an, mit denen sie<br />
in der Hauptsache nicht nur nicht übereinstimmen<br />
können, sondern auch nicht damit sympathisieren,<br />
und doch sind sie solchen Kräften oder<br />
Systemen unterworfen. So kann es sein, dass ein<br />
Christ sich in einer Gemeinde befindet, die Älteste<br />
und deren <strong>Die</strong>nste unterstützt, von denen er<br />
mit Recht glaubt, dass sie eine Verleugnung <strong>des</strong><br />
Glaubens darstellen.<br />
Darum wiederhole ich, dass es mir scheint,<br />
dass im Lichte der neutestamentlichen Lehre und<br />
sicherlich auch im Lichte der Erfahrung durch die<br />
Jahrhunderte eine unabhängige Ortsgemeinde<br />
das Ideal ist. Dort kommen Menschen zusammen,<br />
die miteinander übereinstimmen. Aber diese<br />
Gemeinschaft mit anderen Christen, mit denen<br />
sie in gleicher Weise übereinstimmen, hat nichts<br />
Binden<strong>des</strong>. Es existiert kein Recht, irgendetwas<br />
einzelnen Gemeinden aufzuerlegen oder das Gewissen<br />
zu binden. <strong>Die</strong>se Gemeinschaft gleichgesinnter<br />
Gläubiger, die zusammenkommen, um<br />
sich selbst und ihr geistliches Leben zu fördern,<br />
die einander helfen, so gut sie können – aber ohne<br />
Zwang und freiwillig –, ist das Ideal. Keiner einzelnen<br />
Gemeinde wird abgenötigt, Dinge zu tun,<br />
die ihren Überzeugungen widerstreben und sogar<br />
gegen ihr Gewissen streiten.<br />
Ich hoffe, dass niemand meint, dass dies kein<br />
geistliches Thema gewesen sei. <strong>Die</strong>se Dinge sind<br />
meines Erachtens von lebenswichtiger Bedeutung,<br />
und wenn Sie sagen: »Das Thema Gemeindeleitung<br />
hat nichts mit mir zu tun; ich bin ein<br />
geistlich gesinnter Mensch«, dann kann ich Ihnen<br />
nur deutlich sagen, dass Sie ein sehr unbiblischer<br />
Mensch sind. Als ein Glied am Leibe Christi ist es<br />
Ihre Aufgabe, ja Ihre Pflicht, darauf zu achten,<br />
dass die sichtbare Gemeinde keinesfalls der Lehre<br />
<strong>des</strong> Herrn widerspricht, der uns zu Hütern und<br />
Wächtern eingesetzt hat.<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Gott und seine Gemeinde«, 3L-Verlag.<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
GOTT UND SEINE GEMEINDE<br />
Studienreihe über biblische Lehren (Band 4)<br />
Der Mangel an Kenntnis über die lebenswichtigen Wahrheiten<br />
<strong>des</strong> christlichen Glaubens ist heutzutage größer als je zuvor.<br />
In diesem vierten Band spricht D.M. Lloyd-Jones unkompliziert und klar über die Themen: <strong>Die</strong><br />
Gemeinde im Neuen Testament, Taufe, Abendmahl, Wiederkunft Christi, voiceofhope.de der Antichrist, | 25 Daniel<br />
9,24-27, die Offenbarung <strong>des</strong> Johannes, die Auferstehung <strong>des</strong> Leibes und der ewige Zustand.<br />
14,50 € | Bestell-Nr. 863.803 | 336 Seiten | Bestellen unter: www.voh-shop.de | 02265 99749-22
DIE GEMEINDE<br />
JESU IN DER<br />
ZERREIẞPROBE<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />
Niko Derksen, Peter Schild 1 ,<br />
Tobias Riemenschneider 1
»Lasst uns festhalten am Bekenntnis der<br />
Hoffnung, ohne zu wanken — denn Er ist treu,<br />
der die Verheißung gegeben hat —, und<br />
lasst uns aufeinander achtgeben, damit wir uns<br />
gegenseitig anspornen zur Liebe und<br />
zu guten Werken, indem wir unsere eigene<br />
Versammlung nicht verlassen …«<br />
Hebräer 10,23-25<br />
Besorgt beobachten wir, dass Brüder, die einst mit Mut und Entschlossenheit<br />
die Wahrheit verteidigten, immer kompromissbereiter<br />
werden. <strong>Die</strong>se Kompromissbereitschaft tritt besonders deutlich<br />
zutage, wenn die Gemeinde Jesu in die Zerreißprobe gestellt wird und der<br />
Staat in die Ausübung <strong>des</strong> Gottesdienstes und in die Verkündigung <strong>des</strong> Wortes<br />
eingreift, wie es in der Kirchengeschichte immer wieder der Fall war.<br />
Der Staat und die Gemeinde sind zwei getrennte Herrschaftsbereiche<br />
Christi. Er hat dem Staat Autorität verliehen und festgelegt, wie weit dieser<br />
Herrschaftsbereich reicht, und Er hat die Gemeinde gebaut und ihr Seinen<br />
Willen offenbart. Sein Wort zu befolgen, ist unsere höchste Pflicht und<br />
Freude.<br />
Sofern der Staat uns nicht etwas gebietet oder verbietet, das in Konflikt<br />
mit der Heiligen Schrift steht, ist es auch die Anordnung Gottes, der Regierung<br />
gegenüber treuen Gehorsam zu leisten. Würde er uns jedoch etwas<br />
gebieten oder verbieten, das in Konflikt mit der Heiligen Schrift steht, so<br />
ist es unsere Pflicht, uns dem zu widersetzen. Darüber hinaus gilt es auch<br />
dem zu wehren, wenn der Staat Seinen Herrschaftsbereich überschreitet<br />
und in den Herrschaftsbereich der Gemeinde eingreift. Wie reagieren wir<br />
aber tatsächlich, wenn er diese gottgegebenen Grenzen missachtet?<br />
»Als Christen sollen wir der Staatsmacht gehorchen, doch als übergeordnetes<br />
Prinzip gilt, dass wir immer Gott gehorchen sollten. Wenn es<br />
einen Konflikt gibt zwischen dem, was die Staatsmacht befiehlt, und<br />
dem, was Gott verlangt, ist es unsere moralische Pflicht, der Staatsmacht<br />
nicht zu gehorchen.« 2 – R.C. Sproul (1939-2017)<br />
Heute sind viele Christen hin- und hergerissen; sie lassen sich orientierungslos<br />
von Nachrichten über die neuesten Geschehnisse berieseln. Es<br />
scheint, als ob nicht mehr die Wahrheit der Schrift – das Wort Gottes – ihr<br />
Denken, Reden und Handeln bestimme, sondern die Situation, in der sie<br />
sich gerade befinden. Gibt es in dem ewig gültigen Wort Gottes Orientierung<br />
und Wegweisung, an der wir unser Leben ausrichten können – unabhängig<br />
davon, was uns begegnet und was in der Welt um uns herum geschieht?<br />
»Mache meine Schritte fest durch Dein Wort, und lass nichts Böses über mich herrschen!«<br />
(Ps. 119,133). Das sei stets unser Gebet.<br />
1 Pastoren der Evangelisch-Reformierten Baptistengemeinde Frankfurt<br />
2 Aus: Der Römerbrief – Kommentar & Auslegung von R.C. Sproul<br />
voiceofhope.de | 27
DIE HEILIGE PFLICHT DER GEMEINDE<br />
<strong>Die</strong> heilige Pflicht der Gemeinde Jesu ist es, das<br />
Wort Gottes zu verkündigen – und zwar nicht nur<br />
in der Gemeinde, sondern allen Menschen. Sie<br />
soll hingehen und alle Völker zu Jüngern machen,<br />
sie taufen und sie lehren, alles zu halten, was<br />
Christus uns geboten hat (Mt. 28,19-20). Biblische<br />
Verkündigung beinhaltet aber auch, Unrecht<br />
aufzuzeigen, von Sünde zu überführen und alle<br />
Menschen, auch die Regierenden, zur Umkehr<br />
von ihren bösen Werken und zum Gehorsam gegenüber<br />
Gottes Geboten aufzurufen (Apg. 17,30).<br />
Als Christen dürfen wir keine Gemeinschaft mit<br />
den unfruchtbaren Werken der Finsternis haben,<br />
sondern müssen sie vielmehr aufdecken (Eph.<br />
5,11). <strong>Die</strong> Waffe für diesen Kampf gegen Finsternis<br />
und Bosheit – das Wort Gottes (Eph. 6,17) – hat<br />
der HERR Seiner Gemeinde nicht umsonst verliehen.<br />
Von jeher haben diejenigen, die das Wort Gottes<br />
verkündigten, diese heilige Pflicht erfüllt: Der<br />
Prophet Nathan konfrontierte den König David<br />
mit seiner Sünde, wegen seines Ehebruchs mit<br />
Bathseba und <strong>des</strong> Mor<strong>des</strong> an Uria; der Prophet<br />
Elia konfrontierte König Ahab mit seinem Götzendienst<br />
und mit der Konfiszierung <strong>des</strong> Weinbergs<br />
von Nabot, und der Prophet Johannes der<br />
Täufer konfrontierte König Hero<strong>des</strong> nicht nur<br />
mit seiner gesetzwidrigen Ehe, sondern mit allem<br />
Bösen, das er getan hatte, um nur einige Beispiele<br />
zu nennen. Dem Propheten Jesaja gebietet<br />
der HERR: »Rufe aus voller Kehle, schone nicht! Erhebe<br />
deine Stimme wie ein Schopharhorn und verkündige<br />
Meinem Volk seine Übertretungen und dem Haus Jakob<br />
seine Sünde!« (Jes. 58,1). Auch heidnischen Nationen<br />
und Königen verkündigten die Propheten Gericht<br />
wegen ihrer bösen Werke. So forderte Daniel den<br />
König Nebukadnezar auf: »Darum, o König, lass dir<br />
meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durch<br />
Gerechtigkeit und mit deinen Missetaten durch Barmherzigkeit<br />
gegen Elende, wenn dein Wohlergehen dauerhaft<br />
