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Red Bulletin 0521 DE

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<strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />

MAI 2021<br />

€ 2,50<br />

ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />

„DIE SECURITY<br />

WAR UNS<br />

AUF <strong>DE</strong>N<br />

FERSEN.“<br />

„WIR MUSSTEN IRRE<br />

SCHNELL SEIN.“<br />

SKATEBOARD-FOTOGRAF JAKE DARWEN<br />

ÜBER DIE MAGIE <strong>DE</strong>S AUGENBLICKS AM RAN<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>S VERBOTENEN


E D I T O R I A L<br />

SONNYBOY<br />

AUF TOUR<br />

Für seine spektakulären<br />

Bilder geht Skateboard-Fotograf<br />

Jake<br />

Darwen bis an den<br />

Rand des Erlaubten.<br />

Beweise ab Seite 18.<br />

26<br />

Kilo wiegt die Ausrüstung,<br />

mit der<br />

Feuer wehrmann<br />

Andreas Michalitz<br />

100 Kilometer<br />

in Rekord zeit lief.<br />

Ab Seite 38<br />

WILLKOMMEN<br />

<strong>DE</strong>R BESTE<br />

MOMENT<br />

Manche Augenblicke sind so perfekt,<br />

dass wir sie am liebsten für immer festhalten<br />

wollen. Nun, dem Neuseeländer<br />

Jake Darwen, 28, gelingt genau das. Der<br />

Fotograf reist um die Welt und lichtet<br />

Skateboarder in Momenten ab, die eine<br />

besondere Magie in sich tragen – etwa<br />

inmitten sprudelnder Fontänen oder unter<br />

einem vorbeidonnernden Flugzeug. Wie<br />

ihm das gelingt? Durch besondere Leidenschaft<br />

für seinen Beruf: „Du kannst nicht<br />

aufhören, dich zu verbessern, das macht<br />

süchtig.“ Ein Best-of seiner Bilder ab Seite 18.<br />

Außergewöhnliche Passion steckt auch hinter<br />

dem Erfolg von Tarek Rasouli, 46. Nachdem er 2002<br />

als Mountainbike-Freerider verunglückte und eine<br />

Querschnittslähmung erlitt, fand er eine neue Lebensaufgabe.<br />

Sie sollte ihn zu Europas wichtigstem Bike-<br />

Manager machen. Seine ganze Geschichte ab Seite 62.<br />

Viel Spaß mit der<br />

neuen Ausgabe von<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />

Die <strong>Red</strong>aktion<br />

KÜNSTLER AUF<br />

WELLENLÄNGE<br />

Fotograf Lennart Brede<br />

(re., u. a. „Vogue“, „Highsnobiety“)<br />

lichtete<br />

Deutschrapper Nimo in<br />

der Hauptstadt ab. Die<br />

ganze Story ab Seite 50.<br />

JAKE DARWEN (COVER) BENE ROHLMANN<br />

ASTRONAUT AUF<br />

GEFÄHRLICHER MISSION<br />

Schriftsteller Michael Köhlmeier<br />

erzählt die Geschichte von John<br />

Glenns Erdumrundung. Ab Seite 92<br />

THE RED BULLETIN 3


INHALT<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

im Mai 2021<br />

