05.05.2021 Aufrufe

Die Kraft des Evangeliums 1/2021

Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope

Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DIE KRAFT DES<br />

EVANGELIUMS<br />

Eine Ausgabe <strong>des</strong> Missionswerks Voice of Hope • 1/<strong>2021</strong><br />

Hoffnung<br />

mitten<br />

im<br />

Kampf<br />

• Das lebendige Wort Gottes<br />

• Ein Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

(Afghanistan)<br />

• Das neue Missionsfeld (Sierra Leone)<br />

• <strong>Die</strong> Leitung einer Gemeinde<br />

• <strong>Die</strong> Gemeinde Jesu in der Zerreißprobe<br />

• Matthew Henry – Vater, Prediger<br />

und Bibelkommentator<br />

• Eine Familie mit Gott im Zentrum<br />

• Amy Carmichael – Retterin bei Nacht


INHALT<br />

4<br />

10<br />

14<br />

20<br />

26<br />

32<br />

36<br />

42<br />

Das lebendige Wort Gottes<br />

Hebräer 4,12-13<br />

Ein Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

Mission – Afghanistan<br />

Das neue Missionsfeld<br />

Mission – Sierra Leone<br />

<strong>Die</strong> Leitung einer Gemeinde<br />

– unterschiedliche Konzepte<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Jesu<br />

in der Zerreißprobe<br />

Vater, Prediger<br />

und Bibelkommentator<br />

Matthew Henry<br />

Eine Familie<br />

mit Gott im Zentrum<br />

Retterin bei Nacht<br />

Das Leben von Amy Carmichael


KÄMPFE DEN GUTEN KAMPF<br />

DES GLAUBENS<br />

Als wir zum Glauben an Jesus Christus kamen,<br />

da freuten wir uns, dass wir endlich<br />

von der Last der Sünde befreit sind. Wir<br />

dachten, jetzt gehe das Leben nur noch auf Höhenwegen,<br />

ohne große Sorgen und Kämpfe, ohne<br />

Leid und Kummer. Doch wenn wir schon etwas<br />

länger im Glauben stehen, dann merken wir, dass<br />

die Realität völlig anders ist. Wir erleben immer<br />

wieder Kämpfe und Niederlagen, Schwierigkeiten<br />

und Prüfungen, Versuchungen und Enttäuschungen.<br />

Und wir fragen uns verwundert: Sieht<br />

so das Leben eines Christen aus? Müssten wir<br />

nicht von Sieg zu Sieg schreiten, von einer Segnung<br />

zur anderen? Müssten nicht alle Probleme<br />

überwunden sein?<br />

Nun, die Bibel verheißt uns nirgends, dass<br />

unser Leben als Christen in dieser Welt frei von<br />

Schwierigkeiten und Prüfungen sein werde. Denn<br />

der Widersacher unserer Seelen ist stets am Werk.<br />

Sein großes Ziel besteht darin, uns ständig zu entmutigen<br />

und uns nach Möglichkeit dazu zu bringen,<br />

unseren Glauben zu verleugnen. Mit vielfältigen<br />

Versuchungen naht er sich uns, wobei er<br />

alles daransetzt, unseren Glauben auszuhöhlen.<br />

<strong>Die</strong> Heilige Schrift lehrt uns eindeutig, dass<br />

die Schwierigkeiten und Prüfungen <strong>des</strong> Lebens<br />

nur gut für uns sind, da sie zum Aufbau innerer<br />

Stärke dienen, indem sie Gläubige dazu bringen,<br />

demütig und zuversichtlich in der Abhängigkeit<br />

von Gott zu bleiben. Der Apostel Paulus hatte in<br />

seinen Leiden Gottes <strong>Kraft</strong> erfahren und konnte<br />

<strong>des</strong>halb den Gläubigen sagen: »Ich vermag alles<br />

durch Den, der mich stark macht, Christus« (Phil. 4,13).<br />

Als er am Ende seines Lebens <strong>des</strong> Trostes von Seiten<br />

früher ihn unterstützenden Glaubensbrüder<br />

beraubt war, erklärte Paulus: »Der Herr aber stand<br />

mir bei und stärkte mich« (2.Tim. 4,17). Leiden führen<br />

zu geistlichem Wachstum. Doch sind wir auch<br />

heute bereit, für unseren Herrn zu leiden?<br />

Wir leben in einer sehr unruhigen Zeit. Auf der<br />

ganzen Welt sind die Menschen beunruhigt über<br />

die gegenwärtige Situation. Wenn wir als Christen<br />

nicht erkennen, dass uns die Heilige Schrift<br />

eine bestimmte Weltanschauung zu vermitteln<br />

sucht, dann überrascht es allerdings nicht, dass<br />

uns die Welt in ihrem gegenwärtigen Zustand<br />

zur Verzweiflung führen kann. Wenn wir unsere<br />

Bibel fortlaufend lesen und ihre ganze Botschaft<br />

aufnehmen, statt nur gelegentlich einen Psalm,<br />

die Bergpredigt oder unser Lieblingsevangelium<br />

herauszupicken, dann werden wir entdecken,<br />

dass sie eine sehr ausgeprägte Geschichtsphilosophie<br />

und eine sehr genau definierte Weltsicht<br />

beinhaltet. Dank der Heiligen Schrift können wir<br />

verstehen, was um uns herum vorgeht, und dass<br />

auch die gegenwärtigen Ereignisse einen Platz im<br />

göttlichen Plan haben.<br />

Gerade in so einer Zeit, wo die Gemeinde Jesu<br />

in einer Zerreißprobe steht, ruft uns die Schrift<br />

auf: »Kämpfe den guten Kampf <strong>des</strong> Glaubens« (1.Tim.<br />

6,12). Wir müssen das Feld gegen jeden Widerstand<br />

behalten, koste es, was es wolle. Wir dürfen<br />

uns keine Trägheit erlauben; wir dürfen keine<br />

Kompromisse schließen, weder mit der Sünde<br />

noch mit der Welt. Wir müssen durch den Glauben<br />

gegen alles Böse Widerstand leisten, denn<br />

unser Leben ist ein Kampf.<br />

Liebe Geschwister, es ist unmöglich, in dieser<br />

Welt für die reine Wahrheit <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> einzustehen<br />

und ein kompromissloses Leben führen<br />

zu wollen, ohne dem Widerstand <strong>des</strong> Fein<strong>des</strong><br />

zu begegnen. Als Christen müssen wir begreifen,<br />

dass alles, was dem Wort Gottes entgegensteht<br />

oder davon abweicht, das Festhalten an der<br />

Wahrheit gefährdet. Gegenüber offensichtlichen<br />

Irrtümern können wir nicht passiv bleiben. Wenn<br />

wir die Wahrheit lieben, dann dürfen wir nichts<br />

Unbiblisches unter uns dulden – keine Unwahrheit,<br />

keine Irrlehren und keinerlei Übergriffe <strong>des</strong><br />

Staates in die Gemeinde Jesu. All dies zerstört die<br />

Gemeinde und ist eine Unehre für den Gott der<br />

Wahrheit. Deshalb »kämpfe den guten Kampf <strong>des</strong><br />

Glaubens!«<br />

Im Herrn verbunden,<br />

Niko Derksen


Denn das Wort Gottes ist lebendig<br />

und wirksam und schärfer als<br />

je<strong>des</strong> zweischneidige Schwert,<br />

und es dringt durch, bis es scheidet<br />

sowohl Seele als auch Geist, sowohl<br />

Mark als auch Bein, und es ist<br />

ein Richter der Gedanken und<br />

Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens.<br />

Und kein Geschöpf ist vor ihm<br />

verborgen, sondern alles ist<br />

enthüllt und aufgedeckt vor den<br />

Augen <strong>des</strong>sen, dem wir<br />

Rechenschaft zu geben haben.<br />

Hebräer 4,12-13


DAS LEBENDIGE<br />

WORT GOTTES<br />

NIKO DERKSEN<br />

Eine der großen Reformationen im Alten<br />

Testament scheint ganz zufällig begonnen<br />

zu haben. Josia, der junge König von Juda,<br />

hatte dem Hohenpriester Hilkija befohlen, den<br />

verfallenen Tempel in Jerusalem zu restaurieren.<br />

Josia scheint von aufrichtiger Hingabe motiviert<br />

gewesen zu sein, und er war sicher beunruhigt<br />

über die Art und Weise, wie der heruntergekommene<br />

Zustand <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> das geistliche Leben<br />

<strong>des</strong> Volkes Israel symbolisierte. Eine Renovierung<br />

<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> konnte jedoch nur oberflächliche<br />

Verbesserungen bringen; hingegen im Inneren<br />

<strong>des</strong> Tempels fanden die Arbeiter etwas, das viel<br />

mehr auszurichten versprach. Hilkija informierte<br />

Josias Schriftführer über die wichtige Neuigkeit<br />

von der Baustelle: »Ich habe das Buch <strong>des</strong> Gesetzes im<br />

Haus <strong>des</strong> HERRN gefunden!« (2.Kö. 22,8).<br />

Obwohl dies scheinbar zufällig geschah, war<br />

offensichtlich eine große Vorsehung am Werk.<br />

Josia hatte den Wunsch, Gott zu ehren, indem er<br />

den Tempel wieder in Ordnung brachte, und Gott<br />

segnete Josia im Gegenzug, indem Er ihm die<br />

mächtigste <strong>Kraft</strong> der Welt für Reformation und<br />

Erweckung, für Hoffnung und Freude, für Frieden<br />

voiceofhope.de | 5


und Erlösung in die Hände legte. Der Herr hatte<br />

dem Volk das Verlorene zurückgegeben, das Wort<br />

Gottes selbst, von dem uns der Hebräerbrief sagt,<br />

es sei »lebendig und wirksam und schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />

Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet<br />

sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein,<br />

und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong><br />

Herzens« (Hebr. 4,12).<br />

Josia begann damit, das Wort Gottes zu lesen, welches<br />

die Arbeiter gefunden hatten, und bald zerriss<br />

er seine Kleider, um zu beklagen, was so lange<br />

Zeit im Leben Israels gefehlt hatte. Er versammelte<br />

die gottesfürchtigsten Menschen, um das Wort<br />

Gottes zu studieren. Dann setzten sie das, was sie<br />

in der Heiligen Schrift lasen, in die Praxis um, und<br />

das Ergebnis war eine Erneuerung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> mit<br />

Gott und die Wiederherstellung der Segnungen,<br />

die durch den Glauben an Ihn kommen. Was Josia<br />

und die Einwohner von Jerusalem vor so vielen<br />

Jahren gelernt hatten, lernen gottesfürchtige<br />

Menschen seitdem immer wieder. Es ist das, worüber<br />

der Apostel Petrus in seinem ersten Brief<br />

schrieb: »Ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem,<br />

sondern aus unvergänglichem Samen, durch das<br />

lebendige Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt« (1.Pt. 1,23).<br />

1. DAS WORT GOTTES – LEBENDIG UND WIRKSAM<br />

Der Schreiber <strong>des</strong> Hebräerbriefes ermahnt seine<br />

Leser, in der Not an ihrem Glauben festzuhalten.<br />

Er besteht darauf, dass ein Versäumnis, an die<br />

Botschaft Jesu Christi zu glauben, bedeutet, die<br />

große Sabbatruhe, die Gott verkündigen lässt, zu<br />

missachten. Solche Aussagen belegt er stets mit<br />

der Autorität <strong>des</strong> Wortes Gottes. Während dieser<br />

ganzen Ermahnung hat er seine Argumente auf<br />

Zitate aus dem Alten Testament, insbesondere<br />

aus dem Psalm 95, gegründet. <strong>Die</strong>ser Psalm wurde<br />

vom König David etwa tausend Jahre vor dem<br />

Hebräerbrief geschrieben. David war auch daran<br />

interessiert, seine Leser zu ermahnen, und er tat<br />

dies, indem er über den Unglauben der Auszugsgeneration<br />

nachdachte, der etwa vierhundert Jahre<br />

zuvor zu ihrer Vernichtung geführt hatte. Anhand<br />

dieses Beispiels schrieb David: »Heute, wenn<br />

ihr Seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht, wie<br />

bei der Herausforderung, am Tag der Versuchung in der<br />

Wüste, wo Mich eure Väter versuchten« (Ps. 95,7-9).<br />

Es sind diese Worte, die der Hebräerbrief-<br />

Schreiber auf seine eigene Generation anwendet.<br />

Dabei geht er davon aus – und behauptet dies<br />

mutig –, dass die von David geschriebenen Worte<br />

nicht nur wichtig sind, sondern auch maßgebend<br />

für diejenigen, die sie in seiner eigenen Zeit lasen.<br />

<strong>Die</strong>se Leser hatten die Anfänge der Verfolgung<br />

erlebt; vielleicht hatten sie wegen ihres Glaubens<br />

an Christus ihre Arbeit oder sogar ihr Eigentum<br />

verloren. Doch sein Argument für sie lautet: Warum<br />

sollten sie bereit sein, ihre Arbeit, ihre weltlichen<br />

Güter und sogar ihr Leben um Jesu willen zu<br />

opfern? Weil die von David gesprochenen Worte<br />

nicht nur alte und unbedeutende Worte sind. Es<br />

ist das Wort Gottes Selbst, welches auch heute<br />

noch lebendig und wirksam ist. Noch viel mehr,<br />

mit diesen Worten hängt ihr eigenes Leben zusammen,<br />

das entweder von Glauben oder Unglauben<br />

geprägt ist.<br />

Das ist der Punkt, den die ersten Worte aus<br />

Hebräer 4,12 wiedergeben: »Denn das Wort Gottes<br />

ist lebendig und wirksam.« Wie kann das sein? Wie<br />

können Davids Worte, die ja schließlich die Worte<br />

eines Menschen sind, lebendig und wirksam sein?<br />

Der Grund dafür wird in diesem ganzen Brief belegt:<br />

Weil sie auch die Worte Gottes sind. Bereits<br />

im ersten Vers <strong>des</strong> Hebräerbriefes wird diese Tatsache<br />

betont, in dem der Schreiber mit den Worten<br />

beginnt: »Nachdem Gott in vergangenen Zeiten<br />

vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat<br />

durch die Propheten.« Das ist es, was die Bibel zum<br />

Wort Gottes macht. Überall, auch im Hebräerbrief,<br />

werden alttestamentliche Zitate angeführt,<br />

welche die Worte beinhalten: »Wie Gott gesagt<br />

hat«, oder »wie der Heilige Geist spricht«. In Vers<br />

7 von Kapitel 4 lesen wir: »So bestimmt Er [Gott] wiederum<br />

einen Tag, ein ›Heute‹, indem Er nach so langer<br />

Zeit durch David sagt, …«<br />

<strong>Die</strong> Worte, die durch David gesprochen und zu<br />

Papier gebracht wurden, sind also nicht in erster<br />

Linie als Davids eigene Worte zu verstehen – als<br />

Worte eines Menschen –, sondern als die Worte<br />

Gottes. Hier müssen wir sehr vorsichtig sein, um<br />

die menschliche Urheberschaft der Bibel nicht<br />

6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


herunterzuspielen oder gar zu leugnen. <strong>Die</strong> Bibel<br />

wurde von etwa vierzig verschiedenen menschlichen<br />

Autoren verfasst. Wie kann dann die Bibel<br />

das Wort Gottes sein? <strong>Die</strong>se Frage zu beantworten<br />

war den Aposteln wichtig, denn sie betrachteten<br />

die Schreiber <strong>des</strong> Alten Testaments als maßgeblich<br />

für ihre eigenen Leser. <strong>Die</strong> vielleicht bekannteste<br />

Aussage ist die, welche Paulus in seinem zweiten<br />

Brief an Timotheus machte: »Alle Schrift ist von Gott<br />

eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung,<br />

zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit,<br />

damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten<br />

Werk völlig ausgerüstet« (2.Tim. 3,16-17).<br />

<strong>Die</strong> Worte der Bibel sind nicht etwa inspirierte<br />

Worte von Menschen, die aus ihrer eigenen geistlichen<br />

Erkenntnis reden, sondern sie sind aus<br />

Gottes Mund gehauchte Worte, die durch die Bibel<br />

wiedergegeben werden. Das ist es, was dieses Buch<br />

für uns so gewinnbringend macht, wie Paulus<br />

es betont. Durch Sein Wort lehrt uns Gott Selbst,<br />

weist zurecht und korrigiert uns. Er erzieht uns<br />

in der Gerechtigkeit und rüstet uns für je<strong>des</strong> gute<br />

Werk aus. Wenn wir im Glauben an Gottes Wort herantreten,<br />

wenn wir die Lehren der Bibel zu unserem<br />

Herzen und Verstand reden lassen – entweder<br />

so, wie sie gepredigt werden oder wie wir sie selbst<br />

lesen –, dann wird dieses Wort in uns lebendig,<br />

weil es von Gott Selbst zu diesem Zweck gesandt<br />

ist. Er lebt und wirkt in uns durch Sein lebendiges<br />

und wirksames Wort. Deshalb sagte Martin<br />

Luther: »Lasst den Mann, der Gott sprechen hören<br />

will, die Heilige Schrift lesen.« Der Puritaner Thomas<br />

Watson fügt hinzu: »Durch das Lesen anderer<br />

Bücher wird das Herz vielleicht erwärmt; aber<br />

durch das Lesen der Bibel wird es verwandelt.«<br />

2. DAS WORT GOTTES GIBT LEBEN<br />

Ein weiterer großer Beweis dafür, dass die Bibel<br />

lebendig und wirksam ist, hat mit ihrem Inhalt<br />

und Zweck zu tun. Sie erzählt nicht nur interessante<br />

Fakten und Überzeugungen über unsere<br />

christliche Tradition. Nein, sie hat ein übergreifen<strong>des</strong><br />

Thema: Gottes Werk in der Geschichte zur<br />

Erlösung sündiger Menschen. Das ist es, was die<br />

Bibel berichtet – nämlich, dass Gott die Sünden<br />

Seines Volkes vergeben hat, weil an ihrer Stelle<br />

Jesus Christus für ihre Sünden gestorben ist. Und<br />

somit ist jeder, der an Ihn glaubt, mit Ihm gestorben<br />

und in Christus zu neuem Leben erweckt<br />

worden.<br />

Wie Paulus an den jungen Timotheus schrieb,<br />

besteht der Zweck der Bibel darin, uns durch ihre<br />

<strong>Kraft</strong> »weise zu machen zur Errettung durch den Glauben,<br />

der in Christus Jesus ist« (2.Tim. 3,15). <strong>Die</strong> Botschaft<br />

der Bibel ist Gottes Heilswerk durch Jesus Christus;<br />

und der Zweck der Bibel besteht eigentlich darin,<br />

dieses Heil den Menschen, die diese Botschaft<br />

empfangen und glauben, nahezubringen. Gottes<br />

Wort ist lebendig und wirksam in derselben Weise,<br />

wie Jesu Worte lebendig und wirksam waren,<br />

als Er vor dem Grab Seines toten Freun<strong>des</strong> stand<br />

und rief: »Lazarus, komm heraus!« (Joh. 11,43). Auf<br />

Jesu Wort hin erwachte der Tote zum Leben. So<br />

ist auch das Wort Gottes, wie wir es in der Bibel<br />

vorfinden; es ist nicht nur lebendig, sondern es ist<br />

wirksam, indem es uns das Leben vermittelt. Es<br />

macht diejenigen lebendig, die geistlich tot sind.<br />

3. DAS WORT GOTTES DRINGT DURCH<br />

Der Schreiber <strong>des</strong> Hebräerbriefes hat uns noch<br />

mehr über Gottes Wort zu sagen; er fährt mit einer<br />

Erklärung fort, wie es seine Wirkung ausübt.<br />

Das Wort Gottes ist »schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />

Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele<br />

als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist<br />

ein Richter der Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens«<br />

(Hebr. 4,12).<br />

<strong>Die</strong> Darstellung <strong>des</strong> Wortes Gottes als Schwert<br />

