HERDERN SPEZIAL (Mai 2021)
„Tempo reinbringen“: Christine Buchheit im Interview über die Menschheitsaufgabe Klimaschutz und den Ausbau der Digitalisierung an den Schulen. Die neue Bürgermeisterin für Umwelt und Bildung erzählt auch von ihrem persönlichen Werdegang und über die logischen Wege, die sie nach Freiburg führten. Von Barbara Breitsprecher
„Tempo reinbringen“: Christine Buchheit im Interview über die Menschheitsaufgabe Klimaschutz und den Ausbau der Digitalisierung an den Schulen. Die neue Bürgermeisterin für Umwelt und Bildung erzählt auch von ihrem persönlichen Werdegang und über die logischen Wege, die sie nach Freiburg führten. Von Barbara Breitsprecher
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ZASMAGAZIN
HERDERN SPEZIAL
„Tempo reinbringen“
Christine Buchheit im Interview über die Menschheitsaufgabe Klimaschutz und den
Ausbau der Digitalisierung an den Schulen. Die neue Bürgermeisterin für Umwelt und
Bildung erzählt auch von ihrem persönlichen Werdegang und über die logischen Wege,
die sie nach Freiburg führten
Freiburg geht digital Mit Maultäschle Briefe für die Nachwelt
Impulsbeiträge erwünscht zum ersten
„Digitaltag Freiburg“
Nachgefragt auf dem Herdemer
Bauernmarkt
Im Jubiläumsjahr bietet die Stadt an,
Briefe in hundert Jahren zuzustellen
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Unternehmens-Portrait
70 Jahre Roter Bur
Glottertäler Winzer eG
Zum 70. Jubiläumsjahr überrascht die Winzergenossenschaft
mit besonderen Aktionen in Zeiten von Corona
70 Jahre ist es her, als sich 13 Winzer aus
dem Glottertal zu einer Genossenschaft
zusammenschlossen, um ihre Weine in die
große weite Welt zu vermarkten. Die Tradition
des Weinhandwerks im Glottertal ist
dennoch um Jahrhunderte älter. So wie die
Legende vom Roten Bur, dem Namensgeber
der Roter Bur Glottertäler Winzer eG.
Man erzählt sich, dass August Ganter vom
Rotburenhof vor bald 200 Jahren erstmals
Spätburgunder in bester Lage angepflanzt
hatte – dessen charaktervoller Wein wurde
später zum bekanntesten Markenprodukt
aus dem Glottertal.
Eine Erfolgsgeschichte
Das deutschlandweite Renommée begann
bereits in den 1960er Jahren. Selbst Bundeskanzler
Adenauer und Wirtschaftsminister
Erhardt genossen damals edle Tropfen aus
dem Glottertal. Die Winzergenossenschaft
entwickelte sich erfolgreich weiter und drei
Jahrzehnte später berichtete sogar das ZDF-
Sonntagsmagazin über die Weine der Glottertäler
Winzer. Mit kreativen Events entstanden
im Laufe der Zeit neben innovativen
Winzer-Produkten auch immer mehr Erlebnis-Angebote
rund um Wein und Reben.
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jeden Rebstock persönlich, denn immer
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2017 Jahr für Jahr mit dem Ehrenpreis des
Badischen Weinbauverbandes ausgezeichnet.
Mit Genuss unterwegs – die erfrischende
Jubiläums-WeinWanderung
Für ein 70-jähriges Jubiläum in Zeiten von
Corona ist heute Kreativität gefragt. Und
genau darin sind die Roter Bur Glottertäler
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ders gut. Bereits in den
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Festivals zu unterstützen. Der Erlös aus einem
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ZASMAGAZIN
Klimaschutz ist eine
Menschheitsaufgabe
Christine Buchheit ist die neue Freiburger Bürgermeisterin für Umwelt und Bildung.
Nach Stationen im Ausland und beim Auswärtigen Amt in Berlin hat sie damit ihren Weg in
die Kommunalpolitik und in ihre Wahl- und Studienzeitheimat Freiburg gefunden.
Interview von Barbara Breitsprecher
Am 7. April hatte Christine Buchheit ihren ersten
Arbeitstag als neue Bürgermeisterin für
Umwelt, Jugend, Schule und Bildung sowie Forst
und Abfallwirtschaft in Freiburg. Am 2. Februar
2021 ist die 53-Jährige vom Freiburger Gemeinderat
für die kommenden acht Jahre in dieses
Amt gewählt worden, das Vorschlagsrecht hatten
die Fraktion der Grünen. Christine Buchheit tritt
damit die Nachfolge von Gerda Stuchlik an, die 24
Jahre dieses Amt innehatte und nun in Rente ging.
Sie haben in Freiburg Germanistik, Geschichte
und Völkerkunde studiert. Was war denn damals
Ihr Berufsziel?
Christine Buchheit: Ich wollte damals Lehrerin
werden. Eigentlich hatte ich mit Deutsch und
Französisch auf Lehramt angefangen. Meine
Eltern sind keine Akademiker, deshalb war mein
Horizont eher überschaubar. Nach ein paar Semestern
an der Uni wollte ich dann aber Hochschullehrerin
werden. Ich wollte in Germanistik
promovieren und an der Uni bleiben. Aber dann
kam es anders.
Sie waren auch beruflich einige Zeit in Kenia
tätig.Wie prägend war diese Zeit für Sie?
Christine Buchheit: Wir haben als Familie fünf
Jahre lang in Nairobi, der Hauptstadt Kenias,
gelebt. Mein Mann war dort Auslandskorrespondent.
