Beispielhafte Hochhaus-Sanierung - Fassade

Beispielhafte Hochhaus-Sanierung - Fassade Beispielhafte Hochhaus-Sanierung - Fassade

23.12.2012 Aufrufe

Die Fertigstellung von Mehrfamilienhäusern erreichte während des Baubooms der frühen 70er-Jahre Spitzenwerte bis zu 40 000 Einheiten/a. 30 Jahre sind seitdem vergangen. Dazwischen lagen die erste große Energiekrise und in deren Folge dann die mehrfache Novellierung der Wärmeschutzverordnung. Um den enormen Bestand aus dieser Zeit, soweit er von Wohnungsgesellschaften betreut wird, für Mieter und Eigentümer wieder attraktiv zu machen, sind umfangreiche Sanierungen erforderlich und für die kommenden Jahre zu erwarten. Beispielhafte Hochhaus-Sanierung Die Fassaden und Fenster stehen dabei im Vordergrund. Ihre Modernisierung sollte sich an den nachstehend genannten grundsätzlichen Gesichtspunkten orientieren: 1. Auswahl von Konstruktionen und Baustoffen, die eine nachhaltig mängelfreie Berücksichtigung des Altbauzustandes erwarten lassen; 2. Anwendung bauphysikalisch einwandfreier Lösungen, die auch auf Dauer un- geschmälert die Wärmeverluste reduzieren und in der Folge dann auch die CO2-Emissionen; 3. Minimierung der Wartungskosten als wesentlicher Bestandteil der ganzheitlichen, über die gesamte Lebensdauer zu betrachtenden Wirtschaftlichkeit; 4. Einsatz von Technologien, die eine weitgehend belästigungsfreie Sanierung im bewohnten Zustand zulassen; FASSADEN-ARCHITEKTUR Die neue sandfarbene Alphaton-Ziegelfassade gibt dem weithin sichtbaren, dominanten Solitär-Baukörper eine neue Qualität. Trotz stark gegliederter, gefächerter Grundriss-Struktur, war es im Zusammenhang mit dem vorgehängten Alphaton-Fassadensystem dennoch möglich, eine ausreichende Wärmedämmung unterzubringen. 5. positive Beeinflussung der Mieterstruktur als wirtschaftlicher Faktor auf der Einnahmenseite; 6. gestalterische Berücksichtigung des ursprünglichen Bauwerk-Charakters sowie der Einbindung in die Umgebungsbebauung. Am Beispiel einer Hochhaus-Sanierung der Städtischen Wohnungsgesellschaft in Bremerhaven soll im Folgenden die Umsetzung dieser Grundsätze beschrieben werden. FASSADE 4-5/2003 9

Die Fertigstellung von Mehrfamilienhäusern<br />

erreichte während des<br />

Baubooms der frühen 70er-Jahre<br />

Spitzenwerte bis zu 40 000 Einheiten/a.<br />

30 Jahre sind seitdem vergangen.<br />

Dazwischen lagen die erste große<br />

Energiekrise und in deren Folge dann<br />

die mehrfache Novellierung der<br />

Wärmeschutzverordnung. Um den<br />

enormen Bestand aus dieser Zeit,<br />

soweit er von Wohnungsgesellschaften<br />

betreut wird, für Mieter und<br />

Eigentümer wieder attraktiv zu<br />

machen, sind umfangreiche<br />

<strong>Sanierung</strong>en erforderlich und für die<br />

kommenden Jahre zu erwarten.<br />

<strong>Beispielhafte</strong><br />

<strong>Hochhaus</strong>-<strong>Sanierung</strong><br />

Die <strong>Fassade</strong>n und Fenster stehen dabei<br />

im Vordergrund. Ihre Modernisierung<br />

sollte sich an den nachstehend<br />

genannten grundsätzlichen Gesichtspunkten<br />

orientieren:<br />

1. Auswahl von Konstruktionen und Baustoffen,<br />

die eine nachhaltig mängelfreie<br />

Berücksichtigung des Altbauzustandes<br />

erwarten lassen;<br />

2. Anwendung bauphysikalisch einwandfreier<br />

Lösungen, die auch auf Dauer un-<br />

geschmälert die Wärmeverluste reduzieren<br />

und in der Folge dann auch die<br />

CO2-Emissionen;<br />

3. Minimierung der Wartungskosten als<br />

wesentlicher Bestandteil der ganzheitlichen,<br />

über die gesamte Lebensdauer<br />

zu betrachtenden Wirtschaftlichkeit;<br />

4. Einsatz von Technologien, die eine<br />

weitgehend belästigungsfreie <strong>Sanierung</strong><br />

im bewohnten Zustand zulassen;<br />

FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />

Die neue sandfarbene Alphaton-Ziegelfassade gibt dem weithin sichtbaren, dominanten<br />