findet sich häufig in der Heiligen Schrift. Paulus<br />

spricht in seiner Beschreibung der Waffenrüstung<br />

Gottes vom »Schwert <strong>des</strong> Geistes, welches das<br />

Wort Gottes ist« (Eph. 6,17). Johannes berichtet uns<br />

in seiner Vision vom verherrlichten Herrn Jesus<br />

voiceofhope.de | 7


Christus: »Aus Seinem Mund ging ein scharfes, zweischneidiges<br />

Schwert hervor« (Off. 1,16). <strong>Die</strong>ses zweischneidige<br />

Schwert ist gleichermaßen geeignet,<br />

sowohl zu retten als auch zu richten. Was dieses<br />

Bild beschreibt, ist die durchdringende oder<br />

durchbohrende <strong>Kraft</strong> von Gottes Wort: »Es dringt<br />

durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl<br />

Mark als auch Bein« (Hebr. 4,12). Es geht dabei um das<br />

Eindringen <strong>des</strong> Wortes Gottes in die innerste Tiefe<br />

<strong>des</strong> menschlichen Wesens. Das Wort dringt gegen<br />

alle Widerstände ein, um den ganzen Menschen,<br />

nicht nur einen Aspekt seiner Person, zu erfassen.<br />

Darüber hinaus wird uns gesagt, was das Wort<br />

bewirkt, wenn es erst einmal ins Innere <strong>des</strong> Menschen<br />

eingedrungen ist: »Es ist ein Richter der Gedanken<br />

und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens« (Hebr. 4,12).<br />

Wenn das Wort Gottes in unser Inneres eindringt,<br />

macht seine Gegenwart unsere wahren Gedanken<br />

und Haltungen deutlich; es erkennt und beurteilt<br />

unsere Haltung gegenüber dem, der es gesandt<br />

hat. Aber wenn es vom belebenden Wirken <strong>des</strong><br />

Heiligen Geistes begleitet wird, tut es noch mehr:<br />

Es verurteilt uns wegen unserer Rebellion gegen<br />

Gott und überführt uns; es führt uns wie Schafe<br />

zum Guten Hirten.<br />

Wenn Gott zu uns redet – wie tut Er das heute?<br />

– Durch Sein Wort! Wenn wir in der Heiligen<br />

Schrift von den vollkommenen Anforderungen<br />

<strong>des</strong> Gesetzes lesen – was geht dann in uns vor,<br />

was erkennen wir? – Wir erkennen durch Gottes<br />

Urteil über uns, dass wir verdammt und verloren<br />

sind. Wohin treibt uns dann diese Erkenntnis über<br />

uns? – Sie treibt uns zu Christus, zum Kreuz. Weil<br />

wir unsere Sünden nicht mehr länger ertragen<br />

können, wollen wir sie loswerden. Also fallen wir<br />

vor dem Herrn nieder, weil wir von unseren Sünden<br />

überführt wurden. Dann erfahren wir auch in<br />

der Bibel, dass wir durch Christus gerechtfertigt<br />

sind, weil Er all unsere Sünden hinweggenommen<br />

hat, indem Er für uns Sünder am Kreuz starb.<br />

Das ist es, was Gott durch Sein Wort tut – Er rettet<br />

die Elenden, Er findet die Verlorenen, Er macht<br />

die Blinden sehend. Gottes Wort ist lebendig und<br />

wirksam; es dringt durch, es urteilt und richtet, alles<br />

zur Durchführung <strong>des</strong> großen Erlösungswerkes;<br />

das ist seine Botschaft und sein Ziel. Auf sehr<br />

unterschiedliche Art und Weise kommen verhärtete<br />

Sünder dazu, das Wort Gottes zu hören, und<br />

es bringt sie durch den Glauben an Christus zur<br />

Errettung.<br />

Jeder wahre Christ wird bekennen, dass das<br />

lebendige Wort Gottes uns gefunden hat; es ist in<br />

uns eingedrungen, es hat unsere Gedanken und<br />

Einstellungen bloßgestellt, und daraufhin stehen<br />

wir verurteilt da. Es ist ein zweischneidiges<br />

Schwert, das mit seiner Klinge nicht <strong>des</strong>halb über<br />

uns steht, um uns das Leben zu geben, sondern<br />

um uns zum Tod zu verurteilen. Der Herr fordert<br />

Sünder durch Sein Wort auf, Buße zu tun, ihre<br />

Sünden zu bekennen und sich Dem hinzugeben,<br />

der wirklich erretten kann. Jesus ist nicht gekommen,<br />

um die Welt zu verdammen, sondern um sie<br />

zu retten. Und doch sagte Er: »Wer Mich verwirft und<br />

Meine Worte nicht annimmt, der hat schon seinen Richter:<br />

Das Wort, das Ich geredet habe, das wird ihn richten<br />

am letzten Tag« (Joh. 12,48).<br />

4. DAS WORT GOTTES IST ALLGENUGSAM<br />

Wir haben gesehen, dass Gottes Wort lebendig<br />

und wirksam ist, ebenso dass seine durchdringende<br />

<strong>Kraft</strong> unsere Gedanken und die Gesinnungen<br />

<strong>des</strong> Herzens richtet, sodass wir uns Gott hingeben.<br />

Der letzte Punkt, den wir hier lernen, ist die<br />

Allgenugsamkeit von Gottes Wort für all unsere<br />

Bedürfnisse in den Fragen <strong>des</strong> Glaubens und der<br />

Heiligung.<br />

Wir sehen dies in Vers 12, wo ein Vergleich<br />

zwischen Gottes Wort und weltlichen Waffen gemacht<br />

wird. Es ist »schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige<br />

Schwert«. Gottes Wort ist nicht nur ein Schwert,<br />

sondern im Vergleich zu anderen Waffen auch<br />

schärfer als je<strong>des</strong> zweischneidige Schwert. Als<br />

Werkzeug für Gottes mächtige Taten ist es mächtiger<br />

und durchdringender als das schärfste vom<br />

Menschen erdachte Werkzeug. Da Gottes Wort<br />

»lebendig und wirksam« ist, ist es in einer Weise<br />

wirksam, wie es keine andere Waffe sein kann.<br />

Ein weiterer Beweis dafür, dass Gottes Wort für<br />

unsere Bedürfnisse ausreicht, findet sich in Vers<br />

13: »Und kein Geschöpf ist vor Ihm verborgen, sondern<br />

8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


alles ist enthüllt und aufgedeckt vor den Augen <strong>des</strong>sen,<br />

dem wir Rechenschaft zu geben haben.« Gottes Wort ist<br />

lebendig und wirksam, es dringt durch und richtet,<br />

und außerdem kann ihm nichts entgehen. Interessanterweise<br />

setzt der Hebräerbrief-Schreiber<br />

hier Gottes Wort mit Gottes Augen gleich. Es<br />

deckt je<strong>des</strong> Herz, jede Handlung, jede Absicht, jeden<br />

Gedanken und jeden Wunsch auf und bringt<br />

alles vor den durchdringenden Blick <strong>des</strong> lebendigen<br />

Gottes. Dennoch leben wir heute in einer Zeit,<br />

in der viele Christen, die einst für die Wahrheit<br />

<strong>des</strong> Wortes Gottes gekämpft haben, vielleicht sogar<br />

verspottet wurden, jetzt das Vertrauen in die<br />

Wirksamkeit der Bibel verloren haben. Sie geben<br />

zwar zu: Ja, die Bibel ist inspiriert; ja, sie ist<br />

nützlich, aber sie muss durch menschliche Mittel<br />

und Methoden ergänzt werden. Heute beruht die<br />

Evangelisation auf manipulativen psychologischen<br />

Tricks; das geistliche Wachstum hängt angeblich<br />

von Methoden ab; der Gottesdienst wird<br />

mit einem Unterhaltungsprogramm gefüllt.<br />

Etwas ganz anderes zeigt aber die Botschaft im<br />

Hebräerbrief, die besagt, dass dem enthüllenden<br />

und aufdeckenden Wort Gottes nichts entgehen<br />

kann. Deshalb ist es allgenugsam für all unsere<br />

Bedürfnisse. <strong>Die</strong>s war auch die Lehre <strong>des</strong> Apostels<br />

Paulus. Brauchen wir weltliche Methoden<br />

und Hilfsmittel, um die Arbeit in der Gemeinde<br />

zu verrichten? Paulus schrieb: »Denn obgleich wir<br />

im Fleisch wandeln, so kämpfen wir doch nicht nach Art<br />

<strong>des</strong> Fleisches; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht<br />

fleischlich, sondern mächtig durch Gott zur Zerstörung<br />

von Festungen, sodass wir Vernunftschlüsse zerstören<br />

und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt,<br />

und jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam<br />

gegen Christus« (2.Kor. 10,3-5).<br />

Wir sollten <strong>des</strong>sen gewahr werden, welche<br />

<strong>Kraft</strong> uns durch das Wort Gottes zur Verfügung<br />

gestellt wird und was für ein Ansporn dies ist, sie<br />

in unserem Zeugnis und in unserem eigenen Leben<br />

einzusetzen! Was könnten wir zur Rettung<br />

von Seelen Besseres tun, als Gottes Wort zu verkündigen<br />

und zu lehren?! Ausschließlich das Wort<br />

Gottes bringt die <strong>Kraft</strong> Gottes zum Ausdruck, zu<br />

überführen und zu erretten, das steinerne Herz zu<br />

zerschlagen und ein neues, fleischernes Herz zum<br />

Leben zu erwecken. Bedenken wir die Frage unserer<br />

Heiligung, d. h. unseres eigenen Wachstums in<br />

der Heiligung. Was könnte wirksamer sein, als das<br />

Licht von Gottes Wort auf unser Leben, in unseren<br />

Verstand und in unsere Herzen leuchten zu lassen?!<br />

Das ist es, was Paulus in Römer 12,2 betont<br />

hat: »Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern<br />

lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung<br />

eures Sinnes.«<br />

So betete Jesus in Johannes 17,17 für unsere<br />

Heiligung: »Heilige sie in Deiner Wahrheit! Dein Wort<br />

ist Wahrheit.« In unserem Abschnitt heißt es, dass<br />

Gottes Wort die »Gedanken und Gesinnungen <strong>des</strong> Herzens«<br />

offenbart und richtet. Welch ein Segen ist es,<br />

dass dies jetzt geschieht: von Ihm gelehrt, ermahnt<br />

und ermutigt zu werden; in diesem Leben schon<br />

im Gehorsam gegenüber Gott geformt zu werden,<br />

im Wissen, dass Er derjenige ist, »dem wir Rechenschaft<br />

zu geben haben«, wie Vers 13 abschließend sagt.<br />

Denken wir auch an den Trost, den wir Christen<br />

beständig brauchen. Trauern oder leiden wir?<br />

Werden wir versucht und geprüft? Suchen wir<br />

die Gewissheit unserer Errettung? Dann wenden<br />

wir uns der Heiligen Schrift zu, die von einem<br />

Gott spricht, der für unsere Errettung völlig ausreichend<br />

ist. »Er, der sogar Seinen eigenen Sohn nicht<br />

verschont hat«, heißt es, »sondern Ihn für uns alle dahingegeben<br />

hat, wie sollte Er uns mit Ihm nicht auch alles<br />

schenken?« (Römer 8,32).<br />

Zum Schluss möchte ich uns allen noch folgende<br />

Frage stellen: Soll in deinem Leben etwas verändert<br />

werden? Dann verpflichte dich dem Wort<br />

Gottes, lass dich in sein lebensverändern<strong>des</strong> Licht<br />

stellen und erzähle der Welt, was der Herr an dir<br />

getan hat. Das ist es, was gottesfürchtige Prediger<br />

im Laufe der ganzen Geschichte getan haben,<br />

auch Menschen wie König Josia, durch den Gottes<br />

Wort wiedererlangt und dadurch eine ganze Nation<br />

erweckt wurde. Gott hat auf Sein Wort große<br />

Verheißungen gelegt: »Denn gleichwie der Regen<br />

und der Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin<br />

zurückkehrt, bis er die Erde getränkt und befruchtet<br />

und zum Grünen gebracht hat und dem Sämann Samen<br />

gegeben hat und Brot dem, der isst – genau so soll auch<br />

Mein Wort sein, das aus Meinem Mund hervorgeht: Es<br />

wird nicht leer zu Mir zurückkehren, sondern es wird ausrichten,<br />

was Mir gefällt, und durchführen, wozu Ich es<br />

gesandt habe!« (Jesaja 55,10-11).<br />

Daher kann je<strong>des</strong> Werk, das sich auf Gottes<br />

Wort stützt, sicher sein, dass es Seinen Segen hat,<br />

Sein Ziel erreicht und Ihm Ehre bringt, so wie es<br />

auch Seine <strong>Kraft</strong> zur Errettung bringt.<br />

Amen.<br />

voiceofhope.de | 9


Mission – AFGHANISTAN<br />

EIN PREDIGER DES<br />

EVANGELIUMS<br />

Omar1 und Sarah1 sind ein hingebungsvolles<br />

Missionarsehepaar, das 7 Jahre lang in<br />

Afghanistan den Muslimen das Evangelium<br />

der Gnade Gottes verkündigt hat. Nachdem<br />

Gott in Seiner Gnade einheimische Menschen<br />

errettet hat und einige Untergrundgemeinden<br />

gegründet wurden, reiste die Missionarsfamilie<br />

zurück in ihre Heimat und unterstützt jene Geschwister<br />

seitdem vom Ausland aus.<br />

Omar war in dem damals vorherrschenden Zeitgeist<br />

<strong>des</strong> Atheismus und Kommunismus in Kasachstan<br />

erzogen worden, ohne einen Bezug zur<br />

Religion oder zu Gott zu haben. <strong>Die</strong> (Un-)Werte,<br />

die in der Welt galten, wurden auch ihm mitgegeben;<br />

er hatte sie in sein Leben integriert. <strong>Die</strong><br />

Straße trug auch ihren Teil zu seiner Prägung bei:<br />

Als Mitglied einer Verbrecherbande hatte er mit<br />

Drogen und Alkohol zu tun, beging Erpressung,<br />

Raubüberfälle und andere Delikte. Das war sein<br />

Leben.<br />

DIE SUCHE NACH RETTUNG<br />

Doch mit Anfang zwanzig sollte sein Leben eine<br />

entscheidende Wendung nehmen. Omar sah bei<br />

einem Freund zu Hause eine Bibel liegen – das<br />

Buch, von dem wir wissen, dass es die <strong>Kraft</strong> hat,<br />

Sünder zu erretten und sie völlig zu verwandeln.<br />

Omar hatte schon von diesem Buch gehört und begann,<br />

wie er es gewohnt war, zuerst von hinten zu<br />

1 Name geändert<br />

10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


lesen. Denn wenn das Ende gut ist, dann muss es<br />

ein interessantes Buch sein. Doch mit der Offenbarung<br />

konnte er nicht viel anfangen; und so begann<br />

er von vorne zu lesen. Er las und las und konnte<br />

sich nicht mehr davon losreißen – er hatte schon<br />

immer gerne gelesen und hielt nun ein Buch in den<br />

Händen, das anders war als normale Literatur.<br />

Beim Lesen der fünf Bücher Mose führte Gott<br />

ihm deutlich vor Augen, wer er war: ein verlorener<br />

Sünder.<br />

»Verflucht sei, wer die Worte dieses Gesetzes nicht<br />

aufrechterhält, indem er sie tut!« (5.Mo. 27,26). Als<br />

Omar diese Worte las, ergriff ihn die Furcht, einst<br />

Gott begegnen und sich für alles verantworten zu<br />

müssen.<br />

So begab er sich auf die Suche nach Menschen,<br />

die etwas von Gott wussten und ihm vielleicht<br />

eine Lösung für sein Problem zeigen könnten.<br />

Als er an einem Sonntag mit einem Freund<br />

unterwegs war, sahen sie ein Gemeindehaus, und<br />

der Freund schlug vor, hineinzugehen. Drinnen<br />

wurden sie freundlich empfangen und eingeladen,<br />

im Saal Platz zu nehmen; doch Omar schaute<br />

nur kurz hinein und verließ das Haus. Am nächsten<br />

Sonntag kam er wieder und wurde erneut<br />

eingeladen. Nun setzte er sich auf den hintersten<br />

Platz, ganz am Rand, direkt neben der Tür, erhob<br />

sich aber kurz darauf wieder und ging. Als er am<br />

dritten Sonntag wiederkam, war der Gottesdienst<br />

bereits vorbei und der Versammlungsraum fast<br />

leer. Omar kam nur kurz mit einem Mann ins Gespräch<br />

und ging wieder.<br />

EIN NEUES LEBEN<br />

<strong>Die</strong> nächsten zwei Monate besuchte er die Sonntagsgottesdienste<br />

dieser Gemeinde und kam immer<br />

wieder mit vielen Fragen zum Pastor. Bei<br />

einer Predigt wurde Omar über das Wort aus<br />

Römer 5,8 erschüttert. »Gott aber beweist Seine Liebe<br />

zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist,<br />

als wir noch Sünder waren.« – Ihm wurde klar, dass<br />

dies die Lösung auf seine Fragen ist! Der gerechte<br />

Sohn Gottes starb für Sünder! Jetzt konnte er<br />

an Jesus Christus glauben! An diesem Tag brachte<br />

Gott eine Wendung in Omars Leben; er bekam<br />

eine völlig neue Identität. Ja, er war immer noch<br />

der gleiche junge Mann mit einer dunklen Vergangenheit;<br />

aber der Herr hatte Omars Schuld auf<br />

sich genommen und durch die <strong>Kraft</strong> Seines <strong>Evangeliums</strong><br />

