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Zwischen dem Ein- und Ausatmen gibt es die Stille

Praxisbuch zu Atem und Pranayama, den Atemübungen des Yoga


Praxisbuch zu Atem und Pranayama, den Atemübungen des Yoga

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Yogacharya Hamsananda

Zwischen dem

Ein- und Ausatmen

gibt es die Stille

Praxisbuch zu Atem und

Pranayama, den Atemübungen

des Yoga

BoD Verlag


IMPRESSUM

© 2021 Yoga und Meditation

im Zentrum, Harbergen Retreat

Zentrum. Am Bahnhof

72 - 75, 27254 Staffhorst.

Herstellung und Verlag:

BoD Books on Demand,

Norderstedt

ISBN 978-3-7534-8125-8

Lektorat

Harald Bartels

Jan Chmilewski

Cordula Seppmann

Bildnachweis

Alle Fotos und Grafiken von

Hamsananda, außer:

Titel: Francesco Ungaro

Seite 6: Tomáš Malík

Seite 10: © Roland and Sabrina

Michaud / akg-images

Seite 12: Oben links und

oben rechts: © Anandananda/Jens

Evensen. Mitte

Rechts und Links: Pixabay

Seite 52-53: Egil Sjøholt

Seite 55: Privatbesitz Bjarke

und Audhild

Rückseite: Detlef-René

Spanka

Grafische Konzeption

One Point Design

onepointdesign.de

Herzlichen Dank

an alle, die zur Entstehung

dieses Buches beigetragen

haben: meine Frau Yoga

Shakti, Vasistha Jyoti,

Nina Schwethelm, Anders

Brysting, Mike Ramftler

(m-Part, Lüneburg), Erling

Christiansen, Martin

Garstecki, Claudia Munz,

Robert Konstantinovitsch,

Deborah Wetzel, hunderte

inspirierende Kursteilnehmerinnen

und Kursteilnehmer,

denen ich durch

die Jahre begegnet bin, und

nicht zuletzt an meinen

Lehrer Swami Janakananda

Saraswati.

Urheberrecht

Das Werk einschließlich aller

seine Teile ist urherberrechtlich

geschützt. Eine Vervielfältigung

oder Verbreitung

des Werkes oder Teilen

davon ist untersagt und

wird zivil- und strafrechtlich

verfolgt.

Hinweis

Die Anleitungen und

Ratschläge in diesem Buch

sind das Ergebnis einer jahrhundertelangen

und sorgfältigen

Entwicklung des Yoga

und von Jahren an Erfahrung

des Autors. Der Autor übernimmt

jedoch keine Haftung

für ihre Verwendung und die

Wirkungen der beschriebenen

Übungen.

Bibliografische Information

der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche

Nationalbibliothek verzeichnet

diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte

bibliografische Daten sind

im Internet über dnb.de

abrufbar.

4


INHALT

1 Der erste Atemzug 7

- Wie das Wissen über die Kraft des Atems

in unserer Sprache und Kultur

vorhanden ist 8

- Wie wir mit Energie umgehen 9

- Du möchtest doch schwimmen – und

nicht nur Wasser treten? 11

2 Der alltägliche Atem 13

- Die Funktion des Atems 13

- Die Mechanik des Atems 14

- Das Verhältnis zwischen dir und dem Atem 14

- Atme durch die Nase! 15

3 Einfache Übungen für den

Anfang und Vorbereitung auf

die Atemübungen 17

- Der vollständige Atem oder der Yogi-Atem 18

- Der Wellenatem 18

- Wenn die Nase verstopft ist 19

- Wie soll ich für die Atemübungen sitzen? 21

- Schließe die Form des Körpers – die

Haltung der Hände 24

- Die Verschlüsse, die bei den

Atemübungen verwendet werden 24

4 Wissen über die Atemübungen 26

- Das Prana und die Nadis 26

- Swara Yoga 28

- Ein- & Ausatmen und Kumbhaka - das

Atemanhalten 30

- Warum den Atem anhalten? 31

- Ausreichend Sauerstoff während

des Anhaltens 31

- Sollte ich die Atemübungen vor

oder nach meinem Yogaprogramm

praktizieren? 32

- Eine kurze Übersicht über den

Zusammenhang in dem die Atemübungen

vorkommen 32

5 Pranayama - die

Atemübungen des Yoga 35

- Der Wechselatem Nadi Shodana

– die Nadis reinigen 36

- Der psychische Atem – Ujjayi Pranayama 39

- Der Blasebalg - Bhastrika 40

- Der kühlende Atem – Sheetali und

Sheetkari 41

- Das Gefühl zu strahlen – Kapalabhati 42

- Der Sonnenatem – Surya Bheda 44

- Die Hummel – Bhramari 44

- Der schwebende Atem – Murchha 49

- Der quadratische Atem 49

- In welchem Verhältnis stehen die

Atemübungen zueinander und wie

kann ich die Pranayama kombinieren?

