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altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Mai/Juni 2021

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halb Jahren gemacht. Seit 1. August<br />

2019 gilt nämlich, dass alle<br />

Kommunen dazu verpflichtet sind,<br />

öffentliche und <strong>den</strong>kmalgeschützte<br />

Gebäude nicht länger als bis 23<br />

Uhr an- und auszuleuchten. Für<br />

viele ein umstrittener Beschluss:<br />

Natur- und Umweltschützer kritisieren<br />

die Wahl der Uhrzeit, weil<br />

viele Insekten bereits bei Dämmerung,<br />

eben weit vor 23 Uhr, ausschwärmen,<br />

insofern nach wie vor<br />

von Strahlern an beispielsweise<br />

Kirchen irritiert, und somit in ihrem<br />

natürlichen Lebensrhythmus<br />

gestört wer<strong>den</strong>. Manch Gemeindeverantwortlicher<br />

wiederum beklagt,<br />

dass diese Regelung nicht an<br />

die Jahreszeiten angepasst wurde,<br />

da im Winter bekanntlich keine<br />

Insekten ausschwärmen. Nachtaktive<br />

Tiere wiederum sind zwischen<br />

November und März sehr wohl<br />

unterwegs. Ein Beispiel <strong>für</strong> Lichtverschmutzung,<br />

fernab beleuchteter<br />

Kirchen an Dorf- und Marienplätzen:<br />

Bewegungsmelder an<br />

Privatgrundstücken. Während die<br />

nachtaktive Katze aus dem warmen<br />

Wohnzimmer schleicht und ihrem<br />

natürlichen Jagdtrieb nachkommen<br />

möchte, schläft die Amsel mit ihrem<br />

schwarzen, bei Nacht bestens<br />

getarnten Federkleid fest und tief.<br />

Kommt die Katze jedoch an einem<br />

Bewegungsmelder vorbei, geht<br />

dessen Licht an, wodurch die Amsel<br />

aufgeschreckt, im schlimmsten<br />

Falle auch noch von der Katze entdeckt,<br />

gejagt und gefressen wird.<br />

Beim jüngsten Treffen der landkreisweiten<br />

Arbeitsgruppe „Gemeinsam<br />

<strong>für</strong> Biene, Hummel &<br />

Co“ haben Heike Grosser, Kreisfachberaterin<br />

<strong>für</strong> Gartenkultur und<br />

Landespflege, sowie Mitstreiter<br />

besprochen, ein Vortragsangebot<br />

Je rötlicher die hinterlegten Weltkartenbereiche sind, desto größer ist das Problem mit Lichtverschmutzung.<br />