Licht ins Dunkel gebracht!<br />

Omar erzählte überwältigt, dass seit diesem<br />

Tag weder Drogen noch Alkohol oder Nikotin eine<br />

Anziehungskraft auf ihn hatten. Doch das wohl<br />

größte Zeugnis seines Lebens war die Versöhnung<br />

mit seinem Vater, der die Familie verlassen hatte,<br />

als Omar erst 15 war. Omar hatte es ihm bisher<br />

nicht vergeben können; doch nun war alles anders<br />

– er wollte und konnte jetzt seinem Vater durch die<br />

verändernde <strong>Kraft</strong> Gottes vergeben und wünschte<br />

sich so sehr, dass sein Vater auch von dieser Freudenbotschaft<br />

erführe.<br />

Sein Leben veränderte sich völlig. <strong>Die</strong> alten<br />

Freunde wollten mit ihm als einem Christen nichts<br />

mehr zu tun haben, denn seine Interessen waren<br />

jetzt völlig gegensätzlich zu den ihrigen. Omar<br />

wollte keinen Gottesdienst mehr versäumen; der<br />

Hunger nach der Gemeinschaft und nach Gottes<br />

Wort war so groß, dass er fast täglich den Pastor<br />

besuchte. Er hatte vieles in seinem Leben zu ordnen,<br />

aber der Herr gab ihm Mut und Freudigkeit,<br />

für seine Sünden und Vergehungen an anderen<br />

Menschen um Vergebung zu bitten. <strong>Die</strong> Brüder der<br />

örtlichen Gemeinde sahen bei Omar die Frucht<br />

seiner Errettung; sie sahen eine völlige Veränderung<br />

– und nicht lange danach wurde er getauft.<br />

PREDIGE DAS EVANGELIUM<br />

DORT, WO CHRISTUS<br />

NOCH UNBEKANNT IST!<br />

Omar war nun 23 Jahre alt und wollte sein ganzes<br />

Leben in den <strong>Die</strong>nst Gottes stellen. Deshalb bat<br />

er den Herrn, ihm eine Aufgabe zuzuweisen. Als<br />

ein Evangelist für einige Wochen einen Begleiter<br />

für eine Missionsreise nach Tadschikistan suchte,<br />

war Omar zur Stelle.<br />

Bei einem Seminar für Mitarbeiter in der Gemeinde<br />

wurde ein Teil <strong>des</strong> Römerbriefes ausgelegt.<br />

Im 10. Kapitel geht es um die Frage, wie die<br />

Menschen an Jesus glauben sollen, ohne von Ihm<br />

gehört zu haben, wo doch der Glaube vom Hören<br />

<strong>des</strong> Wortes Gottes kommt, und es heißt weiter:<br />

»Wie sollen sie aber hören ohne einen Verkündiger?« (V.<br />

14). Omar nahm dieses Wort für sich persönlich<br />

an, als seine Lebensaufgabe. Es wurde ihm klar:<br />

Das war Gottes Bestimmung für ihn.<br />

voiceofhope.de | 11


Er arbeitete zunächst weiter in seinem Beruf<br />

als Automechaniker und bat den Herrn, ihm einen<br />

Weg in den vollzeitigen <strong>Die</strong>nst zu öffnen. Zwei<br />

Jahre lang war er in einer Evangelisationsgruppe<br />

aktiv. Sie fuhren durch alle Regionen Kasachstans<br />

und predigten dort, wo sie »offene Türen« vorfanden.<br />

Doch es lag ihm auf dem Herzen, nach Tadschikistan<br />

zurückzukehren, wo es nur sehr wenige<br />

Gemeinden und Gläubige gab. Paulus betont in<br />

Römer 15,20-21, dass es ihm daran lag, das Evangelium<br />

dort zu predigen, wo es noch unbekannt<br />

war, wo noch niemand gepredigt hatte – um nicht<br />

auf fremden Grund zu bauen.<br />

Nachdem Omar am Bibelunterricht seiner Gemeinde<br />

teilgenommen hatte, wurde er 1998 nach<br />

Tadschikistan ausgesandt, wo er zusammen mit<br />

anderen Brüdern am Evangelisations- und Predigtdienst<br />

teilnahm. Durch diesen <strong>Die</strong>nst öffnete<br />

der Herr manch einem Sünder das Herz für das<br />

Evangelium. Eine junge Frau namens Sarah gehörte<br />

auch zu denen, die durch die Predigten von<br />

Omar zum Glauben an Christus kamen. Wenige<br />

Jahre später heirateten Omar und Sarah. Ab 2005<br />

diente er als Pastor in einer Gemeinde. Gleichzeitig<br />

betete eine Gruppe von Brüdern, dass Gott eine<br />

Tür nach Afghanistan öffnen möge; denn auch<br />

dort lebten etwa 7,6 Mio. Tadschiken, von denen<br />

die meisten das Evangelium noch nie gehört hatten.<br />

<strong>Die</strong> wenigen Gläubigen in Afghanistan konnten<br />

sich nur im Untergrund versammeln, wie es ja<br />

auch heute noch ist.<br />

2007 verließ Omar mit seiner jungen Familie<br />

Tadschikistan und ging zurück in seine Heimat<br />

nach Kasachstan, ohne zu wissen, welche Aufgabe<br />

der Herr als nächstes für ihn vorbereitet hatte.<br />

Im Gebet bat das junge Ehepaar Gott um Wegweisung.<br />

In Kasachstan mangelte es zwar auch nicht an<br />

Arbeit: Gott hatte Menschen zu neuem Leben erweckt.<br />

In vielen Städten gab es bereits Hausgemeinden,<br />

in denen ein Pastor benötigt wurde.<br />

Doch dann wurde Omar gebeten, mit seiner<br />

Familie nach Afghanistan umzuziehen, um<br />

dort als Missionare zu leben. <strong>Die</strong>se Bitte lastete<br />

schwer auf seiner Seele. Bei ihren Überlegungen<br />

besprachen Omar und Sarah die vielen Gefahren<br />

und Probleme, denen sie in Afghanistan begegnen<br />

würden. Da kamen ihm wieder die Worte aus<br />

Römer 15,20-21 in den Sinn, durch die Gott schon<br />

früher zu ihm gesprochen hatte: »Dabei mache ich<br />

es mir zur Ehre, das Evangelium nicht dort zu verkündigen,<br />

wo der Name <strong>des</strong> Christus schon bekannt ist, damit<br />

ich nicht auf den Grund eines anderen baue, sondern, wie<br />

geschrieben steht: ›<strong>Die</strong>, denen nicht von Ihm verkündigt<br />

worden ist, sollen es sehen, und die, welche es nicht gehört<br />

haben, sollen es verstehen‹.« Erneut erinnerte Gott<br />

ihn an diese Menschen und somit an seine Berufung.<br />

In dieser Entscheidungsphase geriet Omar in<br />

einen schweren Autounfall. Er erzählte: »Mein<br />

Wagen überschlug sich und kam erst ganz knapp<br />

vor einem Abgrund zum Stehen. Unten verliefen<br />

Bahngleise, auf denen kurz darauf ein Zug vorbeifuhr.<br />

Durch diesen Unfall machte Gott mir<br />

deutlich: ›Du bist in Meiner Hand, und sicher bist<br />

du nur dort, wo Ich mit dir bin. Ungefährlich ist es<br />

nicht dort, wo es logisch betrachtet ungefährlich<br />

ist; ungefährlich ist es dort, wo Ich mit dir bin.‹«<br />

So kam Omar zu der Entscheidung, nach Afghanistan<br />

zu gehen, und fragte seine Frau nach ihrer<br />

Einschätzung. Er wollte sie nicht einfach vor vollendete<br />

Tatsachen stellen, da es eine folgenschwere<br />

Entscheidung war, bei der er sich ihres völligen<br />

Vertrauens auf den Herrn und ihrer rückhaltlosen<br />

Unterstützung seines Entschlusses sicher sein<br />

wollte.<br />

Einige Monate später war es soweit; sie zogen<br />

nach Afghanistan um und begannen dort ihren<br />

<strong>Die</strong>nst. Sie wussten vorher nicht, wo sie wohnen<br />

und wo ihre Kinder zur Schule gehen könnten,<br />

aber sie vertrauten dem Herrn, der sie in dieses<br />

Land geführt hatte, dass Er auch für alles Weitere<br />

sorgen würde.<br />

Zunächst kamen sie im Haus einer Familie unter,<br />

die für einige Zeit außer Lan<strong>des</strong> war.<br />

ARBEIT IN AFGHANISTAN<br />

In Absprache mit der Regierung starteten sie Bildungsprojekte:<br />

Allgemeinbildung für Vorschulkinder,<br />

Englisch- und Computerkurse. In einem<br />

Frauenzentrum konnten Englisch- und Nähkurse<br />

belegt werden. In den meisten Fällen bleibt<br />

afghanischen Frauen eine Ausbildung verwehrt.<br />

Wenn eine afghanische Familie einen Sohn und<br />

eine Tochter hat, ihr Geld aber nur für die Schulbildung<br />

eines Kin<strong>des</strong> reicht, finanzieren sie dem<br />

Jungen die Ausbildung. <strong>Die</strong>se Bildungsprojekte<br />

12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


waren eine hervorragende Möglichkeit für<br />

Omar und Sarah, Kontakt zu Menschen aufzubauen<br />

und ihnen nach und nach das Evangelium<br />

zu vermitteln.<br />

Daneben konnte Omar mit einem Bruder<br />

Neubekehrte im Wort Gottes unterweisen.<br />

Ihr Ziel war es, gesunde afghanische<br />

Gemeinden aufzubauen, die auf dem Wort<br />

Gottes gegründet sind. <strong>Die</strong>ser <strong>Die</strong>nst war<br />

begleitet von einem harten Kampf, der vor<br />

dem Herrn auf den Knien im Gebet ausgefochten<br />

werden musste. Omar und Sarah<br />

waren sich stets <strong>des</strong>sen bewusst, dass allein<br />

Gottes Wort und Geist eine bleibende<br />

Umkehr in den Herzen dieser vom Islam<br />

geprägten Menschen vollbringen konnten,<br />

und es war ihnen auch klar, dass sie dieser<br />

<strong>Die</strong>nst ihr Leben kosten könnte, weil es<br />

Verräter geben konnte – und auch tatsächlich<br />

gab.<br />

Innerhalb der 7 Jahre, die Omar und Sarah mit<br />

ihrer Familie in Afghanistan gelebt und gedient<br />

haben, hat der Herr viele Afghanen errettet und<br />

ihnen den Glauben an Jesus Christus geschenkt.<br />

Kein Charakterzug eines Menschen ist so schön<br />

wie seine Liebe zum Herrn. Bei vielen der Gläubigen<br />

in Afghanistan hat sie sich darin gezeigt, dass<br />

sie nach der Gemeinschaft mit dem Herrn und<br />

mit anderen Christen hungerten und darum bereit<br />

waren, für Jesus Christus zu sterben. Drei der<br />

afghanischen Brüder sind sogar in den vollzeitigen<br />

Missionsdienst eingetreten.<br />

Nachdem im Jahr 2014 eine andere Missionarsfamilie<br />

Ziel eines Anschlags wurde, den nur<br />

die Frau und Mutter überlebte, und nachdem<br />

Omar mitsamt seiner Familie daraufhin ebenfalls<br />

Morddrohungen erhielt, beschloss er, seine Familie<br />

außer Lan<strong>des</strong> zu bringen. Für einige Wochen<br />

kamen sie gemeinsam zu uns nach Deutschland,<br />

erholten sich hier, genossen die Gemeinschaft mit<br />

den Gläubigen und wurden zum weiteren <strong>Die</strong>nst<br />

ausgerüstet.<br />

<strong>Die</strong> Verantwortung für die Missionsarbeit in<br />

Afghanistan übergab Omar nach und nach den<br />

einheimischen Christen. Er berichtet: »Gott ermöglicht<br />

es uns, mehrere Schulungen im Jahr mit Glaubensbrüdern<br />

durchzuführen, um sie in ihrem Ältestendienst<br />

zuzurüsten. Sie sind zu selbstständigen <strong>Die</strong>nern im Reich<br />

Gottes geworden. Auch die Seelen, die durch sie mit dem<br />

Evangelium erreicht und gerettet wurden, wachsen im<br />

Glauben und in der Erkenntnis. Des Weiteren können<br />

jährlich mehrere Frauenseminare durchgeführt werden,<br />

was unsere Glaubensschwestern stärkt und geistlich wachsen<br />

lässt. Sie sehnen sich sehr nach Gesprächen und Gemeinschaft<br />

mit anderen Gläubigen. Gott sei Dank für Sein<br />

Wirken an Seiner Gemeinde in Afghanistan! Trotz großer<br />

Verfolgung sind die Geschwister motiviert, dem Herrn<br />

nachzufolgen und für Ihn zu leiden. Wir danken euch für<br />

eure Gebete, die uns bis hierhin begleitet haben.«<br />

Herzlichen Dank, liebe Geschwister und<br />

Freunde, für eure Gebete und auch für eure Gaben!<br />

Durch Gottes große Güte durften wir Omar<br />

und drei weitere Missionare Jahr für Jahr finanziell<br />

unterstützen.<br />

Seit nun schon 6 Jahren lebt Omar mit seiner Familie<br />

wieder in Kasachstan, dient dem Herrn dort<br />

als Prediger und Lehrer und fährt regelmäßig<br />

nach Afghanistan, um die verfolgten Geschwister<br />

zu ermutigen und zu stärken und um zu sehen,<br />

wie es ihnen ergeht.<br />

Im März <strong>2021</strong> war Omar schwer erkrankt und<br />

lag sieben Tag lang auf der Intensivstation. Es<br />

war eine schwere Zeit für die Familie; gemeinsam<br />

haben wir den Herrn angefleht, und Er gab Seine<br />

Gnade. Omar durfte nach zweieinhalb Wochen<br />

das Krankenhaus verlassen, ist jetzt wieder wohlauf,<br />

und wir dürfen dem Herrn weiter dienen, solange<br />

Er uns in dieser Welt leben lässt!<br />

Bitte beten Sie für die verfolgten Christen in<br />

Afghanistan!<br />

voiceofhope.de | 13


Mission – SIERRA LEONE<br />

Das neue<br />

Missionsfeld<br />

Daniel und Patricia Lusenie,<br />

Missionare in Sierra Leone (Afrika)<br />

14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


EINE STIMME DER<br />

HOFFNUNG IN SIERRA LEONE<br />

Daniel kam als Flüchtling mit der ersten<br />

großen Welle im Jahr 2013 nach Europa,<br />

wurde durch Gottes Gnade errettet und<br />

fing an, eifrig die Bibel zu studieren, viele Auslegungspredigten<br />

zu hören und daraus zu lernen.<br />

Er blieb ständig mit Bruder Niko Derksen in Kontakt,<br />

der sein Lehrer und Seelsorger ist, wurde<br />

von ihm anhand der Heiligen Schrift in theologischen,<br />

sozialen und ethischen Fragen belehrt,<br />

erledigte die Studienaufgaben, die er ihm gab,<br />

und zeigte Jahr für Jahr mehr geistliche Reife.<br />

Der Herr hat in Seiner Gnade Bruder Daniel völlig<br />

verändert; er begann, anderen Flüchtlingen<br />

das Evangelium zu erklären, und nach einigen<br />

Jahren predigte er jeden Sonntag. Seit 2016 ist er<br />

Mitglied der Reformierten Baptistengemeinde<br />

in Reichshof und wurde später auch Mitarbeiter<br />

von Voice of Hope. Im Jahr 2018 heiratete Daniel<br />

Patricia, eine junge Frau aus seiner Heimat Sierra<br />

Leone, und eineinhalb Jahre später kam ihre<br />

Tochter zur Welt. Als der ehemals Geflüchtete<br />

zum ersten Mal in sein Heimatland zurückkehrte<br />

und die Menschen dort sah, überkam ihn großes<br />

Mitleid, weil ihm plötzlich schmerzlich bewusst<br />

wurde, dass dies ein Volk ist, das ohne Gott in der<br />

Finsternis lebt. <strong>Die</strong>ses Bild von seiner Heimat hat<br />

ihn nicht mehr losgelassen. Als er es uns erzählte,<br />

fingen wir mit der ganzen Gemeinde an, intensiv<br />

für das Land Sierra Leone zu beten. Es folgten<br />

mehrere Reisen nach Afrika, bei denen etliche<br />

Gläubige in den Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens unterrichtet<br />