COVERSTORY<br />

18 HEL<strong>DE</strong>N AUF BRETTERN<br />

Skateboard-Fotograf Jake<br />

Darwen begleitet Top-Fahrer<br />

auf der ganzen Welt bei ihren<br />

Stunts. Bei uns erzählt er<br />

von seinen besten Bildern.<br />

MUSIK<br />

34 SONGS IN HIMBEERROT<br />

Wenn Lea Lu singt, wird<br />

ihre Welt ganz bunt – denn<br />

jeder Klang ist für sie Farbe.<br />

ULTRARUNNING<br />

38 WIE DIE FEUERWEHR<br />

Brandhauptmeister Andreas<br />

Michalitz hält den Rekord im<br />

100-km-Lauf in voller Montur.<br />

WINGS FOR LIFE WORLD RUN<br />

40 TEAM <strong>DE</strong>R TRÄUME<br />

Profi Tadesse Abraham hilft<br />

Flüchtlingen mit seiner Trainingsgruppe<br />

auf die Beine.<br />

SKYDIVING<br />

42 KOMET MIT HELM<br />

Wie aus Stunts am Nachthimmel<br />

Bilder mit besonderer<br />

Leuchtkraft werden.<br />

MUSIK<br />

50 NIMO STARTET DURCH<br />

Vom Gefängnis auf Platz eins<br />

der Charts – der erstaunliche<br />

Aufstieg des Hip-Hop-Stars.<br />

6 GALLERY<br />

12 ZAHLEN, BITTE!<br />

14 FUNDSTÜCK<br />

16 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW<br />

LAUFEN<br />

56 IN HÖHEREM AUFTRAG<br />

Wie eine Schweizer Freizeit-<br />

Sportlerin mit dem Team Vatikan<br />

nach den Sternen greift.<br />

MOUNTAINBIKE<br />

62 <strong>DE</strong>R WEITER-MACHER<br />

Wie der Münchener Tarek<br />

Rasouli im Rollstuhl zu Europas<br />

Bike-Manager Nr. 1 wurde.<br />

E-MOBILITÄT<br />

68 E WIE EHRLICH<br />

Wie umweltfreundlich sind<br />

Elektro-Autos? Eine Managerin<br />

fordert neue Transparenz.<br />

GUI<strong>DE</strong><br />

Tipps für ein Leben<br />

abseits des Alltäglichen<br />

75 TRAVEL. Paragleiten am Mont<br />

Blanc mit Guide Calum Muskett.<br />

80 GAMING. Ein Star-Spieler erklärt,<br />

wie man eSport-Profi wird.<br />

81 PLAYLIST. Elektroswing-Pionier<br />

Parov Stelars Lieblingssongs.<br />

82 RICHTIG GUTES ZEUG. Liebhaberstücke,<br />

Tipps und Termine.<br />

86 AUTOS & MOTORRÄ<strong>DE</strong>R.<br />

Sportwagen, Transport-Talente und<br />

drei Bikes für alle Fälle.<br />

92 BOULEVARD <strong>DE</strong>R HEL<strong>DE</strong>N. Womit<br />

Astronaut John Glenn kämpfte.<br />

96 IMPRESSUM<br />

98 CARTOON<br />

50<br />

WEICH GELAN<strong>DE</strong>T Rapper Nimo über die<br />

entscheidende Wendung seines Lebens.<br />

62<br />

GUT AUFGELEGT Wie Bike-Manager Rasouli<br />

aus einem Schicksalsschlag das Beste machte.<br />

SCHNELL UNTERWEGS Camille Chenaux<br />

läuft für das Team des Papstes.<br />

56<br />

LENNART BRE<strong>DE</strong>, PHILIPP HORAK, NICOLA CARIGNANI, DUSTIN SNIPES<br />