Ich habe an der Deutschen Schule
gearbeitet, am Goethe-Institut und für die
Bundeszentrale für Politische Bildung. Diese
Zeit war für uns alle sehr, sehr prägend. Gerade
auch für unsere Kinder, die dort einen Großteil
ihrer Kindheit verbracht haben. Wir lernten dort
sehr intensiv, die Perspektive zu wechseln. Wir
fühlten jeden Tag, welch privilegiertes Leben
wir hier in Deutschland führen und welche Art
von Problemen Menschen haben, die ohne jede
Art von Rückversicherung durchs Leben gehen,
und wie existenziell jede Krise Menschen treffen
kann, die keinerlei Sozialversicherung haben.
Daraus entsteht ein Gefühl der Dankbarkeit, dass
wir selbst in solch privilegierten Verhältnissen
leben dürfen. Es macht aber auch die Verantwortung
bewusst, die daraus resultiert, dass die Welt
größer ist als das, was wir hier in unserem engen
Umfeld in Deutschland wahrnehmen.
Sicher eine wertvolle Erfahrung, die die Lebenssicht
verändert.
Christine Buchheit: Ja, sehr. Und unsere Kinder
haben in ihrer Schule und in ihrem Kindergarten
gelernt, dass die Hautfarbe so wirklich gar
keine Rolle spielt. An der Deutschen Schule, an
der sie waren, spielt jede Art von Herkunft und
Aussehen, ob schwarz oder weiß oder mit asiatischem
Hintergrund, keine Rolle. Das haben sie
für immer verinnerlicht.
Für welches Medium war Ihr Mann in Kenia
tätig?
Foto: privat
26 Interview
ZASMAGAZIN
Christine Buchheit: Er war dort für den Spiegel,
für den er viele Jahre lang gearbeitet hat. Jetzt
ist er freier Autor.
Als Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes haben
Sie dann im Büro des Außenministers gearbeitet,
ebenso im Büro des Staatsministers für
Europa. Dabei waren Sie später auch für das
Thema Flucht und Migration zuständig. Jetzt der
Sprung von der Weltpolitik zurück ins Lokale.
Was hat dafür den Ausschlag gegeben?
Christine Buchheit: Ich bin froh, dass Sie mich
zuerst nach Kenia gefragt haben. Denn das war
eine entscheidende Abfolge: Ich habe zuerst
vom Ausland aus nach Deutschland geschaut
und mich danach beim Auswärtigen Amt beworben,
um das Internationale beruflich weiterzuführen.
In den acht Jahren, die ich dort in
unterschiedlichen Funktionen gearbeitet habe,
merkte ich aber auch, dass es wahnsinnig dicke
Bretter sind, die international zu bohren sind.
Es gibt sehr viele wichtige Verhandlungen, die
aber ausschließlich zwischen Diplomat_innen
und häufig in fensterlosen Konferenzräumen
stattfinden. Es ist eine eigene Blase. Ich habe
mit den Jahren gemerkt, dass mich dies doch
nicht zu hundert Prozent befriedigt, da das
konkrete Gestalten und die Zusammenarbeit mit
Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund
sowie aus verschiedenen Berufen mich mehr
anspricht. Mich reizen Aufgaben, die sofort
gelöst werden müssen und zu denen man nicht
noch zehn weitere Verhandlungsrunden einberuft,
die dann vielleicht doch nur wieder Papier
produzieren. In einer Kommune muss täglich
Bild: Patrick Seeger/Stadt Freiburg
Foto: Fotograf StockAdobe
TRADITIONS-
UNTERNEHMEN
SEIT 1893
ZASMAGAZIN
Interview
27
Bild: Patrick Seeger/Stadt Freiburg
Foto: Fotograf StockAdobe
entschieden werden. Aber ich bin für den Weg,
den ich gegangen bin, unendlich dankbar. Ich
habe sehr viel gesehen und gelernt. Und aus den
vielen, vielen Gesprächen bringe ich auch eine
Menge für mein Amt hier mit.
2019 wollten Sie Oberbürgermeisterin in Lahr
werden. Sie haben die Mehrheit jedoch nicht
ganz erreicht. Ist Bürgermeisterin in Freiburg zu
sein ein guter „Ersatz“ dafür?
Christine Buchheit: Das ist eine ganz großartige
Chance und gar kein Ersatz, sondern eine ganz
eigene Sache für sich. Es ist eine sehr schöne
Aufgabe, und ich glaube, diesen Zwischenschritt
in Lahr hat es gebraucht, denn natürlich ist der
Unterschied zwischen der internationalen Ebene
und der kommunalen Ebene enorm. Deshalb
waren diese drei Monate des Wahlkampfes in
Lahr, die ich fast durchgehend auf der Straße
verbracht habe, um mit den Menschen vor Ort
zu sprechen und zuzuhören, eine sehr wichtige
Lern- und Erfahrungszeit.
Offensichtlich hat es Sie aber bewusst ins Badische
zurückgezogen, in die Gegend Ihrer Studienzeit?
Christine Buchheit: Genau. Ich hätte mich in
keiner anderen Region von Deutschland beworben.
Mein Mann hat bei der Badischen Zeitung
sein Volontariat gemacht und danach noch viele
Jahre dort gearbeitet, deshalb war für uns klar:
Spätestens mit der Rente kommen wir zurück
(lacht).
Sie haben angekündigt, dass Sie sich „energisch
und ohne Zeitverzögerung“ für den Klimaschutz
und die Verkehrswende einsetzen wollen. Wie
soll das konkret aussehen?