sein soll!« (Dan. 4,24). Der Apostel Paulus predigte<br />
vor dem Statthalter Felix von der Gerechtigkeit,<br />
der Enthaltsamkeit und dem zukünftigen Gericht<br />
(Apg. 24,24-25).<br />
Wenn der Apostel Paulus schreibt, dass der<br />
Staat eine <strong>Die</strong>nerin Gottes ist, die den, der Gutes<br />
tut, loben und den, der Böses tut, strafen soll, um<br />
damit Gottes Zorn auszuführen (Röm. 13,3-6),<br />
dann ist es unerlässlich, auch den Staatsdienern<br />
zu verkündigen, was Gott, ihr Herr, dem sie dienen<br />
sollen, von ihnen erwartet und was in Seinen<br />
Augen gut und zu loben oder böse und zu strafen<br />
ist. Wer sollte aber den Regierenden den Willen<br />
Gottes in Bezug auf ihre Amtsausübung kundtun,<br />
wenn nicht die Gemeinde, der das Wort Gottes anvertraut<br />
ist und die der Pfeiler und die Grundfeste<br />
der Wahrheit ist (1.Tim. 3,15)?! Zudem haben wir<br />
das Gebot, die Regierenden zu ehren. Ist es etwa<br />
Ehrerbietung, wenn wir die Regierenden in ihr<br />
Verderben laufen lassen, ohne sie davor zu warnen,<br />
dass sie sich durch ihre treulose Amtsführung<br />
den Zorn Gottes aufhäufen?<br />
Daher ist es der Gemeinde Jesu nicht nur erlaubt,<br />
sondern es ist ihre heilige Pflicht, das Evangelium<br />
zu predigen, das Unrecht und die Bosheit als<br />
Sünde bloßzustellen, die von Seiten der Regierenden<br />
geschieht, und sie – mit der nötigen Ehrerbietung<br />
– zur Umkehr aufzurufen, wenn sie<br />
ihrer Aufgabe als Gottes <strong>Die</strong>nerin nicht gerecht<br />
werden, sondern sich gegen Gott auflehnen, indem<br />
sie etwa die sogenannte »Ehe für alle« beschließen.<br />
Hierzu darf die Gemeinde unseres<br />
heiligen Herrn nicht schweigen! Heißt es nicht:<br />
Wehret den Anfängen? Letztlich müssen wir uns<br />
die Frage stellen, ob die derzeitigen Umstände<br />
und die überhandnehmende Gesetzlosigkeit in<br />
unserem Land nicht auch <strong>des</strong>halb über uns kommen,<br />
weil die Gemeinden zu lange zu der Gottlosigkeit<br />
und den Gräueln <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> geschwiegen<br />
haben.<br />
EINE IDENTITÄTSKRISE<br />
Der Grund, weshalb viele örtliche Gemeinden<br />
sich dem gegenwärtigen Unrecht nicht widersetzen,<br />
liegt wohl darin, dass sie es nicht oder jedenfalls<br />
nicht in seinem vollen Ausmaß realisieren.<br />
Wir müssen erkennen, dass die schweren Gewissensnöte<br />
vieler gottesfürchtiger Christen und die<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
erheblichen Spannungen in den Gemeinden dadurch<br />
entstehen, dass die Forderungen der Regierung<br />
in Konflikt zu Gottes Geboten stehen!<br />
Begrenzte Teilnehmerzahl<br />
<strong>Die</strong> Gemeinde ist der Leib Christi, und je<strong>des</strong><br />
wiedergeborene Mitglied der Gemeinde ist ein<br />
Glied an diesem Leib. <strong>Die</strong> Versammlung zum<br />
Gottesdienst ist die Versammlung <strong>des</strong> ganzen<br />
Leibes, nicht nur einiger Körperteile. <strong>Die</strong> Schrift<br />
enthält ausdrückliche Gebote diesbezüglich, wie<br />
z. B., die eigene Versammlung nicht zu verlassen<br />
(Hebr. 10,25). Ein Livestream ist keine Versammlung.<br />
Eine Online- oder Telefon-Predigt ist keine<br />
Versammlung. Ebenso, wie der Inhalt der Verkündigung<br />
nicht eingeschränkt werden darf, so<br />
darf auch die Anzahl der möglichen Hörer nicht<br />
eingegrenzt werden. Denken wir doch einmal darüber<br />
nach: Sind Teilnehmerzahlbegrenzungen<br />
nicht eine Lieblosigkeit gegenüber denen, für die<br />
dann kein Platz mehr ist und die daher zu Hause<br />
bleiben müssen? Wie kann der Staat sich anmaßen,<br />
zu bestimmen, wie viele Menschen sich<br />
versammeln dürfen, um Gott, den Schöpfer <strong>des</strong><br />
Himmels und der Erde, anzubeten?! Es ist kaum<br />
abzuschätzen, welche geistlichen Schäden die<br />
Gemeinden erleiden werden, wenn sie sich nicht<br />
mehr als ganze Gemeinde versammeln und auch<br />
nicht mehr gemeinsam das Mahl <strong>des</strong> Herrn feiern,<br />
das doch zur Stärkung <strong>des</strong> ganzen Leibes<br />
Christi dienen soll.<br />
Abstandsgebot<br />
Sind wir nicht auch aufgefordert, einander Bruderliebe<br />
zu erweisen und einander zu grüßen<br />
mit heiligem Kuss (Röm. 16,16; 1.Kor. 16,20; 2.Kor.<br />
13,12; 1.Thess. 5,26; 1.Pt. 5,13)? Selbstverständlich<br />
kann man eine Zeit lang Abstand halten, wenn<br />
man eine ansteckende Krankheit hat, um niemanden<br />
zu gefährden; aber man kann Menschen nicht<br />
per se als eine potentielle Bedrohung betrachten<br />
und sich über Monate und womöglich über Jahre<br />
von ihnen distanzieren. Wenn Brüder das nicht<br />
ernsthaft bedenken, verursacht man einen beträchtlichen<br />
geistlichen und seelischen Schaden<br />
in den Gemeinden. Das Ausmaß <strong>des</strong>sen können<br />
wir nur erahnen; denn wir haben mit denen geweint,<br />
die unter der Einsamkeit und Entfremdung<br />
leiden oder die sogar verzweifeln, weil ihre<br />
Gemeinde sich seit langem nur noch mit Abstand<br />
und Maske versammelt (oder überhaupt nicht<br />
mehr). Verstößt dies nicht gegen das Gebot, einander<br />
zu lieben und sich herzlich übereinander zu<br />
erbarmen?<br />
Gesangsverbot<br />
Das staatliche Verbot <strong>des</strong> Gemeindegesangs verstößt<br />
ebenfalls offensichtlich gegen die Gebote<br />
Gottes, denn die Heilige Schrift ist voller Gebote<br />
zum Singen und Loben unseres Herrn (vgl. nur Ps.<br />
47,7). Das Singen gehört zum unverzichtbaren Bestandteil<br />
der biblischen Anbetung.<br />
Der Gottesdienst, die Verkündigung <strong>des</strong> Wortes,<br />
das Brotbrechen und die persönliche Gemeinschaft<br />
miteinander unter Gebet und Gesang machen<br />
die Identität der Gemeinde Jesu Christi aus.<br />
Als Gemeindehirten fügen wir unseren Herden<br />
massiven Schaden zu, wenn wir auch nur auf eines<br />
dieser Dinge verzichten.<br />
AUS DER GESCHICHTE<br />
Wie in vergangenen Zeiten, so werden auch heute<br />
Christen wegen ihrer Treue zum Herrn bestraft<br />
und sogar inhaftiert. <strong>Die</strong> Christen in Nordkorea<br />
und Afghanistan müssen um Christi willen schwer<br />
leiden; doch es ist bewundernswert, zu beobachten,<br />
wie treu und kompromisslos sie trotz alledem<br />
ihrem Herrn dienen. Es ist erst etwas über dreißig<br />
Jahre her, dass unsere Glaubensgeschwister in der<br />
Sowjetunion Verfolgung erlitten. Viele dieser Geschwister<br />
befinden sich heute noch in unseren Gemeinden.<br />
Warum haben sie gelitten? Warum gingen<br />
sie in die Gefängnisse? War es nicht <strong>des</strong>halb,<br />
weil der Staat ihnen Versammlungsverbot erteilt<br />
hat? Weil viele Christen sich weigerten, die Versammlungen<br />
zu unterlassen, hatte der Staat ihnen<br />
gegenüber gewisse Auflagen gemacht und nur noch<br />
denjenigen erlaubt, sich zu versammeln, die auf die<br />
damit verbundenen Kompromisse eingingen. Viele<br />
Geschwister aus unseren Reihen haben es selbst<br />
miterlebt ... Dem Herrn sei Dank, dass es zu allen<br />
Zeiten treue Christen gab, die Ihm kompromisslos<br />
dienten! Dazu sind auch wir heute aufgerufen.<br />
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GEMEINDE UND STAAT<br />
Wenn der Staat erst einmal in den Herrschaftsbereich<br />
der Gemeinde eingedrungen ist – wie wollen<br />
wir wissen, ob er seine Machtbefugnisse nicht<br />
Schritt für Schritt immer weiter ausdehnen und<br />
den Gemeinden immer mehr Vorgaben machen<br />
wird? Wir sind besorgt darüber, wie bereitwillig<br />
Gemeinden ihre Freiheiten aufgeben, für deren<br />
Erkämpfung unsere Brüder und Schwestern in<br />
vergangenen Jahrhunderten gelitten und teilweise<br />
sogar ihr Leben gelassen haben. Es ist gerade<br />
ein Ausdruck von Nächstenliebe und Liebe zu<br />
unseren Kindern und Enkelkindern, dass wir eifersüchtig<br />
über die Freiheiten der Gemeinde Jesu<br />
Christi wachen.<br />
Besonders erstaunt es uns, dass einige Christen<br />
sogar meinen, dem Staat dankbar sein zu müssen,<br />
dass er überhaupt wieder Gottesdienste »erlaubt«.<br />
Eine solche Auffassung offenbart ein grundlegend<br />
falsches Verständnis vom Staat. Es ist nicht<br />
