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LE-2-2021

LOGISTIK express Journal 2/2021

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LKW-Führerschein – und schon geht’s los.<br />

Die Finanzierung wird einem meistens noch<br />

nachgetragen. Das hat jahrzehntelang sehr<br />

gut geklappt. Mit dem Fall der Berliner Mauer<br />

und den anschließenden politischen Änderungen<br />

hat sich dann ein schier unerschöpflich<br />

scheinendes Reservoir an LKW-Fahrern<br />

und –Unternehmern erschlossen. Das war<br />

auch nötig, denn der Warenverkehr auf der<br />

Straße nahm exponentiell zu, die Straßen-Infrastruktur<br />

erreichte an manchen Orten die<br />

Kapazitätsgrenze. Aber: A trend is a trend,<br />

until it hits a bend, wie die Engländer sagen,<br />

irgendwann nimmt jeder Trend eine andere<br />

Richtung.<br />

Diese Trendwende ist bereits eingeleitet. In<br />

den vergangenen Jahren gab es immer wieder<br />

und immer öfter Perioden, in denen freier<br />

Transportraum schwer zu organisieren war.<br />

Start-ups sind nun seit geraumer Zeit damit<br />

beschäftigt, die Lademeter der LKWs bis unter<br />

die Plane zu füllen und die unnützen Leerkilometer<br />

gegen Null zu reduzieren. Dabei wird<br />

eines übersehen: Das, was verbessert werden<br />

soll, ist Ergebnis der Produktionsplanung unserer<br />

Industrie. In all den Jahrzehnten, in denen<br />

Laderaum auf Zuruf bereitstand, wurde damit<br />

umgegangen, als wäre er unerschöpflich.<br />

Be- und Entladezeiten beispielsweise wurden<br />

nach den Bedürfnissen der jeweiligen Fabrik<br />

geregelt, die Sicherheitsmarge wurde auf<br />

den Transporteur abgewälzt, der mit einem<br />

immer unberechenbar werdenden Straßenverkehr<br />

fertig werden muss.<br />

Die Trendwende wird noch verstärkt durch<br />

weitere Faktoren. Der Fahrermangel ist einer<br />

davon. Über ihn wird bereits viel diskutiert,<br />

richtig spürbar wird er in ein paar Jahren,<br />

wenn ein beachtliches Gros der jetzigen Fahrer<br />

peu à peu in Rente gehen wird. Ein anderer<br />

Faktor ist das Wachstum der zu transportierenden<br />

Mengen. Bereits vor Covid und<br />

vor Trump waren die prognostizierten Mehrmengen<br />

schwindelerregend. Sie werden<br />

jetzt wohl noch grösser sein. Denn Covid und<br />

Trump haben die Anfälligkeit langer Lieferketten<br />

aufgezeigt; sie sind anfällig gegen Epidemien<br />

und gegen politische Entwicklungen<br />

wie den beginnenden Wirtschaftskrieg zwischen<br />

USA und China. Die britische Zeitschrift<br />

The Economist rechnet damit, dass globale<br />

Lieferketten zwar weiterhin bestehen werden,<br />

ein gewisser Teil der Produktion aber doch<br />

relativ schnell nach USA, bzw. Europa zurückgeholt<br />

wird; vor allem würden neue Investitionen<br />

näher an der Heimat geplant werden.<br />

Die Ausgabe vom 10. April titelt gar: „Riding<br />

high. A special report on the future of work.“<br />

Und der Spezialbericht ist überschrieben:<br />

„Labour gains.“<br />

Um es verhalten auszudrücken: Ein Nadelöhr<br />

in der Beschaffung von Laderaum im Straßentransport<br />

in naher Zukunft ist nicht auszuschließen.<br />

Sollte sich dies bewahrheiten, wird<br />

es einen latenten Fehler des kapitalistischen<br />

Systems aufzeigen, nämlich die mangelnde<br />

Koordination: Wenn eine Firma etwas tut,<br />

kann es gut für sie sein. Wenn alle Firmen es<br />

tun, kann es schlecht für alle werden. Wenn<br />

eine Firma Arbeiter entlässt, kann es gut sein<br />

für ihre Profitmarge. Wenn alle Firmen Leute<br />

entlassen, wird der Gesellschaft Kaufkraft entzogen,<br />

die Nachfrage lässt nach und der Teufelskreis<br />

nach unten beginnt – so wie es in der<br />

Großen Weltwirtschaftskrise 1929 geschehen<br />

ist.<br />

Hoffen wir, dass genügend Einsicht vorhanden<br />

ist und die „systemrelevante“ Funktion<br />

des Transportes in unserer Gesellschaft<br />

rechtzeitig gewürdigt wird. Es muss keine<br />

Oscar-Verleihung sein. Ludwig Erhard, der<br />

ehemalige deutsche Wirtschaftsminister und<br />

Bundeskanzler, hatte 1957 sein Buch veröffentlicht:<br />

„Wohlstand für alle“ – auch für den<br />

Transporteur, das wäre schon ausreichend.<br />

Und solange wir noch nicht in der schönen<br />

neuen Welt sind mit selbstfahrenden LKWs und<br />

Laderaum effizient füllenden Algorithmen,<br />

in der Milche und Honig fließen, sollte man<br />

die Fahrer und Disponenten bei einer Hommage<br />

der kleinen, aber umso notwendigeren<br />

Akteure unserer Wirtschaft nicht vergessen.<br />

(WS)

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