altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Mai/Juni 2021
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nehmen. Strümpfe anziehen, aufrichten<br />
und in einen Rollstuhl<br />
heben 15 bis 20 Minuten. Heißt:<br />
Siegl verbringt pro Patient ganz<br />
unterschiedlich viel Zeit, was sich<br />
am Ende des Tages ausgleicht, im<br />
Rahmen der Frühschicht zwischen<br />
6 und 13 Uhr stemmbar ist. Vorausgesetzt,<br />
es kommt kein Notfall<br />
dazwischen – auch <strong>den</strong> betreut der<br />
fahrradfahrende Benjamin Siegl <strong>für</strong><br />
sein Gebiet in Peißenberg, ist jedoch<br />
bei weitem nicht die einzige<br />
Aufgabe, die er zu erledigen hat.<br />
Stichwort „Dokumentationspflicht“,<br />
die immer umfangreicher, immer<br />
penibler von Pflegekräften verlangt<br />
wird. „Wir müssen mittlerweile je<strong>den</strong><br />
noch so kleinen Arbeitsschritt<br />
feinsäuberlich notieren.“ Der Irrwitz<br />
an dieser gesetzlich verankerten<br />
Anforderung: Pfleger, die sich<br />
mehr um <strong>den</strong> Menschen als um<br />
Dokumente kümmern, stehen am<br />
Ende des Tages nicht selten als die<br />
schlechtere Arbeitskraft da. Benjamin<br />
Siegl hat an die Politik drei<br />
klare Forderungen: Mehr Zeit <strong>für</strong><br />
pflegebedürftige Klienten, weniger<br />
Bürokratie und eine bessere, faire<br />
Bezahlung.<br />
Leere Versprechungen<br />
der Bundesregierung<br />
Ob sich dieser Wunsch bis zu seinem<br />
Renteneintritt noch erfüllen<br />
wird? „Ich kann mich noch gut an<br />
eine Talk-Show mit Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel erinnern, in der<br />
ein Pfleger aus dem Publikum die<br />
> > > ZUM THEMA<br />
Missstände sehr präzise angesprochen<br />
hat, und sie daraufhin versicherte,<br />
dass in drei Jahren alles besser<br />
werde.“ <strong>Das</strong> Resultat: Die drei<br />
Jahre sind um. Passiert sei in Siegls<br />
Augen jedoch wenig bis nichts.<br />
Und von loben<strong>den</strong> Worten und<br />
Beifall aus der Bevölkerung, von<br />
der Politik angestoßen aufgrund<br />
der Corona-bedingt erschwerten<br />
Arbeitsbedingungen, können er<br />
und seine Kollegen sich nichts kaufen.<br />
Trotzdem liebt Benjamin Siegl<br />
seinen Job. Und kann im Vergleich<br />
zum vorherigen Arbeitsleben als<br />
Intensivpfleger auch relativ ruhig<br />
schlafen. Auch deshalb, weil er sich<br />
nicht nur während, sondern auch<br />
nach der Arbeit körperlich betätigt,<br />
so Haltungsschä<strong>den</strong> vorbeugt und<br />
<strong>den</strong> Kopf freibekommt. Nach seiner<br />
beruflichen E-Bike-Runde setzt sich<br />
der lei<strong>den</strong>schaftliche Mountainbiker<br />
„aufs richtige Rad, ohne Motor“,<br />
und fährt auf <strong>den</strong> Hohen Peißenberg<br />
hinauf. Täglich. Meistens<br />
sogar drei bis vier Mal (!) am Stück.<br />
„Ein guter Kumpel und ich batteln<br />
uns da ein wenig, sammeln so viele<br />
Höhenmeter wie möglich.“ Vergangenes<br />
Jahr waren es bei Benjamin<br />
Siegl 120000 Höhenmeter! Wohlgemerkt<br />
nur privat, ohne elektromotorische<br />
Unterstützung. „<strong>Das</strong><br />
geht aber nur, weil das E-Bike-Fahren<br />
während der Arbeit tatsächlich<br />
um ein Vielfaches entspannter ist“,<br />
sagt er, grinst, und freut sich schon<br />
auf <strong>den</strong> nächsten Arbeitstag, der <strong>für</strong><br />
ihn so viel angenehmer ist als diese<br />
ständige Hetzerei im Auto. js<br />
Die Ökumenische Sozialstation Oberland stellt <strong>den</strong> größten ambulanten<br />
Pflegedienst im Landkreis Weilheim-Schongau, ist vereinzelt<br />
auch außerhalb der Landkreisgrenzen tätig. Aktuell wer<strong>den</strong><br />
900 pflegebedürftige Menschen von Fachkräften wie Benjamin<br />
Siegl in deren eigenem Zuhause umsorgt. Weitere Angebote der<br />
Sozialstation (sozialstation-oberland.de) mit Hauptsitz in Peißenberg<br />
sowie Außenstellen in Murnau, Schongau und Weilheim:<br />
Essen auf Rädern, Fahrservice, Familienunterstützender Dienst<br />
sowie Beratungen und Schulungen rund ums Thema Pflege.<br />
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