Der Anfang und der Blick nach vorne. 50

- Was rund um Pranayama zu

beachten ist – die Guidelines 51

6 Next Level 53

- Erweckung der Kundalini 54

7 Meditation und Atem 56

- Der spontane Atem – die Meditation 56

- Energie und Ruhe – Vishuddhi Shuddhi 57

- Gibt es etwas, das du innerlich möchtest,

dann nimm es dir. Mehr über Meditation. 58

8 Stichwortregister und Glossar 60

9 Quellen und Ressourcen 64

5


„Das Bewusstsein

der Geschöpfe

ist durch

das Atemholen

bedingt.“ ¹

Zhuang Zi

6


TEIL 1

Der erste Atemzug

Der Berg ist ein Symbol für all das, was du im Leben

erreichen kannst: Errungenschaften, Erfolge,

Einsicht. Auf eine Wanderung in Richtung Berge

kommen sie stets näher. Schritt für Schritt – Atemzug

für Atemzug gelangst du an das verheißungsvolle

Ziel, das noch vor einer Weile so weit entfernt

schien. Wir sind alle auf diesem Pfad. Für einige

mag dieses Ziel eine spirituelle Harmonie, für andere

praktische Ambitionen im Leben oder beides

sein. Manchen kommt es jedoch, trotz andauerndem

Bemühen, so vor, als bliebe der Berg doch

immer fern. Man marschiert und ackert und

kommt scheinbar wenig von der Stelle.

Könnten uns die Schritte nicht etwas leichter fallen?

Pranayama – die Atemübungen des Yoga –

sind wie geschaffen dafür, dir einen längeren

Atem zu geben. Die Pranayama geben dir Leichtigkeit

in Bewegung und Denken, aber auch die Freiheit,

nicht denken zu müssen.

Ein semiprofessioneller Tennisspieler nahm bei

mir an einem Wochenendkurs teil. Später buchte

er eine Einzelstunde, er wollte zwei Atemübungen

auffrischen, den Wechselatem und den Blasebalg

(S. 36 ff.). Bei dieser Gelegenheit erzählte er, dass

sich seine Ausdauer durch diese beiden Atemübungen

verbessert habe und er es leichter fand,

einen klaren Kopf zu behalten bzw. seine Strategie

durchzusetzen. Er sagte: „Ich habe das Gefühl,

Fitnesstraining im Sitzen zu machen“.

Während einer Schwangerschaft bekommt der

Atem, u. a. wegen des immer größer werdenden

Bauches und der daraus resultierenden Beeinträchtigung

des Zwerchfells, große Bedeutung für

die werdende Mutter. Es geht u. a. um die Sauer-

7


„In den letzten Jahrzehnten habe ich

über die Gesundheit und das, was

das Leben der Menschen am meisten

unterstützt, geforscht. Ich bin zu

einer Schlussfolgerung gekommen:

Der Atem ist der wichtigste Einzelfaktor.

Viele Maßnahmen können einen

guten Effekt haben, der Atem sollte

jedoch dabei sein, wenn das Ergebnis

gut und nachhaltig sein soll.“ ³

Dr. Audun Myskja

12


TEIL 3

Einfache Übungen für den

Anfang und Vorbereitung

auf die Atemübungen

Die Dynamik des Yoga entsteht durch das Zusammenspiel der einzelnen

Methoden – sie ergänzen einander organisch. Wie beim Lernen und Verstehen

überhaupt, gibt es im Yoga ebenfalls eine Entwicklung von grob zu fein - von

einfach zu komplex. Die Yogastellungen stehen als Vorbereitung für Pranayama

an erster Stelle. Sie entspannen, entfernen Hindernisse im Energiefluss und

verbessern u. a. die Funktion des Atems. Folgende Praktiken sind leichte, aber

wichtige Übungen – für den Anfang:

17


TEIL 3 - Vorbereitung auf die Atemübungen

Der vollständige Atem oder

der Yogi-Atem

Lege dich auf den Rücken und lege eine Hand auf

den Bauch und eine auf die Brust. Atme etwas

ein, sodass die Hand auf dem Bauch sich nach

oben bewegt – als ströme die Luft in den Bauchraum

hinein. Atme wieder aus. Atme noch mal

ein, diesmal tiefer, ebenfalls so, dass sich der

Bauchraum ausdehnt als würde er mit „Luft gefüllt“.

Um vollständig einatmen zu können, lasse

nun auch den Brustkob sich beim Einatmen weiten,

um richtig Luft zu holen. Fülle die Lungen

ganz. Halte den Atem kurz und ohne jede Anstrengung

an, dann lasse die Luft wieder ausströmen.

Wiederhole dies für 5 - 10 Runden, eventuell mit

einer kurzen Luftholpause dazwischen.

Der Yogi-Atem erhöht das Gefühl für die Möglichkeiten

des Atems, für tiefe Atemzüge und die

Leichtigkeit des Atemanhaltens. Atmen wir ganz

normal, tauschen wir ca. 500 ml Luft aus. Bei einer

vollständigen Einatmung kommen bis zu 1500 ml

hinzu!

Der Wellenatem

Lege dich auf den Rücken. Atme nun ein, sodass

sich der Bauch während des Einatmens hebt (wie

beim vollständigen Atem). Halte den Atem an.

Ziehe nun den Bauch ein, mach ihn ganz dünn,

der Brustkorb hebt sich (1). Lass dann den Bauch

groß und dick werden, die Brust sinkt ab (2). Zieh

den Bauch wieder ein, lass ihn dünn werden, wieder

dick, dünn, dick... bis es Zeit wird auszuatmen.

Von außen betrachtet sieht es wie eine Welle

aus, die sich hin und her bewegt. Wiederhole dies

einige Runden. Beginne mit langsamen Bewegungen.

Am Anfang mag der Bauchraum etwas träge

sein, das ändert sich und die Bewegungen werden

nun freier und schneller.

Wellenatem – Variante 2

Wie zuvor, atme hierbei nach dem Einatmen vollständig

aus und tue dasselbe – nun aber ohne

Luft im Körper.

Wellenatem 1 + 2 = 3

Kombiniere diese zwei Varianten. Mach den Wellenatem

erst mit Luft, dann atme aus und mach

direkt weiter ohne Luft, dann wieder mit usw...

Der Wellenatem lockert den Bauchraum und das

Zwerchfell – entscheidend für einen tiefen, vollen

Atem. Die Därme werden massiert und die peristaltischen

Bewegungen stimuliert.

18


Wenn die Nase verstopft ist

Es ist natürlich, dass mal durch das eine und mal

durch das andere Nasenloch mehr Luft strömt,

mal ist die rechte Nasenseite aktiver und mal die

linke, und etwa alle 80 Minuten findet ein Wechsel

statt. (siehe auch Swara Yoga, S. 28). Wenn ein

Nasenloch jedoch erheblich blockiert ist, werden

das Atmen sowie die Atemübungen erschwert.

Die folgenden Vorkehrungen helfen dir, die Nase

frei zu machen.

Die Nasenspülung – Neti

reinigt die Nase und sorgt für eine bessere Luftdurchströmung

– schön nicht nur für Atemübungen.

Außerdem ist sie bei den meisten Beschwerden,

die mit Nase und Atem zu tun haben,

außerordentlich hilfreich. Sie entfernt Staub,

Pollen, Schmutz und Schleim aus der Nase und

stimuliert die Selbstreinigungsfunktion der

Schleimhaut. Sie schützt wirkungsvoll gegen Erkältungskrankheiten,

hilft bei (Pollen-) Allergie

und Nasennebenhöhlenentzündung. Außerdem

ist Neti ganz unkompliziert und angenehm. Wenn

du damit einmal angefangen hast, möchtest du

nicht mehr auf die tägliche Spülung verzichten.

Verwende für die Nasenspülung eine Nasenspülkanne.