der Staat, der es uns zu erlauben hat und es uns<br />
nun gnädigerweise unter vielen Einschränkungen<br />
gönnt, Gottesdienst zu feiern; sondern dies ist unser<br />
gottgegebenes, unveräußerliches Recht. Der<br />
Staat ist als Gottes <strong>Die</strong>nerin sogar verpflichtet, die<br />
ungestörte Ausübung dieses Rechts zu gewährleisten.<br />
Wir sollten nicht dem Staat danken, dass<br />
er uns Gottesdienste »erlaubt«; sondern der Staat<br />
sollte sich fürchten, in die Anbetung Gottes einzugreifen.<br />
Unser Dank gebührt allein Gott, dass Er<br />
unseren Staat noch zurückhält, sodass dieser die<br />
Gemeinde nicht so verfolgen kann, wie es anderenorts<br />
geschieht.<br />
»<strong>Die</strong> Ausübung <strong>des</strong> wahren Glaubens ist eine göttliche<br />
Pflicht, die den Männern und Frauen, die<br />
nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden, auferlegt<br />
ist (1.Mo. 1,26-27; Apg. 4,18-20; 5,29; vgl. Mt.<br />
22,16-22). Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> Freiheit der<br />
Religionsausübung ist ein Gebot Gottes und kein<br />
vom Staat gewährtes Privileg«, schrieben John<br />
MacArthur und die Ältesten der Grace Community<br />
Church in ihrer Stellungnahme zum Versammlungsverbot<br />
der Kirchen in Kalifornien.<br />
Zuletzt: Wie sollen wir nun mit ängstlichen Geschwistern<br />
umgehen, denen man in dieser Corona-Zeit<br />
ganz besonders entgegenkommen sollte?<br />
Sollte man aus Liebe und Rücksicht auf sie die<br />
Maßnahmen vielleicht doch einhalten?<br />
Selbstverständlich kann ein Christ Angst vor<br />
Krankheit oder Tod haben, und wir sollten den<br />
Herrn, unseren Gott, nicht leichtsinnig versuchen.<br />
Aber wir dürfen nicht in einem Zustand<br />
stetiger Furcht leben und aus Sorge um unser<br />
leibliches Leben das Wohlergehen unserer Seele<br />
vernachlässigen. Wie kommen wir also ängstlichen<br />
Geschwistern in rechter Weise entgegen?<br />
Wie erweisen wir ihnen als unseren Geschwistern<br />
Liebe? Etwa, indem wir sie in ihrer Angst,<br />
die letztlich ein Ausdruck ihres Kleinglaubens<br />
ist, belassen und sie darin sogar bestätigen? Oder<br />
indem wir ihnen helfen, ihre Angst durch die Erkenntnis<br />
der Wahrheit und durch den Glauben zu<br />
überwinden?<br />
Menschen sterben letztlich nicht an einer<br />
Krankheit oder einem Unfall, sondern am Willen<br />
bzw. an der Zulassung Gottes. <strong>Die</strong> Bibel lehrt uns<br />
sogar, dass der HERR von Anfang an bestimmt<br />
hat, an welchem Tag wir sterben werden (Ps.<br />
139,16). Und unser Herr stellt die rhetorische Frage:<br />
»Wer aber von euch kann durch sein Sorgen zu seiner<br />
Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen?« (Mt. 6,27;<br />
Lk. 12,25). Ermahnt unser Herr uns nicht immer<br />
wieder, uns nicht zu fürchten, auch nicht vor dem<br />
Tod? Ist Sterben nicht unser Gewinn, und sollten<br />
wir nicht das Verlangen danach haben, aufzubrechen<br />
und bei Christus zu sein (Phil. 1,21.23)? Hat<br />
Christus uns nicht alle befreit, die wir durch To<strong>des</strong>furcht<br />
das ganze Leben hindurch der Knechtschaft<br />
unterworfen waren (Hebr. 2,15)?<br />
DER AUFRUF ZUR TREUE<br />
Jeder wahrhaft Gläubige sollte sich prüfen, ob<br />
seine theologische Weltsicht allein von der Bibel<br />
her bestimmt ist oder von weltlichem, säkularem<br />
Denken und Pragmatismus her, um nicht<br />
Verfolgung durch den Staat auf sich zu ziehen.<br />
Bedenken Sie, was Paulus schrieb: »Und alle, die<br />
gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden<br />
Verfolgung erleiden« (2.Tim. 3,12). Wenn wir uns dem<br />
30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
Staat stets in allem unterordnen und einen Kompromiss<br />
nach dem anderen eingehen, werden wir<br />
wohl der Verfolgung entgehen, aber unser Zeugnis<br />
für Christus Jesus wird Schaden leiden. Wenn<br />
wir uns nicht mehr versammeln und nicht mehr<br />
in der Lehre unterwiesen werden, wenn wir keine<br />
Gemeinschaft mehr mit den Geschwistern haben,<br />
das Mahl <strong>des</strong> Herrn auslassen, und wenn wir den<br />
Herrn nicht mehr gemeinsam anbeten, dann verlieren<br />
wir unser Zeugnis, weil genau das die Dinge<br />
sind, die Gott Seiner Gemeinde geboten hat.<br />
Schon vor Corona gab es die besorgniserregende<br />
Tendenz, dass immer mehr Christen den Tag <strong>des</strong><br />
Herrn zu einem gewöhnlichen Tag machten. Seit<br />
einem Jahr beobachten wir, dass diese Tendenz<br />
erschreckend gestiegen ist; sie werden keinen Mut<br />
mehr haben, sich gegen das Unrecht in der Welt<br />
zu erheben; ihr geistliches Unterscheidungsvermögen<br />
wird getrübt, und ihr Glaube kann die Welt<br />
nicht mehr verurteilen, wie es zum Beispiel der<br />
Glaube Noahs tat.<br />
An dieser Stelle ermahnen wir insbesondere<br />
diejenigen, die sich in ungebührlicher Weise über<br />
solche Christen erheben, die durch Gottes Wort<br />
und ihr Gewissen davon überführt sind, sich dem<br />
Staat widersetzen zu müssen, und die dafür Verfolgung<br />
leiden.<br />
Wir ermutigen alle Christen, sich nicht einfangen<br />
zu lassen von dem Wahn, welcher die ganze Welt<br />
ergriffen hat und die Menschen in steter To<strong>des</strong>furcht<br />
knechtet, sondern mutig ihre Hoffnung auf<br />
Christus zu setzen, der das Leben ist. Lasst uns ein<br />
Zeugnis sein in dieser dunklen Zeit, indem wir die<br />
Wahrheit lieben und uns gegenseitig in herzlicher<br />
Bruderliebe begegnen! Mögen wir unser ganzes<br />
Denken durch das Wort Gottes reformieren lassen,<br />
damit wir eine biblische Weltsicht erlangen,<br />
indem wir jeden Gedanken gefangen nehmen<br />
zum Gehorsam gegen Christus (2.Kor. 10,5)! »Und<br />
passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch<br />
[in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung<br />
eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und<br />
wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist« (Röm.<br />
12,2). Lasst uns beten für die Geschwister, welche<br />
Bedrängnis oder Verfolgung leiden um <strong>des</strong> Wortes<br />
willen, damit sie ausharren bis ans Ende!<br />
Schließlich fordern wir alle Christen und vor<br />
allem alle Pastoren auf, ihre heilige Pflicht zu erfüllen,<br />
für unsere Regierung zu beten und mutig<br />
gegen das Unrecht und die Sünden der Regierenden<br />
zu predigen! Wir ermahnen die Pastoren und<br />
die Gemeinden, Gott nicht länger die Ehre vorzuenthalten<br />
und die Gewissen der Christen nicht<br />
durch Menschengebote zu beschweren, sondern<br />
Gottesdienste zu feiern, und zwar so, wie Gott es<br />
gebietet: mit der ganzen Gemeinde, in biblisch gebotener<br />
brüderlicher Begegnung und mit freudigem<br />
Lobgesang zur Ehre <strong>des</strong> HERRN!<br />
»Für den Fall, dass sich die Regierungspolitik<br />
immer weiter von biblischen Prinzipien entfernt<br />
und der rechtliche und politische Druck gegen die<br />
Gemeinde Jesu zunimmt, müssen wir erkennen,<br />
dass der Herr diesen Druck möglicherweise als<br />
Mittel zur Läuterung benutzt, um die wahre Gemeinde<br />
zu offenbaren. Sich dem staatlichen Übergriff<br />
zu beugen, könnte dazu führen, dass Kirchen<br />
auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben«, so<br />
John MacArthur und die Ältesten der Grace Community<br />
Church in ihrer oben genannten Stellungnahme.<br />
»Gebt dem Kaiser, was <strong>des</strong> Kaisers ist«, hat uns der<br />
Herr Jesus Christus in Mt. 22,21 geboten, aber<br />
dann fortgesetzt: »und« gebt auch »Gott, was Gottes<br />
ist!« Und wenn der Kaiser uns <strong>des</strong>wegen verfolgt,<br />
weil wir Gott das Ihm Gebührende zu geben suchen,<br />
so wollen wir dies mit Freuden erleiden.<br />
Seid ermutigt, Brüder und Schwestern, unserem<br />
Herrn treu nachzufolgen in diesen letzten Zeiten,<br />
wie Er spricht:<br />
»Fürchte nichts von dem, was du erleiden wirst!<br />
Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen,<br />
damit ihr geprüft werdet, und ihr werdet Drangsal<br />
haben zehn Tage lang. Sei getreu bis in den Tod, so werde<br />
Ich dir die Krone <strong>des</strong> Lebens geben!« (Off. 2,10).