und in den Dörfern und Schulen viele<br />

Schriften und Bibeln verteilt wurden. Inzwischen<br />

durften wir dort eine kleine Kirche errichten lassen,<br />

und auch der Bau einer Schule geht stetig<br />

vorwärts.<br />

UMZUG<br />

NACH SIERRA LEONE<br />

Da alle Versuche, Bruder Daniels Frau und seine<br />

Tochter nach Europa zu holen, scheiterten, regten<br />

wir ihn dazu an, darüber zu beten, ob er nicht zu<br />

ihr ziehen sollte. Nach viel Gebet und innerem<br />

Kampf sprach er bei seinem letzten Aufenthalt in<br />

Sierra Leone im September 2020 mit seiner Frau<br />

darüber. So beschlossen sie gemeinsam, dass er<br />

in seine Heimat, nach Sierra Leone, zurückgeht,<br />

um Gott dort mit seiner Familie zu dienen und als<br />

Missionar seinem Volk die rettende Botschaft zu<br />

verkündigen.<br />

Als Daniel sich auf den Umzug vorbereitete, wusste<br />

er noch nicht, was auf ihn zukommen würde.<br />

Wochenlang wartete er auf wichtige Dokumente;<br />

zudem sorgten die aktuellen Auflagen dafür, dass<br />

die Reise, die er dann erst im Februar antreten<br />

konnte, sich auf 5 Tage erstreckte. Es gab mehr<br />

Wartezeiten als sonst üblich, aber keine Möglichkeiten,<br />

irgendwo zu übernachten. So sammelte<br />

er sein Gepäck um sich herum – alles, was nicht<br />

schon im November 2020 mit dem Container<br />

nach Sierra Leone geschickt worden war –, nutzte<br />

sein wichtigstes Gepäckstück als Kopfkissen und<br />

schlief ein. Als er wieder aufwachte, war ein Teil<br />

seiner Gepäckstücke nicht mehr da. Damit hatte<br />

Bruder Daniel schon gerechnet, nachdem ihm<br />

von der Fluggesellschaft gesagt worden war, dass<br />

seine Weiterreise sich verzögern würde; doch als<br />

Auftakt für einen neuen Lebensabschnitt belastete<br />

es ihn ein wenig. Wer würde da nicht entmutigt<br />

sein?!<br />

Bei seiner Landung in Freetown am 27. Februar<br />

<strong>2021</strong> dankte er dem Herrn, dass Er ihn gnädig bewahrt<br />

hatte, und freute sich, in wenigen Stunden<br />

seine Frau Patricia und ihre gemeinsame Tochter<br />

in die Arme zu schließen – wie hatte er sie vermisst!<br />

Hatte er doch gehofft, schon zwei Monate<br />

früher bei ihnen sein zu können!<br />

Am Tag darauf – es war ein Sonntag – durfte Bruder<br />

Daniel in der neu erbauten Kirche predigen.<br />

Sie war zwar noch nicht ganz fertig; doch das hinderte<br />

die Dorfbewohner nicht daran, zur Predigt<br />

zu kommen.<br />

voiceofhope.de | 15


HANDWERKLICHE ARBEIT<br />

UND EVANGELIUMSVERKÜNDIGUNG<br />

In der ersten Woche nach seiner Ankunft machte<br />

er sich zusammen mit den Männern aus dem<br />

Dorf gleich daran, die Bauarbeiten an der Kirche<br />

fortzusetzen. Sie strichen das Gebäude, entfernten<br />

Palmenstümpfe und reinigten das gesamte<br />

Gelände.<br />

Außerdem versammelte er jeden Tag Kinder in<br />

der neuen Schule, sang mit ihnen und brachte ihnen<br />

biblische Lektionen bei. Wenn Sie die Kinder<br />

sehen könnten, würden Sie wohl mit den Tränen<br />

kämpfen … <strong>Die</strong> Kinder im Dorf kommen aus sehr<br />

armen Familien, sind meist nur leicht bekleidet;<br />

die Kleidungsstücke, die sie tragen, sind in der<br />

Regel zerschlissen. Doch das Schlimmste sind die<br />

Umstände, in denen die Kinder aufwachsen. Ihre<br />

Umgebung ist eine Allegorie dafür, was Sünde aus<br />

uns Menschen macht. Sie sind schmutzig, und es<br />

bekümmert sie nicht, weil es überall um sie her<br />

schmutzig ist und selbst in den Häusern kaum<br />

Ordnung herrscht. Wenn wir diese Bilder sehen,<br />

müssen wir unvermittelt an Jesu Gleichnis vom<br />

verlorenen Sohn denken, der sich wegen seines<br />

Sündenlebens im erbarmungswürdigsten Zustand<br />

befand, den man sich nur vorstellen kann.<br />

Doch der Vater hatte Erbarmen mit ihm – Gott der<br />

Vater hat Erbarmen mit Sündern! Wird Er vielleicht<br />

einige oder gar alle diese Kinder erretten?<br />

Wird Er sich über sie erbarmen? Wir wissen es<br />

nicht, und gerade <strong>des</strong>halb wollen wir alles daran<br />

setzen, dass diese Kleinen das Evangelium von<br />

Jesus Christus hören – dass sie erkennen, dass sie<br />

verloren sind und Errettung brauchen.<br />

Gerade Bruder Daniel kann, wie einst der Apostel<br />

Paulus, oftmals sagen, »dass ich große Traurigkeit<br />

und unablässigen Schmerz in meinem Herzen habe«<br />

(Röm. 9,2). Paulus dachte dabei an die Angehörigen<br />

seines Volkes, an seine Brüder nach dem Fleisch,<br />

mit denen er verbunden war. Ihretwegen war er in<br />

ständiger innerer Not, weil sie nicht an Christus<br />

glaubten.<br />

Hin und wieder motiviert Daniel die Kinder<br />

mit kleinen Geschenken und Getränken, zur<br />

Schule zu kommen, um aus Gottes Wort zu lernen;<br />

er ist besonders um die Kinder von muslimischen<br />

Eltern besorgt.<br />

Am Sonntag gibt es nach dem Gottesdienst eine<br />

Bibelstunde für diejenigen, die noch mehr vom<br />

Evangelium lernen wollen.<br />

16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


KÄMPFE UND PRÜFUNGEN<br />

Eine Woche nach Daniels Ankunft wurde er von<br />

den Verwandten seiner Frau heftig angefahren,<br />

weil er nicht in Europa geblieben ist und sie nicht<br />

alle miteinander versorgen kann. Es ging so weit,<br />

dass sie ihn unter falschen Beschuldigungen verhaften<br />

ließen. Doch Gott hat in Seiner Gnade dafür<br />

gesorgt, dass er nach einigen Tagen wieder<br />

freikam.<br />

Nur 3 Wochen nach seiner Ankunft bekam er<br />

Fieberanfälle – er wusste sofort, was es war: Malaria.<br />

Daniel hatte 6 Tage lang hohes Fieber und war<br />

sehr geschwächt, als es sich endlich wieder legte.<br />

Er ließ es sich aber nicht nehmen, am folgenden<br />

Sonntag wieder zu predigen.<br />

Kurz darauf wurde das Auto gestohlen. Zwischen<br />

den Dörfern liegen durchschnittlich etwa<br />

4 Meilen, und mit dem ganzen Gepäck würden<br />

sie nur wenige Menschen zu Fuß erreichen können.<br />

Nach drei Tagen fand die Polizei das Auto. Es<br />

war demoliert und musste erst wieder repariert<br />

werden.<br />

Das waren nur einige der Schwierigkeiten, die<br />

er in den ersten Wochen durchlebte. Für manchen<br />

wären diese Herausforderungen sicher Grund genug,<br />

zurückzufahren und sich in die Komfortzone<br />

zu begeben, oder sich zumin<strong>des</strong>t zurückzuziehen<br />

und sich von den Liebsten bedienen zu lassen.<br />

Doch Gott hatte Daniels Herz ergriffen und ihm<br />

diesen <strong>Die</strong>nst aufs Herz gelegt, so dass er nicht<br />

anders konnte, als das Wort weiterhin zu verkündigen.<br />

All diese Hindernisse können unseren<br />

Bruder auf größere Schwierigkeiten vorbereiten,<br />

die sicher kommen werden, wenn er treu das Wort<br />

Gottes predigt.<br />

Anfang April konnte er wieder täglich in die Stadt<br />

und in die Dörfer gehen, um das Wort Gottes zu<br />

verkündigen; gemeinsam mit einem Helfer verteilte<br />

er Bibeln und Literatur. Er schrieb der Gemeinde:<br />

»Wir brauchen bald mehr Bibeln und Schriften,<br />

um die Einheimischen zu unterrichten; außerdem<br />

ist die Kirche schon überfüllt, es ist kaum noch<br />

Platz! Jeden Sonntag kommen mehr Leute zum<br />

Gottesdienst. Wir danken Gott für diese offenen<br />

Türen. Betet für Erweckung in Sierra Leone, dass<br />

wahrer, rettender Glaube geschenkt wird!«<br />

voiceofhope.de | 17


EIN HELFER UND BRUDER IN DER NOT<br />

Gerade da, wo sich die neuerbaute Kirche und die<br />

Schule befinden, gibt es in der Umgebung sehr<br />

viele Muslime. Das Erstaunliche ist, dass viele von<br />

ihnen am Sonntag zur Predigt kommen, und dass<br />

unter ihnen die Nachfrage nach arabischen Bibeln<br />

wächst. Auch in einigen umliegenden Dörfern<br />

wurden schon arabische Bibeln verteilt. Einmal<br />

kam Bruder Daniel in ein Dorf und traf dort<br />

Francis, einen jungen Mann muslimischer<br />

Herkunft, der sich riesig<br />

freute, als er über Jesus Christus<br />

zu sprechen begann! Das<br />

war ungewöhnlich. Francis<br />

pries Gott, dass er Bruder<br />

Daniel begegnete und von<br />

ihm erfuhr, dass dieser<br />

nach Bagbo gekommen war,<br />

um den Menschen dort das<br />

Evangelium zu verkündigen.<br />

Daniel fragte ihn, woher er Jesus<br />

Christus, den Sohn Gottes, kenne.<br />

Daraufhin erzählte Francis ihm seine Geschichte:<br />

Sein Vater ist Imam und war sehr darauf erpicht,<br />

dass sein geliebter Sohn in seine Fußstapfen treten<br />

möge.<br />

Doch eines Tages traf Francis einen Prediger,<br />

der Jesus Christus liebt und Ihm dient, aber früher<br />

ein Moslem war. Zu jener Zeit hatte Francis<br />

bereits islamische Theologie studiert und strebte<br />

danach, Koran-Lehrer zu werden. Er nahm die Bibel,<br />

die er bekommen hatte, mit nach Hause und<br />

las darin. In Seiner Gnade öffnete Gott Francis’<br />

Herz für das Evangelium. Er hatte viele Gespräche,<br />

viele innere Kämpfe; doch schließlich gelangte<br />

er zu der Überzeugung, dass Jesus Christus der<br />

einzige Retter und Gott ist. Francis dufte Buße<br />

tun, fand Vergebung und tiefen Herzensfrieden.<br />

Darauf folgte jedoch eine schwere Zeit für ihn,<br />

denn sein Vater war zornig, verstieß und verleugnete<br />

ihn – seinen »unehrenhaften« Sohn. <strong>Die</strong>se<br />

18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


Zeit war hart für Francis. Er verließ die Familie,<br />

kam aber nach einiger Zeit wieder zurück in sein<br />

Dorf und sprach mit den Leuten über das Evangelium<br />

von Jesus Christus. Einige hörten ihm zu, andere<br />

verachteten ihn noch mehr; sein Vater verurteilte<br />

ihn für seine »Lügenreden«. Francis Zeugnis<br />

brachte einige Muslime aus seiner Familie zum<br />

Nachdenken; sie wollten mehr über Jesus Christus<br />

erfahren.<br />

Als nun Bruder Daniel kam und dort aus dem<br />

Wort Gottes predigte, sprach Francis die Bitte aus,<br />

bei ihm bleiben und ihn unterstützen zu dürfen.<br />

Er möchte von Bruder Daniel lernen.<br />

WEITERE ARBEITEN<br />

Zurzeit wird sowohl für die Kirche als auch für die<br />

Schule der Sanitärbereich gebaut. Danach beginnen<br />

wir, so Gott will, mit einem systematischen<br />

Bibelunterricht für alle, die regelmäßig zum Gottesdienst<br />

kommen.<br />

Liebe Freunde und Geschwister, liebe Leser,<br />

Gott erlaubt es uns, in Sierra Leone eine Stimme der Hoffnung<br />

zu sein. Bitte beten Sie für die Menschen dort und insbesondere<br />

für Daniel, seine Frau Patricia und ihre gemeinsame Tochter!<br />

Daniels Verantwortung ist groß und die Aufgabe schwer.<br />

In Gottes Wort werden wir dazu angehalten, besonders<br />

für solche Brüder im Gebet zu kämpfen, die Prediger, Lehrer<br />

der Gemeinde Christi und Evangelisten sind.<br />

voiceofhope.de | 19


D. Martyn Lloyd-Jones<br />

DIE<br />

LEITUNG<br />

DER<br />

GEMEINDE<br />

– unterschiedliche<br />

Konzepte<br />

Welche<br />

Gemein<strong>des</strong>truktur<br />

entspricht<br />

der Bibel?<br />

Warum lehnt<br />

eine autonome<br />

örtliche Gemeinde<br />

einen Gemeinde-<br />

verband ab?<br />

20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


Wenn wir über die Leitung der Gemeinde<br />

oder über Gemeinde- und<br />

Kirchenverbände bzw. Denominationen<br />

sprechen, dann entdecken wir, dass dies ein<br />

höchst umstrittenes und kontroverses Thema ist.<br />

Es ist interessant zu beobachten, dass das Neue<br />

Testament sich nicht sehr konkret über eine Denomination<br />

äußert. Es gibt uns keine detaillierten<br />

Anweisungen, wie es dies bezüglich vieler anderer<br />

Lehren sehr wohl tut. Zweifellos lag das daran,<br />

dass das Neue Testament geschrieben wurde,<br />

als die meisten der Apostel noch am Leben waren<br />

– und sie und die Propheten vermochten die<br />

Gemeinde zu belehren und zu lenken. Wenn wir<br />

jene Teile <strong>des</strong> Neuen Testaments lesen, die zuletzt<br />

geschrieben wurden – wie zum Beispiel die Pastoralbriefe<br />

–, so finden wir darin eine deutliche Zunahme<br />

an Belehrungen über die Gemeindeleitung<br />

und Gemein<strong>des</strong>truktur, was natürlich genau dem<br />

entspricht, was man auch erwarten würde. Selbst<br />

schon in der Apostelgeschichte sehen wir, wie die<br />

Apostel Älteste einsetzten und ihnen Anweisungen<br />

darüber erteilten, wie das Gemeindeleben<br />

geordnet sein sollte. Obwohl wir also nur wenig<br />

spezielle Belehrungen darüber finden, haben wir<br />

deutliche Anzeichen dafür, dass eine Ordnung im<br />

Zusammenhang mit der Gemeindeleitung immer<br />

notwendiger wurde.<br />

Was die Verwirrung für uns in unserer Zeit und<br />

Generation verursacht, ist die Tatsache, dass nach<br />

der Zeit der Apostel und Propheten und nach der<br />

Zeit ihrer direkten Belehrung innerhalb der Heiligen<br />

Schrift die Gemeinde bzw. Kirche selbst begann,<br />

Dinge zu tun und hinzuzufügen, die nicht immer<br />

in der Bibel wiedergefunden werden können,<br />

und dass sie damit eine Tradition schuf, die oftmals<br />

sogar im klaren Widerspruch zur Schrift stand.<br />

Welches sind nun die Hauptideen hinsichtlich<br />

der Gemeindeleitung, die sich über die Jahrhunderte<br />

in der Kirche gehalten haben?<br />

VERSCHIEDENE AUFFASSUNGEN<br />

ÜBER DIE LEITUNG DER GEMEINDE<br />

1. GEMEINDE<br />

OHNE JEGLICHE LEITUNG<br />

Als Erstes hat es solche Menschen gegeben, die gar<br />

keine Gemeindeleitung zu brauchen meinten, und<br />

es gibt auch heute Christen, die immer noch Vertreter<br />

dieser Auffassung sind. Sie sagen, dass keine<br />

Notwendigkeit für eine Gemeindeleitung als solche<br />

bestehe, weil alle Glieder der Gemeinde, wenn<br />

sie zusammenkämen, dem Geist gehorsam seien.<br />

Ich möchte nun ganz offen zugeben, dass vieles<br />

für diese Auffassung spricht. Leider beschloss die<br />

christliche Kirche, als das Römische Reich christianisiert<br />

wurde, sich »Christenheit« zu nennen<br />

und dabei viele Gedanken und Ideen vom Römischen<br />

Reich zu übernehmen – einschließlich seines<br />

Regierungssystems. Und ich kann für mich<br />

selbst – das möchte ich ganz deutlich und klar<br />

zugeben – keine Art Gemeinde im Sinn der heutigen<br />

römisch-katholischen Kirche in der Heiligen<br />

Schrift entdecken. Ich stellte diese Frage einmal<br />

einem römisch-katholischen Priester, mit dem ich<br />

über diese Dinge diskutierte. Ich sagte: »Seien Sie<br />

mal ganz ehrlich: Können Sie Ihre Kirche, so wie<br />

sie heute ist, im Neuen Testament wiederfinden?«<br />

Und er gestand, dass er dies nicht könne. Natürlich<br />

fügte er dann hinzu – so wie es viele tun –:<br />

»Allerdings hat es auch danach noch Offenbarungen<br />

gegeben.« Und die römisch-katholische Kirche<br />

setzt ihre Offenbarungen bzw. Tradition der<br />

Heiligen Schrift gleich.<br />

Nun können wir sehr gut verstehen, dass eine<br />

Reaktion gegen diese Vermischung von Kirche<br />

und Staat, gegen die Erhebung von Ämtern und<br />

Hierarchien und gegen die Machtgier aufkam. Es<br />

ist sehr leicht nachvollziehbar, dass Menschen<br />

so heftig dagegen reagiert haben, dass sie sogar<br />

sagten: »Ich glaube, dass gar keine Gemeindeleitung<br />

nötig ist, denn jede Gemeindeleitung ist gefährlich.<br />

Wenn man einen Menschen über andere<br />

erhebt, dann wird er bald etwas zu dem hinzufügen,<br />

was man ihm gegeben hat, und am Ende hat<br />

voiceofhope.de | 21


man eine gewaltige Organisation, die das Leben<br />

und Wirken <strong>des</strong> Geistes unterdrücken wird.« Sie<br />

sagen, dass eine Organisation immer den Geist<br />

töte. <strong>Die</strong> Gemeinde wird so komplex, so engstirnig<br />

und steif, dass der Heilige Geist keine Gelegenheit<br />

zum Wirken mehr erhält. Historisch hatte das zur<br />

Folge, dass immer dann, wenn es eine Erweckung<br />

gab, diese fast unweigerlich zur Gründung einer<br />

neuen Denomination geführt hat, weil das Alte,<br />

die vorherige Gemeinde, das Neue nicht in ihrem<br />

Schoß halten konnte. Es war zu lebendig, ein stören<strong>des</strong><br />

Element; und Menschen, die zuvor an alte<br />

kirchliche Strukturen gebunden waren, fanden<br />

sich ausnahmslos außerhalb derselben wieder.<br />

Man kann also einige Argumente für diese Weigerung,<br />

eine Gemeindeleitung anzunehmen, ins<br />

Feld führen. Dennoch frage ich mich, ob man bei<br />

dieser Auffassung wirklich von allem Kenntnis<br />

genommen hat, was in der Heiligen Schrift gelehrt<br />

wird – ob nun dort auf bestimmte Ämter hingewiesen<br />

wird oder auf Funktionen, die diesen Ämtern<br />

zugeschrieben werden.<br />

Vielleicht besteht das letzte schlagkräftige Argument<br />

darin, dass es eine Sache ist, dass man gar<br />

keine Führung zu brauchen meint, dass es aber<br />

eine ganz andere Sache ist, eine Gemeinde zu haben,<br />

in der es auch in der Praxis keine Leiter gibt.<br />

Führung ist unvermeidlich, und wenn man sie<br />

nicht offiziell ernennt, wird sich irgendjemand der<br />

Sache annehmen und dafür sorgen, dass es selbsternannte<br />

Leiter gibt. Wenn wir also schon eine Gemeindeleitung<br />

haben müssen, dann sollten wir sie<br />

auf die Lehre der Heiligen Schrift gründen.<br />

2. GEMEINDE UNTER DER<br />

LEITUNG DES STAATES<br />

<strong>Die</strong> nächste Theorie im Hinblick auf die Gemeindeleitung<br />

wird von solchen aufgestellt, die an der<br />

erastianischen Auffassung festhalten, die, wie<br />

wir bereits gesehen haben, bedeutet, dass die Kirche<br />

ein Funktionszweig <strong>des</strong> Staates sei und dass<br />

<strong>des</strong>halb der Staat die Kirche regiere. Der Staat ernennt<br />

die Amtsträger der Kirche, insbesondere die<br />

hohen Würdenträger, die dann wiederum andere<br />

einsetzen. Dem örtlichen Prediger ist überhaupt<br />

keine Machtbefugnis gegeben. Das gewöhnliche<br />

Gemeindemitglied hat nur ein sehr geringes Mitspracherecht.<br />

Schließlich wird auch die Gemeindezucht<br />

vom Staat ausgeübt, und die Gemeinde<br />

hat nicht einmal die Befugnis, einen Ausschluss<br />

vorzunehmen. Der erastianische Gedanke findet<br />

sich in der ehemaligen Auffassung der evangelisch-lutherischen<br />

Kirche wieder.<br />

3. GEMEINDE UNTER DER<br />

LEITUNG VON BISCHÖFEN<br />

<strong>Die</strong> nächste Auffassung ist das episkopale System<br />

– die Meinung, eine bischöfliche Gemeindeleitung<br />

nötig zu haben. <strong>Die</strong> Verfechter dieser Auffassung<br />

lehren, dass Christus Selbst die Sorge für die Gemeinde<br />

gewissen Männern anvertraut habe, einer<br />

»Abordnung« oder dem »Bischofsgremium«,<br />

<strong>des</strong>sen Mitglieder Nachfolger der Apostel in einer<br />

direkten geistlichen Amtsfolge seien. Es handelt<br />

sich dabei um die Lehre, dass Christus die Apostel<br />

angewiesen habe, dass sie ihre Ämter und deren<br />

Aufstellung durch die Ernennung von Bischöfen<br />

fortsetzen sollten, und dass die Gemeindeleitung<br />

ausschließlich auf Bischöfe beschränkt bleiben<br />

müsse. <strong>Die</strong>s wird von allen episkopalen Kirchen<br />

gelehrt. Auch hier haben die Mitglieder in der<br />

Ordnung <strong>des</strong> Gemeindelebens ein wirklich sehr<br />

eingeschränktes Mitspracherecht.<br />

Was sollen wir davon halten? Nun, alles, was<br />

ich dazu anmerken würde, ist, dass im Neuen Testament<br />

überhaupt kein Unterschied zwischen dem<br />

Ältesten und dem Bischof besteht – dass die Begriffe<br />

Bischof, Ältester und Presbyter austauschbar sind. So<br />

sagt beispielsweise der Apostel Paulus, als er an die<br />

Gemeinde in Philippi schreibt: »Paulus und Timotheus,<br />

Knechte Jesu Christi, an alle Heiligen in Christus<br />

Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Diakonen«<br />

(Phil. 1,1). Das Wort »Aufseher« oder »Bischöfe«<br />

steht dort für Presbyter oder Älteste, und man<br />

bemerkt, dass es in der einen Gemeinde in Philippi<br />

nicht nur einen, sondern mehrere »Bischöfe« bzw.<br />

Älteste oder Aufseher gab. Es ist weit von der biblischen<br />

Lehre entfernt, dass ein Aufseher für mehrere<br />

Gemeinden verantwortlich ist; denn im Neuen<br />

Testament gab es viele Älteste in einer Gemeinde.<br />

Sie waren also folglich keine Bischöfe nach unserem<br />

heutigen Verständnis <strong>des</strong> Wortes. Sie waren<br />

»Älteste«, »Aufseher« oder »Presbyter« bzw. Vorsteher<br />

– einfach die älteren Männer, denen diese<br />

Stellung und Aufgabe anvertraut war.<br />

22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


Wiederum scheint es mir – und ich bin glücklich,<br />

sagen zu dürfen, dass ich hierin mit vielen treuen<br />

Brüdern auf einer Linie bin –, dass es keinen neutestamentlichen<br />

Beleg für die episkopale Sichtweise<br />

der Gemeindeleitung (z. B. örtliche Kirchensitzungen,<br />

regionale Presbyterien, größere Synoden,<br />

Generalversammlungen) gibt. Tatsächlich war dies<br />

eine Idee, die erst mehrere Jahrhunderte nach dem<br />

ersten Jahrhundert Eingang fand und die von einem<br />

Mann namens Cyprian von Karthago in Umlauf<br />

gesetzt wurde. Wiederum können wir leicht<br />

erkennen, wie diese Kirchenstruktur aufkam. In<br />

der Kirche entstanden Probleme, Schwierigkeiten<br />

traten zutage, und man empfand die Notwendigkeit<br />

einer Kirchenzucht, eines Gremiums, welches<br />

über strittige Fragen entscheiden sollte. Und wenn<br />

man einmal auf diesem Kurs startet, befindet man<br />

sich schon auf dem Weg zur bischöflichen Verfassung.<br />

Oft hat man von denjenigen unter uns, die<br />

nicht für ein »Bischofsgremium« sind, gesagt, dass<br />

wir sehr wohl Vorsteher schätzen würden, allerdings<br />

örtliche Vorsteher! Vielleicht könnte in diesem<br />

Vorwurf ein wenig Wahrheit liegen. In dem<br />

Augenblick, wo wir Gemeindezucht auszuüben<br />

beginnen, benötigen wir einen gewissen Maßstab,<br />

eine gewisse Befugnis und Abordnung, sodass Gemeindezucht<br />

umgesetzt werden kann. Und nur<br />

aufgrund dieses Erfordernisses wurde die episkopale<br />

Idee überhaupt ins Leben gerufen. Seither<br />

aber hat sich auch die römisch-katholische Kirche<br />

große Mühe gegeben, die bischöfliche Verfassung<br />

direkt auf den Apostel Petrus zurückzuführen.<br />

4. DIE KIRCHE UNTER DER<br />

LEITUNG DES PAPSTES<br />

Das führt mich dann weiter zur römisch-katholischen<br />

Auffassung, die im Grunde genommen die<br />

logische Weiterentwicklung der episkopalen Sicht<br />

ist. Wir wollen Folgen<strong>des</strong> darüber sagen: <strong>Die</strong>se Ansicht<br />