Solitär-Baukörper eine neue Qualität. Trotz stark gegliederter, gefächerter Grundriss-Struktur,<br />

war es im Zusammenhang mit dem vorgehängten Alphaton-<strong>Fassade</strong>nsystem<br />

dennoch möglich, eine ausreichende Wärmedämmung unterzubringen.<br />

5. positive Beeinflussung der Mieterstruktur<br />

als wirtschaftlicher Faktor auf der<br />

Einnahmenseite;<br />

6. gestalterische Berücksichtigung des ursprünglichen<br />

Bauwerk-Charakters sowie<br />

der Einbindung in die Umgebungsbebauung.<br />

Am Beispiel einer <strong>Hochhaus</strong>-<strong>Sanierung</strong> der<br />

Städtischen Wohnungsgesellschaft in Bremerhaven<br />

soll im Folgenden die Umsetzung<br />

dieser Grundsätze beschrieben werden.<br />

FASSADE 4-5/2003<br />

9


FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />

Hohe Wärmeverluste, Risseschäden,<br />

Durchfeuchtungen<br />

Das 10- bis 13-geschossige <strong>Hochhaus</strong> mit<br />

90 Mietwohnungen bei einer Wohnfläche<br />

von insgesamt 6161 m 2 wurde ursprünglich<br />

als gefächert gegliederter Solitär-<br />

Baukörper konzipiert und ist als städtebauliche<br />

Dominante weithin sichtbar. Ergänzt<br />

wird die Wohnanlage noch um ein<br />

dreigeschossiges Gebäude mit nochmals<br />

30 Wohneinheiten und 2 214 m 2 Wohnfläche.<br />

Problempunkte dieser Anlage aus<br />

dem Jahr 1973 waren primär die infolge<br />

eindringender Nässe und durch Frostschäden<br />

zunehmend instabilen Klinkerfassaden<br />

sowie Taupunktverlagerungen<br />

im Wandaufbau aufgrund thermisch<br />

nicht getrennter Alu-Fenster. Da, insbesondere<br />

im Hinblick auf die gravierenden<br />

Wärmeverluste, beides – <strong>Fassade</strong> und<br />

Fenster – nicht voneinander zu trennen<br />

war, hat sich die Städtische Wohnungsgesellschaft<br />

mit ihrem Architekten H.-J.<br />

Ewert für eine umfassende <strong>Sanierung</strong><br />

entschlossen, um so zugleich auch alle<br />

Randbedingungen der Bauschäden zu<br />

berücksichtigen.<br />

10<br />

FASSADE 4-5/2003<br />

17,5 cm bzw. 24 cm Kalksandstein, 7 cm<br />

Luftschicht und 11,5 cm Klinkerschale,<br />

keine Wärmedämmung – das war die Ausgangssituation.<br />

Das Verblendmauerwerk<br />

war aufgelagert auf den herausbetonierten<br />

Geschoßdecken, die man in diesem<br />

Bereich zur einheitlichen <strong>Fassade</strong>ngestaltung<br />

mit Klinkerriemchen kaschiert hatte.<br />

Das Schadensbild: extreme Wärmebrücken,<br />

thermische Längenänderungen,<br />

Rissebildungen, eindringendes Wasser,<br />

Frostabplatzungen, verringerte Schlagregensicherheit.<br />

70% Wärmeeinsparung durch<br />

intelligente Bausysteme<br />

Um diese Schäden nachhaltig mängelfrei<br />

zu beheben, entschied man sich in Bremerhaven<br />

grundsätzlich für eine kleinteilige,<br />

vorgehängte <strong>Fassade</strong>, die den unvermeidlichen<br />

Bewegungen des Baukörpers<br />

genügend Spielraum läßt und gleichzeitig<br />

den Einbau einer ausreichenden zusätzlichen<br />

Wärmedämmung möglich machte.<br />

Die dezidierten Anforderungen an Material,<br />

Gestaltqualität und Konstruktionsprinzip<br />

führten dann schließlich zur Wahl<br />

der Moedinger Ziegelfassade auf horizontaler<br />

Unterkonstruktion.<br />

Die konsequente Funktionstrennung von<br />

tragendem Mauerwerk, Wärmedämmung,<br />

Hinterlüftung, Unterkonstruktion und<br />

Ziegelbekleidung erlaubt es bei diesem<br />

System, alle Aufgaben der <strong>Fassade</strong> optimal<br />

auszulegen. So werden beispielsweise<br />

Rissebildungen als Folge von Zwangskräften<br />