1 6 6 2-1 7 1 4<br />
Matthew<br />
Henry<br />
»Wenn das Familienleben in der Gottesfurcht Frucht<br />
trägt, indem in der Familie immer mehr der Charakter<br />
Christi erkennbar wird, wird es eine Auswirkung haben,<br />
nicht nur auf die Ortsgemeinde, sondern auch auf<br />
unsere Umgebung und sogar auf unser Land.<br />
Das ist es, was wir hoffentlich alle von Herzen<br />
wünschen: dass sich in unserem Land wahres<br />
Christentum und ernsthafte Gottesfurcht in ihrer<br />
<strong>Kraft</strong> durchsetzen und erblühen möge.«<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
Am 19. Mai 1662 erließ König Charles<br />
II. die Uniformitätsakte, um die Kirche<br />
von England zum obersten Gesetz<br />
im Land zu machen. <strong>Die</strong> Uniformitätsakte<br />
verlangte unter anderem, dass alle Prediger<br />
und Diakone von einem Bischof der anglikanischen<br />
Kirche ordiniert werden sollten, und<br />
dass sie sich alle an die gesamte Gottesdienstordnung<br />
der anglikanischen Kirche halten<br />
sollten.<br />
Philip Henry predigte damals in der anglikanischen<br />
Kirche in Worthenbury. Er liebte<br />
den Herrn und hatte sich der Treue zur Heiligen<br />
Schrift verpflichtet. Er hatte auch erkannt,<br />
dass es für Ortsgemeinden enorm wichtig ist,<br />
unabhängig zu sein und von Ältesten und<br />
nicht von Bischöfen geleitet zu werden. Doch<br />
jetzt war die Kirche das Gesetz, und sie stellte<br />
ihre Ordnung über die Schrift. Was sollten die<br />
vielen Prediger und Gläubigen jetzt tun, die<br />
den Herrn liebten und Ihm in der Weise dienen<br />
wollten, wie Sein Wort es gebietet?<br />
Sie wussten, was es bedeutete, sich diesem<br />
Gesetz zu widersetzen; aber ihren Herrn verleugnen?<br />
– Nein, darauf konnten und wollten<br />
sie sich nicht einlassen! Das war für sie keine<br />
Option.<br />
Als die Uniformitätsakte am 24. August<br />
1662 in <strong>Kraft</strong> trat, wurde Pastor Philip Henry<br />
endgültig aus der anglikanischen Kirche entlassen<br />
und bekam ein Predigtverbot.<br />
Nur wenige Wochen später, am 18. Oktober<br />
1662, wurde Philips und Katharines Sohn<br />
Matthew geboren. Sein Geburtsort Broad Oak<br />
war der Stammsitz der Adelsfamilie seiner<br />
Mutter. Da das Erbe ihrer Familie ihr zufallen<br />
würde, hatten Philip und Katharine trotz seiner<br />
Entlassung keine finanziellen Sorgen – im<br />
Gegensatz zu zahlreichen anderen Predigern,<br />
die nach ihrer Entlassung weder ein Haus<br />
noch Einkommen besaßen.<br />
Philip nahm den Auftrag Gottes als Hausvater<br />
sehr ernst; er führte für alle Familienmitglieder<br />
und Hausangestellten einen<br />
wöchentlichen Bibelunterricht ein und legte<br />
großen Wert darauf, mit seinem ganzen Haus<br />
den Sonntag zu heiligen. Er war ein gewissenhafter<br />
Verwalter <strong>des</strong> Gutes seiner Schwieger-<br />
eltern und wurde ein guter Landwirt; doch<br />
den größten Teil seiner Zeit verbrachte er mit<br />
dem Studieren und Predigen <strong>des</strong> Wortes und<br />
mit dem Unterrichten seiner Kinder – wenn<br />
sie auch noch sehr klein waren. Es war Nonkonformisten<br />
1 strengstens verboten, sich öffentlich<br />
zu versammeln, geschweige denn zu<br />
predigen. Philip Henry drohte die Gefängnisstrafe,<br />
wenn herauskäme, dass er sich dem<br />
widersetzte – doch er blieb dem Herrn und<br />
seiner Berufung treu. Seine Gottesfurcht, die<br />
sich in jedem Lebensbereich zeigte, hinterließ<br />
bei seinem Sohn Matthew einen bleibenden<br />
Eindruck.<br />
Gott wirkte durch Sein Wort an dem Herzen<br />
<strong>des</strong> Jungen. Im Alter von etwa 10 Jahren<br />
begann er, die Wahrheit <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu<br />
verstehen, besonders als er seinen Vater über<br />
Psalm 51,19 predigen hörte: »<strong>Die</strong> Opfer, die Gott<br />
gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes<br />
und zerschlagenes Herz wirst Du, o Gott, nicht<br />
verachten.« Daraufhin begann Matthew, den<br />
Herrn von Herzen zu suchen.<br />
SEINE AUSBILDUNG<br />
Im Jahr 1680 begann Matthew Henry sein<br />
Theologiestudium vorerst bei Dr. Thomas<br />
Doolittle; doch am meisten lernte er von seinem<br />
Vater. Bei ihm konnte er sowohl studieren<br />
als auch <strong>des</strong>sen <strong>Die</strong>nst als Hirte, Prediger und<br />
Lehrer mitverfolgen. Matthew Henry hatte<br />
den Wunsch, sich wie der Vater dem vollzeitigen<br />
<strong>Die</strong>nst an der Gemeinde Christi zu widmen.<br />
Im Jahr 1685 begann Matthew in London<br />
Jura zu studieren; doch nach einem Jahr verließ<br />
er die Anwaltskammer und kehrte zurück<br />
nach Broad Oak.<br />
DER BEGINN DES DIENSTES<br />
In seinem Heimatort ergriff er als junger<br />
Mann jede Gelegenheit zum Predigen. <strong>Die</strong>se<br />
Zeit war eine praktische Übung für den<br />
<strong>Die</strong>nst, den er fernerhin zu tun wünschte. Der<br />
Herr gebrauchte Matthew als Werkzeug, um<br />
den Menschen Gottes Wort mit Vollmacht zu<br />
1 Hier: Christen aus unabhängigen Ortsgemeinden,<br />
die die anglikanische Kirche ablehnen<br />
voiceofhope.de | 33<br />
voiceofhope.de | 33
predigen und Sünder zu erretten. <strong>Die</strong> Nachricht<br />
über Gottes Wirken durch diese Verkündigung<br />
verbreitete sich bald, und so wurde<br />
er öfters eingeladen, vor einer Gruppe von<br />
Christen zu predigen, die nicht mehr zur anglikanischen<br />
Kirche gehörten, sondern sich in<br />
Privathäusern versammelten. Im Januar 1687<br />
bat die Gemeinde in Chester Henry, ihr Pastor<br />
zu werden. Er erkannte es ganz klar als Gottes<br />
gnädige Vorsehung und nahm die Stelle an.<br />
Gleich zu Beginn seines <strong>Die</strong>nstes in der<br />
Gemeinde stellte Matthew Henry klar, dass er<br />
plante, die Bibel der Reihe nach auszulegen.<br />
Am Sonntagmorgen legte er nach und nach<br />
das Alte Testament aus, am Nachmittag das<br />
Neue Testament. Am Samstagabend fand zusätzlich<br />
der Bibelunterricht für Kinder statt.<br />
Über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren predigte<br />
er das Alte Testament durch, und über<br />
einen Zeitraum von schätzungsweise 12 Jahren<br />
das Neue Testament. <strong>Die</strong>se Treue in der<br />
Auslegung lieferte die exegetischen Informationen<br />
für seine Kommentarreihe, für die er<br />
so bekannt ist.<br />
Zwei Monate, nachdem er seinen <strong>Die</strong>nst in<br />
Chester aufgenommen hatte, heiratete Matthew<br />
Katherine. Was er bei seinem Vater gelernt<br />
hatte, wandte er nun mit Gottesfurcht<br />
und Hingabe an den Herrn im eigenen Heim<br />
an. Es war eine glückliche und liebevolle Ehe,<br />
die aber 18 Monate später ein plötzliches Ende<br />
nahm, als Katherine kurz nach der Geburt ihrer<br />
Tochter im Februar 1689 an Pocken starb.<br />
Im Gedenken an seine verstorbene Frau nannte<br />
Matthew das Kind nach <strong>des</strong>sen Mutter.<br />
Am 8. Juli 1690 heiratete Matthew Henry ein<br />
zweites Mal. Seine Braut Mary kam aus einem<br />
gottesfürchtigen Elternhaus. Gott schenkte<br />
Matthew und Mary Henry neun weitere Kinder;<br />
sie mussten aber auch drei ihrer Kinder<br />
sehr früh zu Grabe tragen.<br />
Matthew Henry war nicht nur ein treuer<br />
und leidenschaftlicher Prediger, sondern auch<br />
ein treuer Hausvater, der mit seinem ganzen<br />
Haus täglich Familienandachten hielt.<br />
Sechsundzwanzig Jahre lang blieb Matthew<br />
Henry bei der Gemeinde in Chester.<br />
Während dieser Zeit wuchs sie auf etwa 350<br />
Mitglieder an. Henry erhielt oft Briefe, in<br />
denen er gebeten wurde, umzuziehen und in<br />
anderen Gemeinden zu dienen; aber erst 1712<br />
nahm er einen Ruf an die Kapelle in Hackney,<br />
London, an.<br />
Seine schwache Gesundheit machte ihm<br />
sehr zu schaffen; das hinderte ihn aber nicht<br />
daran, weiterhin mit Eifer zu dienen. In London<br />
predigte er am Sonntag oft dreimal und<br />