zum Thema „Lichtverschmutzung“<br />

zu organisieren. Und es, sofern<br />

Corona-bedingt durchführbar, auf<br />

der Oberlandausstellung <strong>2021</strong> in<br />

Weilheim <strong>den</strong> Bürgern vorzustellen.<br />

Letzteres klappt höchstwahrscheinlich<br />

nicht. Dennoch ist in<br />

Grossers Augen klar: „Mit einer<br />

gut durchdachten Beleuchtung<br />

lässt sich hinsichtlich des Insektenschutzes<br />

viel erreichen.“ Überflüssige<br />

Leuchten in Gärten entfernen,<br />

oder gar nicht erst installieren,<br />

wäre ein erster, <strong>für</strong> jedermann<br />

umsetzbarer Schritt. „Andere Bereiche<br />

müssten im Detail sicherlich<br />

diskutiert wer<strong>den</strong>.“ Zum Beispiel:<br />

Wie notwendig sind grelle Panikbeleuchtungen<br />

an Firmengebäu<strong>den</strong><br />

wirklich, um Einbrecher<br />

abzuschrecken? Müssen auf vielgenutzten<br />

Parkplätzen tatsächlich<br />

zehn Leuchten angebracht sein,<br />

oder reichen auch zwei? Ist die<br />

auffallend starke Beleuchtung am<br />

Fußweg zwischen Tankenrain und<br />

Weilheim tatsächlich noch notwendig,<br />

obwohl der Diskobetrieb<br />

im Weiler bereits vor vielen Jahren<br />

eingestellt wurde?<br />

Lichtatlas zeigt<br />

weltweiten Zustand<br />

Bereits positiv: Mit der Umstellung<br />

auf LED-Beleuchtung an Straßen<br />

und Gehwegen haben die meisten<br />

Städte und Gemein<strong>den</strong> in der<br />

Region bereits Gutes getan <strong>für</strong> die<br />

Eindämmung von Lichtverschmutzung.<br />

„Alte Straßenbeleuchtung<br />

bestand aus Röhren, die in alle<br />

Richtungen gestrahlt haben“, sagt<br />

Schongaus Tiefbau-Chef Martin<br />

Blockhaus. LED-Lämpchen dagegen<br />

können zielgerichtet eingesetzt<br />

wer<strong>den</strong>. „Die sind nach unten<br />

gerichtet und leuchten nur die<br />

Bereiche an und aus, die wirklich<br />

sichtbar gemacht wer<strong>den</strong> sollen.“<br />

Einzig die am Bo<strong>den</strong> verankerten<br />

Strahler, die in Schongau Stadtmauern,<br />

Pfarrkirche, Ballenhaus,<br />

Münzgebäude sowie Denkmäler<br />

ausleuchten, funktionieren noch<br />

mit alter Technik. Auch bis 23 Uhr,<br />

„was wir schon lange vor diesem<br />

Beschluss im August 2019 so<br />

handhaben“. Einerseits, um ab<br />

Mitternacht Energie und Kosten zu<br />

sparen. Andererseits, weil nachts<br />

um 3 Uhr kein Mensch der Welt<br />

ernsthaftes Interesse daran hat,<br />

sich <strong>den</strong>kmalgeschützte Gebäude<br />

und Mauern anzuschauen.<br />

Insgesamt betrachtet steckt der<br />

Kampf gegen Lichtverschmutzung<br />

im Landkreis Weilheim-Schongau<br />

und Umgebung je<strong>den</strong>falls noch in<br />

<strong>den</strong> Kinderschuhen. Es gibt keine<br />

wirklichen zentralen Ansprechpartner<br />

in dieser Angelegenheit, weder<br />

in Firmen noch Behör<strong>den</strong>. Sicherlich<br />

auch deshalb, weil ländlichere<br />

Gebiete mit dörflichen Strukturen<br />

deutlich weniger künstliches Licht<br />

in <strong>den</strong> Himmel schicken als Großstädte<br />

und Metropolregionen.<br />

Wer um 24 Uhr am Marienplatz in<br />

München steht und in <strong>den</strong> Himmel<br />

blickt, wird selbst in klaren<br />

Nächten keinen Stern mehr entdecken.<br />

Pia Novak, Münchnerin und<br />

Gründerin des Entdeckerdorfs, das<br />

vergangenen Sommer über hinter<br />

<strong>den</strong> Rottenbucher Fußballplätzen<br />

stationiert war und <strong>für</strong> diese Saison<br />

noch auf der Suche nach einer<br />

neuen Fläche ist, traute ihren<br />

Augen kaum. „Unglaublich, wie<br />

intensiv man von hier aus die Sterne<br />

am Himmel beobachten kann“,<br />

sagt sie beim Blick in <strong>den</strong> Rottenbucher<br />

Nachthimmel. In kleineren<br />

Dörfern wie Ingenried, Burggen,<br />

Prem oder Wildsteig sieht das<br />

glücklicherweise ähnlich aus. Was<br />

die ökologische Bedrohung von<br />

Lichtverschmutzung jedoch nicht<br />

schmälern darf. Forscher aus Potsdam<br />

haben vor rund zwei Jahren<br />

eine interaktive Weltkarte <strong>für</strong> Lichtverschmutzung<br />

entwickelt und veröffentlicht.<br />

Unter www.lightpollutionmap.info<br />

können auch alle Orte<br />

im Schongauer Altlandkreis ausfindig<br />

gemacht wer<strong>den</strong>. Schwarz<br />

hinterlegtes Kartenmaterial steht<br />

<strong>für</strong> tiefschwarze Nächte. Graublau<br />

<strong>für</strong> hauchzarte, Grün <strong>für</strong> leichte,<br />

Orange <strong>für</strong> stärkere und Rot <strong>für</strong><br />

intensive Lichtverschmutzung. Bad<br />

Bayersoiens Bürgermeisterin Giesela<br />

Kieweg konnte mit Hilfe einer<br />

solchen Karte herausfin<strong>den</strong>, dass<br />

ihr Kurort verhältnismäßig wenig<br />

künstliches Licht abwirft – und<br />

somit gut geeignet ist <strong>für</strong> die Beobachtung<br />

von Sternen. Von tiefschwarzen<br />

Nächten, wie sie noch<br />

über <strong>den</strong> Meeren dieser Welt oder<br />

in abgelegenen, Skigebiets-freien<br />

Gebirgszügen Realität sind, ist allerdings<br />

auch ihr Kurort relativ weit<br />

entfernt.<br />

js<br />

Foto: Dr. Volker Jaenisch / Fotogruppe Altenstadt<br />

mai / juni <strong>2021</strong> | 49

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