4 THE RED BULLETIN


42<br />

SCHÖN GEFLOGEN<br />

Der Kometen-Stunt<br />

der <strong>Red</strong> Bull Air Force-<br />

Skydiver am Nachthimmel<br />

von Texas.<br />

THE RED BULLETIN 5


AL<strong>DE</strong>YJARFOSS, ISLAND<br />

Ein Fall für<br />

Mr. Garcia<br />

Der Pilot des roten Hubschraubers.<br />

Der kühne Mann im blauen Wildwasserkajak.<br />

Der Fotograf auf dem Felsen gegenüber.<br />

Auf diesem Bild, aufgenommen im spektakulären<br />

isländischen Hochland, zeigen drei<br />

Profis, was sie können: Der amerikanische<br />

Extrem-Kajakfahrer Evan Garcia stürzt sich,<br />

gefilmt aus dem Helikopter, den 20 Meter<br />

hohen Aldeyjarfoss-Wasserfall hinunter,<br />

der tschechische Fotograf Jan Kasl<br />

macht das Beste draus.<br />

Abenteuer im Bild: jankaslphoto.com


JAN KASL<br />

7


NEOM, SAUDI-ARABIEN<br />

Fabelhaft<br />

Wenn man nur lang genug von oben auf diese<br />

Wüstenzunge am Golf von Akaba schaut,<br />

dann taucht bald einmal ein schlafender Drache<br />

auf. Hier sehen wir den Truck der Russen Anton<br />

Shibalov, Dmitrii Nikitin und Ivan Tatarinov, der<br />

am Drachenmaul furchtlos Staub aufwirbelt.<br />

Die Besatzung hatte allerdings keine Zeit<br />

für Fabelwesen, denn bei ihrer Teilnahme an der<br />

Rallye Dakar – die nun zum zweiten Mal in<br />

Saudi-Arabien stattfand – galt: voll aufs Pedal!<br />

Der Franzose Éric Vargiolu hatte jedenfalls<br />

den Finger zur richtigen Zeit am Auslöser.<br />

Instagram: @eric_vargiolu<br />

ERIC VARGIOLU/DPPI/RED BULL CONTENT POOL DAVYDD CHONG<br />

9


ESBEN ZØLLNER OLESEN/RED BULL CONTENT POOL DAVYDD CHONG<br />

SILKEBORG, DÄNEMARK<br />

Ab durch<br />

den Wald<br />

Natürlich kostet es ein wenig Überwindung,<br />

speziell an einem Wintermorgen, aber so eine<br />

Wakeboard-Spritztour stärkt die Abwehrkräfte, die<br />

wir jetzt dringend brauchen. In Dänemark wissen<br />

sie das genau. Im Video „We, The Danes“ wird<br />

gesunde Härte als Lebenselixier gefeiert. Unter den<br />

Protagonisten: Board-Profi Robin Leroy Leonard,<br />

hier bei einer erfrischenden Session auf einem See<br />

bei Silkeborg in Zentraldänemark, fotografiert<br />

vom Kopenhagener Esben Zøllner Olesen.<br />

Das ganze Video gibt’s auf redbull.com.<br />

Noch mehr Action: esbenzollnerolesen.com<br />

11


Z A H L E N , B I T T E !<br />

WINGS FOR LIFE WORLD RUN<br />

Gemeinsam läuft’s besser<br />

Zum achten Mal laufen Menschen am 9. Mai rund um den Globus zur<br />

gleichen Zeit für den guten Zweck. Hier die beeindruckenden Zahlen –<br />

von der ältesten Teilnehmerin zum imposanten Bananenverbrauch.<br />

32,43<br />

Kilometer schaffte Wings<br />

for Life World Run-Dauerstarter<br />

Andreas Goldberger, der 2020<br />

rund um den Mondsee lief.<br />

2.800.000<br />

Euro Spendengeld wurden allein<br />

beim Lauf im Vorjahr gesammelt.<br />

7.378.113,6<br />

Kilometer – fast zehnmal die<br />

Distanz zum Mond und zurück<br />

– legten die Teilnehmer<br />

in sieben Jahren zurück.<br />

6<br />

Kontinente, 13 Zeitzonen und<br />

195 Länder umspannt das<br />

Teilnehmerfeld des Laufs.<br />

95<br />

Jahre alt war die bislang älteste Teilnehmerin.<br />

Die Südafrikanerin lief 7,24 Kilometer.<br />

22.287<br />

Teams (also Gruppen von<br />

Teil nehmern, die sich ein<br />

gemeinsames Ziel setzen)<br />

wurden bisher gegründet –<br />

mehr, als es Fußball vereine<br />

699.150<br />

in Deutschland gibt.<br />

Menschen haben seit 2014 am Wings for Life World Run teilgenommen.<br />

4070<br />

Menschen haben bislang<br />

im Rollstuhl teilgenommen.<br />

110<br />

Tonnen Bananen wurden beim<br />

Lauf verputzt. Das entspricht dem<br />

Gewicht von 18 Elefantenbullen.<br />

110410<br />

war die Startnummer der Russin<br />

Nina Zarina, die 2020 zum zweiten<br />

Mal en suite die Weltbeste<br />

bei den Frauen war: Sie hielt<br />

bei 54,23 Kilometern, als das<br />

virtuelle Catcher Car sie einholte.<br />

59<br />

Forschungsprojekte<br />

in 13 Ländern unterstützt<br />

Wings for Life derzeit. Ihr Ziel:<br />

Querschnittslähmung<br />

heilbar zu machen.<br />

250.000<br />

Rückenmarksverletzungen<br />

passieren weltweit pro Jahr,<br />

die Hälfte bei Verkehrsunfällen.<br />

Melde dich an und lauf mit:<br />

wingsforlifeworldrun.com<br />

GETTY IMAGES, MARKUS BERGER FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN CLAUDIA MEITERT<br />