unter der Woche praktisch jeden Tag, weil es<br />
in der Nähe mehrere Gemeinden gab, die ihn<br />
um Hilfe bei der Belehrung baten. Darüber hinaus<br />
setzte er sich auch für die Unterweisung<br />
der Kinder ein.<br />
Am 31. Mai 1714 reiste Henry nach Chester, um<br />
seine frühere Gemeinde und Freunde zu besuchen.<br />
Ein Bruder aus der Gemeinde zeigte sich<br />
besorgt, weil Matthew offensichtlich krank<br />
war. Als er sich nach einigen Wochen auf die<br />
Rückreise machte, hielt er in Nantwich, um<br />
dort zu predigen, und plante für den nächsten<br />
Tag, nach London weiterzureisen. Doch in<br />
der Nacht ging es ihm zunehmend schlechter.<br />
Am Morgen <strong>des</strong> 22. Juni 1714 erlitt er einen<br />
Schlaganfall und verstarb.<br />
In den Tagen vor seinem Tod hatte er zu einem<br />
Freund gesagt: »Ein Leben, das im <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong><br />
Herrn und in der Gemeinschaft mit Ihm verbracht<br />
wird, ist das angenehmste Leben, das<br />
jemand in dieser Welt führen kann.« Henry<br />
arbeitete in aller Treue und predigte manchmal<br />
bis zu sieben Mal pro Woche. Er schrieb<br />
viele seiner Predigten auf; sie sind heute immer<br />
noch für zahllose Menschen zum reichen<br />
Segen. Das größte Werk Henrys, sein<br />
Bibelkommentar, zeigt seine Hingabe an die<br />
Heilige Schrift und seine Treue darin, den<br />
ganzen Ratschluss Gottes zu predigen. Den<br />
Kommentar zu veröffentlichen war ein großes<br />
Projekt, das Henry leider nicht zu Ende<br />
führen konnte. <strong>Die</strong> Apostelgeschichte ist der<br />
letzte Teil, den er schrieb, bevor er starb. Der<br />
Rest <strong>des</strong> Neuen Testaments wurde von anderen<br />
Männern unter Verwendung von Henrys<br />
Notizen vervollständigt.<br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/2020<br />
QUELLEN: J.B. Williams, The Life of Matthew Henry; Allan Harman,<br />
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EINE FAMILIE<br />
MIT GOTT<br />
IM ZENTRUM<br />
Vorwort von Scott T. Brown<br />
Am 16. April 1704 hielt Matthew Henry eine überaus praktische<br />
Predigt, die die Wichtigkeit <strong>des</strong> geistlichen Lebens einer Familie beleuchtet.<br />
Er zeigt den Familienvätern in sehr spezifischer Weise, was sie tun<br />
müssen, damit sie eine Familie mit Gott im Zentrum sind.<br />
Ich bin der Meinung, dass es sich hier um eines seiner besten Werke handelt.<br />
Matthew Henry (1662-1714) war ein englischer Pastor, Bibelkommentator und ein<br />
treuer Hausvater. Von seiner Familie wird berichtet, sie sei wie »die Pforte <strong>des</strong><br />
Himmels« gewesen (1.Mo. 28,17), weil die Eltern das gesamte Familienleben mit<br />
dem Wort Gottes regierten. Es war ein Heim, das erfüllt war von Wahrheit,<br />
Freude und den Gnadenerweisen <strong>des</strong> Reiches Gottes.<br />
36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
DIE BEDEUTUNG VON M. HENRYS<br />
LEKTÜRE FÜR UNSERE ZEIT<br />
Wir leben in einer Zeit, in der die meisten Christen<br />
die biblischen Lehren zur Führung eines christlichen<br />
Familienlebens überhaupt nicht mehr kennen.<br />
Deshalb leiden wir heute an einem oberflächlichen<br />
Verständnis davon, was es bedeutet,<br />
das Privatleben in der Furcht Gottes zu führen.<br />
<strong>Die</strong> frommen Puritaner verstanden diese Lehren,<br />
und Matthew Henry übermittelte sie auf vorbildliche<br />
Weise. In Zeiten wie diesen brauchen wir die<br />
biblische Sichtweise <strong>des</strong> Familienlebens, um uns<br />
inmitten <strong>des</strong> geistlichen Niedergangs wieder aufzurichten.<br />
»Eine Familie mit Gott im Zentrum« ist<br />
genau die Botschaft, die wir heute benötigen. Sie<br />
enthält die Verheißung, unsere Sichtweise über<br />
den Horizont unserer zeitgemäßen Denkweise<br />
auszudehnen und uns mit zeitlosen Prinzipien<br />
auszurüsten, welche Gott festgelegt hat.<br />
Der Inhalt und das Potential der Sichtweise<br />
eines Menschen über das Leben einer christlichen<br />
Familie ist grundlegend; denn diese Sicht<br />
wird bestimmen, was für ein Zuhause er haben<br />
wird. Aber auch das Elternhaus, in dem er aufwuchs,<br />
wird einen gewaltig prägenden Einfluss<br />
auf diese Sichtweise haben. Ob er in einer unordentlichen<br />
und zerbrochenen Familie aufwuchs,<br />
ob es eine gottlose oder gottesfürchtige Familie<br />
war – in jedem Fall wird dadurch seine Vorstellung<br />
über das eigene Heim beeinflusst. Was den<br />
entscheidenden Unterschied ausmacht, ist die<br />
Frage: Wuchs er in einer Familie auf, in der Gott<br />
im Zentrum stand?<br />
Bei diesem Thema ist Matthew Henry kein<br />
kühler Akademiker, denn er schöpft aus der Heiligen<br />
Schrift und aus seiner reichen Lebenserfahrung<br />
und vermittelt daraus die besten Praktiken,<br />
welche »die Pforten <strong>des</strong> Himmels« auf der Erde<br />
entstehen lassen.<br />
Henry setzt sich dafür ein, dass in jeder christlichen<br />
Familie Gott im Zentrum sein sollte. Der<br />
Leser wird feststellen, dass dies ein wichtiges<br />
Buch ist, weil es eine Sicht von der Schönheit eines<br />
christlichen Heims unter der liebevollen Leitung<br />
<strong>des</strong> Hauptes dieses Haushalts entwickelt<br />
– <strong>des</strong> Vaters, der für seine Frau und Kinder als<br />
»König, Priester und Prophet« fungiert. In diesem<br />
Sinn sollte ein Elternhaus auch ein geistliches Zuhause<br />
sein.<br />
<strong>Die</strong> Bibel schreibt der Gemeinde und dem Elternhaus<br />
auf mancherlei Weise ähnliche Qualitäten<br />
zu. So ist zum Beispiel Christus das Haupt der<br />
Gemeinde, wie der Mann das Haupt der Frau ist<br />
(Eph. 5). Außerdem werden in einem christlichen<br />
Elternhaus die Kinder unterwiesen und in der Gemeinde<br />
zugerüstet (Eph. 4 und 6). <strong>Die</strong> Gemeinde<br />
Jesu ist eine »geistliche Familie«, und eine Familie<br />
sollte ein geistliches Zuhause sein. Des Weiteren<br />
ist die Gemeinde beauftragt, den ganzen<br />
Ratschluss Gottes zu verkündigen (Apg. 20,27),<br />
während das familiäre Leben vom Wort Gottes<br />
durchdrungen sein sollte: »und du sollst … davon<br />
reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg<br />
gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst«<br />
(5.Mo. 6,7).<br />
Eine christliche Familie sollte – wie auch eine<br />
Gemeinde – ein Ort sein, in der die Heilige Schrift<br />
gelesen und gemeinsam gebetet wird, geistliche<br />
Lieder zur Ehre Gottes gesungen werden und biblische<br />
Unterweisung praktiziert wird.<br />
Besonders den Familienvätern legt Henry<br />
dringend ans Herz, die Bibel zum Mittelpunkt <strong>des</strong><br />
ganzen Lebens zu machen. Er sagt:<br />
»Es ist besser, in euren Häusern kein Brot zu haben<br />
als keine Bibel; denn die Worte aus dem Mund Gottes<br />
sind mehr wert als euer tägliches Brot – zumin<strong>des</strong>t sollte<br />
es für euch so sein. Aber was nützt es euch, Bibeln im<br />
Haus zu haben, wenn ihr sie nicht benutzt? Was nützt<br />
es euch, dass die wunderbaren Dinge von Gottes Gesetz<br />
und Evangelium für euch niedergeschrieben wurden,<br />
wenn sie euch fremd bleiben?! Vielleicht lest ihr täglich<br />
die aktuellen Nachrichten und unterhaltet euch viel darüber<br />
– und eure Bibeln sollten als veraltete ›Nachrichten‹<br />
herumliegen?«<br />
So spricht er über mancherlei Hindernisse<br />
und Herausforderungen bei der täglichen Durchführung<br />
von Familienandachten. Er schreibt auch<br />
davon, wie dies in Zeiten intensiver Arbeitsbelastung,<br />
bei vielen Reisen, in Zeiten <strong>des</strong> Umbruchs<br />
und der Einsamkeit erreicht wird. Er zeigt sogar,<br />
wie man mit Gott tiefe Gemeinschaft haben kann,<br />
wenn man in einem gottlosen Zuhause lebt.<br />
voiceofhope.de | 37<br />
voiceofhope.de | 37
Henry glaubte, dass der Schlüssel zur Reformation<br />
darin bestand, dass man das eigene Heim<br />