Christine Buchheit: Die Stadt Freiburg hat ja in
den vergangenen Jahren schon viel getan. Es
gibt das Klimaschutzkonzept sowie das Klimaund
Artenschutzmanifest. Die Aufgaben sind
definiert, wir müssen jetzt vor allen Dingen die
Maßnahmen ohne Zeitverzögerung umsetzen.
Und dann müssen wir uns regelmäßig prüfen,
ob das reicht oder ob wir noch mehr machen
müssen. Gleichzeitig gilt es für mich auch als
Lobbyistin für das Klima in allen Gremien
zu kämpfen, zu zeigen: Das ist eine Menschheitsaufgabe,
bei der wir alle Bemühungen
Christine Buchheit, die neue Freiburger
Bürgermeisterin Dezernat II, wuchs in Mannheim
auf und studierte an der Albert-Ludwigs-Universität
in Freiburg. Die 53-jährige
Geisteswissenschaftlerin ist verheiratet und
hat drei Kinder im Alter zwischen 14 und 18
Jahren. Zu ihrem beruflichen Weg mehr im
nebenstehenden Interview.
Der Freiburger Gemeinderat wählte die neue
Bürgermeisterin mit 32 Stimmen, wobei 39
Mitglieder stimmberechtigt waren. Neun waren
entschuldigt oder nicht stimmberechtigt,
da sie aufgrund der Pandemie nur online
CHRISTINE BUCHHEIT
zusammenbringen müssen. Ich sehe da auch
eine Kommunikationsaufgabe innerhalb des
Rathauses und außerhalb, also in der Stadt, auch
in Milieus, die wir noch nicht erreichen.
Ein weiteres Ihrer Ziele ist ja die Digitalisierung
der Schulen. Spätestens die Pandemie hat ja
da die vielen Schwächen und Rückstände aufgezeigt.
Christine Buchheit: Ja, aber auch da ist schon
viel getan worden, auch vor Corona schon. Jetzt
wollen wir da noch mehr Tempo reinbringen.
Die Aufgabe ist wirklich sehr umfassend. Die
vielen Schulen auf den neuesten Stand zu bringen
kostet viel Geld, die Wege, um an Zuschüsse
zu kommen, sind kompliziert. Denn alleine,
vertreten waren. Das Vorschlagsrecht für
dieses Amt hatte die Fraktion der Grünen.
Oberbürgermeister Martin Horn begrüßte
und vereidigte sie am 7. April im Beisein
der weiteren Dezernenten als neue Bürgermeisterin.
„Wir freuen uns sehr auf die
Zusammenarbeit mit Christine Buchheit. In
diesen herausfordernden Zeiten werden wir
alle zusammen an einem Strang ziehen, um
die Stadt gut durch die Pandemie zu bringen.
Dabei ist es wichtig, große Zukunftsthemen
wie Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung
nicht aus dem Blick zu verlieren.“
28 Interview
ZASMAGAZIN
ohne Bund oder Land, ist das nicht zu stemmen.
Es geht ja nicht nur um die Ausstattung,
sondern auch um den durchgängigen Support,
um die Wartung und das Lösen technischer
Probleme. Das braucht dauerhaft personelle
Unterstützung.
Ihre Vorgängerin, Gerda Stuchlik, war 24 Jahre
lang in Freiburg Bürgermeisterin. Was wollen Sie
anders machen als sie?
Christine Buchheit: Selbstverständlich bringe
ich eine andere Geschichte, einen anderen
Erfahrungshintergrund mit. Ich habe in vielen
Städten in Deutschland und auch im Ausland
gelebt. Dadurch habe ich vielleicht manchmal
einen anderen Blick auf die Dinge. Die Ziele,
Klimaschutz, Bildungsgerechtigkeit, Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, die teile ich uneingeschränkt
mit meiner Vorgängerin. Was uns
vielleicht unterscheidet ist manchmal der Weg,
auf dem man zu diesen Zielen kommt.
Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf, dass das
übliche Verfahren, wie Bürgermeisterposten besetzt
werden, ein „Geschmäckle“ habe?
Christine Buchheit: Das sehe ich nicht. Die
Grünen haben die Suche nach einer KandidatIn
öffentlich ausgeschrieben. Darauf habe
ich mich und zwei Dutzend andere BewerberInnen
beworben. Es folgte ein mehrstufiges
Auswahlverfahren. Da gab es keinerlei Hinterzimmergespräche,
sondern es war ein ambitionierter
und vielseitiger Prozess. Die Grundaussage,
dass die Bürgermeisterbank auch die
Verteilung der Fraktionen im Gemeinderat
widerspiegeln soll, ist aus gutem Grund in der
baden-württembergischen Gemeindeordnung
verankert. Denn zwischen Verwaltung und
Gemeinderat braucht es diese Austauschmöglichkeit.
So wird auch der Wählerwille, nach
dem der Gemeinderat sich zusammenstellt,
noch einmal im Rathaus abgebildet. Es wird so
eine Brücke gebildet, zwischen Gemeinderat,
Verwaltung und den Bürger- und Bürgerinnen
Freiburgs.
Gerda Stuchlik war damals die erste Frau im
Freiburger Bürgermeisterteam. Jetzt sind sie es
ebenso. Wie viel muss passieren, dass bei der
Ämterbesetzung eine Ausgewogenheit gewährleistet
ist?