durch die elastische Befestigung im<br />

Zusammenhang mit dem hohen Fugenanteil<br />

nachhaltig sicher vermieden. Desweiteren<br />

läßt es die verwendete horizontale<br />

Unterkonstruktion zu, mit einem Minimum<br />

an Befestigungspunkten auszukommen.<br />

Lediglich die vertikalen und bereits<br />

vorgebohrten Grundprofile waren an dem<br />

Gebäudekörper zu verankern. Sie überspannen<br />

im Abstand von bis zu 1 250 mm<br />

jeweils ein Geschoß und wurden an den<br />

auskragenden Geschoßdecken befestigt.<br />

Die entsprechend geringe Anzahl von<br />

Wandhaltern ist darüberhinaus wärmegedämmt,<br />

sodass Wärmebrücken bei diesem<br />

Konstruktionsprinzip gegenüber anderen<br />

Unterkonstruktionen deutlich minimiert<br />

werden konnten. Zusammen mit der 12 cm<br />

dicken Wärmedämmung würde so der<br />

Der zeitgemäßen<br />

neuen <strong>Fassade</strong>nbekleidungentsprechend,<br />

wurde<br />

die Eingangssituation<br />

als Zeichen moderner<br />

Bautechnik völlig<br />

neu gestaltet und um<br />

eine behindertengerechte<br />

Zuwegung<br />

ergänzt. Architekt:<br />

Stäwog Planungsabteilung<br />

mit H.-J.<br />

Ewert, Bremerhaven


Horizontale Zierprofile in jedem zweiten Stockwerk tragen zusammen<br />

mit der neu gestalteten breiten Attika deutlich zu einer optischen Minimierung<br />

der Höhe dieses 13-geschossigen Bauwerks bei. Gleichzeitig<br />

wird die Maßstäblichkeit der alten Klinkerfassade wieder aufgenommen<br />

und durch die vorhängte und hinterlüftete Ziegelfassade zeitgemäß<br />

interpretiert.<br />

Jahres-Heizwärmebedarf Q, nach Berechnung<br />

des Energieinstitutes der Uni Bremen,<br />

von 1090 600 kWh auf 301000 kWh<br />

gesenkt werden und entsprechend der<br />

CO2-Ausstoß von 54,10 kg/m 2 und Jahr<br />

auf einen Wert von 12,22. Damit wurde<br />

die für die Gewährung von KfW-Mitteln<br />

geforderte CO2-Reduzierung von mindestens<br />

40 kg/m 2 und Jahr überschritten.<br />

Entscheidend dazu beigetragen hat der<br />

Einbau wärmeschutzverglaster Kunststofffenster,<br />

die als vormontierte Einheiten,<br />

einschließlich Zargen, sauber in das<br />

<strong>Fassade</strong>nraster eingebunden worden sind.<br />

Schließlich sorgt die Hinterlüftung der<br />

Ziegelfassade dafür, dass die Wärmedämmung<br />

stets trocken und dauerhaft funktionsfähig<br />

bleibt und das alte, z. T. durchfeuchtete<br />

Mauerwerk ausgetrocknet wird.<br />

Gleichzeitig trägt die Hinterlüftung positiv<br />

zum sommerlichen Wärmeschutz bei,<br />

indem Wärmestau hinter der <strong>Fassade</strong> verhindert<br />

wird.<br />

Minimierung der<br />

Wartungskosten<br />

Bei einer Wand-Hüllfläche von ca. 8 000<br />

m 2 , allein bei dem besonders kritischen<br />

<strong>Hochhaus</strong>, waren die voraussichtlichen<br />

Instandhaltungskosten ein wesentlicher<br />

Kalkulationsfaktor hinsichtlich der Entscheidung<br />

für die neue <strong>Fassade</strong>nbekleidung.<br />

Das ursprünglich für die <strong>Sanierung</strong><br />

angedachte Wärmedämmverbundsystem<br />

schied vor dem Hintergrund des Wartungsaufwandes<br />

aus, da hier vorraussichtlich<br />

bei dem Bremerhavener Seeklima<br />

FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />

Bestand<br />

<strong>Fassade</strong> vor der <strong>Sanierung</strong><br />

FASSADE 4-5/2003<br />

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FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />

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Sanierte <strong>Fassade</strong><br />