ist von daher gesehen absolut logisch und konsequent.<br />

Wenn man wirklich für die bischöfliche<br />

Verfassung der Kirche plädiert, dann ist die logische<br />

Folgerung, dass ein Episkopat, also ein Bistum 1 ,<br />

über allen anderen steht, <strong>des</strong>sen Amtsinhaber endgültige<br />

Autorität hat. Wenn er ex cathedra spricht,<br />

gilt er als unfehlbar, und je<strong>des</strong> seiner Worte ist ganz<br />

gewiss von Gott. Das ist der Anspruch, den die Katholiken<br />

erheben. Sie behaupten, dass der Papst<br />

nicht nur der Oberste Bischof, sondern auch der<br />

direkte Nachfolger <strong>des</strong> Apostels Petrus und folglich<br />

auch der »Stellvertreter Christi auf Erden« sei.<br />

Wir wollen uns jetzt nicht in die Argumente<br />

gegen all diese Behauptungen vertiefen – es gibt<br />

zahlreiche Bücher, die Ihnen eine ausführliche<br />

Antwort bieten können. <strong>Die</strong> wesentliche Antwort<br />

liegt jedoch darin, dass die Lehre der römisch-katholischen<br />

Kirche historisch gesehen völlig unbegründet<br />

ist. Ich stelle hiermit nicht einfach eine<br />

leere Behauptung auf; dies ist etwas, was bewiesen<br />

werden kann.<br />

5. GEMEINDE UNTER DER<br />

LEITUNG EINER PRESBYTERIA-<br />

NISCHEN DENOMINATION<br />

<strong>Die</strong> nächste Form der Gemeindeleitung ist die<br />

presbyterianische Auffassung. <strong>Die</strong> Presbyterianer<br />

gingen von der Annahme aus, dass die örtliche<br />

Gemeinde in sich selbst eine Einheit ist, dass<br />

Gemeinden aber aus formellen Gründen, um der<br />

Ordnung willen und zur Vermeidung von Chaos<br />

gut daran tun, einen Gemeindeverband zu bilden,<br />

welcher von allen anerkannt wird und nach dem<br />

sie sich alle richten wollen. Einige Gemeinden<br />

kamen also zusammen und bildeten eine presbyterianische<br />

Denomination. Wenn ich »einige<br />

Gemeinden« sage, dann meine ich damit nicht,<br />

dass die ganze Gemeinschaft der Gemeinden zusammenkam,<br />

sondern dass jede Ortsgemeinde in<br />

einem festgelegten Gebiet Abgeordnete – einen<br />

Prediger und einen Ältesten – entsandte und diese<br />

dann alle zusammenkamen und ein Presbyterium<br />

bildeten. Dann kamen sie verbindlich darin überein,<br />

dass jede Ortsgemeinde zu den Entscheidungen<br />

<strong>des</strong> Presbyteriums stehen solle. Danach gingen<br />

sie einen Schritt weiter und ließen einige der<br />

Ältesten aus dem Presbyterium in einer Hauptversammlung<br />

(oder Synode) zusammenkommen.<br />

Aus jedem Presbyterium kamen also Älteste, die<br />

dann die Hauptversammlung bzw. Synode bildeten,<br />

und die Ältesten einigten sich darauf, sich an<br />

die Beschlüsse der Synode zu halten. Das ist nun<br />

der Kern <strong>des</strong> presbyterianischen Systems, worauf<br />

die Kirchenstruktur in der presbyterianischen<br />

Kirche seit der Zeit von John Knox und der reformierten<br />

Denomination beruhte.<br />

1 Amtsbereich eines katholischen Bischofs<br />

voiceofhope.de | 23


6. EINE UNABHÄNGIGE<br />

ORTSGEMEINDE<br />

Und dann gibt es schließlich noch die Sichtweise<br />

der Gemeindeleitung, die wir die kongregationalistische<br />

oder independente (unabhängige) Sicht<br />

nennen. Es ist ziemlich schwierig, dieses Thema<br />

zu behandeln, weil nicht ein einziger Aspekt der<br />

Beschreibung, die ich liefern werde, in völliger<br />

Übereinstimmung mit dem steht, was heute tatsächlich<br />

praktiziert wird. Heutzutage gibt es nur<br />

sehr wenige unabhängige Gemeinden mit diesen<br />

Eigenschaften. <strong>Die</strong> unabhängigen Gemeinden<br />

sind der Auffassung, dass jede Ortsgemeinde eine<br />

Einheit in sich selbst sei, dass sie die höchste Befugnis<br />

habe, alles selbst zu entscheiden. Es handelt<br />

sich um eine Versammlung von Christen, die<br />

glauben, dass der Herr gegenwärtig und das Haupt<br />

der Gemeinde ist, und dass Er, wenn sie auf Ihn<br />

schauen und auf Ihn warten, sie durch den Geist<br />

leiten und ihnen die Weisheit geben werde, die sie<br />

benötigen, um über Lehr- und Zuchtfragen usw.<br />

zu entscheiden. <strong>Die</strong> Ortsgemeinde ist autonom,<br />

sie regiert sich selbst, und sie muss nicht auf ein<br />

höheres Gremium, sei es ein Bischofskollegium,<br />

Presbyterium, eine Synode, einen Kirchenverband,<br />

eine Vereinigung, Bruderschaft oder Ähnliches,<br />

achten.<br />

Ich frage aber: Wie viele von solchen Gemeinden<br />

gibt es heute noch? Ursprünglich traf die<br />

Beschreibung auf die sogenannten Kongregationalisten<br />

und auf die Baptisten zu; denn die<br />

Baptisten vertraten die kongregationalistische<br />

Gemeindeordnung, nämlich Unabhängigkeit<br />

von einem Gemeindeverband bzw. einer Denomination.<br />

Heutzutage haben jedoch gemeinhin<br />

sowohl die Kongregationalisten als auch die meisten<br />

Baptisten den presbyterianischen Gedanken<br />

übernommen, was sich zum Beispiel an ihren Unterstützungsfonds<br />

und an ihrer finanziellen Kontrolle<br />

über die einzelnen Ortsgemeinden zeigt. Sie<br />

sind somit keine unabhängigen Gemeinden mehr,<br />

sondern Presbyterianer geworden, bei denen ein<br />

höhergestelltes Gremium die Befugnis hat, die<br />

Ortsgemeinden zu beeinflussen und sich in ihre<br />

Belange einzumischen.<br />

BIBLISCHE LEITUNG<br />

EINER GEMEINDE<br />

Nun, damit haben wir also die unterschiedlichen<br />

Auffassungen über die Leitung der Gemeinde und<br />

Strukturen kennengelernt. Ich zweifle nicht daran,<br />

dass viele an dieser Stelle geneigt sind, mir<br />

eine Frage zu stellen: Ziehen Sie eine Gemein<strong>des</strong>truktur<br />

einer anderen vor? Nun, ich fürchte mich<br />

nicht vor dieser herausfordernden Frage! Wenn<br />

ein Mann sich von Gott zum Lehren berufen weiß,<br />

dann ist es seine Aufgabe, zu versuchen, Anleitungen<br />

zu geben. Ich möchte nicht zu dogmatisch<br />

sein; aber ich meine: Wenn man im Licht der Lehre<br />

<strong>des</strong> Neuen Testaments über diese Dinge nachdenkt<br />

und das vergisst, was sich in der Kirchengeschichte<br />

zugetragen hat, kommt man sicherlich zu<br />

der Schlussfolgerung, dass das Konzept einer unabhängigen<br />

Ortsgemeinde am ehesten der Bibel<br />

entspricht. Ja, die Ortsgemeinden versammelten<br />

sich auch schon in der Zeit <strong>des</strong> Neuen Testaments,<br />

um Gemeinschaft zu pflegen, und sicherlich müssen<br />

auch wir das tun.<br />

Alle unter uns, die wir Christen sind, sehnen<br />

sich nach Gemeinschaft mit Christen in anderen<br />

Gemeinden. Wir halten an denselben Glaubensüberzeugungen<br />

fest, wir beten denselben Herrn<br />

an, und es ist wirklich gut, wenn wir uns z. B. auf<br />

Konferenzen treffen können. Aber so, wie ich die<br />

Lehre der Heiligen Schrift aus der Zeit <strong>des</strong> Neuen<br />

Testaments verstehe, besaß kein Konzil eine<br />

bindende Autorität. Nehmen wir zum Beispiel<br />

das Apostelkonzil, das in Jerusalem tagte, was in<br />

Apostelgeschichte 15 beschrieben wird. Es hatte<br />

keine Befugnis, für die Ortsgemeinden Gesetze<br />

zu erlassen; es sprach einfach nur Empfehlungen<br />

aus. Es heißt dort einfach: »Es hat nämlich dem<br />

Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last<br />

aufzuerlegen, außer diesen notwendigen Dingen« (Apg.<br />

15,28). Das Konzil konnte die Ortsgemeinden<br />

nicht zwingen; es konnte keinen Zwang ausüben.<br />

Es sagte nur: »<strong>Die</strong>s ist unser Verständnis; dies ist<br />

unser Ratschlag.« Und die Ortsgemeinden konn-<br />

24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


ten es entweder annehmen oder ablehnen.<br />

Wenn natürlich eine Ortsgemeinde mit anderen<br />

Gemeinden überhaupt nicht auf eine Linie<br />

kam, dann wären bei ihrem nächsten Gemeinschaftstreffen<br />

andere Christen wahrscheinlich<br />

bevollmächtigt worden, vorschlagen zu dürfen,<br />

dass eine solche Gemeinde kein Recht haben<br />

dürfe, in die Gemeinschaft aufgenommen zu<br />

werden. Wenn sie nicht mehr in Eintracht miteinander<br />

waren, dann bestand keine Gemeinschaft<br />

mehr. Aber es gab in der Zeit <strong>des</strong> Neuen Testaments<br />

keine gesetzgebende, keine zwingende<br />

Gewalt. Und <strong>des</strong>halb schlage ich die Auffassung<br />

von der unabhängigen Ortsgemeinde vor; sie<br />

scheint mir dem neutestamentlichen Muster am<br />

nächsten zu kommen. Jede örtliche Gemeinde<br />

sollte autonom und unabhängig, aber auch immer<br />

bereit sein, sich in Gemeinschaft mit solchen<br />

zu versammeln, die ihr gleichgesinnt sind<br />

und sich an die gleichen biblischen Grundsätze<br />

halten.<br />

Wenn Sie die Auffassung von unabhängigen<br />

Ortsgemeinden nicht akzeptieren und irgendeine<br />

der anderen Gemein<strong>des</strong>trukturen für sich annehmen,<br />

dann werden Sie sich eventuell als ein<br />

Mitglied in einer Denomination wiederfinden, in<br />

der die bestimmenden Kräfte in ihrer Lehre oder<br />

in ihrer Praxis nicht mit Ihnen übereinstimmen –<br />

und doch wird von Ihnen erwartet, dass Sie eine<br />

Lehre unterstützen, von der Sie glauben, dass sie<br />

falsch und gefährlich ist –, einfach weil Sie einer<br />

solchen Denomination und deren Strukturen angehören.<br />

Das ist in der Geschichte immer wieder<br />

geschehen, und in dieser Position befinden sich<br />

heutzutage viele Christen wieder. Sie gehören Gemeinden<br />

bzw. Denominationen an, mit denen sie<br />

in der Hauptsache nicht nur nicht übereinstimmen<br />

können, sondern auch nicht damit sympathisieren,<br />

und doch sind sie solchen Kräften oder<br />

Systemen unterworfen. So kann es sein, dass ein<br />

Christ sich in einer Gemeinde befindet, die Älteste<br />

und deren <strong>Die</strong>nste unterstützt, von denen er<br />

mit Recht glaubt, dass sie eine Verleugnung <strong>des</strong><br />

Glaubens darstellen.<br />

Darum wiederhole ich, dass es mir scheint,<br />

dass im Lichte der neutestamentlichen Lehre und<br />

sicherlich auch im Lichte der Erfahrung durch die<br />

Jahrhunderte eine unabhängige Ortsgemeinde<br />

das Ideal ist. Dort kommen Menschen zusammen,<br />

die miteinander übereinstimmen. Aber diese<br />

Gemeinschaft mit anderen Christen, mit denen<br />

sie in gleicher Weise übereinstimmen, hat nichts<br />

Binden<strong>des</strong>. Es existiert kein Recht, irgendetwas<br />

einzelnen Gemeinden aufzuerlegen oder das Gewissen<br />

zu binden. <strong>Die</strong>se Gemeinschaft gleichgesinnter<br />

Gläubiger, die zusammenkommen, um<br />

sich selbst und ihr geistliches Leben zu fördern,<br />

die einander helfen, so gut sie können – aber ohne<br />

Zwang und freiwillig –, ist das Ideal. Keiner einzelnen<br />

Gemeinde wird abgenötigt, Dinge zu tun,<br />

die ihren Überzeugungen widerstreben und sogar<br />

gegen ihr Gewissen streiten.<br />

Ich hoffe, dass niemand meint, dass dies kein<br />

geistliches Thema gewesen sei. <strong>Die</strong>se Dinge sind<br />

meines Erachtens von lebenswichtiger Bedeutung,<br />

und wenn Sie sagen: »Das Thema Gemeindeleitung<br />

hat nichts mit mir zu tun; ich bin ein<br />

geistlich gesinnter Mensch«, dann kann ich Ihnen<br />

nur deutlich sagen, dass Sie ein sehr unbiblischer<br />

Mensch sind. Als ein Glied am Leibe Christi ist es<br />

Ihre Aufgabe, ja Ihre Pflicht, darauf zu achten,<br />

dass die sichtbare Gemeinde keinesfalls der Lehre<br />

<strong>des</strong> Herrn widerspricht, der uns zu Hütern und<br />

Wächtern eingesetzt hat.<br />

Ein Auszug aus dem Buch »Gott und seine Gemeinde«, 3L-Verlag.<br />

D. Martyn Lloyd-Jones<br />

GOTT UND SEINE GEMEINDE<br />

Studienreihe über biblische Lehren (Band 4)<br />

Der Mangel an Kenntnis über die lebenswichtigen Wahrheiten<br />

<strong>des</strong> christlichen Glaubens ist heutzutage größer als je zuvor.<br />

In diesem vierten Band spricht D.M. Lloyd-Jones unkompliziert und klar über die Themen: <strong>Die</strong><br />

Gemeinde im Neuen Testament, Taufe, Abendmahl, Wiederkunft Christi, voiceofhope.de der Antichrist, | 25 Daniel<br />

9,24-27, die Offenbarung <strong>des</strong> Johannes, die Auferstehung <strong>des</strong> Leibes und der ewige Zustand.<br />

14,50 € | Bestell-Nr. 863.803 | 336 Seiten | Bestellen unter: www.voh-shop.de | 02265 99749-22


DIE GEMEINDE<br />

JESU IN DER<br />

ZERREIẞPROBE<br />

26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />

Niko Derksen, Peter Schild 1 ,<br />

Tobias Riemenschneider 1


»Lasst uns festhalten am Bekenntnis der<br />

Hoffnung, ohne zu wanken — denn Er ist treu,<br />

der die Verheißung gegeben hat —, und<br />

lasst uns aufeinander achtgeben, damit wir uns<br />

gegenseitig anspornen zur Liebe und<br />

zu guten Werken, indem wir unsere eigene<br />

Versammlung nicht verlassen …«<br />

Hebräer 10,23-25<br />

Besorgt beobachten wir, dass Brüder, die einst mit Mut und Entschlossenheit<br />

die Wahrheit verteidigten, immer kompromissbereiter<br />

werden. <strong>Die</strong>se Kompromissbereitschaft tritt besonders deutlich<br />

zutage, wenn die Gemeinde Jesu in die Zerreißprobe gestellt wird und der<br />

Staat in die Ausübung <strong>des</strong> Gottesdienstes und in die Verkündigung <strong>des</strong> Wortes<br />

eingreift, wie es in der Kirchengeschichte immer wieder der Fall war.<br />

Der Staat und die Gemeinde sind zwei getrennte Herrschaftsbereiche<br />

Christi. Er hat dem Staat Autorität verliehen und festgelegt, wie weit dieser<br />

Herrschaftsbereich reicht, und Er hat die Gemeinde gebaut und ihr Seinen<br />

Willen offenbart. Sein Wort zu befolgen, ist unsere höchste Pflicht und<br />

Freude.<br />

Sofern der Staat uns nicht etwas gebietet oder verbietet, das in Konflikt<br />

mit der Heiligen Schrift steht, ist es auch die Anordnung Gottes, der Regierung<br />

gegenüber treuen Gehorsam zu leisten. Würde er uns jedoch etwas<br />

gebieten oder verbieten, das in Konflikt mit der Heiligen Schrift steht, so<br />

ist es unsere Pflicht, uns dem zu widersetzen. Darüber hinaus gilt es auch<br />

dem zu wehren, wenn der Staat Seinen Herrschaftsbereich überschreitet<br />

und in den Herrschaftsbereich der Gemeinde eingreift. Wie reagieren wir<br />

aber tatsächlich, wenn er diese gottgegebenen Grenzen missachtet?<br />

»Als Christen sollen wir der Staatsmacht gehorchen, doch als übergeordnetes<br />

Prinzip gilt, dass wir immer Gott gehorchen sollten. Wenn es<br />

einen Konflikt gibt zwischen dem, was die Staatsmacht befiehlt, und<br />

dem, was Gott verlangt, ist es unsere moralische Pflicht, der Staatsmacht<br />

nicht zu gehorchen.« 2 – R.C. Sproul (1939-2017)<br />

Heute sind viele Christen hin- und hergerissen; sie lassen sich orientierungslos<br />

von Nachrichten über die neuesten Geschehnisse berieseln. Es<br />

scheint, als ob nicht mehr die Wahrheit der Schrift – das Wort Gottes – ihr<br />

Denken, Reden und Handeln bestimme, sondern die Situation, in der sie<br />

sich gerade befinden. Gibt es in dem ewig gültigen Wort Gottes Orientierung<br />

und Wegweisung, an der wir unser Leben ausrichten können – unabhängig<br />

davon, was uns begegnet und was in der Welt um uns herum geschieht?<br />

»Mache meine Schritte fest durch Dein Wort, und lass nichts Böses über mich herrschen!«<br />

(Ps. 119,133). Das sei stets unser Gebet.<br />

1 Pastoren der Evangelisch-Reformierten Baptistengemeinde Frankfurt<br />

2 Aus: Der Römerbrief – Kommentar & Auslegung von R.C. Sproul<br />

voiceofhope.de | 27


DIE HEILIGE PFLICHT DER GEMEINDE<br />

<strong>Die</strong> heilige Pflicht der Gemeinde Jesu ist es, das<br />

Wort Gottes zu verkündigen – und zwar nicht nur<br />

in der Gemeinde, sondern allen Menschen. Sie<br />

soll hingehen und alle Völker zu Jüngern machen,<br />

sie taufen und sie lehren, alles zu halten, was<br />

Christus uns geboten hat (Mt. 28,19-20). Biblische<br />

Verkündigung beinhaltet aber auch, Unrecht<br />

aufzuzeigen, von Sünde zu überführen und alle<br />

Menschen, auch die Regierenden, zur Umkehr<br />

von ihren bösen Werken und zum Gehorsam gegenüber<br />

Gottes Geboten aufzurufen (Apg. 17,30).<br />

Als Christen dürfen wir keine Gemeinschaft mit<br />

den unfruchtbaren Werken der Finsternis haben,<br />

sondern müssen sie vielmehr aufdecken (Eph.<br />

5,11). <strong>Die</strong> Waffe für diesen Kampf gegen Finsternis<br />

und Bosheit – das Wort Gottes (Eph. 6,17) – hat<br />

der HERR Seiner Gemeinde nicht umsonst verliehen.<br />

Von jeher haben diejenigen, die das Wort Gottes<br />

verkündigten, diese heilige Pflicht erfüllt: Der<br />

Prophet Nathan konfrontierte den König David<br />

mit seiner Sünde, wegen seines Ehebruchs mit<br />

Bathseba und <strong>des</strong> Mor<strong>des</strong> an Uria; der Prophet<br />

Elia konfrontierte König Ahab mit seinem Götzendienst<br />

und mit der Konfiszierung <strong>des</strong> Weinbergs<br />

von Nabot, und der Prophet Johannes der<br />

Täufer konfrontierte König Hero<strong>des</strong> nicht nur<br />

mit seiner gesetzwidrigen Ehe, sondern mit allem<br />

Bösen, das er getan hatte, um nur einige Beispiele<br />

zu nennen. Dem Propheten Jesaja gebietet<br />

der HERR: »Rufe aus voller Kehle, schone nicht! Erhebe<br />

deine Stimme wie ein Schopharhorn und verkündige<br />

Meinem Volk seine Übertretungen und dem Haus Jakob<br />

seine Sünde!« (Jes. 58,1). Auch heidnischen Nationen<br />

und Königen verkündigten die Propheten Gericht<br />

wegen ihrer bösen Werke. So forderte Daniel den<br />

König Nebukadnezar auf: »Darum, o König, lass dir<br />

meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durch<br />

Gerechtigkeit und mit deinen Missetaten durch Barmherzigkeit<br />

gegen Elende, wenn dein Wohlergehen dauerhaft<br />

sein soll!« (Dan. 4,24). Der Apostel Paulus predigte<br />

vor dem Statthalter Felix von der Gerechtigkeit,<br />

der Enthaltsamkeit und dem zukünftigen Gericht<br />

(Apg. 24,24-25).<br />

Wenn der Apostel Paulus schreibt, dass der<br />

Staat eine <strong>Die</strong>nerin Gottes ist, die den, der Gutes<br />

tut, loben und den, der Böses tut, strafen soll, um<br />

damit Gottes Zorn auszuführen (Röm. 13,3-6),<br />

dann ist es unerlässlich, auch den Staatsdienern<br />

zu verkündigen, was Gott, ihr Herr, dem sie dienen<br />

sollen, von ihnen erwartet und was in Seinen<br />

Augen gut und zu loben oder böse und zu strafen<br />

ist. Wer sollte aber den Regierenden den Willen<br />

Gottes in Bezug auf ihre Amtsausübung kundtun,<br />

wenn nicht die Gemeinde, der das Wort Gottes anvertraut<br />

ist und die der Pfeiler und die Grundfeste<br />

der Wahrheit ist (1.Tim. 3,15)?! Zudem haben wir<br />

das Gebot, die Regierenden zu ehren. Ist es etwa<br />

Ehrerbietung, wenn wir die Regierenden in ihr<br />

Verderben laufen lassen, ohne sie davor zu warnen,<br />

dass sie sich durch ihre treulose Amtsführung<br />

den Zorn Gottes aufhäufen?<br />

Daher ist es der Gemeinde Jesu nicht nur erlaubt,<br />

sondern es ist ihre heilige Pflicht, das Evangelium<br />

zu predigen, das Unrecht und die Bosheit als<br />

Sünde bloßzustellen, die von Seiten der Regierenden<br />

geschieht, und sie – mit der nötigen Ehrerbietung<br />

– zur Umkehr aufzurufen, wenn sie<br />

ihrer Aufgabe als Gottes <strong>Die</strong>nerin nicht gerecht<br />

werden, sondern sich gegen Gott auflehnen, indem<br />

sie etwa die sogenannte »Ehe für alle« beschließen.<br />

Hierzu darf die Gemeinde unseres<br />

heiligen Herrn nicht schweigen! Heißt es nicht:<br />

Wehret den Anfängen? Letztlich müssen wir uns<br />

die Frage stellen, ob die derzeitigen Umstände<br />

und die überhandnehmende Gesetzlosigkeit in<br />

unserem Land nicht auch <strong>des</strong>halb über uns kommen,<br />

weil die Gemeinden zu lange zu der Gottlosigkeit<br />

und den Gräueln <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> geschwiegen<br />

haben.<br />

EINE IDENTITÄTSKRISE<br />

Der Grund, weshalb viele örtliche Gemeinden<br />

sich dem gegenwärtigen Unrecht nicht widersetzen,<br />

liegt wohl darin, dass sie es nicht oder jedenfalls<br />

nicht in seinem vollen Ausmaß realisieren.<br />

Wir müssen erkennen, dass die schweren Gewissensnöte<br />

vieler gottesfürchtiger Christen und die<br />

28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


erheblichen Spannungen in den Gemeinden dadurch<br />

entstehen, dass die Forderungen der Regierung<br />

in Konflikt zu Gottes Geboten stehen!<br />

Begrenzte Teilnehmerzahl<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde ist der Leib Christi, und je<strong>des</strong><br />