Christine Buchheit: In der Kommunalpolitik ist
die Frauenquote noch schlechter als im Auswärtigen
Amt. Und da ist sie schon die schlechteste
in allen Bundesministerien. Da ist wirklich
enormer Nachholbedarf. Die prozentuale Quote
bei den deutschen Oberbürgermeisterinnen ist
einstellig. Da sehe ich mich auch in einer Vorbildfunktion
für jüngere Frauen, um zu zeigen:
Natürlich können wir auch Kommunalpolitik,
und ja, es ist anstrengend, aber es ist eine wichtige
Gestaltungsaufgabe. Da gibt es bei vielen
Frauen Ängste, zum Beispiel dass frau an der
Stadtspitze Privat und Beruf nicht mehr trennen
könnte. Als Frau bewegt man sich da auf einem
schmalen Grat und wird ja oft beurteilt: Wie
sieht sie aus? Was hat sie an? Hat sie noch Zeit
für ihre Familie? Diese Fragen kenne ich auch,
aber der Umgang damit ist möglich und letztlich
eine Frage der Routine. Ich möchte andere
Frauen ermutigen, sich in der Kommunalpolitik
zu beteiligen, denn da geht es ja um unser
alltägliches Leben. Sonst können wir nicht die
zentralen Entscheidungen mitgestalten, die uns
im Alltag beeinflussen.
Sie sind als Bürgermeisterin im Dezernat II für
rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zuständig und verwalten ein Budget, das etwa
ein Drittel des Freiburger Haushalts ausmacht.
Wie fühlt sich eine solche Verantwortung an?
Christine Buchheit: Glücklicherweise ist der
Alltag so, dass man sich das nicht jede Minute
klar macht. Und es läuft ja hier auf sehr gut
eingespielten Wegen und mit phantastischen
Amtsleiterinnen und Amtsleitern, die wiederum
die Personalverantwortung tragen. Die Gesamtverantwortung
bei mir ist eher eine politische.
Auch das ist eine wichtige Botschaft an junge
Frauen: So ein Amt ist viel weniger Einzelkämpfertum,
als frau sich das oft vorstellt, im Rathaus
geht es auch um Teamplay.
In Lahr gab es ja die Hoffnung, Sie könnten sich
dort als Grünen-Kandidatin für die kommende
Bundestagswahl aufstellen lassen. Aber Sie
haben dem eine Absage erteilt. Kam das für Sie
gar nicht in Frage?
Christine Buchheit: Oh doch, das kam für mich
auch in Frage. Da habe ich auch lange darüber
nachgedacht. Natürlich ist der Bundestag
die höchste politische Entscheidungsebene des
Landes. Ich habe auch mal als wissenschaftliche
Mitarbeiterin im Bundestag gearbeitet. Und ich
habe die Hoffnung, dass die Grünen mit einer
starken Fraktion im Herbst in den Bundestag
einziehen werden. Letztlich war es aber für mich
die Abwägung, dass ich ja konkret etwas tun und
gestalten möchte, weshalb der Wunsch nach
kommunaler Arbeit den Ausschlag gegeben hat.
Wer war Ihr Wunschkandidat für die Kanzlerkandidatur:
Baerbock oder Habeck?
Christine Buchheit: Annalena Baerbock.
Sind Sie bereits mit Ihrer ganzen Familie von
Berlin nach Freiburg umgezogen?
Christine Buchheit: Ich bin vorausgezogen.
Mein Sohn macht in Berlin noch sein Abitur.
Es ist deshalb ein stufenweiser Umzug. Im
Moment bin ich aber ganz froh, dass ich alleine
hier bin, so kann ich mich ganz auf die Arbeit
konzentrieren.
Haben Sie schon einen Wohnsitz gefunden?
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Die meisten Täter
sind gute Bekannte
Der Jahresbericht der Freiburger Anlauf- und Beratungsstelle Frauenhorizonte zeigt, dass die
sexuellen Übergriffe auch im Corona-Jahr 2020 weiter gestiegen sind.
Von Barbara Breitsprecher
Die Corona-Pandemie mit der
zurückgezogenen Lebenssituation
der Menschen birgt für
viele Frauen akute Gefahren. Zwar
scheint es weniger nächtliche sexuelle
Angriffe auf den Straßen zu
geben, doch das persönliche Nahfeld
ist zur Hauptquelle der häuslichen
und sexualisierten Gewalt
geworden. Digitale Plattformen und
private Treffen ohne schützende öffentliche,
soziale Kontrolle fördern
dies, wie die Freiburger Anlauf- und
Beratungsstelle Frauenhorizonte in
ihrem Jahresbericht 2020 festhält.
Auch im Coronajahr 2020 gab es
wieder einen Zuwachs an Klientinnen
bei Frauenhorizonte. Allein
252 Frauen haben innerhalb des
einen Jahres erstmalig die Freiburger
Beraterinnen um Unterstützung
gebeten. Hinzu kommen
noch weitere 69 Betroffene, die
dort regelmäßig therapeutische
oder psychosoziale Beratung in
Anspruch nehmen.
Die meisten Frauen, die sich bei
Frauenhorizonte gemeldet haben,
waren zwischen 19 und 24 Jahren
alt, nämlich 32 Prozent. 19 Prozent
der hilfesuchenden Frauen war 30
bis 39 Jahre alt, jeweils 16 Prozent
die beiden Altersgruppen 16 bis
18 Jahre und 25 bis 29 Jahre. Insgesamt
waren 64 Prozent der Klientinnen,
die 2020 Unterstützung
gesucht haben, jünger als 30 Jahre.
In über die Hälfte der Fälle (52
Prozent) waren die Frauen, die
sich gemeldet haben, vergewaltigt
worden. 18 Prozent wurden sexuell
belästigt. Die Täter waren den
Frauen zu 63 Prozent persönlich
bekannt gewesen, überwiegend
stammen sie aus dem Freundes-,
Verwandten- oder Bekanntenkreis
der Betroffenen. Die meisten von
ihnen haben einen deutschen Hintergrund,
ein Viertel der Frauen,
die Hilfe oder Beratung suchten
hat Migrationshintergrund oder hat
eine Fluchterfahrung hinter sich.
