RESONANZ - INTERKULTUR WISSENSMAGAZIN 04|05 2021
Mehrsprachig konzipiert, gibt das InterKultur Wissensmagazin RESONANZ ein abwechslungsreiches Bild vom interkulturellen Leben in der Metropolregion Nürnberg. Im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen wird das Magazin kostenlos an über 1800 Auslagestellen zum Mitnehmen ausgelegt. Zudem ist Resonanz in mehrsprachigen Bildungseinrichtungen und Institutionen in 47 Staaten verbreitet. Erscheint im NABI Verlag, Nürnberg. Mehr Infos unter: www.resonanz-info.de
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M E N S C H E N I L Ä N D E R I K U L T U R W E L T E N
DIE GROßEN DENKER DER SEIDENSTRAßE
Platon, Aristoteles und Kant sind nahezu
jedem ein Begriff. Aber wusstet ihr,
dass es ohne al-Charizmi womöglich
keine Computer gäbe? Oder dass unsere
Kenntnisse über Medizin 600 Jahre
lang von den Grundlagen Avicennas
maßgeblich mitgeprägt wurden? Mit der
Seidenstraße fing alles an. Dabei wurden
viele gute Dinge mit Papier begonnen.
Die Seidenstraße ist eine der berühmtesten
Fernhandelsrouten der Geschichte.
Mit der großen Karawanenstraße verbinden
die meisten einen alten Handelsweg
für Waren, die auf Kamelen transportiert
wurden. Weniger bekannt ist, in welchem
Maß auf der Route auch Wissenstransfer
stattgefunden hat. Dieser wiederum wurde
erst möglich, als eine Erfindung sich wie
ein Lauffeuer auszubreiten begann: das
Papier. Karawanen transportierten es bald
in Massen. Die Erfindung stammt bekanntlich
aus China. Lange versuchte man, das
Geheimnis der Produktion zu bewahren.
Im Jahr 751 gelangte das Wissen über die
Herstellung von Papier durch die Preisgabe
chinesischer Kriegsgefangener nach
Samarkand, so die Überlieferung.
Dort gelang es, innerhalb kurzer Zeit die
Papiermacherei technisch weiterzuentwickeln
und auf eine höhere Stufe als die
der Chinesen zu bringen. Damit wurde
Samarkand (heutiges Usbekistan) zum
Zentrum der Papierproduktion in der
gesamten orientalischen Welt. Auf den
Karawanenstraßen wurde das in Buchara
Seidenstraße: Bis zu zwei Jahre brauchten die Karawanen für die Strecke.
Samarkand | Ulugbek Mukhamedov
Samarkander Papier
und Samarkand hergestellte Papier in
europäische Länder geliefert. Abschriften
der großen antiken Denker wie Platon und
Aristoteles waren zu Spottpreisen auf
jedem Basar erhältlich.
Diese 'goldene Epoche' ist mit einer Reihe
bedeutender Universalgelehrter aus der
Gegend von Samarkand verbunden. Darunter
al-Fergani (ca. 798), der in Europa
als Alfraganus bekannt ist. Als einer der
ersten Gelehrten bewies er den kugelförmigen
Bau der Erde. Mit nur 22 Jahren
stellte im Jahre 995 sein Landsmann und
ebenfals Universalgelehrter al-Biruni (973-
1048 ) aus Chiwa als erster einen Erdglobus
her. Im Jahr 1023 hatte al-Biruni
mit Hilfe eines von ihm erfundenen
Messverfahren den Radius der Erde zu
6.339,6 km bestimmt - der genaue Wert
am Äquator beträgt rund 6.378 km.
In Europa als Avicenna bekannt, wirkte in
dieser Zeit sein Kollege und ebenfalls
Universalgenie Ibn Sina (980-1037):
Naturwissenschaftler,Mathematiker, Astronom,
Alchemist, Philosoph und Dichter. In
Erster Linie war er jedoch Arzt. Sein
"Kanon der Medizin" diente über 600 Jahre
als Standardwerk für jeden Medizinstudenten
in Europa. Vieles, was wir heute
über den Blutkreislauf, Krebs, Chirurgische
Eingriffe oder Krankheiten wie etwa
Diabetes wissen, basiert auf den Grundlagen
von Avicennas Schaffen.
Es war sicherlich nicht nur für die Kaufleute,
sondern auch für viele Intelektuelle
ein großes Glück, das riesige Handelsnetz
direkt vor der Haustür zu haben. So
haben auch wir dem Wissenstransfer auf
der Seidenstraße viel zu verdanken.
Innovation trifft Tradition: 'al-Charizmi International School' in Chorezm
Der Begriff "Algorithmus" steht häufig im Zusammenhang mit Computern. In
Mathematik und Informatik ist er für eine Abfolge bestimmter Rechenschritte
üblich. Das Wort selbst stammt aus dem 9. Jahrhundert und war ursprünglich nicht
ein Begriff, sondern ein Name. Der choresmische Universalgelehrte al-Charizmi
(783 - 850) - bekannt auch als der 'Vater der Algebra' - steckt dahinter.
Der aus Chorezm (Usbekistan) stammende
Mathematiker, Astronom und Geograph
al-Charizmi war den europäischen Mathematikern
in lateinischer Transkription als
Algorizmi bekannt. Aus al-Charizmi wurde
die Bezeichnung "Algorithmus" für Rechenverfahren.
Auch die Bezeichnung "Algebra"
hat mit dem Titel seines Werks zu tun.
Das Buch, das al-Charizmi um 825 verfasste,
trug den Titel "Al Kitab al-muhtasar fi
hisab al-gabr w-al-muqabala" ("Ein kurzgefasstes
Buch über die Rechenverfahren
durch Ergänzen und Ausgleichen"). Im 12.
Jahrhundert wurde das Werk ins Lateinische
übersetzt ("Liber algebrae et almucabala").
Durch Verballhornung des Worts
"al-gabr" entstand der heute für eines der
Teilgebiete der Mathematik übliche Begriff
"Algebra".
Noch mehr Platz für Algorithmen
Eine erfreuliche Nachricht aus al-Charizmis
Heimatstadt Chorezm, die auch
UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt ist. Dort
wurde die 'al-Charizmi International
School' eröffnet. Einst ein wichtiger Knotenpunkt
der Seidenstraße, zählt Chorezm
zu den ältersten noch bewohnten Städten
der Welt. Nicht umsonst trägt die neu
gegründete Internationale Schule in Chorezm
den Namen des wohl berühmtesten
Sohnes der Stadt, des Namensgebers der
Algorithmen. Für seine mathematisch
begabten Schülerinnen und Schüler bietet
die modern ausgestaltete Bildungseinrichtung
ganz viel Platz für Naturwissenschaft,
aber auch für Sprachen und Informationstechnologien.
Seinen "kleinen Charizmis"
aus aller Welt will sie nicht nur 'algebraische'
Horizonte eröffnen, sondern junge
Mathematik-Talente vielseitig fördern und
weiterentwickeln. Die Tradition der großen
Denker verpflichtet.
Architektur Video-Visualisierung
| Internationale
Charizmi-Schule in Corezm
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