in eine Gott wohlgefällige Familie umänderte, und<br />
dass es ohne dies keine Reformation geben könne.<br />
<strong>Die</strong>se Reformation, wie Henry sie verstand, ist<br />
eine Reformation, die zur Heilung und zur Freude<br />
in dem Herrn führen würde. Er schrieb:<br />
»Ich kenne nichts, was mehr zur Förderung dieses<br />
guten Werkes beitragen könnte, als dass man die Familienandacht<br />
mehr fördert und wertschätzt. Hier muss alle<br />
Reformation beginnen. Andere Methoden mögen zwar<br />
die Krankheiten, die wir beklagen, aufdecken und eindämmen;<br />
aber diese Methode würde sie heilen, wenn sie<br />
sich allgemein durchsetzen könnte. In diese Quellen muss<br />
Salz geworfen werden; dann würde das Wasser gesund<br />
werden (vgl. 2.Kön. 2,21).«<br />
EIN GUTER RATGEBER<br />
FÜR VÄTER<br />
Aus Henrys Schriften geht klar hervor, dass er<br />
die Lehre der Heiligen Schrift über die Familie in<br />
einer Weise verstand, die den meisten Christen<br />
abhandengekommen ist. Er ist ein guter Ratgeber<br />
für Väter aller Zeitalter, doch insbesondere<br />
für die <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts, denn die Ausübung<br />
biblischer Vaterschaft erreicht in den Gemeinden<br />
heutzutage einen historischen Tiefstand.<br />
DER EINFLUSS<br />
SEINES VATERS PHILIP<br />
Vielleicht ist seine Beziehung zu seinem eigenen<br />
Vater Philip Henry in seinem Elternhaus einer der<br />
wichtigsten Aspekte von Matthew Henrys großartigem<br />
Mentoring. <strong>Die</strong>ses Vater-und-Sohn-Duo<br />
aus dem siebzehnten Jahrhundert präsentiert<br />
uns eines der besten Vorbilder der Geschichte <strong>des</strong><br />
Christentums bezüglich der Dynamik von Vätern,<br />
die ihren Glauben an die nächste Generation weitergeben.<br />
Matthew Henry hat die beispielhaften Verhaltensweisen<br />
seines Vaters in seinem eigenen<br />
Haus praktiziert. Der Lebensstil in seinem Haus<br />
entsprach so genau dem seines Lehrers, dass sein<br />
berühmter Bibelkommentar seinen Anfang aus<br />
den Notizen entnahm, die Vater Philip für seine<br />
Familie zusammengestellt hatte, als Henry noch<br />
ein kleiner Junge war. Matthew benutzte seine<br />
eigenen handgeschriebenen Notizen aus eben<br />
diesen Kommentaren, um seine Kinder zu unterweisen.<br />
Dann ließ er seine Kinder diese Notizen<br />
abschreiben, zu denen sie ihre Berichte über die<br />
Lehren ihres Vaters in eigener Handschrift hinzufügten.<br />
Aus diesen schlichten Notizen entstand<br />
der Anfang <strong>des</strong> grandiosen Bibelkommentars, an<br />
dem wir uns heute erfreuen.<br />
Für viele ist Matthew Henry wegen dieses wunderbaren<br />
Kommentars über alle Bücher der Bibel<br />
bekannt, der den Titel trägt: »Der neue Matthew<br />
Henry Kommentar «.<br />
Seine warmherzigen und präzisen Erläuterungen<br />
sind schöne Zeugnisse eines Sohnes, der<br />
in den Fußstapfen seines Vaters wandelte. George<br />
Whitefield, Charles H. Spurgeon, Martyn<br />
Lloyd-Jones, R.C. Sproul und viele andere treue<br />
Prediger benutzten Henrys Kommentar und<br />
empfahlen diesen. Ein Biograf bemerkt, dass<br />
Whitefield diesen viermal durchgelesen habe, das<br />
letzte Mal auf seinen Knien. Und Spurgeon urteilte:<br />
»Jeder Gemeindemitarbeiter sollte diesen wenigstens<br />
einmal vollständig und aufmerksam durchlesen.«<br />
PRAKTISCHE HILFE FÜR<br />
GEISTLICHE UNTERWEISUNGEN<br />
IN DER FAMILIE<br />
Der Biograf J.B. Williams berichtet von den geistlichen<br />
Unterweisungen, die im Hause Matthew<br />
Henrys angewendet wurden. In der nun folgenden<br />
Beschreibung wird die Genialität und Schlichtheit<br />
seiner Methoden in seinem Haus deutlich:<br />
»Er war immer für alle da, aber niemals ermüdend<br />
oder überstürzt. <strong>Die</strong> Familienandacht leitete er mit einem<br />
Gebet ein. Sofern das Kapitel nicht kurz war, teilte er es<br />
in Abschnitte ein. Dabei beschränkte er sich gewöhnlich<br />
auf acht bis zehn Verse, die er jeweils kurz und erbaulich<br />
erklärte.<br />
Wie die Häuser der guten alten Protestanten täglich,<br />
aber besonders am Tag <strong>des</strong> Herrn (Sonntag), nach diesem<br />
»Räucherwerk« dufteten, so haben wir es – sagte Mat-<br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
thew Henry – »mit unseren eigenen Ohren … gehört, unsere<br />
Väter haben es uns erzählt« (Ps. 44,2).<br />
Dem Gebet folgte Gesang. Das Ganze vollzog sich gewöhnlich<br />
innerhalb einer halben Stunde; manchmal dauerte<br />
es aber auch etwas länger.<br />
Nach dem Gebet ermutigte er seine Kinder mit Segensworten,<br />
welche er mit größter Ernsthaftigkeit, Feierlichkeit<br />
und Liebe aussprach.<br />
Um die Aufmerksamkeit seiner Familie umso mehr zu<br />
gewinnen, forderte er von ihnen nach jeder Familienandacht<br />
einen persönlichen schriftlichen Bericht.<br />
Am Tag <strong>des</strong> Herrn wurde die gleiche Ordnung eingehalten,<br />
wobei sich die Familie etwa um acht Uhr versammelte.<br />
Auch seine öffentlichen Verpflichtungen an diesem<br />
heiligen Tag durften weder die Einhaltung der Ordnung<br />
selbst noch seine persönliche Aufmerksamkeit dafür beeinträchtigen.<br />
Nachdem die Familienandacht beendet war, gingen sie<br />
gemeinsam als Familie zum Gottesdienst. Nach dem Mittagessen<br />
sangen sie ein Lied, und Matthew Henry sprach<br />
ein Gebet (ca. 10-15 Min.) und kehrte in sein Studierzimmer<br />
zurück, bis wieder die Zeit für eine weitere Gemeindeversammlung<br />
gekommen war. Am Abend wiederholte<br />
er gewöhnlich in seinem Haus beide Predigten, wobei<br />
zu betonen ist, dass die Predigten im Morgen- und im<br />
Abendgottesdienst min<strong>des</strong>tens eine bis drei Stunden dauerten.<br />
Zu dieser Gelegenheit erschienen viele Nachbarn.<br />
Der Wiederholung folgten Gesang und Gebet. Dann sang<br />
man zwei weitere Lieder, der Vater sprach den Segen, und<br />
nun wurden die jüngeren Kinder unterwiesen. Nach dem<br />
Abendbrot sang man min<strong>des</strong>tens ein Lied. Anschließend<br />
unterwies der Vater seine älteren Kinder, wobei er auch<br />
diese wiederholen ließ, was ihnen von den Predigten noch<br />
in Erinnerung geblieben war. Der Tag wurde mit flehendem<br />
Gebet beendet.<br />
Neben den täglichen Familienandachten und den<br />
Sonntagsgottesdiensten, von denen wir schon sprachen,<br />
hielt Matthew Henry oft Familien-Fastenzeiten<br />
ein, manchmal gemeinsam mit eingeladenen Freunden,<br />
oder nur mit seinem eigenen Haushalt. Häufig fastete er<br />
auch allein. Bei solchen Gelegenheiten rang er wie der<br />
gläubige Patriarch Abraham um ›geistliche Segnungen‹.<br />
Und was auch immer seine eigenen Sorgen, Befürchtungen<br />
und Prüfungen oder die seiner Freunde waren, alles<br />
wurde mit kindlicher Schlichtheit und Zuversicht Gott<br />
anbefohlen.<br />
Sein Christsein umfasste den gesamten Bereich seines<br />
Lebens. Er war ein Vorbild für die Gläubigen, nicht nur<br />
als Ehemann, als Vater und Hausherr, sondern auch als<br />
Sohn, als Schwiegersohn, als Bruder und als Freund.«<br />
EIN WUNDERSCHÖNES<br />
FAMILIENLEBEN<br />
Er förderte ein sehr schönes Familienleben, das<br />
einerseits sehr selten, aber andererseits auch immer<br />
wiederherstellbar ist. Gepflegt wurde es vor<br />
allem mit drei wesentlichen Mitteln: Beständigkeit,<br />
Einfachheit und Führung. Er hielt täglich daran<br />
fest, und es war schlicht und einfach; denn der<br />
Lehrplan war die Bibel selbst. Nichts Neues musste<br />
kreiert werden, im Gegenteil: Henry schöpfte<br />
aus dem tiefen Brunnen der Heiligen Schrift. Er<br />
kämpfte für ein Zuhause, <strong>des</strong>sen Mittelpunkt Gott<br />
ist, und es scheint, dass er jede Gelegenheit wahrnahm,<br />
ihm die Freude am Herrn einzuhauchen.<br />
Matthew Henry schrieb viele Lehrtexte und<br />
ermutigte seine Kinder, sie auswendig zu lernen.<br />
Hier nur einer dieser Texte:<br />
»Ich halte Gott den Vater für mein allerwichtigstes<br />