Es gibt viele Modelle auf dem Markt, nicht

alle schneiden gut ab, was Ergonomie und Wasserfluss

betrifft. Ich empfehle eine Kanne mit einem

langen Ausgießer und ausreichend Volumen,

die das Wasser angenehm und leicht durch die

Nase strömen lässt.

Wer jemals im Mittelmeer gebadet hat, weiß, wie

die Nase beim Schwimmen unter Wasser gereizt

wird. Die Salzkonzentration im Mittelmeer liegt im

Schnitt bei 3,5%. Süßwasser ist ebenfalls für die

Spülung recht unangenehm. Der Körper – und damit

auch die Nasenschleimhaut – hat einen Eigensalzgehalt

von 0,9%. Wenn Salz in lauwarmen

Wasser in diesem Verhältnis (9 Gramm pro Liter)

für die Spülung aufgelöst wird, fühlt sich dies angenehm

an – wie wenn wir unter der Dusche stehen.

In die Tat umgesetzt: Vermische Wasser und Salz

in der Kanne sorgfältig. Nimm die Kanne in die

Hand, beuge dich etwas nach vorne über das

19


TEIL 5 - Pranayama - die Atemübungen des Yoga

Der Wechselatem

Nadi Shodana

- die Nadis reinigen

Setze dich zunächst in

eine Meditationsstellung. Schließe

die Augen und lasse den Körper zur

Ruhe kommen. Platziere Zeige- und

Mittelfinger der rechten Hand auf

dem Augenbrauenzentrum (der

Punkt über der Nasenwurzel). Verschließe

nun das rechte Nasenloch

mit dem Daumen und atme langsam

durch das linke Nasenloch vollständig

ein. Schließe nun das linke Nasenloch

mit dem Ringfinger, öffne

das rechte und atme nun langsam

und vollständig durch das rechte Nasenloch

aus. Atme wieder durch das

rechte Nasenloch ein, verschließe es

mit dem Daumen, öffne das linke

und atme langsam durch das linke

Nasenloch aus. Dies ist eine Runde.

Atme immer durch dasselbe Nasenloch

ein, durch das du zuvor ausgeatmet

hast, dann wieder durch das andere aus usw.

Der Fokus sollte auf Langsamkeit liegen, verzögere

den Atem so weit es dir möglich ist und atme

tief und vollständig ein und aus. Mache dennoch

Nadi Shodana so leicht und unangestrengt wie

möglich. Danach bleibe einige Minuten mit geschlossenen

Augen in der Stellung sitzen, damit

die Ruhe, die du erlangt hast, sich verfestigt.

Beginne mit 11 Runden, nach einer Woche erhöhe

auf 16, dann auf 21 und schließlich auf 25. Wenn

du dies gut meisterst, mache mit der nächsten Variante

weiter.

Variante 2 – die Steigerung

Der Rundenverlauf (links einatmen, rechts aus,

rechts ein und links ausatmen) bleibt wie in der

vorherigen Version, halte nun aber nach dem Einatmen

den Atem eine Weile an, während beide

Nasenlöcher geschlossen sind. Wie lange du den

Atem anhalten solltest, ist (noch) nicht vorgegeben

– bequem lange erst mal. Ein- und Ausatmen

sind immer noch langsam, der Schwerpunkt wird

allerdings ein wenig zum Vorteil des Anhaltens

verschoben. Umfang: 7 Runden. Das Atemanhalten

kann in dieser und späteren Versionen als

36


Variante mit dem Kinn- und Wurzelverschluss

(Jalandhara und Mula Bandha – S. 25) kombiniert

werden.

Variante 3 – die weiterführende

Version

Atemverlauf wie in Variante 2, halte jedoch zwischen

dem Einatmen, Anhalten und Ausatmen

das Verhältnis 1 : 4 : 2 ein. Beispiel: Atme ein, während

du langsam bis 6 zählst, halte den Atem an

während du bis 24 zählst und zähle bis 12 während

du ausatmest. Auf dem „Rückweg“ dasselbe.

Zähle während der Übung in einem konstanten

Rhythmus.

Dies ist aber nur ein Beispiel, die Zahlen können

niedriger oder höher sein. Viel niedriger allerdings

nicht, mit 1 kann man zum Beispiel nicht

ordentlich einatmen, und das ist wiederum wichtig

für das leichte Anhalten. Mit Zeit und Übung

erhöhe die Zahlen allmählich bis 20 : 80 : 40.