wiedergeborene Mitglied der Gemeinde ist ein<br />

Glied an diesem Leib. <strong>Die</strong> Versammlung zum<br />

Gottesdienst ist die Versammlung <strong>des</strong> ganzen<br />

Leibes, nicht nur einiger Körperteile. <strong>Die</strong> Schrift<br />

enthält ausdrückliche Gebote diesbezüglich, wie<br />

z. B., die eigene Versammlung nicht zu verlassen<br />

(Hebr. 10,25). Ein Livestream ist keine Versammlung.<br />

Eine Online- oder Telefon-Predigt ist keine<br />

Versammlung. Ebenso, wie der Inhalt der Verkündigung<br />

nicht eingeschränkt werden darf, so<br />

darf auch die Anzahl der möglichen Hörer nicht<br />

eingegrenzt werden. Denken wir doch einmal darüber<br />

nach: Sind Teilnehmerzahlbegrenzungen<br />

nicht eine Lieblosigkeit gegenüber denen, für die<br />

dann kein Platz mehr ist und die daher zu Hause<br />

bleiben müssen? Wie kann der Staat sich anmaßen,<br />

zu bestimmen, wie viele Menschen sich<br />

versammeln dürfen, um Gott, den Schöpfer <strong>des</strong><br />

Himmels und der Erde, anzubeten?! Es ist kaum<br />

abzuschätzen, welche geistlichen Schäden die<br />

Gemeinden erleiden werden, wenn sie sich nicht<br />

mehr als ganze Gemeinde versammeln und auch<br />

nicht mehr gemeinsam das Mahl <strong>des</strong> Herrn feiern,<br />

das doch zur Stärkung <strong>des</strong> ganzen Leibes<br />

Christi dienen soll.<br />

Abstandsgebot<br />

Sind wir nicht auch aufgefordert, einander Bruderliebe<br />

zu erweisen und einander zu grüßen<br />

mit heiligem Kuss (Röm. 16,16; 1.Kor. 16,20; 2.Kor.<br />

13,12; 1.Thess. 5,26; 1.Pt. 5,13)? Selbstverständlich<br />

kann man eine Zeit lang Abstand halten, wenn<br />

man eine ansteckende Krankheit hat, um niemanden<br />

zu gefährden; aber man kann Menschen nicht<br />

per se als eine potentielle Bedrohung betrachten<br />

und sich über Monate und womöglich über Jahre<br />

von ihnen distanzieren. Wenn Brüder das nicht<br />

ernsthaft bedenken, verursacht man einen beträchtlichen<br />

geistlichen und seelischen Schaden<br />

in den Gemeinden. Das Ausmaß <strong>des</strong>sen können<br />

wir nur erahnen; denn wir haben mit denen geweint,<br />

die unter der Einsamkeit und Entfremdung<br />

leiden oder die sogar verzweifeln, weil ihre<br />

Gemeinde sich seit langem nur noch mit Abstand<br />

und Maske versammelt (oder überhaupt nicht<br />

mehr). Verstößt dies nicht gegen das Gebot, einander<br />

zu lieben und sich herzlich übereinander zu<br />

erbarmen?<br />

Gesangsverbot<br />

Das staatliche Verbot <strong>des</strong> Gemeindegesangs verstößt<br />

ebenfalls offensichtlich gegen die Gebote<br />

Gottes, denn die Heilige Schrift ist voller Gebote<br />

zum Singen und Loben unseres Herrn (vgl. nur Ps.<br />

47,7). Das Singen gehört zum unverzichtbaren Bestandteil<br />

der biblischen Anbetung.<br />

Der Gottesdienst, die Verkündigung <strong>des</strong> Wortes,<br />

das Brotbrechen und die persönliche Gemeinschaft<br />

miteinander unter Gebet und Gesang machen<br />

die Identität der Gemeinde Jesu Christi aus.<br />

Als Gemeindehirten fügen wir unseren Herden<br />

massiven Schaden zu, wenn wir auch nur auf eines<br />

dieser Dinge verzichten.<br />

AUS DER GESCHICHTE<br />

Wie in vergangenen Zeiten, so werden auch heute<br />

Christen wegen ihrer Treue zum Herrn bestraft<br />

und sogar inhaftiert. <strong>Die</strong> Christen in Nordkorea<br />

und Afghanistan müssen um Christi willen schwer<br />

leiden; doch es ist bewundernswert, zu beobachten,<br />

wie treu und kompromisslos sie trotz alledem<br />

ihrem Herrn dienen. Es ist erst etwas über dreißig<br />

Jahre her, dass unsere Glaubensgeschwister in der<br />

Sowjetunion Verfolgung erlitten. Viele dieser Geschwister<br />

befinden sich heute noch in unseren Gemeinden.<br />

Warum haben sie gelitten? Warum gingen<br />

sie in die Gefängnisse? War es nicht <strong>des</strong>halb,<br />

weil der Staat ihnen Versammlungsverbot erteilt<br />

hat? Weil viele Christen sich weigerten, die Versammlungen<br />

zu unterlassen, hatte der Staat ihnen<br />

gegenüber gewisse Auflagen gemacht und nur noch<br />

denjenigen erlaubt, sich zu versammeln, die auf die<br />

damit verbundenen Kompromisse eingingen. Viele<br />

Geschwister aus unseren Reihen haben es selbst<br />

miterlebt ... Dem Herrn sei Dank, dass es zu allen<br />

Zeiten treue Christen gab, die Ihm kompromisslos<br />

dienten! Dazu sind auch wir heute aufgerufen.<br />

voiceofhope.de | 29


GEMEINDE UND STAAT<br />

Wenn der Staat erst einmal in den Herrschaftsbereich<br />

der Gemeinde eingedrungen ist – wie wollen<br />

wir wissen, ob er seine Machtbefugnisse nicht<br />

Schritt für Schritt immer weiter ausdehnen und<br />

den Gemeinden immer mehr Vorgaben machen<br />

wird? Wir sind besorgt darüber, wie bereitwillig<br />

Gemeinden ihre Freiheiten aufgeben, für deren<br />

Erkämpfung unsere Brüder und Schwestern in<br />

vergangenen Jahrhunderten gelitten und teilweise<br />

sogar ihr Leben gelassen haben. Es ist gerade<br />

ein Ausdruck von Nächstenliebe und Liebe zu<br />

unseren Kindern und Enkelkindern, dass wir eifersüchtig<br />

über die Freiheiten der Gemeinde Jesu<br />

Christi wachen.<br />

Besonders erstaunt es uns, dass einige Christen<br />

sogar meinen, dem Staat dankbar sein zu müssen,<br />

dass er überhaupt wieder Gottesdienste »erlaubt«.<br />

Eine solche Auffassung offenbart ein grundlegend<br />

falsches Verständnis vom Staat. Es ist nicht<br />

der Staat, der es uns zu erlauben hat und es uns<br />

nun gnädigerweise unter vielen Einschränkungen<br />

gönnt, Gottesdienst zu feiern; sondern dies ist unser<br />

gottgegebenes, unveräußerliches Recht. Der<br />

Staat ist als Gottes <strong>Die</strong>nerin sogar verpflichtet, die<br />

ungestörte Ausübung dieses Rechts zu gewährleisten.<br />

Wir sollten nicht dem Staat danken, dass<br />

er uns Gottesdienste »erlaubt«; sondern der Staat<br />

sollte sich fürchten, in die Anbetung Gottes einzugreifen.<br />

Unser Dank gebührt allein Gott, dass Er<br />

unseren Staat noch zurückhält, sodass dieser die<br />

Gemeinde nicht so verfolgen kann, wie es anderenorts<br />

geschieht.<br />

»<strong>Die</strong> Ausübung <strong>des</strong> wahren Glaubens ist eine göttliche<br />

Pflicht, die den Männern und Frauen, die<br />

nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden, auferlegt<br />

ist (1.Mo. 1,26-27; Apg. 4,18-20; 5,29; vgl. Mt.<br />

22,16-22). Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> Freiheit der<br />

Religionsausübung ist ein Gebot Gottes und kein<br />

vom Staat gewährtes Privileg«, schrieben John<br />

MacArthur und die Ältesten der Grace Community<br />

Church in ihrer Stellungnahme zum Versammlungsverbot<br />

der Kirchen in Kalifornien.<br />

Zuletzt: Wie sollen wir nun mit ängstlichen Geschwistern<br />

umgehen, denen man in dieser Corona-Zeit<br />

ganz besonders entgegenkommen sollte?<br />

Sollte man aus Liebe und Rücksicht auf sie die<br />

Maßnahmen vielleicht doch einhalten?<br />

Selbstverständlich kann ein Christ Angst vor<br />

Krankheit oder Tod haben, und wir sollten den<br />

Herrn, unseren Gott, nicht leichtsinnig versuchen.<br />

Aber wir dürfen nicht in einem Zustand<br />

stetiger Furcht leben und aus Sorge um unser<br />

leibliches Leben das Wohlergehen unserer Seele<br />

vernachlässigen. Wie kommen wir also ängstlichen<br />

Geschwistern in rechter Weise entgegen?<br />

Wie erweisen wir ihnen als unseren Geschwistern<br />

Liebe? Etwa, indem wir sie in ihrer Angst,<br />

die letztlich ein Ausdruck ihres Kleinglaubens<br />

ist, belassen und sie darin sogar bestätigen? Oder<br />

indem wir ihnen helfen, ihre Angst durch die Erkenntnis<br />

der Wahrheit und durch den Glauben zu<br />

überwinden?<br />

Menschen sterben letztlich nicht an einer<br />

Krankheit oder einem Unfall, sondern am Willen<br />

bzw. an der Zulassung Gottes. <strong>Die</strong> Bibel lehrt uns<br />

sogar, dass der HERR von Anfang an bestimmt<br />

hat, an welchem Tag wir sterben werden (Ps.<br />

139,16). Und unser Herr stellt die rhetorische Frage:<br />

»Wer aber von euch kann durch sein Sorgen zu seiner<br />

Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen?« (Mt. 6,27;<br />

Lk. 12,25). Ermahnt unser Herr uns nicht immer<br />

wieder, uns nicht zu fürchten, auch nicht vor dem<br />

Tod? Ist Sterben nicht unser Gewinn, und sollten<br />

wir nicht das Verlangen danach haben, aufzubrechen<br />

und bei Christus zu sein (Phil. 1,21.23)? Hat<br />

Christus uns nicht alle befreit, die wir durch To<strong>des</strong>furcht<br />

das ganze Leben hindurch der Knechtschaft<br />

unterworfen waren (Hebr. 2,15)?<br />

DER AUFRUF ZUR TREUE<br />

Jeder wahrhaft Gläubige sollte sich prüfen, ob<br />

seine theologische Weltsicht allein von der Bibel<br />

her bestimmt ist oder von weltlichem, säkularem<br />

Denken und Pragmatismus her, um nicht<br />

Verfolgung durch den Staat auf sich zu ziehen.<br />

Bedenken Sie, was Paulus schrieb: »Und alle, die<br />

gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden<br />

Verfolgung erleiden« (2.Tim. 3,12). Wenn wir uns dem<br />

30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


Staat stets in allem unterordnen und einen Kompromiss<br />

nach dem anderen eingehen, werden wir<br />

wohl der Verfolgung entgehen, aber unser Zeugnis<br />

für Christus Jesus wird Schaden leiden. Wenn<br />

wir uns nicht mehr versammeln und nicht mehr<br />

in der Lehre unterwiesen werden, wenn wir keine<br />

Gemeinschaft mehr mit den Geschwistern haben,<br />

das Mahl <strong>des</strong> Herrn auslassen, und wenn wir den<br />

Herrn nicht mehr gemeinsam anbeten, dann verlieren<br />

wir unser Zeugnis, weil genau das die Dinge<br />

sind, die Gott Seiner Gemeinde geboten hat.<br />

Schon vor Corona gab es die besorgniserregende<br />

Tendenz, dass immer mehr Christen den Tag <strong>des</strong><br />

Herrn zu einem gewöhnlichen Tag machten. Seit<br />

einem Jahr beobachten wir, dass diese Tendenz<br />

erschreckend gestiegen ist; sie werden keinen Mut<br />

mehr haben, sich gegen das Unrecht in der Welt<br />

zu erheben; ihr geistliches Unterscheidungsvermögen<br />

wird getrübt, und ihr Glaube kann die Welt<br />

nicht mehr verurteilen, wie es zum Beispiel der<br />

Glaube Noahs tat.<br />

An dieser Stelle ermahnen wir insbesondere<br />

diejenigen, die sich in ungebührlicher Weise über<br />

solche Christen erheben, die durch Gottes Wort<br />

und ihr Gewissen davon überführt sind, sich dem<br />

Staat widersetzen zu müssen, und die dafür Verfolgung<br />

leiden.<br />

Wir ermutigen alle Christen, sich nicht einfangen<br />

zu lassen von dem Wahn, welcher die ganze Welt<br />

ergriffen hat und die Menschen in steter To<strong>des</strong>furcht<br />

knechtet, sondern mutig ihre Hoffnung auf<br />

Christus zu setzen, der das Leben ist. Lasst uns ein<br />

Zeugnis sein in dieser dunklen Zeit, indem wir die<br />

Wahrheit lieben und uns gegenseitig in herzlicher<br />

Bruderliebe begegnen! Mögen wir unser ganzes<br />

Denken durch das Wort Gottes reformieren lassen,<br />

damit wir eine biblische Weltsicht erlangen,<br />

indem wir jeden Gedanken gefangen nehmen<br />

zum Gehorsam gegen Christus (2.Kor. 10,5)! »Und<br />

passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch<br />

[in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung<br />

eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und<br />

wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist« (Röm.<br />

12,2). Lasst uns beten für die Geschwister, welche<br />

Bedrängnis oder Verfolgung leiden um <strong>des</strong> Wortes<br />

willen, damit sie ausharren bis ans Ende!<br />

Schließlich fordern wir alle Christen und vor<br />

allem alle Pastoren auf, ihre heilige Pflicht zu erfüllen,<br />

für unsere Regierung zu beten und mutig<br />

gegen das Unrecht und die Sünden der Regierenden<br />

zu predigen! Wir ermahnen die Pastoren und<br />

die Gemeinden, Gott nicht länger die Ehre vorzuenthalten<br />

und die Gewissen der Christen nicht<br />

durch Menschengebote zu beschweren, sondern<br />

Gottesdienste zu feiern, und zwar so, wie Gott es<br />

gebietet: mit der ganzen Gemeinde, in biblisch gebotener<br />

brüderlicher Begegnung und mit freudigem<br />

Lobgesang zur Ehre <strong>des</strong> HERRN!<br />

»Für den Fall, dass sich die Regierungspolitik<br />

immer weiter von biblischen Prinzipien entfernt<br />

und der rechtliche und politische Druck gegen die<br />

Gemeinde Jesu zunimmt, müssen wir erkennen,<br />

dass der Herr diesen Druck möglicherweise als<br />

Mittel zur Läuterung benutzt, um die wahre Gemeinde<br />

zu offenbaren. Sich dem staatlichen Übergriff<br />

zu beugen, könnte dazu führen, dass Kirchen<br />

auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben«, so<br />

John MacArthur und die Ältesten der Grace Community<br />

Church in ihrer oben genannten Stellungnahme.<br />

»Gebt dem Kaiser, was <strong>des</strong> Kaisers ist«, hat uns der<br />

Herr Jesus Christus in Mt. 22,21 geboten, aber<br />

dann fortgesetzt: »und« gebt auch »Gott, was Gottes<br />

ist!« Und wenn der Kaiser uns <strong>des</strong>wegen verfolgt,<br />

weil wir Gott das Ihm Gebührende zu geben suchen,<br />

so wollen wir dies mit Freuden erleiden.<br />

Seid ermutigt, Brüder und Schwestern, unserem<br />

Herrn treu nachzufolgen in diesen letzten Zeiten,<br />

wie Er spricht:<br />

»Fürchte nichts von dem, was du erleiden wirst!<br />

Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen,<br />

damit ihr geprüft werdet, und ihr werdet Drangsal<br />

haben zehn Tage lang. Sei getreu bis in den Tod, so werde<br />

Ich dir die Krone <strong>des</strong> Lebens geben!« (Off. 2,10).


1 6 6 2-1 7 1 4<br />

Matthew<br />

Henry<br />

»Wenn das Familienleben in der Gottesfurcht Frucht<br />

trägt, indem in der Familie immer mehr der Charakter<br />

Christi erkennbar wird, wird es eine Auswirkung haben,<br />

nicht nur auf die Ortsgemeinde, sondern auch auf<br />

unsere Umgebung und sogar auf unser Land.<br />

Das ist es, was wir hoffentlich alle von Herzen<br />

wünschen: dass sich in unserem Land wahres<br />

Christentum und ernsthafte Gottesfurcht in ihrer<br />

<strong>Kraft</strong> durchsetzen und erblühen möge.«<br />

32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


Am 19. Mai 1662 erließ König Charles<br />

II. die Uniformitätsakte, um die Kirche<br />

von England zum obersten Gesetz<br />

im Land zu machen. <strong>Die</strong> Uniformitätsakte<br />

verlangte unter anderem, dass alle Prediger<br />

und Diakone von einem Bischof der anglikanischen<br />

Kirche ordiniert werden sollten, und<br />

dass sie sich alle an die gesamte Gottesdienstordnung<br />

der anglikanischen Kirche halten<br />

sollten.<br />

Philip Henry predigte damals in der anglikanischen<br />

Kirche in Worthenbury. Er liebte<br />

den Herrn und hatte sich der Treue zur Heiligen<br />

Schrift verpflichtet. Er hatte auch erkannt,<br />

dass es für Ortsgemeinden enorm wichtig ist,<br />

unabhängig zu sein und von Ältesten und<br />

nicht von Bischöfen geleitet zu werden. Doch<br />

jetzt war die Kirche das Gesetz, und sie stellte<br />

ihre Ordnung über die Schrift. Was sollten die<br />

vielen Prediger und Gläubigen jetzt tun, die<br />

den Herrn liebten und Ihm in der Weise dienen<br />

wollten, wie Sein Wort es gebietet?<br />

Sie wussten, was es bedeutete, sich diesem<br />

Gesetz zu widersetzen; aber ihren Herrn verleugnen?<br />

– Nein, darauf konnten und wollten<br />

sie sich nicht einlassen! Das war für sie keine<br />

Option.<br />

Als die Uniformitätsakte am 24. August<br />

1662 in <strong>Kraft</strong> trat, wurde Pastor Philip Henry<br />

endgültig aus der anglikanischen Kirche entlassen<br />

und bekam ein Predigtverbot.<br />

Nur wenige Wochen später, am 18. Oktober<br />

1662, wurde Philips und Katharines Sohn<br />

Matthew geboren. Sein Geburtsort Broad Oak<br />

war der Stammsitz der Adelsfamilie seiner<br />

Mutter. Da das Erbe ihrer Familie ihr zufallen<br />

würde, hatten Philip und Katharine trotz seiner<br />

Entlassung keine finanziellen Sorgen – im<br />

Gegensatz zu zahlreichen anderen Predigern,<br />

die nach ihrer Entlassung weder ein Haus<br />

noch Einkommen besaßen.<br />

Philip nahm den Auftrag Gottes als Hausvater<br />

sehr ernst; er führte für alle Familienmitglieder<br />

und Hausangestellten einen<br />

wöchentlichen Bibelunterricht ein und legte<br />

großen Wert darauf, mit seinem ganzen Haus<br />

den Sonntag zu heiligen. Er war ein gewissenhafter<br />

Verwalter <strong>des</strong> Gutes seiner Schwieger-<br />

eltern und wurde ein guter Landwirt; doch<br />

den größten Teil seiner Zeit verbrachte er mit<br />

dem Studieren und Predigen <strong>des</strong> Wortes und<br />

mit dem Unterrichten seiner Kinder – wenn<br />

sie auch noch sehr klein waren. Es war Nonkonformisten<br />

1 strengstens verboten, sich öffentlich<br />

zu versammeln, geschweige denn zu<br />

predigen. Philip Henry drohte die Gefängnisstrafe,<br />

wenn herauskäme, dass er sich dem<br />

widersetzte – doch er blieb dem Herrn und<br />

seiner Berufung treu. Seine Gottesfurcht, die<br />

sich in jedem Lebensbereich zeigte, hinterließ<br />

bei seinem Sohn Matthew einen bleibenden<br />

Eindruck.<br />

Gott wirkte durch Sein Wort an dem Herzen<br />

<strong>des</strong> Jungen. Im Alter von etwa 10 Jahren<br />

begann er, die Wahrheit <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu<br />

verstehen, besonders als er seinen Vater über<br />

Psalm 51,19 predigen hörte: »<strong>Die</strong> Opfer, die Gott<br />

gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes<br />

und zerschlagenes Herz wirst Du, o Gott, nicht<br />

verachten.« Daraufhin begann Matthew, den<br />

Herrn von Herzen zu suchen.<br />

SEINE AUSBILDUNG<br />

Im Jahr 1680 begann Matthew Henry sein<br />

Theologiestudium vorerst bei Dr. Thomas<br />

Doolittle; doch am meisten lernte er von seinem<br />

Vater. Bei ihm konnte er sowohl studieren<br />

als auch <strong>des</strong>sen <strong>Die</strong>nst als Hirte, Prediger und<br />

Lehrer mitverfolgen. Matthew Henry hatte<br />

den Wunsch, sich wie der Vater dem vollzeitigen<br />

<strong>Die</strong>nst an der Gemeinde Christi zu widmen.<br />

Im Jahr 1685 begann Matthew in London<br />

Jura zu studieren; doch nach einem Jahr verließ<br />

er die Anwaltskammer und kehrte zurück<br />

nach Broad Oak.<br />

DER BEGINN DES DIENSTES<br />

In seinem Heimatort ergriff er als junger<br />

Mann jede Gelegenheit zum Predigen. <strong>Die</strong>se<br />

Zeit war eine praktische Übung für den<br />

<strong>Die</strong>nst, den er fernerhin zu tun wünschte. Der<br />

Herr gebrauchte Matthew als Werkzeug, um<br />

den Menschen Gottes Wort mit Vollmacht zu<br />

1 Hier: Christen aus unabhängigen Ortsgemeinden,<br />

die die anglikanische Kirche ablehnen<br />

voiceofhope.de | 33<br />

voiceofhope.de | 33


predigen und Sünder zu erretten. <strong>Die</strong> Nachricht<br />

über Gottes Wirken durch diese Verkündigung<br />

verbreitete sich bald, und so wurde<br />

er öfters eingeladen, vor einer Gruppe von<br />

Christen zu predigen, die nicht mehr zur anglikanischen<br />

Kirche gehörten, sondern sich in<br />

Privathäusern versammelten. Im Januar 1687<br />

bat die Gemeinde in Chester Henry, ihr Pastor<br />

zu werden. Er erkannte es ganz klar als Gottes<br />

gnädige Vorsehung und nahm die Stelle an.<br />

Gleich zu Beginn seines <strong>Die</strong>nstes in der<br />

Gemeinde stellte Matthew Henry klar, dass er<br />

plante, die Bibel der Reihe nach auszulegen.<br />

Am Sonntagmorgen legte er nach und nach<br />

das Alte Testament aus, am Nachmittag das<br />

Neue Testament. Am Samstagabend fand zusätzlich<br />

der Bibelunterricht für Kinder statt.<br />

Über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren predigte<br />

er das Alte Testament durch, und über<br />

einen Zeitraum von schätzungsweise 12 Jahren<br />

das Neue Testament. <strong>Die</strong>se Treue in der<br />

Auslegung lieferte die exegetischen Informationen<br />

für seine Kommentarreihe, für die er<br />

so bekannt ist.<br />

Zwei Monate, nachdem er seinen <strong>Die</strong>nst in<br />

Chester aufgenommen hatte, heiratete Matthew<br />

Katherine. Was er bei seinem Vater gelernt<br />

hatte, wandte er nun mit Gottesfurcht<br />

und Hingabe an den Herrn im eigenen Heim<br />

an. Es war eine glückliche und liebevolle Ehe,<br />

die aber 18 Monate später ein plötzliches Ende<br />

nahm, als Katherine kurz nach der Geburt ihrer<br />

Tochter im Februar 1689 an Pocken starb.<br />

Im Gedenken an seine verstorbene Frau nannte<br />

Matthew das Kind nach <strong>des</strong>sen Mutter.<br />

Am 8. Juli 1690 heiratete Matthew Henry ein<br />

zweites Mal. Seine Braut Mary kam aus einem<br />

gottesfürchtigen Elternhaus. Gott schenkte<br />

Matthew und Mary Henry neun weitere Kinder;<br />

sie mussten aber auch drei ihrer Kinder<br />

sehr früh zu Grabe tragen.<br />

Matthew Henry war nicht nur ein treuer<br />

und leidenschaftlicher Prediger, sondern auch<br />

ein treuer Hausvater, der mit seinem ganzen<br />

Haus täglich Familienandachten hielt.<br />

Sechsundzwanzig Jahre lang blieb Matthew<br />

Henry bei der Gemeinde in Chester.<br />

Während dieser Zeit wuchs sie auf etwa 350<br />

Mitglieder an. Henry erhielt oft Briefe, in<br />

denen er gebeten wurde, umzuziehen und in<br />

anderen Gemeinden zu dienen; aber erst 1712<br />

nahm er einen Ruf an die Kapelle in Hackney,<br />

London, an.<br />

Seine schwache Gesundheit machte ihm<br />

sehr zu schaffen; das hinderte ihn aber nicht<br />

daran, weiterhin mit Eifer zu dienen. In London<br />

predigte er am Sonntag oft dreimal und<br />

unter der Woche praktisch jeden Tag, weil es<br />

in der Nähe mehrere Gemeinden gab, die ihn<br />

um Hilfe bei der Belehrung baten. Darüber hinaus<br />

setzte er sich auch für die Unterweisung<br />

der Kinder ein.<br />

Am 31. Mai 1714 reiste Henry nach Chester, um<br />

seine frühere Gemeinde und Freunde zu besuchen.<br />

Ein Bruder aus der Gemeinde zeigte sich<br />

besorgt, weil Matthew offensichtlich krank<br />

war. Als er sich nach einigen Wochen auf die<br />

Rückreise machte, hielt er in Nantwich, um<br />

dort zu predigen, und plante für den nächsten<br />

Tag, nach London weiterzureisen. Doch in<br />

der Nacht ging es ihm zunehmend schlechter.<br />

Am Morgen <strong>des</strong> 22. Juni 1714 erlitt er einen<br />

Schlaganfall und verstarb.<br />

In den Tagen vor seinem Tod hatte er zu einem<br />

Freund gesagt: »Ein Leben, das im <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong><br />