Gut und für mein allerhöchstes Ziel. Ich halte Gott den<br />
Sohn für meinen Fürsten und Erretter. Ich halte Gott den<br />
Heiligen Geist für Den, der mich heiligt, lehrt, leitet und<br />
tröstet. Ich halte das Wort Gottes für meine Richtlinie<br />
in allen meinen Handlungen und das Volk Gottes unter<br />
allen Umständen für mein Volk. Und dies alles tue ich bewusst,<br />
aufrichtig und freiwillig und für immer.«<br />
Henry war ein vorbildlicher Vater, der die biblische<br />
Ordnung in der Familie und Gemeinde verstand.<br />
Er gestaltete sein Familienleben nach der<br />
Weise seines Vaters Philip, der eifrig Familienandachten<br />
in seinem Haus hielt, ohne diese Ordnung<br />
zu unterbrechen, einerlei, welche sonstigen<br />
Anforderungen an ihn gestellt wurden.<br />
Matthew Henry ist ein Beispiel eines Vaters,<br />
der Verhaltensmuster aufrechterhielt, durch die<br />
ein schönes und Gott wohlgefälliges Familienleben<br />
gepflegt wurde. <strong>Die</strong>se Art von Familienleben<br />
zu schaffen, ist eine der großen Herausforderungen<br />
für Familienväter in unserer Zeit, vor allem,<br />
weil im modernen Leben alles dagegenzuwirken<br />
scheint. Ich hoffe, dass dieses Buch den Vätern auf<br />
ihrem Weg helfen wird, in allen ihren väterlichen<br />
Aktivitäten ihrem himmlischen Vater ähnlich zu<br />
werden.<br />
voiceofhope.de | 39<br />
voiceofhope.de | 39
NEU<br />
Matthew Henry<br />
Bearbeitet von Niko Derksen<br />
EINE FAMILIE MIT<br />
GOTT IM ZENTRUM<br />
<strong>Die</strong>ses Buch ist eine Ermutigung insbesondere für Väter,<br />
aber auch für junge Männer, aus ihrem Zuhause ein geistliches<br />
Umfeld zu machen. Matthew Henry beschreibt die Schönheit<br />
einer Familie, in der Gott im Zentrum steht, die Ihn anbetet<br />
und für ihn lebt, einander liebt und füreinander betet.<br />
Wie profitieren wir davon? Wie können wir<br />
eine solche Familie werden?<br />
40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />
15,90 € • Bestell-Nr.: 875.270 • 120 Seiten<br />
Kunstledereinband mit Goldprägung / Innenseiten vierfarbig
Matthew Henry<br />
schreibt:<br />
»<strong>Die</strong> Heilige Schrift lehrt uns, dass Familienväter verpflichtet sind, persönlich<br />
in der Gottesfurcht zu leben und ihre Verantwortung wahrzunehmen, ihre Familie<br />
in der Gottesfurcht zu leiten, als solche, die darüber Rechenschaft ablegen müssen.<br />
Denn genau diese Familien fördern das Christentum in ihren Häusern, indem<br />
sie ihre Kinder »in der Zucht und Ermahnung <strong>des</strong> Herrn« (Eph. 6,4) erziehen.<br />
Ich möchte mich bemühen, euch diese großartige Pflicht als<br />
Christen deutlicher und eindringlicher zu erklären, und das heißt, euch<br />
zu zeigen, wie eine christliche Familie sein muss, euch einige Motive<br />
für eine Familie mit Gott im Zentrum zu geben, und schließlich wertvolle<br />
Ratschläge für eine von Gott gesegnete Familie zu zeigen.«<br />
Abgesehen von dem wertvollen Inhalt macht auch der hochwertige<br />
Kunstledereinband das Buch zu etwas Besonderem.<br />
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voiceofhope.de | 41
Retterin<br />
bei Nacht<br />
DAS LEBEN<br />
VON AMY CARMICHAEL<br />
42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>
»Das missionarische Leben ist schlichtweg<br />
eine Chance, zu sterben.«<br />
Das war Amy Carmichaels Antwort auf die Frage,<br />
was man vom Leben auf dem Missionsfeld erwarten<br />
könne. <strong>Die</strong>se Antwort spiegelt ihre völlige<br />
Hingabe an den Herrn wider und macht deutlich,<br />
worin ihre Hoffnung lag. Sie hatte verstanden,<br />
was der Kern der Nachfolge Christi ist: Tod bewirkt<br />
Leben. Du musst dich selbst, dein eigenes<br />
Ich, aufgeben, um dem Herrn nachfolgen und dienen<br />
zu können.<br />
Ian Hamilton schreibt:<br />
Das Leben eines Missionars ist völlig unromantisch.<br />
Es erfordert Einsatz, Hingabe, Entschlossenheit<br />
und die Bereitschaft, zu sterben.<br />
Das war die Grundvoraussetzung, die Jesus an<br />
jeden angehenden Jünger stellte. Denn Er sagte:<br />
»Wenn jemand Mir nachkommen will, so verleugne<br />
er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich<br />
und folge Mir nach« [Lk. 9,23], und Er meinte damit<br />
nicht, dass Ihm zu folgen bedeute, dass das<br />
Leben von Unannehmlichkeiten durchsetzt<br />
sein würde. In höchst dramatischer Sprache<br />
sagte Jesus: »Wenn ihr nicht bereit seid, zu sterben,<br />
könnt ihr Mir nicht nachfolgen.« Deshalb<br />
sollte die erste Frage, die jedem potenziellen<br />
Missionar gestellt werden sollte, lauten: »Teilen<br />
Sie uns mit, wie hoch Sie den Herrn Jesus<br />
Christus achten und wertschätzen.« Es ist der<br />
Wert, den wir Gottes Sohn beimessen, der uns<br />
mehr als alles andere befähigen wird, die Kosten<br />
zu tragen – die oft schmerzhaften Kosten –,<br />
um Ihm in dieser dunklen und feindlichen<br />
Welt zu dienen.<br />
Amy Carmichael lebte ein solches Leben. Viele<br />
Jahre verbrachte sie damit, Tempelkinder, die als<br />
Opfergabe für hinduistische Götter preisgegeben<br />
wurden, ihrem Verderben zu entreißen, und sie<br />
sorgte für einen Zufluchtsort für sie. Doch wer war<br />
sie? Und was bewog sie zu solch einem Leben?<br />
Amy Carmichael wurde 1867 in einer gläubigen<br />
Familie in Millisle, Nordirland, geboren. Sie war<br />
ein kleiner Wildfang mit einer fröhlichen Natur,<br />
lustigen Ideen und großen Träumen. Der Entschluss<br />
ihrer Eltern, sie im Alter von 12 Jahren<br />
auf das Mädcheninternat in Harrogate, Yorkshire<br />
zu schicken, stieß bei Amy zunächst auf Begeisterung.<br />
<strong>Die</strong> Eltern beteten weiterhin für ihre<br />
Umkehr und schickten ihr Briefe. Das waren für<br />
Amy – gerade in der ersten Zeit der Umgewöhnung<br />
– die schönsten Momente. Hin und wieder<br />
schickte ihr die Mutter auch Blumen, um ihrer<br />
Tochter eine Freude zu machen. Während der<br />
Zeit am Internat besuchten die Mädchen Gottesdienste,<br />
die in der Nähe stattfanden, und Missionsabende,<br />
die eigens dazu organisiert wurden,<br />
den Kindern und Jugendlichen das Evangelium<br />
zu erklären. Amy war gerade 15 Jahre alt, als sie<br />
einen dieser Missionsabende besuchte. Von ihrer<br />
Sünde überführt, tat sie Buße und setzte ihr Vertrauen<br />
auf den Retter – Jesus Christus. Sie schickte<br />
einen Brief nach Hause, in dem sie ihren Eltern<br />
ihre Freude mitteilte – ein Brief, der die Herzen<br />
der Eltern vor Freude übersprudeln ließ. Von<br />
diesem Moment an veränderte sich Amys Leben<br />
völlig.<br />
WIE AMYS<br />
MISSIONSDIENST BEGANN<br />
Es war kein spektakuläres Ereignis, das Amy im<br />
Alter von etwa 20 Jahren dazu antrieb, Menschen<br />
von der Rettung in Christus zu erzählen. Als sie<br />
mit ihren Geschwistern an einem Sonntag nach<br />
dem Gottesdienst nach Hause ging, sahen sie<br />
eine dürftig gekleidete alte Frau, die ein schweres<br />
Bündel trug, und beschlossen ihr zu helfen. <strong>Die</strong>se<br />
Frau gehörte zu den sogenannten Schalträgerinnen,<br />
die oft unter furchtbaren Bedingungen in<br />
den örtlichen Fabriken in Belfast arbeiteten. Es<br />
waren verachtete Frauen, am Rande der Gesellschaft,<br />
die der Herr nun mit Seinem Evangelium<br />
erreichte. Bald darauf versammelten sich etwa<br />
500 von ihnen in der neuen Willkommenshalle,<br />
die für diesen <strong>Die</strong>nst errichtet worden war. Ob<br />
Amy Carmichael wohl schon ahnte, dass der Herr<br />
sie auf eine größere Aufgabe und Verantwortung<br />
vorbereitete?<br />
voiceofhope.de | 43
Der beeindruckende Lebenslauf einer<br />
außergewöhnlichen, irischen Indienmissionarin<br />
Sie war in Japan, China, Ceylon und kam schließlich nach Indien. Es klingt nach einem<br />
Abenteuer, und tatsächlich ist es auch eine sehr spannende Geschichte, oft mit<br />
vielen Ängsten verbunden, dennoch mit einem festen Vertrauen auf Gott.<br />
