Wohnbaugenossenschaften Zürich: Jahresbericht 2020
2020 war für uns alle ein «ausserordentliches» Jahr. Der Lockdown im März forderte nicht nur grosse Umsicht und Rücksicht, sondern auch grösstmögliche Flexibilität. Ausserdem stellten die gemeinnützigen Wohnbauträger eine Qualität unter Beweis, welche die noch immer anhaltende Situation für die Bewohnenden leichter macht: die genossenschaftliche Tradition der Solidarität. Dieser Solidarität – im Kleinen wie im Grossen – widmet Wohnbaugenossenschaften Zürich, der Verband von rund 260 gemeinnützigen Wohnbauträgern mit 70'000 Wohnungen im Kanton Zürich, dem Schwerpunkt des Jahresberichts 2020.
2020 war für uns alle ein «ausserordentliches» Jahr. Der Lockdown im März forderte nicht nur grosse Umsicht und Rücksicht, sondern auch grösstmögliche Flexibilität. Ausserdem stellten die gemeinnützigen Wohnbauträger eine Qualität unter Beweis, welche die noch immer anhaltende Situation für die Bewohnenden leichter macht: die genossenschaftliche Tradition der Solidarität.
Dieser Solidarität – im Kleinen wie im Grossen – widmet Wohnbaugenossenschaften Zürich, der Verband von rund 260 gemeinnützigen Wohnbauträgern mit 70'000 Wohnungen im Kanton Zürich, dem Schwerpunkt des Jahresberichts 2020.
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HUNDERT
JAHRE GELEBTE
SOLIDARITÄT
Die Corona-Pandemie ist ein Prüfstein für
unseren Gemeinsinn. Die Genossenschaftsbewegung
kann dabei auf eine lange Tradition
des Zusammenhalts zurückgreifen, wie ein
Blick in die Geschichte zeigt.
D
ie Zeichen standen alles andere als auf
Aussöhnung, als Europa nach einem langen
und zermürbenden Ersten Weltkrieg
einen neuen Frieden suchte. Als Hermann Müller,
gerade erst ins Amt des Aussenministers berufen,
in Versailles 1919 die deutsche Kapitulation unterschrieb,
war dies zwar das Ende eines militärischen
Konflikts, zugleich aber intensivierten sich
soziale Auseinandersetzungen, die letztendlich
zum Aufstieg des Faschismus und dem Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges führen sollten. Die
Millionen von Heimkehrern, meist Soldaten fernab
der Heimat, wurden von ihren Landsleuten mit
Argwohn und meist ohne ein Zeichen der Solidarität
empfangen. Man wollte vorwärtsschauen
und sich durch die Kriegsversehrten nicht davon
abhalten lassen.
Die Schweiz war auch von diesem Krieg
grösstenteils verschont geblieben. Nicht aber von
dem schwelenden gesellschaftlichen Konflikt in
Europa. Nicht erst seit dem Ende des Ersten Weltkriegs
rollte auch auf das kleine Land inmitten
von Europa eine Bewegung mit grossem Konfliktpotenzial
und weitreichenden Forderungen zu.
Denn längst war ein heftiger Kampf entlang der
politischen Pole entbrannt, zwischen Arbeitnehmern
und Unternehmern, zwischen Konservativen
und Modernisten. Und hier stand die Schweiz für
einmal mittendrin und nicht aussen vor. Dies sollte
auch für die Entstehungsgeschichte und den Aufstieg
der schweizerischen Genossenschaftsbewegung
von zentraler Bedeutung sein.
Die Spannung zwischen vergleichsweise
starker Partizipation und relativ scharfer Ausgren-
zung war zwar nicht neu und prägte die Demokratiegeschichte
der Schweiz schon seit über drei
Jahrhunderten. Aber mit dem Aufkommen der
Arbeiterbewegung im Zuge der Industrialisierung
Mitte des 19. Jahrhunderts kam eine Kraft hinzu,
deren Anteil am Ende des ersten Jahrzehnts des
20. Jahrhunderts auf 46 Prozent der berufstätigen
Bevölkerung anwuchs. Und diese politisch-sozial
motivierte Bewegung musste nach eigenen
Strategien und Stärken suchen: Was ihr im politischen
Kampf gegenüber dem Freisinn und
den Katholisch-Konservativen fehlte, das Kapital,
machten sie wett mit der Solidarität innerhalb des
eigenen Milieus und dem Prinzip des kollektiven,
gewerkschaftlichen Handelns.
Und dies mit grossem Erfolg. Denn was
ab und an vergessen geht: Die Schweiz gehörte
vor dem Ersten Weltkrieg zu den streikfreudigsten
Ländern Europas. Am Generalstreik am
12. November 1918 standen einer Viertelmillion
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern knapp
100’000 Soldaten gegenüber. Der Tag gilt heute
noch als Ausgangspunkt eines solidarischen
Gesellschaftsmodells, der Gründung einer Altersvorsorge
und von humaneren Arbeitsbedingungen,
zum Beispiel der Reduktion der Arbeitszeit
von 59 zu 48 Stunden pro Woche.
E
benso dringlich gestaltete sich, gerade nach
den Entbehrungen des vierjährigen Kriegs,
die Verbesserung der eigenen Wohnsituation.
Städte boten zwar seit Längerem neue Industrien
und damit Arbeitsplätze; die Infrastruktur und
das Bewusstsein der Unternehmer, gerade beim
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