Herrn und in der Gemeinschaft mit Ihm verbracht<br />

wird, ist das angenehmste Leben, das<br />

jemand in dieser Welt führen kann.« Henry<br />

arbeitete in aller Treue und predigte manchmal<br />

bis zu sieben Mal pro Woche. Er schrieb<br />

viele seiner Predigten auf; sie sind heute immer<br />

noch für zahllose Menschen zum reichen<br />

Segen. Das größte Werk Henrys, sein<br />

Bibelkommentar, zeigt seine Hingabe an die<br />

Heilige Schrift und seine Treue darin, den<br />

ganzen Ratschluss Gottes zu predigen. Den<br />

Kommentar zu veröffentlichen war ein großes<br />

Projekt, das Henry leider nicht zu Ende<br />

führen konnte. <strong>Die</strong> Apostelgeschichte ist der<br />

letzte Teil, den er schrieb, bevor er starb. Der<br />

Rest <strong>des</strong> Neuen Testaments wurde von anderen<br />

Männern unter Verwendung von Henrys<br />

Notizen vervollständigt.<br />

34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />

34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/2020<br />

QUELLEN: J.B. Williams, The Life of Matthew Henry; Allan Harman,<br />

Matthew Henry – Sein Leben und Einfluss (Bst.-Nr. 863933, voh-shop.de)


KOMMENTARE<br />

AT (Band 1)<br />

29,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.083<br />

AT (Band 2)<br />

29,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.084<br />

AT (Band 3)<br />

29,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.085<br />

AT (Band 4)<br />

NT (Band 1)<br />

NT (Band 2)<br />

39,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.086<br />

39,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.081<br />

39,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.082<br />

WEITERE<br />

BÜCHER<br />

Matthew Henry –<br />

Sein Leben und Einfluss<br />

Das Streben nach<br />

Sanftmut und Stille<br />

Leben<br />

voller Freude<br />

12,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.933<br />

12,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.976<br />

12,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.891


EINE FAMILIE<br />

MIT GOTT<br />

IM ZENTRUM<br />

Vorwort von Scott T. Brown<br />

Am 16. April 1704 hielt Matthew Henry eine überaus praktische<br />

Predigt, die die Wichtigkeit <strong>des</strong> geistlichen Lebens einer Familie beleuchtet.<br />

Er zeigt den Familienvätern in sehr spezifischer Weise, was sie tun<br />

müssen, damit sie eine Familie mit Gott im Zentrum sind.<br />

Ich bin der Meinung, dass es sich hier um eines seiner besten Werke handelt.<br />

Matthew Henry (1662-1714) war ein englischer Pastor, Bibelkommentator und ein<br />

treuer Hausvater. Von seiner Familie wird berichtet, sie sei wie »die Pforte <strong>des</strong><br />

Himmels« gewesen (1.Mo. 28,17), weil die Eltern das gesamte Familienleben mit<br />

dem Wort Gottes regierten. Es war ein Heim, das erfüllt war von Wahrheit,<br />

Freude und den Gnadenerweisen <strong>des</strong> Reiches Gottes.<br />

36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


DIE BEDEUTUNG VON M. HENRYS<br />

LEKTÜRE FÜR UNSERE ZEIT<br />

Wir leben in einer Zeit, in der die meisten Christen<br />

die biblischen Lehren zur Führung eines christlichen<br />

Familienlebens überhaupt nicht mehr kennen.<br />

Deshalb leiden wir heute an einem oberflächlichen<br />

Verständnis davon, was es bedeutet,<br />

das Privatleben in der Furcht Gottes zu führen.<br />

<strong>Die</strong> frommen Puritaner verstanden diese Lehren,<br />

und Matthew Henry übermittelte sie auf vorbildliche<br />

Weise. In Zeiten wie diesen brauchen wir die<br />

biblische Sichtweise <strong>des</strong> Familienlebens, um uns<br />

inmitten <strong>des</strong> geistlichen Niedergangs wieder aufzurichten.<br />

»Eine Familie mit Gott im Zentrum« ist<br />

genau die Botschaft, die wir heute benötigen. Sie<br />

enthält die Verheißung, unsere Sichtweise über<br />

den Horizont unserer zeitgemäßen Denkweise<br />

auszudehnen und uns mit zeitlosen Prinzipien<br />

auszurüsten, welche Gott festgelegt hat.<br />

Der Inhalt und das Potential der Sichtweise<br />

eines Menschen über das Leben einer christlichen<br />

Familie ist grundlegend; denn diese Sicht<br />

wird bestimmen, was für ein Zuhause er haben<br />

wird. Aber auch das Elternhaus, in dem er aufwuchs,<br />

wird einen gewaltig prägenden Einfluss<br />

auf diese Sichtweise haben. Ob er in einer unordentlichen<br />

und zerbrochenen Familie aufwuchs,<br />

ob es eine gottlose oder gottesfürchtige Familie<br />

war – in jedem Fall wird dadurch seine Vorstellung<br />

über das eigene Heim beeinflusst. Was den<br />

entscheidenden Unterschied ausmacht, ist die<br />

Frage: Wuchs er in einer Familie auf, in der Gott<br />

im Zentrum stand?<br />

Bei diesem Thema ist Matthew Henry kein<br />

kühler Akademiker, denn er schöpft aus der Heiligen<br />

Schrift und aus seiner reichen Lebenserfahrung<br />

und vermittelt daraus die besten Praktiken,<br />

welche »die Pforten <strong>des</strong> Himmels« auf der Erde<br />

entstehen lassen.<br />

Henry setzt sich dafür ein, dass in jeder christlichen<br />

Familie Gott im Zentrum sein sollte. Der<br />

Leser wird feststellen, dass dies ein wichtiges<br />

Buch ist, weil es eine Sicht von der Schönheit eines<br />

christlichen Heims unter der liebevollen Leitung<br />

<strong>des</strong> Hauptes dieses Haushalts entwickelt<br />

– <strong>des</strong> Vaters, der für seine Frau und Kinder als<br />

»König, Priester und Prophet« fungiert. In diesem<br />

Sinn sollte ein Elternhaus auch ein geistliches Zuhause<br />

sein.<br />

<strong>Die</strong> Bibel schreibt der Gemeinde und dem Elternhaus<br />

auf mancherlei Weise ähnliche Qualitäten<br />

zu. So ist zum Beispiel Christus das Haupt der<br />

Gemeinde, wie der Mann das Haupt der Frau ist<br />

(Eph. 5). Außerdem werden in einem christlichen<br />

Elternhaus die Kinder unterwiesen und in der Gemeinde<br />

zugerüstet (Eph. 4 und 6). <strong>Die</strong> Gemeinde<br />

Jesu ist eine »geistliche Familie«, und eine Familie<br />

sollte ein geistliches Zuhause sein. Des Weiteren<br />

ist die Gemeinde beauftragt, den ganzen<br />

Ratschluss Gottes zu verkündigen (Apg. 20,27),<br />

während das familiäre Leben vom Wort Gottes<br />

durchdrungen sein sollte: »und du sollst … davon<br />

reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg<br />

gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst«<br />

(5.Mo. 6,7).<br />

Eine christliche Familie sollte – wie auch eine<br />

Gemeinde – ein Ort sein, in der die Heilige Schrift<br />

gelesen und gemeinsam gebetet wird, geistliche<br />

Lieder zur Ehre Gottes gesungen werden und biblische<br />

Unterweisung praktiziert wird.<br />

Besonders den Familienvätern legt Henry<br />

dringend ans Herz, die Bibel zum Mittelpunkt <strong>des</strong><br />

ganzen Lebens zu machen. Er sagt:<br />

»Es ist besser, in euren Häusern kein Brot zu haben<br />

als keine Bibel; denn die Worte aus dem Mund Gottes<br />

sind mehr wert als euer tägliches Brot – zumin<strong>des</strong>t sollte<br />

es für euch so sein. Aber was nützt es euch, Bibeln im<br />

Haus zu haben, wenn ihr sie nicht benutzt? Was nützt<br />

es euch, dass die wunderbaren Dinge von Gottes Gesetz<br />

und Evangelium für euch niedergeschrieben wurden,<br />

wenn sie euch fremd bleiben?! Vielleicht lest ihr täglich<br />

die aktuellen Nachrichten und unterhaltet euch viel darüber<br />

– und eure Bibeln sollten als veraltete ›Nachrichten‹<br />

herumliegen?«<br />

So spricht er über mancherlei Hindernisse<br />

und Herausforderungen bei der täglichen Durchführung<br />

von Familienandachten. Er schreibt auch<br />

davon, wie dies in Zeiten intensiver Arbeitsbelastung,<br />

bei vielen Reisen, in Zeiten <strong>des</strong> Umbruchs<br />

und der Einsamkeit erreicht wird. Er zeigt sogar,<br />

wie man mit Gott tiefe Gemeinschaft haben kann,<br />

wenn man in einem gottlosen Zuhause lebt.<br />

voiceofhope.de | 37<br />

voiceofhope.de | 37


Henry glaubte, dass der Schlüssel zur Reformation<br />

darin bestand, dass man das eigene Heim<br />

in eine Gott wohlgefällige Familie umänderte, und<br />

dass es ohne dies keine Reformation geben könne.<br />

<strong>Die</strong>se Reformation, wie Henry sie verstand, ist<br />

eine Reformation, die zur Heilung und zur Freude<br />

in dem Herrn führen würde. Er schrieb:<br />

»Ich kenne nichts, was mehr zur Förderung dieses<br />

guten Werkes beitragen könnte, als dass man die Familienandacht<br />

mehr fördert und wertschätzt. Hier muss alle<br />

Reformation beginnen. Andere Methoden mögen zwar<br />

die Krankheiten, die wir beklagen, aufdecken und eindämmen;<br />

aber diese Methode würde sie heilen, wenn sie<br />

sich allgemein durchsetzen könnte. In diese Quellen muss<br />

Salz geworfen werden; dann würde das Wasser gesund<br />

werden (vgl. 2.Kön. 2,21).«<br />

EIN GUTER RATGEBER<br />

FÜR VÄTER<br />

Aus Henrys Schriften geht klar hervor, dass er<br />

die Lehre der Heiligen Schrift über die Familie in<br />

einer Weise verstand, die den meisten Christen<br />

abhandengekommen ist. Er ist ein guter Ratgeber<br />

für Väter aller Zeitalter, doch insbesondere<br />

für die <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts, denn die Ausübung<br />

biblischer Vaterschaft erreicht in den Gemeinden<br />

heutzutage einen historischen Tiefstand.<br />

DER EINFLUSS<br />

SEINES VATERS PHILIP<br />

Vielleicht ist seine Beziehung zu seinem eigenen<br />

Vater Philip Henry in seinem Elternhaus einer der<br />

wichtigsten Aspekte von Matthew Henrys großartigem<br />

Mentoring. <strong>Die</strong>ses Vater-und-Sohn-Duo<br />

aus dem siebzehnten Jahrhundert präsentiert<br />

uns eines der besten Vorbilder der Geschichte <strong>des</strong><br />

Christentums bezüglich der Dynamik von Vätern,<br />

die ihren Glauben an die nächste Generation weitergeben.<br />

Matthew Henry hat die beispielhaften Verhaltensweisen<br />

seines Vaters in seinem eigenen<br />

Haus praktiziert. Der Lebensstil in seinem Haus<br />

entsprach so genau dem seines Lehrers, dass sein<br />

berühmter Bibelkommentar seinen Anfang aus<br />

den Notizen entnahm, die Vater Philip für seine<br />

Familie zusammengestellt hatte, als Henry noch<br />

ein kleiner Junge war. Matthew benutzte seine<br />

eigenen handgeschriebenen Notizen aus eben<br />

diesen Kommentaren, um seine Kinder zu unterweisen.<br />

Dann ließ er seine Kinder diese Notizen<br />

abschreiben, zu denen sie ihre Berichte über die<br />

Lehren ihres Vaters in eigener Handschrift hinzufügten.<br />

Aus diesen schlichten Notizen entstand<br />

der Anfang <strong>des</strong> grandiosen Bibelkommentars, an<br />

dem wir uns heute erfreuen.<br />

Für viele ist Matthew Henry wegen dieses wunderbaren<br />

Kommentars über alle Bücher der Bibel<br />

bekannt, der den Titel trägt: »Der neue Matthew<br />

Henry Kommentar «.<br />

Seine warmherzigen und präzisen Erläuterungen<br />

sind schöne Zeugnisse eines Sohnes, der<br />

in den Fußstapfen seines Vaters wandelte. George<br />

Whitefield, Charles H. Spurgeon, Martyn<br />

Lloyd-Jones, R.C. Sproul und viele andere treue<br />

Prediger benutzten Henrys Kommentar und<br />

empfahlen diesen. Ein Biograf bemerkt, dass<br />

Whitefield diesen viermal durchgelesen habe, das<br />

letzte Mal auf seinen Knien. Und Spurgeon urteilte:<br />

»Jeder Gemeindemitarbeiter sollte diesen wenigstens<br />

einmal vollständig und aufmerksam durchlesen.«<br />

PRAKTISCHE HILFE FÜR<br />

GEISTLICHE UNTERWEISUNGEN<br />

IN DER FAMILIE<br />

Der Biograf J.B. Williams berichtet von den geistlichen<br />

Unterweisungen, die im Hause Matthew<br />

Henrys angewendet wurden. In der nun folgenden<br />

Beschreibung wird die Genialität und Schlichtheit<br />

seiner Methoden in seinem Haus deutlich:<br />

»Er war immer für alle da, aber niemals ermüdend<br />

oder überstürzt. <strong>Die</strong> Familienandacht leitete er mit einem<br />

Gebet ein. Sofern das Kapitel nicht kurz war, teilte er es<br />

in Abschnitte ein. Dabei beschränkte er sich gewöhnlich<br />

auf acht bis zehn Verse, die er jeweils kurz und erbaulich<br />

erklärte.<br />

Wie die Häuser der guten alten Protestanten täglich,<br />

aber besonders am Tag <strong>des</strong> Herrn (Sonntag), nach diesem<br />

»Räucherwerk« dufteten, so haben wir es – sagte Mat-<br />

38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />

38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


thew Henry – »mit unseren eigenen Ohren … gehört, unsere<br />

Väter haben es uns erzählt« (Ps. 44,2).<br />

Dem Gebet folgte Gesang. Das Ganze vollzog sich gewöhnlich<br />

innerhalb einer halben Stunde; manchmal dauerte<br />

es aber auch etwas länger.<br />

Nach dem Gebet ermutigte er seine Kinder mit Segensworten,<br />

welche er mit größter Ernsthaftigkeit, Feierlichkeit<br />

und Liebe aussprach.<br />

Um die Aufmerksamkeit seiner Familie umso mehr zu<br />

gewinnen, forderte er von ihnen nach jeder Familienandacht<br />

einen persönlichen schriftlichen Bericht.<br />

Am Tag <strong>des</strong> Herrn wurde die gleiche Ordnung eingehalten,<br />

wobei sich die Familie etwa um acht Uhr versammelte.<br />

Auch seine öffentlichen Verpflichtungen an diesem<br />

heiligen Tag durften weder die Einhaltung der Ordnung<br />

selbst noch seine persönliche Aufmerksamkeit dafür beeinträchtigen.<br />

Nachdem die Familienandacht beendet war, gingen sie<br />

gemeinsam als Familie zum Gottesdienst. Nach dem Mittagessen<br />

sangen sie ein Lied, und Matthew Henry sprach<br />

ein Gebet (ca. 10-15 Min.) und kehrte in sein Studierzimmer<br />

zurück, bis wieder die Zeit für eine weitere Gemeindeversammlung<br />

gekommen war. Am Abend wiederholte<br />

er gewöhnlich in seinem Haus beide Predigten, wobei<br />

zu betonen ist, dass die Predigten im Morgen- und im<br />

Abendgottesdienst min<strong>des</strong>tens eine bis drei Stunden dauerten.<br />

Zu dieser Gelegenheit erschienen viele Nachbarn.<br />

Der Wiederholung folgten Gesang und Gebet. Dann sang<br />

man zwei weitere Lieder, der Vater sprach den Segen, und<br />

nun wurden die jüngeren Kinder unterwiesen. Nach dem<br />

Abendbrot sang man min<strong>des</strong>tens ein Lied. Anschließend<br />

unterwies der Vater seine älteren Kinder, wobei er auch<br />

diese wiederholen ließ, was ihnen von den Predigten noch<br />

in Erinnerung geblieben war. Der Tag wurde mit flehendem<br />

Gebet beendet.<br />

Neben den täglichen Familienandachten und den<br />

Sonntagsgottesdiensten, von denen wir schon sprachen,<br />

hielt Matthew Henry oft Familien-Fastenzeiten<br />

ein, manchmal gemeinsam mit eingeladenen Freunden,<br />

oder nur mit seinem eigenen Haushalt. Häufig fastete er<br />

auch allein. Bei solchen Gelegenheiten rang er wie der<br />

gläubige Patriarch Abraham um ›geistliche Segnungen‹.<br />

Und was auch immer seine eigenen Sorgen, Befürchtungen<br />

und Prüfungen oder die seiner Freunde waren, alles<br />

wurde mit kindlicher Schlichtheit und Zuversicht Gott<br />

anbefohlen.<br />

Sein Christsein umfasste den gesamten Bereich seines<br />

Lebens. Er war ein Vorbild für die Gläubigen, nicht nur<br />

als Ehemann, als Vater und Hausherr, sondern auch als<br />

Sohn, als Schwiegersohn, als Bruder und als Freund.«<br />

EIN WUNDERSCHÖNES<br />

FAMILIENLEBEN<br />

Er förderte ein sehr schönes Familienleben, das<br />

einerseits sehr selten, aber andererseits auch immer<br />

wiederherstellbar ist. Gepflegt wurde es vor<br />

allem mit drei wesentlichen Mitteln: Beständigkeit,<br />

Einfachheit und Führung. Er hielt täglich daran<br />

fest, und es war schlicht und einfach; denn der<br />

Lehrplan war die Bibel selbst. Nichts Neues musste<br />

kreiert werden, im Gegenteil: Henry schöpfte<br />

aus dem tiefen Brunnen der Heiligen Schrift. Er<br />

kämpfte für ein Zuhause, <strong>des</strong>sen Mittelpunkt Gott<br />

ist, und es scheint, dass er jede Gelegenheit wahrnahm,<br />

ihm die Freude am Herrn einzuhauchen.<br />

Matthew Henry schrieb viele Lehrtexte und<br />

ermutigte seine Kinder, sie auswendig zu lernen.<br />

Hier nur einer dieser Texte:<br />

»Ich halte Gott den Vater für mein allerwichtigstes<br />

Gut und für mein allerhöchstes Ziel. Ich halte Gott den<br />

Sohn für meinen Fürsten und Erretter. Ich halte Gott den<br />

Heiligen Geist für Den, der mich heiligt, lehrt, leitet und<br />

tröstet. Ich halte das Wort Gottes für meine Richtlinie<br />

in allen meinen Handlungen und das Volk Gottes unter<br />

allen Umständen für mein Volk. Und dies alles tue ich bewusst,<br />

aufrichtig und freiwillig und für immer.«<br />

Henry war ein vorbildlicher Vater, der die biblische<br />

Ordnung in der Familie und Gemeinde verstand.<br />

Er gestaltete sein Familienleben nach der<br />

Weise seines Vaters Philip, der eifrig Familienandachten<br />

in seinem Haus hielt, ohne diese Ordnung<br />

zu unterbrechen, einerlei, welche sonstigen<br />

Anforderungen an ihn gestellt wurden.<br />

Matthew Henry ist ein Beispiel eines Vaters,<br />

der Verhaltensmuster aufrechterhielt, durch die<br />

ein schönes und Gott wohlgefälliges Familienleben<br />

gepflegt wurde. <strong>Die</strong>se Art von Familienleben<br />

zu schaffen, ist eine der großen Herausforderungen<br />

für Familienväter in unserer Zeit, vor allem,<br />

weil im modernen Leben alles dagegenzuwirken<br />

scheint. Ich hoffe, dass dieses Buch den Vätern auf<br />

ihrem Weg helfen wird, in allen ihren väterlichen<br />

Aktivitäten ihrem himmlischen Vater ähnlich zu<br />

werden.<br />

voiceofhope.de | 39<br />

voiceofhope.de | 39


NEU<br />

Matthew Henry<br />

Bearbeitet von Niko Derksen<br />

EINE FAMILIE MIT<br />

GOTT IM ZENTRUM<br />

<strong>Die</strong>ses Buch ist eine Ermutigung insbesondere für Väter,<br />

aber auch für junge Männer, aus ihrem Zuhause ein geistliches<br />

Umfeld zu machen. Matthew Henry beschreibt die Schönheit<br />

einer Familie, in der Gott im Zentrum steht, die Ihn anbetet<br />

und für ihn lebt, einander liebt und füreinander betet.<br />

Wie profitieren wir davon? Wie können wir<br />

eine solche Familie werden?<br />

40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong><br />

15,90 € • Bestell-Nr.: 875.270 • 120 Seiten<br />

Kunstledereinband mit Goldprägung / Innenseiten vierfarbig


Matthew Henry<br />

schreibt:<br />

»<strong>Die</strong> Heilige Schrift lehrt uns, dass Familienväter verpflichtet sind, persönlich<br />

in der Gottesfurcht zu leben und ihre Verantwortung wahrzunehmen, ihre Familie<br />

in der Gottesfurcht zu leiten, als solche, die darüber Rechenschaft ablegen müssen.<br />