Amy Carmichael ging als Missionarin nach Indien, angetrieben von tiefer Liebe und<br />
vom Glauben an Jesus Christus. Anfangs schien alles gut und fröhlich zuzugehen,<br />
doch bald erkannte Amy dort eine Welt von Kin<strong>des</strong>entführung, Folter und Zauberei.<br />
Aber sie erlebte auch erstaunliche Gebetserhörungen und wunderbare Befreiungen.<br />
Zahlreiche Tempelkinder, die als Opfergabe für hinduistische Götter preisgegeben<br />
wurden, entriss sie ihrem Verderben und sorgte für einen Zufluchtsort für sie.<br />
Amys Leben ist gekennzeichnet von bedingungsloser Liebe und Gehorsam gegenüber<br />
dem einen Herrn – Jesus Christus!<br />
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Gott legte ihr die Missionsarbeit in Asien aufs<br />
Herz, wo das Evangelium noch kaum verbreitet<br />
war. Ihre Freunde meinten, sie sei nicht dafür geschaffen,<br />
aufs Missionsfeld zu gehen, da sie gesundheitlich<br />
schwach war. Allerdings hatten sie<br />
nicht mit Gott gerechnet. Sie hatten nicht verstanden,<br />
dass Er gerade schwache Werkzeuge benutzt,<br />
damit sich niemand rühmen kann und Er allein<br />
die Ehre bekommt. Im Alter von 24 Jahren reiste<br />
sie zum ersten Mal aufs Missionsfeld nach Japan,<br />
dann über China nach Ceylon (Sri Lanka). Amys<br />
Gesundheitszustand verschlimmerte sich und<br />
zwang sie schließlich, sich in Bangalore, Indien,<br />
zu erholen, da das Klima dort besser war und ihr<br />
Erleichterung verschaffen würde.<br />
Kaum jemand glaubte, dass sie es länger als 6<br />
Monate auf dem Missionsfeld, so weit entfernt<br />
von ihrer Heimat, aushalten würde; doch sie erholte<br />
sich und kehrte nie mehr in ihre Heimat zurück.<br />
Gott machte sie mit der Arbeit vertraut, die<br />
zum Mittelpunkt ihres restlichen Lebens werden<br />
sollte, und gab ihr die Gewissheit, dass Er diesen<br />
Platz für sie vorgesehen hatte.<br />
In Bangalore wurde Amy Carmichael zunehmend<br />
auf den unvorstellbaren Missbrauch aufmerksam,<br />
der wehrlosen Kindern in Hindu-Tempeln<br />
angetan wurde. Unzählige Kinder wurden den<br />
Göttern geweiht und gezwungen, mit den Tempelpriestern<br />
zu leben; die meisten Mädchen unter<br />
ihnen wurden zur Prostitution gezwungen, um<br />
Geld zu verdienen.<br />
Amy kleidete sich in einen Sari und färbte ihre<br />
Haut mit Kaffee, um indisch auszusehen, bevor<br />
sie die Hindu-Tempel betrat, um Tempelkinder<br />
zu beobachten und zu entführen. Wurde eines der<br />
Kinder bei einem Fluchtversuch erwischt, drohte<br />
ihm schlimme Folter.<br />
Nach und nach nahm Amy Hunderte von ungewollten<br />
Kindern auf, die sie aus den Tempeln<br />
herausschmuggelte, wenn niemand hinsah. Es<br />
wurde ein Heim gebaut, in welchem Mitarbeiter<br />
sich um die Kinder kümmerten. Der <strong>Die</strong>nst wurde<br />
als »Dohnavur Fellowship« bekannt. <strong>Die</strong> Kinder<br />
nannten Amy Carmichael nur »Amma« – das tamilische<br />
Wort für Mutter. Bei denjenigen aber, die<br />
von der Tempelsklaverei profitierten, war sie als<br />
»die weiße Frau, die Kinder stiehlt« bekannt.<br />
Gottes Absicht für ihr Leben war offensichtlich,<br />
und Amy widmete ihre Zeit der Betreuung<br />
von geretteten Tempelkindern.<br />
Im Alter von 63 Jahren stürzte Amy schwer und<br />
war für den Rest ihres Lebens bettlägerig. Sie<br />
nutzte die Zeit, um Bücher und Gedichte zu<br />
schreiben, die unzählige Christen dazu ermutigten,<br />
ihre unbedeutenden irdischen Ziele aufzugeben<br />
und anderen das Evangelium der Gnade Gottes<br />
zu verkündigen.<br />
Amy Carmichael diente dem Herrn 55 Jahre lang<br />
voller Hingabe, bis sie im Alter von 83 Jahren<br />
starb. Während dieser Zeit durfte sie durch die<br />
Gnade Gottes insgesamt über 1000 missbrauchte<br />
und versklavte Kinder retten, und sie erzählte<br />
ihnen von dem Herrn Jesus, der in diese Welt gekommen<br />
ist, um Sünder zu retten und sie mit dem<br />
himmlischen Vater zu versöhnen.<br />
Sie kehrte nie zurück, um ein Lob für ihre Arbeit<br />
zu bekommen. Für Amy galt alles, was die<br />
Aufmerksamkeit auf sie selbst lenkte, als <strong>Die</strong>bstahl<br />
bezüglich der Aufmerksamkeit gegenüber<br />
dem Gott, dem sie diente. 1919 wurde ihr in Großbritannien<br />
für ihre <strong>Die</strong>nste in Indien die »Kaiser-I-Hind«-Medaille<br />
verliehen. Als sie davon<br />
erfuhr, schrieb sie nach England und bat darum,<br />
diese Ehrung zurückzunehmen. »Es beunruhigt<br />
mich, etwas so ganz anderes zu bekommen als<br />
unser Herr Jesus, der verachtet und verlassen war<br />
– und nicht freundlich geehrt«, war ihre Antwort.<br />
Schließlich wurde sie doch noch überredet, die<br />
Ehrung anzunehmen; sie weigerte sich aber entschieden,<br />
der Verleihungsfeier beizuwohnen.<br />
Ironischerweise wurde die Frau, die keine andere<br />
Ehre wollte als die, eine <strong>Die</strong>nerin Christi zu<br />
sein, dennoch berühmt. Ihr Beispiel aufopfernder<br />
Liebe hat zahllose Christen ermutigt, ihr auf das<br />
Missionsfeld zu folgen.<br />
… schaut das Ende ihres<br />
Wandels an und ahmt ihren Glauben nach!<br />
Hebräer 13,7<br />
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Jill Masters<br />
LEKTIONEN<br />
FÜRS LEBEN<br />
17,90 € • Bestell-Nr.: 875.221<br />
320 Seiten • Hardcover<br />
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· IMPRESSUM ·<br />
Wie kann die Botschaft der Bibel<br />
Kindern und Jugendlichen vermittelt<br />
werden? Wie erreicht das Evangelium<br />
ihr Herz und ihren Verstand?<br />
<strong>Die</strong> Lektionen fürs Leben sind eine hervorragende Hilfestellung<br />
dabei, jungen Menschen den großen Ratschluss<br />
Gottes in der Bibel zu erklären. Sie zeichnen<br />
sich durch Folgen<strong>des</strong> aus:<br />
• <strong>Die</strong> Lektionen führen durch die ganze Bibel,<br />
denn das Evangelium beginnt schon im ersten<br />
Buch Mose.<br />
• Gottes Wesen und Sein Heilsplan leuchten im<br />
gesamten Buch hervor.<br />
• Jesus Christus und das ewige Heil, das wir in Ihm<br />
finden, stehen im Mittelpunkt.<br />
• Durchgehend wird deutlich, dass der Mensch<br />
Rettung braucht und dass das Evangelium zu<br />
Buße und Glauben aufruft<br />
• <strong>Die</strong> Lektionen zeigen, wie das veränderte<br />
Leben eines echten Christen aussieht, der<br />
seine Hoffnung ganz auf den Herrn setzt.<br />
<strong>Die</strong>ser Band enthält Entwürfe für ein Jahr, die man je<br />
nach Alter und Reife der Schüler individuell anpassen<br />
kann – ergänzt durch visuelle Hilfestellungen und<br />
Zeichnungen. <strong>Die</strong>s ist der erste von vier Bänden.<br />
<strong>Die</strong>se Lektionen werden in evangelistischen Sonntagsschulen<br />
auf der ganzen Welt verwendet und wurden<br />
in über 10 Sprachen übersetzt. Sie eignen sich<br />
ebenfalls für Familienandachten und evangelistische<br />
Hauskreise.<br />
Jill Masters hat einen Großteil ihres Lebens der Arbeit<br />
und Förderung von Sonntagsschulen für Kinder und<br />
Jugendliche gewidmet. Viele Jahre lang war sie Koordinatorin<br />
der großen Sonntagsschule <strong>des</strong> Metropolitan<br />
Tabernacle in London, wo einst Spurgeon gepredigt<br />
hat und wo ihr Mann, Dr. Peter Masters, seit 1970<br />
Pastor und Prediger ist.<br />
Herausgeber<br />
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Da ein Christ nicht sich selbst gehört, sondern mit einem Preis<br />
erkauft wurde, soll er darauf bedacht sein, Gott in jeder Lebenssituation<br />
zu verherrlichen. Egal, welche Stellung er innehat oder an welchem<br />
Ort er sich befindet, er soll ein Zeugnis für Christus sein.<br />
Neben der Gemeinde Gottes soll sein eigenes Heim der Bereich sein,<br />
in dem seine Hingabe an Christus am deutlichsten wird.<br />
Alle Gepflogenheiten sollten das Siegel seiner himmlischen<br />
Berufung tragen. Alle Gewohnheiten sollten so angelegt sein,<br />
dass jeder, der eintritt, merkt: »GOTT IST HIER!«<br />
Arthur W. Pink