12 THE RED BULLETIN


F U N D S T Ü C K<br />

Die Beatles am Cover von<br />

„Abbey Road“. Der Zebrastreifen<br />

steht seit 2010 unter<br />

Denkmalschutz.<br />

THE BEATLES<br />

Rock ’n’ Rolle<br />

Original Klopapierrolle von der Toilette der Londoner Abbey Road Studios, 1969<br />

Zwischen Februar und August 1969 nahm die berühmteste Pop-Band der Welt ihr letztes gemeinsames<br />

Album auf. Es hieß genauso wie die Studios: „Abbey Road“. Auch unser Fundstück spielte eine Rolle:<br />

„Die meisten Dinge liefen damals sehr flauschig ab“, heißt es dazu in einem Brief von einem EMI General<br />

Manager, „nicht jedoch dieses Klopapier, das den Beatles zu hart und zu glatt war. Außerdem fanden sie<br />

es erbärmlich, dass jedes Blatt von EMI gestempelt war. Die Rolle wurde sofort ausgetauscht.“<br />

GETTY IMAGES, ALAMY<br />

14 THE RED BULLETIN


© Jean Nouvel, Gilbert Lézénès, Pierre Soria et Architecture-Studio / Adagp, Paris, 2021<br />

ALPHATAURI.COM


D A S F I K T I V E P H I L O S O P H E N - I N T E R V I E W<br />

SOKRATES FRAGT<br />

„Erkennst du dich selbst,<br />

oder postest du noch?“<br />

Social Media ist für ihn nichts anderes als der antike<br />

Markt von Athen: eine Gelegenheit, bei der man die<br />

Weltbilder seiner Zeitgenossen zum Einsturz bringt.<br />

Wie das funktioniert, erklärt der große Denker<br />

Sokrates in unserem fiktiven Interview mit dem<br />

deutschen Philosophen Christoph Quarch.<br />

the red bulletin: In den sozialen<br />

Medien können Menschen sich<br />

zeigen und einander begegnen<br />

– selbst wenn sie physisch an verschiedenen<br />

Orten sind. Ist das<br />

nicht ein großartiges Instrument,<br />

um miteinander ins Gespräch<br />

zu kommen?<br />

sokrates: Ha, da haben Sie mir<br />

einen schönen Köder hingeworfen,<br />

mein Freund. Denn Sie wissen ja genau,<br />

dass ich ein riesengroßer Fan von<br />

Gesprächen bin. Und warum nicht<br />

auch mal chatten oder twittern?<br />

Mir ist nur eines nicht ganz klar<br />

dabei: Wer sind eigentlich diejenigen,<br />

die auf Social Media<br />

kommunizieren?<br />

Wie meinen Sie das? Man nennt<br />

diese Leute Nutzer.<br />

Ja, das weiß ich. Aber was ist<br />

das – ein Nutzer? Sehen Sie: Bei<br />

uns im alten Griechenland kannte jeder die Tempelinschrift<br />

in Delphi. Sie lautete: „Erkenne dich selbst!“<br />

Deshalb frage ich jeden Nutzer, ob er sagen kann,<br />

was es heißt, ein Nutzer zu sein. Verstehen Sie, was<br />

ich meine?<br />

Ja, schon. Und was ist aus Ihrer Sicht ein Nutzer?<br />

Lassen Sie uns mal so tun, als wäre hier ein Nutzer,<br />

den wir fragen könnten: „Hey Nutzer, wer bist du?“<br />

– „Was ist das für eine komische Frage, schau dir mal<br />

mein Profil an, dann weißt du’s.“ – „Okay, da finde<br />

ich ein Foto und ein paar Infos über dich. Aber das<br />

war doch wohl noch nicht alles.“ – „Na klar, ich kann<br />

doch nicht mein ganzes Leben in mein Profil quetschen.“<br />