Denn genau diese Familien fördern das Christentum in ihren Häusern, indem<br />

sie ihre Kinder »in der Zucht und Ermahnung <strong>des</strong> Herrn« (Eph. 6,4) erziehen.<br />

Ich möchte mich bemühen, euch diese großartige Pflicht als<br />

Christen deutlicher und eindringlicher zu erklären, und das heißt, euch<br />

zu zeigen, wie eine christliche Familie sein muss, euch einige Motive<br />

für eine Familie mit Gott im Zentrum zu geben, und schließlich wertvolle<br />

Ratschläge für eine von Gott gesegnete Familie zu zeigen.«<br />

Abgesehen von dem wertvollen Inhalt macht auch der hochwertige<br />

Kunstledereinband das Buch zu etwas Besonderem.<br />

www.voh-shop.de<br />

02265 99749-22<br />

voiceofhope.de | 41


Retterin<br />

bei Nacht<br />

DAS LEBEN<br />

VON AMY CARMICHAEL<br />

42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2021</strong>


»Das missionarische Leben ist schlichtweg<br />

eine Chance, zu sterben.«<br />

Das war Amy Carmichaels Antwort auf die Frage,<br />

was man vom Leben auf dem Missionsfeld erwarten<br />

könne. <strong>Die</strong>se Antwort spiegelt ihre völlige<br />

Hingabe an den Herrn wider und macht deutlich,<br />

worin ihre Hoffnung lag. Sie hatte verstanden,<br />

was der Kern der Nachfolge Christi ist: Tod bewirkt<br />

Leben. Du musst dich selbst, dein eigenes<br />

Ich, aufgeben, um dem Herrn nachfolgen und dienen<br />

zu können.<br />

Ian Hamilton schreibt:<br />

Das Leben eines Missionars ist völlig unromantisch.<br />

Es erfordert Einsatz, Hingabe, Entschlossenheit<br />

und die Bereitschaft, zu sterben.<br />

Das war die Grundvoraussetzung, die Jesus an<br />

jeden angehenden Jünger stellte. Denn Er sagte:<br />

»Wenn jemand Mir nachkommen will, so verleugne<br />

er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich<br />

und folge Mir nach« [Lk. 9,23], und Er meinte damit<br />

nicht, dass Ihm zu folgen bedeute, dass das<br />

Leben von Unannehmlichkeiten durchsetzt<br />

sein würde. In höchst dramatischer Sprache<br />

sagte Jesus: »Wenn ihr nicht bereit seid, zu sterben,<br />

könnt ihr Mir nicht nachfolgen.« Deshalb<br />

sollte die erste Frage, die jedem potenziellen<br />

Missionar gestellt werden sollte, lauten: »Teilen<br />

Sie uns mit, wie hoch Sie den Herrn Jesus<br />

Christus achten und wertschätzen.« Es ist der<br />

Wert, den wir Gottes Sohn beimessen, der uns<br />

mehr als alles andere befähigen wird, die Kosten<br />

zu tragen – die oft schmerzhaften Kosten –,<br />

um Ihm in dieser dunklen und feindlichen<br />

Welt zu dienen.<br />

Amy Carmichael lebte ein solches Leben. Viele<br />

Jahre verbrachte sie damit, Tempelkinder, die als<br />

Opfergabe für hinduistische Götter preisgegeben<br />

wurden, ihrem Verderben zu entreißen, und sie<br />

sorgte für einen Zufluchtsort für sie. Doch wer war<br />

sie? Und was bewog sie zu solch einem Leben?<br />

Amy Carmichael wurde 1867 in einer gläubigen<br />

Familie in Millisle, Nordirland, geboren. Sie war<br />

ein kleiner Wildfang mit einer fröhlichen Natur,<br />

lustigen Ideen und großen Träumen. Der Entschluss<br />

ihrer Eltern, sie im Alter von 12 Jahren<br />

auf das Mädcheninternat in Harrogate, Yorkshire<br />

zu schicken, stieß bei Amy zunächst auf Begeisterung.<br />

<strong>Die</strong> Eltern beteten weiterhin für ihre<br />

Umkehr und schickten ihr Briefe. Das waren für<br />

Amy – gerade in der ersten Zeit der Umgewöhnung<br />

– die schönsten Momente. Hin und wieder<br />

schickte ihr die Mutter auch Blumen, um ihrer<br />

Tochter eine Freude zu machen. Während der<br />

Zeit am Internat besuchten die Mädchen Gottesdienste,<br />

die in der Nähe stattfanden, und Missionsabende,<br />

die eigens dazu organisiert wurden,<br />

den Kindern und Jugendlichen das Evangelium<br />

zu erklären. Amy war gerade 15 Jahre alt, als sie<br />

einen dieser Missionsabende besuchte. Von ihrer<br />

Sünde überführt, tat sie Buße und setzte ihr Vertrauen<br />

auf den Retter – Jesus Christus. Sie schickte<br />

einen Brief nach Hause, in dem sie ihren Eltern<br />

ihre Freude mitteilte – ein Brief, der die Herzen<br />

der Eltern vor Freude übersprudeln ließ. Von<br />

diesem Moment an veränderte sich Amys Leben<br />

völlig.<br />

WIE AMYS<br />

MISSIONSDIENST BEGANN<br />

Es war kein spektakuläres Ereignis, das Amy im<br />

Alter von etwa 20 Jahren dazu antrieb, Menschen<br />

von der Rettung in Christus zu erzählen. Als sie<br />

mit ihren Geschwistern an einem Sonntag nach<br />

dem Gottesdienst nach Hause ging, sahen sie<br />

eine dürftig gekleidete alte Frau, die ein schweres<br />

Bündel trug, und beschlossen ihr zu helfen. <strong>Die</strong>se<br />

Frau gehörte zu den sogenannten Schalträgerinnen,<br />

die oft unter furchtbaren Bedingungen in<br />

den örtlichen Fabriken in Belfast arbeiteten. Es<br />

waren verachtete Frauen, am Rande der Gesellschaft,<br />

die der Herr nun mit Seinem Evangelium<br />

erreichte. Bald darauf versammelten sich etwa<br />

500 von ihnen in der neuen Willkommenshalle,<br />

die für diesen <strong>Die</strong>nst errichtet worden war. Ob<br />

Amy Carmichael wohl schon ahnte, dass der Herr<br />

sie auf eine größere Aufgabe und Verantwortung<br />

vorbereitete?<br />

voiceofhope.de | 43


Der beeindruckende Lebenslauf einer<br />

außergewöhnlichen, irischen Indienmissionarin<br />

Sie war in Japan, China, Ceylon und kam schließlich nach Indien. Es klingt nach einem<br />

Abenteuer, und tatsächlich ist es auch eine sehr spannende Geschichte, oft mit<br />

vielen Ängsten verbunden, dennoch mit einem festen Vertrauen auf Gott.<br />

Amy Carmichael ging als Missionarin nach Indien, angetrieben von tiefer Liebe und<br />

vom Glauben an Jesus Christus. Anfangs schien alles gut und fröhlich zuzugehen,<br />

doch bald erkannte Amy dort eine Welt von Kin<strong>des</strong>entführung, Folter und Zauberei.<br />

Aber sie erlebte auch erstaunliche Gebetserhörungen und wunderbare Befreiungen.<br />

Zahlreiche Tempelkinder, die als Opfergabe für hinduistische Götter preisgegeben<br />

wurden, entriss sie ihrem Verderben und sorgte für einen Zufluchtsort für sie.<br />

Amys Leben ist gekennzeichnet von bedingungsloser Liebe und Gehorsam gegenüber<br />

dem einen Herrn – Jesus Christus!<br />

BUCH: 9,90 € • Bestell-Nr.: 875.433 • 160 Seiten • Hardcover<br />

CD: 12,90 € • Bestell-Nr.: 875.473 • 3h 36 min<br />

www.voh-shop.de<br />

02265 99749-22


Gott legte ihr die Missionsarbeit in Asien aufs<br />

Herz, wo das Evangelium noch kaum verbreitet<br />

war. Ihre Freunde meinten, sie sei nicht dafür geschaffen,<br />

aufs Missionsfeld zu gehen, da sie gesundheitlich<br />

schwach war. Allerdings hatten sie<br />

nicht mit Gott gerechnet. Sie hatten nicht verstanden,<br />

dass Er gerade schwache Werkzeuge benutzt,<br />

damit sich niemand rühmen kann und Er allein<br />

die Ehre bekommt. Im Alter von 24 Jahren reiste<br />

sie zum ersten Mal aufs Missionsfeld nach Japan,<br />

dann über China nach Ceylon (Sri Lanka). Amys<br />

Gesundheitszustand verschlimmerte sich und<br />

zwang sie schließlich, sich in Bangalore, Indien,<br />

zu erholen, da das Klima dort besser war und ihr<br />

Erleichterung verschaffen würde.<br />

Kaum jemand glaubte, dass sie es länger als 6<br />

Monate auf dem Missionsfeld, so weit entfernt<br />

von ihrer Heimat, aushalten würde; doch sie erholte<br />

sich und kehrte nie mehr in ihre Heimat zurück.<br />

Gott machte sie mit der Arbeit vertraut, die<br />

zum Mittelpunkt ihres restlichen Lebens werden<br />

sollte, und gab ihr die Gewissheit, dass Er diesen<br />

Platz für sie vorgesehen hatte.<br />

In Bangalore wurde Amy Carmichael zunehmend<br />

auf den unvorstellbaren Missbrauch aufmerksam,<br />

der wehrlosen Kindern in Hindu-Tempeln<br />

angetan wurde. Unzählige Kinder wurden den<br />

Göttern geweiht und gezwungen, mit den Tempelpriestern<br />

zu leben; die meisten Mädchen unter<br />

ihnen wurden zur Prostitution gezwungen, um<br />

Geld zu verdienen.<br />

Amy kleidete sich in einen Sari und färbte ihre<br />

Haut mit Kaffee, um indisch auszusehen, bevor<br />

sie die Hindu-Tempel betrat, um Tempelkinder<br />

zu beobachten und zu entführen. Wurde eines der<br />

Kinder bei einem Fluchtversuch erwischt, drohte<br />

ihm schlimme Folter.<br />

Nach und nach nahm Amy Hunderte von ungewollten<br />

Kindern auf, die sie aus den Tempeln<br />

herausschmuggelte, wenn niemand hinsah. Es<br />

wurde ein Heim gebaut, in welchem Mitarbeiter<br />

sich um die Kinder kümmerten. Der <strong>Die</strong>nst wurde<br />

als »Dohnavur Fellowship« bekannt. <strong>Die</strong> Kinder<br />

nannten Amy Carmichael nur »Amma« – das tamilische<br />

Wort für Mutter. Bei denjenigen aber, die<br />

von der Tempelsklaverei profitierten, war sie als<br />

»die weiße Frau, die Kinder stiehlt« bekannt.<br />

Gottes Absicht für ihr Leben war offensichtlich,<br />

und Amy widmete ihre Zeit der Betreuung<br />

von geretteten Tempelkindern.<br />

Im Alter von 63 Jahren stürzte Amy schwer und<br />

war für den Rest ihres Lebens bettlägerig. Sie<br />

nutzte die Zeit, um Bücher und Gedichte zu<br />

schreiben, die unzählige Christen dazu ermutigten,<br />

ihre unbedeutenden irdischen Ziele aufzugeben<br />

und anderen das Evangelium der Gnade Gottes<br />

zu verkündigen.<br />

Amy Carmichael diente dem Herrn 55 Jahre lang<br />

voller Hingabe, bis sie im Alter von 83 Jahren<br />

starb. Während dieser Zeit durfte sie durch die<br />

Gnade Gottes insgesamt über 1000 missbrauchte<br />

und versklavte Kinder retten, und sie erzählte<br />

ihnen von dem Herrn Jesus, der in diese Welt gekommen<br />

ist, um Sünder zu retten und sie mit dem<br />

himmlischen Vater zu versöhnen.<br />

Sie kehrte nie zurück, um ein Lob für ihre Arbeit<br />

zu bekommen. Für Amy galt alles, was die<br />

Aufmerksamkeit auf sie selbst lenkte, als <strong>Die</strong>bstahl<br />

bezüglich der Aufmerksamkeit gegenüber<br />

dem Gott, dem sie diente. 1919 wurde ihr in Großbritannien<br />

für ihre <strong>Die</strong>nste in Indien die »Kaiser-I-Hind«-Medaille<br />

verliehen. Als sie davon<br />

erfuhr, schrieb sie nach England und bat darum,<br />

diese Ehrung zurückzunehmen. »Es beunruhigt<br />

mich, etwas so ganz anderes zu bekommen als<br />

unser Herr Jesus, der verachtet und verlassen war<br />

– und nicht freundlich geehrt«, war ihre Antwort.<br />

Schließlich wurde sie doch noch überredet, die<br />

Ehrung anzunehmen; sie weigerte sich aber entschieden,<br />

der Verleihungsfeier beizuwohnen.<br />

Ironischerweise wurde die Frau, die keine andere<br />

Ehre wollte als die, eine <strong>Die</strong>nerin Christi zu<br />

sein, dennoch berühmt. Ihr Beispiel aufopfernder<br />

Liebe hat zahllose Christen ermutigt, ihr auf das<br />

Missionsfeld zu folgen.<br />

… schaut das Ende ihres<br />

Wandels an und ahmt ihren Glauben nach!<br />

Hebräer 13,7<br />

voiceofhope.de | 45


www.voh-shop.de<br />

02265 99749-22<br />

Jill Masters<br />

LEKTIONEN<br />

FÜRS LEBEN<br />

17,90 € • Bestell-Nr.: 875.221<br />

320 Seiten • Hardcover<br />

Bestellen Sie pro Gemeinde<br />

1 Buch kostenlos!


· IMPRESSUM ·<br />

Wie kann die Botschaft der Bibel<br />

Kindern und Jugendlichen vermittelt<br />

werden? Wie erreicht das Evangelium<br />

ihr Herz und ihren Verstand?<br />

<strong>Die</strong> Lektionen fürs Leben sind eine hervorragende Hilfestellung<br />

dabei, jungen Menschen den großen Ratschluss<br />

Gottes in der Bibel zu erklären. Sie zeichnen<br />

sich durch Folgen<strong>des</strong> aus:<br />

• <strong>Die</strong> Lektionen führen durch die ganze Bibel,<br />

denn das Evangelium beginnt schon im ersten<br />

Buch Mose.<br />

• Gottes Wesen und Sein Heilsplan leuchten im<br />

gesamten Buch hervor.<br />

• Jesus Christus und das ewige Heil, das wir in Ihm<br />

finden, stehen im Mittelpunkt.<br />

• Durchgehend wird deutlich, dass der Mensch<br />

Rettung braucht und dass das Evangelium zu<br />

Buße und Glauben aufruft<br />

• <strong>Die</strong> Lektionen zeigen, wie das veränderte<br />

Leben eines echten Christen aussieht, der<br />

seine Hoffnung ganz auf den Herrn setzt.<br />

<strong>Die</strong>ser Band enthält Entwürfe für ein Jahr, die man je<br />

nach Alter und Reife der Schüler individuell anpassen<br />

kann – ergänzt durch visuelle Hilfestellungen und<br />

Zeichnungen. <strong>Die</strong>s ist der erste von vier Bänden.<br />

<strong>Die</strong>se Lektionen werden in evangelistischen Sonntagsschulen<br />

auf der ganzen Welt verwendet und wurden<br />

in über 10 Sprachen übersetzt. Sie eignen sich<br />

ebenfalls für Familienandachten und evangelistische<br />

Hauskreise.<br />

Jill Masters hat einen Großteil ihres Lebens der Arbeit<br />

und Förderung von Sonntagsschulen für Kinder und<br />

Jugendliche gewidmet. Viele Jahre lang war sie Koordinatorin<br />

der großen Sonntagsschule <strong>des</strong> Metropolitan<br />

Tabernacle in London, wo einst Spurgeon gepredigt<br />

hat und wo ihr Mann, Dr. Peter Masters, seit 1970<br />

Pastor und Prediger ist.<br />

Herausgeber<br />

MISSIONSWERK VOICE OF HOPE E. V.<br />

Eckenhagener Str. 43<br />

51580 Reichshof-Mittelagger<br />

Tel.: +49 2265 99749-0<br />

Fax: +49 2265 99749-29<br />

E-Mail: info@voiceofhope.de<br />

www.voiceofhope.de<br />

CHRISTLICHER VERLAG VOICE OF HOPE<br />

Tel.: +49 2265 99749-22<br />

www.voh-shop.de<br />

Bankverbindungen<br />

DEUTSCHLAND:<br />

Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

IBAN: DE98 3845 0000 1000 1033 31<br />

SWIFT-BIC: WELADED1GMB<br />

Postbank Frankfurt am Main<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

IBAN: DE81 5001 0060 0092 2236 07<br />

SWIFT-BIC: PBNKDEFF<br />

SCHWEIZ:<br />

PostFinance<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

DE-51580 Reichshof<br />

IBAN: CH80 0900 0000 9152 1048 7<br />

NIEDERLANDE:<br />

Rabobank<br />

Stichting Voice of Hope<br />

IBAN: NL76 RABO 0323 1819 29<br />

Hinweis<br />

Zweckgebundene Spenden werden<br />

grundsätzlich satzungsgemäß und für<br />

den vom Spender bezeichneten Zweck<br />

eingesetzt. Gehen für ein bestimmtes<br />

Projekt mehr Spenden als erforderlich ein,<br />

werden diese für einen ähnlichen satzungsgemäßen<br />

Zweck verwendet.<br />

Als gemeinnütziger Verein sind wir berechtigt,<br />

Ihnen Spendenbescheinigungen auszustellen.<br />

<strong>Die</strong>se können Sie dem Finanzamt<br />

vorlegen, sodass Ihre Spende bei Ihrer<br />

Steuererklärung Berücksichtigung findet.<br />

© <strong>2021</strong> VOICE OF HOPE, Germany<br />

Bildernachweis: Shutterstock,<br />

Lightstock, Voice of Hope<br />

Nachdruck oder Verwendung<br />

der in diesem Heft veröffentlichten<br />

Informationen sind nur mit ausdrücklicher<br />

Genehmigung der Redaktion gestattet.


Missionswerk<br />

Eckenhagener Str. 43<br />

51580 Reichshof-Mittelagger<br />

TEL.: +49 (0)2265 / 99 749-0<br />

E-MAIL: info@voiceofhope.de<br />

www.voiceofhope.de<br />

Da ein Christ nicht sich selbst gehört, sondern mit einem Preis<br />

erkauft wurde, soll er darauf bedacht sein, Gott in jeder Lebenssituation<br />

zu verherrlichen. Egal, welche Stellung er innehat oder an welchem<br />

Ort er sich befindet, er soll ein Zeugnis für Christus sein.<br />

Neben der Gemeinde Gottes soll sein eigenes Heim der Bereich sein,<br />

in dem seine Hingabe an Christus am deutlichsten wird.<br />

Alle Gepflogenheiten sollten das Siegel seiner himmlischen<br />

Berufung tragen. Alle Gewohnheiten sollten so angelegt sein,<br />

dass jeder, der eintritt, merkt: »GOTT IST HIER!«<br />

Arthur W. Pink

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!