Kontakt:
Anlauf- und Fachberatungsstelle
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die Gerichte mit ausgesuchten
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32 ZASMAGAZIN
Freiburg geht digital
Erster „Digitaltag Freiburg“ am 18. Juni 2021: Neues Format für Digitalisierung,
Impulsbeiträge können bis zum 10. Juni 2021 angemeldet werden.
In diesem Jahr wird parallel zum
bundesweiten Digitaltag 2021
erstmals der „Digitaltag Freiburg“
stattfinden. Mit der Intention, dass
sich der digitale Wandel nur gemeinsam
gestalten lässt, laden die
Freiburg Wirtschaft Touristik &
Messe GmbH & Co. KG (FWTM), die
Stadt Freiburg, der DIGIHUB Südbaden
und Baden- Württemberg:
Connected e.V. (bwcon) zu einem
neuen Aktionstag ein.
Beim Digitaltag Freiburg, der
unter der Schirmherrschaft von
Oberbürgermeister Martin Horn
veranstaltet wird, stehen Digitalisierungsthemen
in Freiburg und
der Region im Mittelpunkt. Mit
virtuellen Impulsen, Vorträgen und
interaktiven Beteiligungsformaten
wird das digitale Potenzial in Stadt
und Region ganz nach dem Motto
„Entdecken, Lernen und Vernetzen“
beleuchtet und Fragen wie „Wo
liegen Chancen und Risiken der
Digitalisierung? oder „Wie digital
ist unsere Stadt?“ thematisiert.
Unternehmen und Institutionen,
aber auch Privatpersonen,
Initiativen, Schulen und andere
Bildungseinrichtungen haben die
Gelegenheit, sich kostenfrei zu beteiligen
und den Digitaltag Freiburg
aktiv mitzugestalten. Eigene
Formate können in diesem Jahr
Coronabedingt nur virtuell gestaltet
werden. Der Digitaltag wird am
Freitag, 18. Juni 2021 ganztägig
stattfinden. Interessierte können
sich bis zum 10. Juni mit ihren
Beiträgen und Impulsvorträgen bei
der FWTM oder dem DIGIHUB
Südbaden anmelden.
„Die Digitalisierung bietet uns
zahlreiche Möglichkeiten, unser
Leben effizienter und ressourcenschonender
zu gestalten. Die
Coronapandemie hat deutlich
gezeigt, wie wichtig Digitalisierung
in unserem Alltag ist und
dieser zu einem großen Schub
verholfen. Viele Unternehmen und
Mitarbeitende haben in der Krise
kreativ und flexibel reagiert und
bewiesen, wie schnell sich digitale
Lösungen umsetzen lassen“, so
FWTM-Geschäftsführerin Hanna
Böhme. „Im Sinne einer breiten
gesellschaftlichen Teilhabe wird
sich der Digitaltag Freiburg mit
verschiedenen Aspekten der Digitalisierung
befassen und diese für
Pressemitteilung│Seite 1│20.04.2021
alle Freiburger*innen erlebbar
machen.“
Informationen zum Digitaltag
Freiburg sind auf der Website des
DIGIHUB unter www.digihub-suedbaden.de/digitalnow-expertise/blog/digitaltag-freiburg-2021
zu finden. Aktuell wird eine eigene
Website für den Digitaltag
Freiburg erstellt, die zeitnah unter
der URL www.freiburg.digital online
gehen wird.
Bernd Mutter, Leiter des Amts
für Digitales und IT (digit): „Der
Digitaltag kann sichtbar machen,
was Digitalisierung alles sein
kann. Wie für unsere Digitalisierungsstrategie
gilt hier, dass
Digitalisierung gemeinwohlorientiert
und ganzheitlich gedacht
werden muss. Digitalisierung dient
dem Menschen und nicht der Technik.
Dies kann ein Digitaltag ganz
praktisch zeigen.“
Der Digitaltag Freiburg soll
künftig regelmäßig stattfinden und
weiter ausgebaut werden: Für das
kommende Jahr ist eine „Digitalwoche
Freiburg“ geplant.
Weitere Infos: Gudrun Reber
Erster „Digitaltag Freiburg“ am FWTM 18. – Juni Wirtschaftsförderung 2021:
Neues Format für Digitalisierung
E-Mail: gudrun.reber@fwtm.de
Tel: 0761 3881-1226
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In diesem Jahr wird parallel zum bundesweiten Digitaltag 2021
erstmals der „Digitaltag Freiburg“ stattfinden. Mit der Intention,
dass sich der digitale Wandel nur gemeinsam gestalten lässt, laden
die Freiburg Wirtschaft Touristik & Messe GmbH & Co. KG
(FWTM), die Stadt Freiburg, Ob Wohnung oder Haus:
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tag ein. Beim Digitaltag Freiburg, der unter der Schirmherrschaft
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Sabine Martin am Gemüsestand vom Steinhaldehof aus Amoltern auf dem Herdemer Markt.
Mit „Maultäschle“ vor
dem Mund
Das Einkaufsverhalten hat sich geändert, das Interesse an den Angeboten auf dem Herdemer
Markt ist insgesamt eher größer geworden. Von Achim Keller und Barbara Breitsprecher
Seit mehr als einem Jahr bestimmt
Corona unser Leben.