– „Das will ich hoffen, aber dann bist du doch<br />

offenbar etwas anderes als dein Profil. Oder sagen wir<br />

so: Dein Profil ist ein Bild von dir – aber du bist nicht<br />

mit diesem Bild identisch …“ Merken Sie, worauf ich<br />

hinauswill?<br />

„Den Leuten ist<br />

jedes Mittel recht,<br />

um attraktiv zu<br />

scheinen, und sie<br />

vergessen darüber,<br />

attraktiv zu sein.“<br />

Sie wollen sagen, dass man im Netz eigentlich nur<br />

mit einem Bild von sich unterwegs ist, aber nicht<br />

als die Person, die man eigentlich ist?<br />

Genau das meine ich. Und jetzt kommt’s: Ein Bild kann<br />

wahr oder falsch sein. Es kann das, was es abbildet,<br />

getreu wiedergeben, es kann aber auch ein<br />

Zerrbild sein. Meistens ist Letzteres der Fall:<br />

Das Bild, mit dem Sie in sozialen Medien<br />

unterwegs sind, gibt dann gar nicht<br />

zu erkennen, wer Sie tatsächlich sind,<br />

sondern nur, wer Sie gern sein wollen.<br />

Es ist fast immer ein Wunschbild,<br />

das Sie von sich haben. Und das ist<br />

ziemlich oft ein verdammter Fake.<br />

Heißt das, wir machen uns in den<br />

sozialen Medien alle etwas vor?<br />

Vielleicht nicht alle, aber viele. Es ist<br />

wirklich wie früher auf dem Markt<br />

von Athen. Die Leute wollen sämtlich<br />

Aufmerksamkeit. Sie wollen<br />

bewundert und wertgeschätzt<br />

werden. Aus diesem Grund ist<br />

ihnen jedes Mittel recht, um gut<br />

und attraktiv zu scheinen – und<br />

sie vergessen darüber, gut und<br />

attraktiv zu sein. Das ist schade.<br />

Haben Sie deshalb keinen<br />

Facebook-Account?<br />

Och, ich würd mir schon noch einen anlegen, denn<br />

für Social Media gilt am Ende das Gleiche wie für<br />

den Markt in Athen: Du kannst darin als Fake-Avatar<br />

herumlaufen und dich mit deinem Profil verwechseln,<br />

du kannst Social Media aber auch für Dialoge nutzen,<br />

in denen du anfängst, dich selbst zu erkennen und<br />

deine albernen Selbstinszenierungen als das zu durchschauen,<br />

was sie sind: fruchtlose Schattenspiele, die<br />

dich davon abhalten, wirklich du selbst zu sein.<br />

SOKRATES (ca. 470–399 v. Chr.) ist die Galionsfigur der europäischen<br />

Philosophie. Zu Lebzeiten war der griechische Denker<br />

berühmt dafür, unreflektierte Selbst- und Weltbilder infrage<br />

zu stellen. Damit zog er den Zorn vieler Mitbürger auf sich,<br />

die ihn in einem fragwürdigen Prozess zum Tode verurteilten.<br />

CHRISTOPH QUARCH, 56, ist deutscher Philosoph, Theologe,<br />

Unternehmens-Coach und Autor zahlreicher philosophischer<br />

Bücher. Zuletzt erschienen: „Platon und die Folgen“,<br />

Verlag J. B. Metzler, Stuttgart.<br />

DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />

16 THE RED BULLETIN


FLÜÜÜGEL<br />

FÜR <strong>DE</strong>N SOMMER.<br />

MIT <strong>DE</strong>M GESCHMACK VON KAKTUSFRUCHT.<br />

NUR FÜR<br />

KURZE ZEIT<br />

BELEBT GEIST UND KÖRPER ® .