In einer Übergangszeit zwischen Variante zwei

und drei könnte zunächst eine Zeit lang stattdessen

das Verhältnis 1 : 2 : 2 verwendet werden.

Die Schlange und Nadi Shodana

Sohan Qadri, ein begnadeter Künstler

aus Kaschmir in Indien, erzählte mir

die Geschichte einer Schlange, die er

über längere Zeit im Fluss geduldig

beobachtete. Die Schlange kam zur

Oberfläche, atmete durch ein Nasenloch

ein, tauchte eine ganze Weile

unter, tauchte wieder auf, lehnte den

Kopf zur anderen Seite, atmete durch

das andere Nasenloch aus, atmete

durch das gleiche gleich wieder ein,

tauchte, tauchte auf und atmete

durch das andere Nasenloch wieder

aus. Machen die Schlangen also Nadi

Shodana? Sicher ist, dass die Schlangen,

wie in Nadi Shodana, sehr langsam

atmen und lange leben.

Erhöhe auch hier die Zahlen nach und nach und

wenn du es für angemessen hältst wechsle auf

1 : 4 : 2. Umfang: 5 Runden

Variante 4 – für Fortgeschrittene

Nun halte den Atem auch nach dem Ausatmen an,

im Verhältnis 1 : 4 : 2 : 2. Umfang: 5 Runden.

Arbeitsrhythmus

Gehe mit Nadi Shodana systematisch voran, starte

mit der leichten Version und gehe erst zur

nächsten Stufe weiter, wenn du die vorherige beherrschst

und gut mit ihr zurechtkommst. Regelmäßigkeit

mit Nadi Shodana ist kein Muss, aber

ein enormer Vorteil, um voran zu kommen. Mit An-

37


TEIL 5 - Pranayama - die Atemübungen des Yoga

te ebenso die Reproduktion des Covid-19 Virus

reduzieren 20 .

Während einer Runde Bhramari kann dieselbe

Menge Stickoxid produziert werden wie innerhalb

einer halben Stunde bei normalem Atem bzw. diese

um das 15fache erhöhen, verglichen mit der

Ausatmung ohne Summen.

Netzwerkaktivität im Gehirn

- die ungewöhnlichen Gamma-Wellen

Zuvor habe ich die vier klassischen Frequenzbereiche,

die in unserem Gehirn gemessen werden

können, genannt (S. 38). Dazu möchte ich jetzt

einen fünften hinzufügen, die ungewöhnlichen

Gamma-Wellen, die sich im hohen Frequenzbereich

zwischen 25 und 140 Hz befinden. Dieser Bereich

hat mit einer sehr hohen Netzwerkaktivität

im Gehirn zu tun, ein Stadium, in der vielen Funktionen

im Gehirn gleichzeitig arbeiten und das in

speziellen Meditationsformen zu beobachten ist.

Dieses Phänomen hat eine Studie 21 nun auch bei

Personen, die Bhramari übten, gemessen.

Eine klangvolle Stimme und Balsam für das Ohr

bzw. Gehör zu sein, zählt ebenfalls zu den Qualitäten

dieses Pranayama. Bhramari bedeutet eine

große schwarze Biene oder Hummel. Ich bevorzuge

die Übersetzung als Hummel, denn der Ton

sollte so tief wie möglich sein. Als Substantiv

heißt Bhramari „das, was aus der Hummel

kommt“, nämlich Honig – süß wie Honig.

48


Der schwebende Atem -

Murchha

(Bild unten auf Seite 48) Setze dich in

eine Meditationsstellung mit den Händen auf den

Knien. Atme tief ein, lehne den Oberkörper mit gestreckten

Armen ein wenig nach vorn – wie beim

Kinnverschluss (S. 25). Aber anstatt den Kopf nach

vorn zu beugen wie im normalen Kinnverschluss,

lege ihn nach hinten. Öffne die Augen und schiele

auf das Augenbrauenzentrum. Achte darauf, dass

die Lendenwirbelsäule möglichst gerade ist. Halte

den Atem so lange wie möglich an. Dann schließe

die Augen wieder, sitze normal aufrecht und atme

ruhig durch die Nase aus.