Wir wollten wissen, wie sich das
Einkaufsverhalten der Kundinnen
und Kunden auf dem Herdemer
Bauernmarkt verändert hat und
ob sich die Pandemie auch im
Umsatz der Marktbeschicker/Innen
bemerkbar macht.
Wir erhielten auf dem Herdemer
Markt folgende Antworten auf
diese Frage:
Was hat sich seit der Corona-Pandemie
für Sie als Marktbeschickerin/Marktbeschicker
geändert?
Läuft der Verkauf für Sie eher
besser oder schlechter?
Roswitha Hug ist seit 2002 mit
ihrem Blumenstand auf dem Herdemer
Markt:
„Ziemlich viel hat sich geändert.
Als erstes, dass wir jetzt immer
ein Maultäschle vor dem Mund
haben. Und dann muss ich den
ganzen Stand absperren und jeder
Einkauf dauert etwas länger für
die Kundinnen und Kunden. Es
ist halt anders. Der Verkauf ist für
mich in Ordnung, ich verkaufe
eher mehr. Gerade beim Lockdown
für die Baumärkte habe ich schon
gemerkt, dass ich mehr verkaufe.“
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Roswitha Hug betreibt einen Blumenstand auf dem Herdemer Markt
jeden Dienstag und Freitag in Herdern:
„Das Einkaufsverhalten hat
sich geändert, auch mit dem Abstand
wahren. Es ist eine andere
Stimmung auf dem Markt.
Es ist nicht mehr so wie früher,
als es schöner war. Mein Umsatz
schwankt. Als die Gastronomie
wieder aufmachen durfte, ist mein
Umsatz wieder runter gegangen.
Am Anfang der Pandemie waren
die Leute verunsichert und auch
Ostern war schwächer als gedacht.
Ich biete ja keine Grundnahrungsmittel
an. Die Leute müssen sich
das ja auch gönnen, Gutes aus dem
Süden, etwas Mediterranes. Man
muss ja bedenken, Kurzarbeit ist
angesagt.“
Sabine Martin am Gemüsestand
vom Steinhaldehof aus Amoltern:
„Die Leute kaufen mehr ein. Ich
denke, das kommt daher, dass die
Kantinen zu sind, die Schulen und
Kitas, und die Leute deshalb mehr
kochen müssen. Die Menschen sind
recht bewusst geworden.“
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Dirk Schafheutle vom Marktstand „Die Olive“ mit seiner Mitarbeiterin
Marie in Herdern
ZASMAGAZIN
Herdern
35
Freiheit bekommen
Zum 100jährigen Jubiläum des Studierendenwerks Freiburg Schwarzwald erinnern sich etliche
Prominente an ihre Freiburger Studienzeit. Eine Auswahl vom Besten. Von Michael Zäh
Um es griffiger zu formulieren,
müsste man schon schlauer
sein als Matthias Deutschmann. „93
Jahre Studentenwerk und 7 Jahre
Studierendenwerk – zusammen ein
Jahrhundertwerk. Und ich kann
sagen, ich bin dabei gewesen. In
großer Nähe, denn ich war bestimmt
öfter in der Mensa, als im Seminar.“
Der Kabarettist (Jahrgang 1958) ist
einer von etlichen Prominenten,
die einige Erinnerungen an ihre
Studienzeit in Freiburg preigeben,
aus Anlass eben des 100jährigen
Jubiläums des Studierendenwerks
Freiburg Schwarzwald (SwFR).
Und ja, da kommt so manche lange
verdrängte Erinnerung hoch: „Wer
Ende der siebziger Jahre mittags
in die Mensa in der Rempartstraße
ging, der wurde oft von einem
Dutzend Flugblattverteiler erwartet.
Maoisten verteilten die „Peking
Rundschau“ und sammelten Geld
für eine Druckmaschine für Zimbabwe,
die Marxistisch-Reichistische-Initiative
(MRI) warb mit
sexueller Befreiung“, so schreibt
Deutschmann weiter.
„Diplombiologie sollte es werden
und Philosophie als zweites Fach. Bei
der Studienberatung runzelte man
die Stirn – eine seltene, anspruchsvolle
Kombination?!“ Doch es kam
Man traf sich „bei Aristoteles“ an den Stufen des Platzes der Universität
ja dann anders: „Ich hatte mich 1979
von der Diplombiologie verabschiedet
und den Wechsel von der Mensa
II in die Mensa I vollzogen.“
Bild: Achim Keller
Die Erinnerungen von Christine
Buchheit (Jahrgang 1967) gehen
quasi auch durch den Magen:
„Ich weiß nicht, wie viele Stunden
ich in der Schlange in der Mensa
Rempartstraße anstand. Es war
immer ein bisschen schade, wenn
die Mittagspausenverabredung etwas
anderes essen wollte, dann
trennten sich die Wege schon im
Erdgeschoss, weil jedes Stammessen
eine andere Schlange hatte.
Besonders attraktiv fand ich den
Nachschlag, den es bei Bedarf
damals noch gab: Wenn das Geld
mal ganz knapp war, konnten
sich so auch mal zwei eine Mahlzeit
teilen. Und schnell lernte ich
auch den “Milchreis-Trick”: Freitags
gab es beim Eintopf-Gericht
oft Milchreis mit Apfelmus - mit
einer leer gefutterten Schüssel von
Freund*innen gab’s diesen leckeren
Nachtisch dann noch gratis obendrauf.
