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Wirtschafts-News I 2021 Wiesbaden

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W N<br />

<br />

SPEZIAL<br />

Kulturwandel nach Corona<br />

17<br />

gesunde Lebensweisen versucht habe zu kompensieren.<br />

Erst in Krisen besteht dann die<br />

Chance, die Spur zu wechseln – die Krise legt<br />

den Finger in verdrängte Wunden, in der Krise<br />

bricht die Illusion zusammen. Wir kommen nur<br />

dann aus der Krise, wenn wir uns der Substanz<br />

zuwenden, das ist: dem eigenen Wesen, dem<br />

Echten in uns und um uns herum.<br />

WN: Besseres Wissen reicht also nicht aus, um<br />

besser zu handeln?<br />

Dr. Mirriam Prieß: Wenn wir anders handeln, als<br />

es uns oder anderen guttut, dann tun wir dies<br />

immer auf dem Boden von eigener Kränkung.<br />

Diese ist meist unbewusst und für uns nicht<br />

spürbar. Unser Handeln ist auf der einen Seite<br />

Ausdruck der eigenen Verletzung und Wertlosigkeit<br />

– und auf der anderen Seite vermeintlicher<br />

Selbstschutz. Wenn ich andere Menschen<br />

beschimpfe oder klein mache, dann tue ich dies<br />

immer auf dem Boden von eigener innerer<br />

Kleinheit. Wenn ich ausbeute,<br />

dann bin ich selbst<br />

einmal ausgebeutet worden.<br />

Mir fehlt das eigene<br />

Wertebewusstsein, die<br />

damit verbundene Augenhöhe und Respekt. Ich<br />

setze in Beziehungen fort, was ich erfahren<br />

habe. Am Ende leben wir das im Außen, was<br />

wir in uns tragen – und was wir von Beginn<br />

unseres Lebens an von außen in uns aufgenommen<br />

haben.<br />

Je gesunder die Atmosphäre, in der wir aufgewachsen<br />

sind, umso gesunder wird die Atmosphäre<br />

in uns sein und umso gesunder werden<br />

wir Beziehung leben. Wenn ich über einen gesunden<br />

Selbstwert verfüge und mit mir in guter<br />

Beziehung stehe, dann ist es mir zuwider,<br />

meine Umwelt respektlos zu behandeln. Dann<br />

ist für mich ein Gleichgewicht zwischen Nehmen<br />

und Geben selbstverständlich. Je gekränkter<br />

und verletzter ich in meinem eigenen Selbst<br />

Am Ende leben wir<br />

das im Außen, was wir<br />

in uns tragen<br />

jedoch bin, umso mehr<br />

bewege ich mich in<br />

einer Welt von Angriff<br />

und Verteidigung,<br />

Täter und Opfer, Macht<br />

und Ohnmacht. In<br />

dieser Welt steht das<br />

eigene verletzte Ich im<br />

Vordergrund, dass es zu stabilisieren gilt.<br />

Ein Wir ist, wenn überhaupt, nur eingeschränkt<br />

möglich.<br />

WN: Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein<br />

für unsere Verletzlichkeit geschärft – „als Gruppe,<br />

als Gemeinschaft, als Bürger:innen Europas“,<br />

schreibt die Bertelsmann-Stiftung in ihrem<br />

Jahresbericht. Diese Einsicht stärke unsere<br />

Solidarität miteinander und den Willen, innovative<br />

Lösungen zu finden. Auch in unseren<br />

„WN-Spezial“-Beiträgen aus der Wirtschaft kann<br />

man über die Verschiebung von Werten, beeindruckende<br />

Innovationskraft sowie großes<br />

Verantwortungsgefühl lesen. Inwiefern ist hier<br />

das, was mit dem Begriff Resilienz bezeichnet<br />

wird, von Nöten?<br />

Dr. Mirriam Prieß: Resilienz beschreibt auf seelischer<br />

Ebene die psychische Widerstandskraft.<br />

Sie äußert sich in einer tiefen Beziehungsfähigkeit<br />

– und darin in einer Dialogfähigkeit.<br />

Resiliente Menschen begegnen sich selbst, der<br />

Umwelt und den Situationen auf Augenhöhe,<br />

sie erkennen die Realitäten an, anstatt sie vergeblich<br />

zu bekämpfen und<br />

versuchen innerhalb des<br />

möglichen, das Bestmögliche<br />

zu machen. Die Stärke<br />

besteht hier also nicht<br />

„Wenn ich über einen<br />

gesunden Selbstwert<br />

verfüge und mit mir in<br />

guter Beziehung stehe,<br />

dann ist es mir<br />

zuwider, meine<br />

Umwelt respektlos zu<br />

behandeln.”<br />

Die Stärke besteht in<br />

der Begegnungsfähigkeit<br />

im Widerstand, sondern in der Begegnungsfähigkeit<br />

– die sich in der Dialogfähigkeit ausdrückt.<br />

Hier geht es nicht um die verbale Kommunikation,<br />

sondern um eine Lebenshaltung, die sich<br />

in drei zentrale Kernaspekte gliedert:

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