FASSADE 4-5/2003<br />

Das <strong>Fassade</strong>nraster wurde durch Schnittplatten den neuen, in<br />

die Dämmebene nach vorne versetzten Fenstern angepaßt.<br />

Fotos: Moeding Keramikfassaden (Veit S. Müller, Hamburg).<br />

alle 10 bis 12 Jahre ein neuer Anstrich erforderlich geworden<br />

wäre. Allein die Einrüstung dafür, mit einem Kostenansatz von<br />

ca. 250 000 Euro schreckte die Planer ab. Die Gefahr erneuter<br />

Rissebildungen sprach ebenfalls dagegen, sodass im Saldo die<br />

in ihrer Erstellung zwar etwas teurere Ziegelfassade (ca.<br />

15 000 Euro Mehrkosten gegenüber WDVS bei einem Gesamtaufwand<br />

für das Objekt von ca. 2,5 Mio. Euro) mittelfristig<br />

auf jeden Fall die wirtschaftlichere Lösung ist. Das natürliche<br />

Ziegelmaterial, ebenso wie die Alu-Unterkonstruktion<br />

sind seewasserfest, die Tragkonstruktion und die Wärmedämmung<br />

darüberhinaus sicher gegen Witterungseinflüsse geschützt<br />

und erneute Rissebildungen aufgrund der flexiblen<br />

Konstruktion ausgeschlossen. Nachhaltige Energieeinsparung,<br />

geringste Wartungskosten, Zuverlässigkeit und Werthaltigkeit<br />

begründeten deshalb eindeutig die Entscheidung des Architekten<br />

für die vorgehängte und hinterlüftete Ziegelfassade,<br />

was übrigens grundsätzlich auch durch die Schadensberichte<br />

des Bundesbauministeriums bestätigt wird. Hier eine Auszug<br />

daraus: „von 388 Schäden an Außenwänden betrafen 240<br />

einschalige Konstruktionen, 135 zweischalige und 13 vorgehängte,<br />

hinterlüftete Systeme“.<br />

<strong>Sanierung</strong> im<br />

bewohnten Zustand<br />

Wenig Lärm, wenig Staub, – das waren zusätzliche Forderungen<br />

an die verwendeten Technologien, um die Mieter während<br />

der <strong>Sanierung</strong> weitgehend zu schonen. Auch diese Prämisse<br />

sprach eindeutig für die ausgewählte Ziegelfassade mit<br />

horizontaler Unterkonstruktion. Lediglich die im Abstand von<br />

bis zu 1 250 mm Geschoß-überspannenden, vorgefertigten


Ost-Ansicht<br />

Grundprofile waren an den herausbetonierten Decken anzubohren;<br />

die weitere Montage der ebenfalls vorbereiteten horizontalen<br />

Tragprofile und das Einhängen der Ziegelplatten erfolgt<br />

dann ohne viel Lärm und absolut staubfrei. Dagegen<br />

wären für den Fall einer <strong>Sanierung</strong> mit WDVS ca. 80 000 Bohrungen,<br />

allein zur Sicherung der bestehenden Klinkerschale<br />

notwendig geworden. Das Austauschen der Fenster erfolgte<br />

ebenfalls zeitsparend und mit geringstem örtlichen Anpassungsaufwand<br />

im zusammengebauten Zustand mit vorgefertigten<br />

Zargen, um so auch die Innenarbeiten auf ein Minimum<br />

zu begrenzen. Zur Unterstützung der o. g. Mieter-schonenden<br />

<strong>Sanierung</strong>smaßnahmen wurde von der Bremerhavener Wohnungsbaugesellschaft<br />

darüberhinaus eine Baustellenordnung<br />

entwickelt, die den Rest der dennoch unvermeidbaren Belästigungen<br />

regelte und vermeidbare Beeinträchtigungen, wie<br />

beispielsweise Radiomusik o. ä., untersagte und feste Ruhezeiten<br />

der Bewohner berücksichtigte.<br />

Mit der neuen Ziegelfassade würde das äußere Erscheinungsbild<br />

deutlich aufgewertet. Der ursprüngliche Charakter des Klinkerbaus<br />

blieb erhalten und die Einbindung in die Umgebungsbebauung<br />

als dominanter Solitär-Baukörper hat eine neue<br />

Qualität bekommen. Ein hocheffizientes <strong>Fassade</strong>nsystem, sowie<br />

der intelligente Einbau neuer Fenster haben diese gelungene<br />

<strong>Hochhaus</strong>sanierung ermöglicht – nachhaltig wirtschaftlich,<br />

Ressourcen-schonend, mit hoher Gestaltqualität, zu üblichen<br />

Baukosten. Die gleichzeitige Modernisierung des Wohnungsstandards<br />

und der Infrastruktur, insbesondere aber der um<br />

ca. 70% gesenkte Heizwärmebedarf haben darüberhinaus das<br />

Objekt für Mieter wieder interessant gemacht (die Leerstandsquote<br />

ging von 30% auf Null zurück) und dem Eigentümer<br />

einen erweiterten Spielraum für Mietanpassungen geschaffen.<br />

West-Ansicht<br />

FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />

FASSADE 4-5/2003<br />

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