Und unvergessen auch die
Abend-Pommes in der Mensa der
Naturwissenschaften.“ Buchheit ist
heute Bürgermeisterin für Umwelt,
Jugend, Schule und Bildung
in Freiburg (siehe Interview Seite
26). Und das kann sie in ihrem
Beitrag auch nicht ganz außen
vor lassen: „Faszinierend, wie in
einer Großküche die verschiedenen
Zahnrädchen ineinandergreifen.
Schade fand ich damals, dass die
Kartoffelschälmaschinen überall
abgeschafft waren und stattdes-
Foto: Fotograf StockAdobe
36 Freiburg
ZASMAGAZIN
sen die Convenience-Küche mit in
Plastikfolien vakuumierten Kartoffeln
Einzug gehalten hatte. Es ist
ein echter Fortschritt, dass heute
in der modernen Mensa-Küche
ökologische Kriterien eine wichtige
Rolle spielen und immer mehr
Bio-Produkte angeboten werden.“
Jepp, so ist es. Aber weil wir gerade
beim Kochen sind: Hans Albert
Stechl (Jahrgang 1949) , Jurist und
nebenbei Autor von tollen Kochbüchern
(auch einer begehrten Rezept-Kolumne
in der ZuS), heute
Vorsitzender des Verwaltungsrates
des Südwestrundfunks (SWR)
kann nachlegen: „Wintersemester
1968/69, Studienbeginn. Der erste
Eindruck von Freiburg: verheerend.
Ein Herbstnebel, so dicht, wie ich
ihn als Hochschwarzwälder nicht
kannte. Über Tage hinweg war
die andere Straßenseite kaum zu
erkennen. Deprimierend. Aber von
da an ging es bergauf. Sturmfreie
Bude; neue Leute kennen lernen
und neue Freundschaften schließen;
nächtelanges Abhängen im
Uni-Keller oder im Sitis oder wie
die Clubs sonst noch alle hießen;
Sit-in, Teach-in, gelegentlich mal
eine Vorlesung sprengen, Demo;
dazwischen Nahrungsaufnahme in
der Mensa (lag schwer im Magen:
die legendäre „Berner Rolle“ - dagegen
ist die heutige Mensa des
Studierendenwerks ein veritabler
Gourmet-Tempel); gelegentlich
ein verkiffter Abend bei meinem
Freund Claus, der eine offenbar
nie versiegende Quelle zu astreinem
Schwarzen Afghan hatte;
dazwischen immer wieder mal eine
Nachtschicht Taxifahren, da
das Elternhaus im weit entfernten
Hochschwarzwald keinen blassen
Schimmer davon hatte, wie kostenintensiv
so ein Studentenleben
wirklich ist.“
Doch nun zu ernsteren Themen.
Nicht ganz unpolitisch erinnert
sich da Dieter Salomon (Jahrgang
1960), von 2002 bis 2018 grüner
OB von Freiburg und heute Hauptgeschäftsführer
der IHK: „Es war
die Hochzeit der Friedensbewegung
gegen das atomare Wettrüsten, des
Kampfes gegen die sogenannte
friedliche Nutzung der Atomkraft,
die Zeit des sauren Regens und des
Waldsterbens und des Ozonlochs.
Die Apokalypse drohte und das
politische Engagement nahm zu.
Nicht nur in Berlin und Freiburg
ZASMAGAZIN
gab es viele besetzte Häuser, in
England wurde der Punk erfunden,
und die Parole der Jugend
lautete „no future!“ Es war eine
aufregende, aber aus heutiger Sicht
irgendwie auch surreal anmutende
Zeit. Man ging nicht ins Strandbad,
sondern nackt an den Baggersee.
Man fuhr auch damals schon Fahrrad
wegen der Ökologie, Jahrzehnte
vor der Verkehrswende, aber ehrlicherweise
auch, weil man sich ein
Auto nicht leisten konnte.“
Robert Habeck (Jahrgang 1969),
heute Co-Chef der Grünen im Bund,
schreibt es so nieder: „Die erste Erinnerung
an Freiburg ist eine Demonstration.
Eine gegen den Golfkrieg.
Wir standen im Regen
vor dem K2 und trotzdem
ging es mir gut: Studieren
und Demonstrieren, so hatte
ich mir das vorgestellt.“
Wie Habeck halt so ist, hat er
aber auch noch eine persönliche
Überraschung parat: „Ich erinnere
mich an das Schwarze Brett, an das
ich den Zettel zur Gründung einer
Theater AG hängte, der dann dazu
führte, dass ich meine spätere und
heutige Frau kennenlernte. Unser
Treffpunkt war damals immer „bei
Aristoteles“ an den Stufen des Platzes
der Universität.“
Christian Streich (Jahrgang 1965)
war schon eine Weile Profi-Fußballer
gewesen, als er doch noch
studierte: „Die Universität von innen
zu sehen, dort zu studieren und
Zeit zu verbringen, war für mich
sehr lange weiter weg als das Maracana-Stadion.
Der Gang durch
die Türe des historischen Seminars
war für mich mit meinen 28 Jahren
damals ein ganz besonderer Moment
in meinem Leben. Die ganzen
Studierenden und Kommilitonen,
die größtenteils viel jünger waren.
Diese Eindrücke sind mir heute
noch präsent und ich kann kaum
beschreiben, wie wichtig das für
mich war.“
Florian Schröder (Jahrgang 1979)
Kabarettist und Fernsehmoderator
sagt es so: „Die Hochschule ist
nicht die Fortsetzung der Oberstufe
mit anderen Mitteln. Wer die
Hochschulreife hat, sollte Freiheit
bekommen und leben – in jeder
Hinsicht.“
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37
Briefe an unsere
Nachkommen
Briefe schreiben, die erst in 100 Jahren ankommen: Zum Stadtjubiläum bietet Freiburg allen
Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, der Nachwelt etwas Persönliches zu hinterlassen.