In der Sanskrit-Sprache kann ein Wort

mehrere Bedeutungen haben, je nach Zusammenhang.

Der Yogi Swami Satyananda übersetzt

Murchha mit „schweben“, „der schwebende

Atem“. Murchha kann aber auch „in Ohnmacht

fallen“ bedeuten. Das ist nicht wörtlich gemeint,

eher sollte es so verstanden werden, dass sich

unser Verständnis der Physik und unsere Auffassung

von Raum, Form und der physischen Dimension

ändert – wie wenn man in Ohnmacht fällt. Bei

der Ausübung von Murchha schwindet der physikalische

Rahmen in unserem Bewusstsein, die

Aufmerksamkeit wendet sich nach innen – ein Gefühl

des Schwebens – die beste Basis für Meditation.

Murchha kann verborgene Schichten in deinem

Bewusstsein transparenter machen.

Der quadratische Atem

Im quadratischen Atem sind die vier

Phasen des Atems, die Einatmung, das Anhalten

danach, die Ausatmung und das Anhalten nach

der Ausatmung gleich lang: Du atmest ein, hältst

den Atem genauso lange an, wie es gedauert hat

einzuatmen, atmest eben solange aus und hältst

den Atem nochmals genauso lange an. Zähle jeweils

langsam mental während der einzelnen

Phasen, um sicher zu sein, dass diese gleich lang

sind z. B. 4:4:4:4 oder andere Zahlen in demselben

Verhältnis. Alles in allem sollte der Atem entspannt

sein, wähle deshalb die Zahlen, die zu

deinem Atem passen. Variante: Mit dem Ujjayi

Atem (S. 37), dann aber in einer Meditationsstellung.

Der quadratische Atem wird hier nach den

anderen Atemübungen eingereiht. Aus der Sicht

der Einfachheit geschieht dies wohl sicher zu Unrecht,

denn diesen Atem kann jeder jederzeit –

unabhängig von einer bestimmten Stellung – verwenden:

eine Übung und ein Atem für alle Fälle

und für jede erdenkliche Situation.

Normalerweise ist der Atem auf das Ein- und Ausatmen

gerichtet – eventuell mit einem kurzen Anhalten.

Bei diesem Atem wird das Anhalten verlängert,

dies wirkt beruhigend (wie das Halten

des Atems generell) und gibt ein besseres inneres

Gleichgewicht. Der Atem ist leicht und kann „aus

dem Stand“ gemacht werden – ideal auch in geladenen,

angespannten Situationen.

49


Der Atem ist ein bedeutender Schlüssel zur Zeit und zum Raum, zur

Inspiration und Gesundheit. Der Atem kann mehr als atmen, er

bewegt und verändert. Dieses Praxisbuch beginnt mit dem Atem, so

wie er gerade ist, und entwickelt die Reichweite und Tiefe stets weiter.

Es gibt dem Atem die volle Aufmerksamkeit aus der Sicht des

Yoga, erklärt von einem Yogalehrer mit über 40 Jahren persönlicher

Erfahrung und Unterrichtspraxis.

Das Buch wendet sich an diejenigen, die gerade erst anfangen und an

die, die schon länger aus den Startlöchern sind, sowie Lehrende, die

mehr über das, was sie sowieso unterrichten, wissen wollen.

Yogacharya Hamsananda

wurde in Dänemark geboren, ist dort aufgewachsen und lebt seit über

30 Jahren in Deutschland. Schon als Jugendlicher interessierte er sich

für Meditation und begab sich mit 19 Jahren nach Kopenhagen, um an

der Universität Sanskrit zu studieren. Er wurde zunehmend auf Yoga

aufmerksam und in den folgenden 12 Jahren lernte er bei seinem

Lehrer Swami Janakananda in dessen Ashram.

Er gab Kurse vielerorts in Norwegen, Dänemark und Schweden. 1988

gründete er die Schule Yoga und Meditation im Zentrum in Hannover,

2004 wurde er zum Yogacharya (Yogameister) ernannt. Die Schule

wurde 2008 mit dem Harbergen Retreat Zentrum in der Weser-Region

erweitert.

ISBN 978-3-7534-8125-8

Er hat an zahlreichen wissenschaftlichen Studien zur Darlegung der

positiven 70 Wirkungen von Yoga und Meditation mitgewirkt.

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