Von Barbara Breitsprecher
Was für ein Gedanke! Man schreibt heute
einen Brief, hält alles fest, was einen
in diesen pandemiebewegten Zeiten umtreibt,
und sorgt dann dafür, dass dieses Schreiben
erst in 100 Jahren den Adressaten zugestellt
wird. Oder umgekehrt, man stelle sich vor, man
bekäme heute einen Brief, der von den eigenen
Ururgroßeltern 1920 an uns geschrieben und
aufgegeben wurde.
Das Briefe-Projekt „Alles Liebe, Dein/e…
Briefe aus dem 900. ins 1000. Jubiläumsjahr der
Stadt Freiburg“ ruft weiter alle Freiburgerinnen
und Freiburger dazu auf, anlässlich des Stadtjubiläums
bis zum 15. Juli 2021 solche Briefe für
die Nachwelt zu schreiben. Auf den Umschlag
schreibt man, wer diesen Brief in 100 Jahren
lesen soll. Auf der Rückseite stehen der Name des
Absenders oder der Absenderin, die eigene Adresse
und weitere freiwillige Informationen zur
eigenen Person. Diesen Brief wirft man dann in
den bunten Jubiläumsbriefkasten vor dem Alten
Rathaus in der Innenstadt oder man steckt ihn in
einen weiteren Umschlag und schickt diesen an
die Projektgruppe Stadtjubiläum, Rathausplatz
2-4, 79098 Freiburg.
Die Briefe werden an einem sicheren Ort
im Stadtarchiv Freiburg eingelagert, niemand
darf sie einsehen. Der Behälter, in dem die
Briefe lagern, wird nach Abschluss der Aktion
am 15. Juli 2021 geschlossen, verplombt und
bleibt 100 Jahre ungeöffnet. Im Jahr 2120 werden
sie dann an die angegebenen Empfänger
und Empfängerinnen ausgehändigt. Die Briefe
werden von der Projektgruppe Stadtjubiläum
nummeriert und in eine Liste eingetragen. Die
Adressaten werden notiert, die Absender bleiben
namentlich anonym. Die Projektgruppe
Stadtjubiläum empfiehlt, die Briefe von Hand
zu schreiben, da Tinte oder Kugelschreiber vermutlich
am haltbarsten sind. Aber auch Laserdrucker
und Fotokopien sind nach derzeitigem
Kenntnisstand gut geeignet. Weniger dagegen
Tintenstrahldrucker.
Außerdem sollte aus Gründen der Haltbarkeit
säurefreies Papier verwendet werden, kein
Umweltschutzpapier. Willkommen sind auch
Fotos und Negative, letztere sind noch deutlich
länger haltbar.
Der äußere Briefumschlag darf nicht größer
als DinA5 sein und nicht dicker als ein Zentimeter,
außerdem darf er nicht mehr als 150 Gramm
wiegen. Es werden nur Briefe mit Papierinhalt
und/oder Kunststoff angenommen. Metallgegenstände
wie Büroklammern, Heftklammern
und so weiter können korrodieren und werden
deshalb nicht akzeptiert. Ebenso wenig Flüssigkeiten.
Wenig Sinn macht es, elektronische Datenträger
wie CDs, DVDs oder Datensticks mitzuschicken,
da sie wohl in 100 Jahren nicht mehr
lesbar sein werden. Alle Briefe mit verdächtigem
Inhalt werden nicht angenommen und stattdessen
an den Absender zurückgeschickt.
Vielleicht ist es ja eine gute Idee, dem Brief
ein paar eigene Haare beizulegen, um den genetischen
Fingerabdruck zu hinterlassen. Als
äußerst lange haltbar hat sich auch das Verfahren
der Fotokeramik erwiesen. Hierbei werden
Fotos auf Porzellan, Emaille, Glas oder Metall
eingebrannt. Allerdings darf man dabei das
Maximalgewicht von 150 Gramm des Briefes
nicht außer Acht lassen.
Bild: Patrick Seeger
Ein weiterer Tipp der Projektgruppe: Neben
dem Adressaten-Namen auf dem Umschlag sollte
man möglichst noch weitere Informationen
dazuschreiben, beispielsweise „Trainer von…“,
„mein jüngstes Enkelkind“, „Leiterin der Institution…“.
Ebenso kann eine ganze Personengruppe
angegeben werden, zum Beispiel „meine Nachkommen“,
„die Besitzer des Hauses…“, „Stiftung…“,
„Abiturjahrgang … der Schule …“ Als
Absender sollte nicht nur der eigene Name und
die eigene Adresse stehen, sondern möglichst
auch weitere Informationen, wie beispielsweise
der Name des Ehepartners oder die Namen der
Eltern oder Kinder. Gibt man (freiwillig) weitere
Angaben über die Person oder den Personenkreis
des Absenders an, erhöht sich die Chance, dass
die Menschen in 100 Jahren die richtigen Adressaten
ausfindig machen können.
Die Idee zu diesem Projekt stammt von Johannes
Rühl, dem ehemaligen stellvertretenden
Kulturamtsleiter der Stadt Freiburg. Das Briefe-Projekt
wird unterstützt von: E-Werk Freiburg,
Kommunales Kino Freiburg, Literaturbüro
Freiburg, VHS Freiburg, Stadtarchiv Freiburg,
Theater Freiburg, Herder Verlag Freiburg und
Universität Freiburg. Und die arriva GmbH hat
dafür zwei Briefkästen bereit gestellt.
38 Freiburg
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