P O R T F O L I O<br />

„Wir hatten<br />

nicht viel Zeit.<br />

Die Securitys<br />

waren uns auf<br />

den Fersen.“<br />

Skateboard-Fotograf<br />

Jake Darwen über die Magie<br />

des Augenblicks<br />

am Rande des Verbotenen.<br />

Text ANDREAS WOLLINGER<br />

Volles Rohr<br />

Anthony Schultz, Seoul,<br />

Südkorea, 2016<br />

„Vor dem größten Einkaufszentrum<br />

Seouls steht diese perfekte Full Pipe.<br />

Das Problem sind nur die vielen<br />

Wachleute. Ein paar von den Jungs<br />

lenkten sie ab, Anthony hatte Zeit<br />

für genau zwei Versuche, dann haben<br />

sie uns des Areals verwiesen.“<br />

18 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 19


P O R T F O L I O<br />

Unter dem<br />

Regenbogen<br />

Casey Ainsworth,<br />

Adelaide,<br />

Australien, 2015<br />

„Casey entdeckte<br />

diese wirklich steile<br />

Bank (eine Schräge,<br />

die Tricks zulässt;<br />

Anm.) tagsüber, wir<br />

gingen abends hin,<br />

um ungestört zu sein.<br />

Da stellten wir fest,<br />

dass das Stadion beleuchtet<br />

war, was die<br />

Sache gleich noch viel<br />

schöner machte.“<br />

20 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 21


P O R T F O L I O<br />

Nicht mal Fliegen ist schöner<br />

Marius Syvänen, Tugun, Australien, 2018<br />

„Fast zu schön, um wahr zu sein, aber diese Bowl<br />

ist nur ein paar hundert Meter von der Landebahn<br />

des Flughafens von Gold Coast entfernt. Marius<br />

und ich stoppten, dass die Flugzeuge zirka alle<br />

20 Minuten ankamen. Schwebte also ein Flieger<br />

herein, legte Marius los. Es dauerte lang, bis wir es<br />

präzise hinbekamen, aber das war es allemal wert.“<br />

22 THE RED BULLETIN


Sprünge im Schulhof<br />

Jake Hayes & Jordan Trahan,<br />

Los Angeles, USA, 2019<br />

„Klassische Schulhof-Session, mitten im Hochsommer.<br />

Meine Blitzgeräte explodierten fast<br />

in der Hitze, aber die Jungs behielten einen<br />

kühlen Kopf und schafften es, ihre Kickflips über<br />

den Tisch perfekt zu synchronisieren.“<br />

THE RED BULLETIN 23


P O R T F O L I O<br />

Big City, Bright Lights<br />

Marquise Henry, Los Angeles, USA, 2020<br />

„Ich war schon immer ein großer Fan davon, mein<br />

Motiv von hinten zu beleuchten, wann immer ich<br />

die Gelegenheit dazu habe. Die Art und Weise, wie<br />

die Schatten dann mit dem Boden verschmelzen,<br />

und das Glühen hinter der Person: Ich liebe es!“<br />

Kunst und Können<br />

Louie Dodd, Melbourne,<br />

Australien, 2016<br />

„Louie skatet immer an Stellen, die<br />

so toll sind, dass man sich wünscht,<br />

ihn dabei fotografieren zu können.<br />

Glücklicherweise ging mein Wunsch<br />

in Erfüllung: Diese abstrakte Skulptur<br />

steht im Herzen von Melbourne.“<br />

24 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 25


P O R T F O L I O<br />

26 THE RED BULLETIN


Springen<br />

im Brunnen<br />

Dean Palmer,<br />

Peking, China,<br />

2014<br />

„Ich wollte immer<br />

schon jemanden in<br />

einem Springbrunnen<br />

fotografieren, aber<br />

meistens wollen die<br />

Leute nicht nass<br />

werden. Als ich mit<br />

Dean in Peking war,<br />

fragte ich ihn, ob er<br />

Lust habe. Nach fünf<br />

Minuten war er tropfnass.<br />

Er ist dann ins<br />

Hotel zurück, holte<br />

sich neue Klamotten,<br />

und weiter ging’s.“<br />

THE RED BULLETIN 27


P O R T F O L I O<br />

Sicherheit ist relativ<br />

Franky Villani, Los Angeles, USA, 2020<br />

„Nach dem Ausbruch von Corona hatte ich einen Monat<br />

lang kein Foto geschossen. Dann erkannten wir, dass<br />

geschlossene Schulen sichere Orte waren – keine<br />

Menschen weit und breit. Franky wählte prompt den<br />

am wenigsten sicheren Trick: den 50-50 Grind Hippie<br />

Jump – über das Geländer durch das Loch im Zaun.“<br />

28 THE RED BULLETIN


Eine Frage des Gleichgewichts<br />

Gabriel Summers, Melbourne, Australien, 2015<br />

„Bis heute weiß keiner, wer das gebaut oder wozu es gedient<br />

hat – eine wilde Konstruktion mit herausstehenden<br />

Nägeln und Sperrholzstücken, die sich gegenseitig überlappen.<br />

Gabriel musste wie ein Turner balancieren, um<br />

sein Brett in die richtige Position zu bringen, und dann<br />

einfach das Beste hoffen. Zum Glück ist nichts passiert.“<br />

THE RED BULLETIN 29


P O R T F O L I O<br />

Blitzaktion im Bahnhof<br />

Ronnie Kessner, New York, USA, 2019<br />

„Wir waren in diesem Bahnhof was essen. Beim<br />

Rausgehen fiel mir auf, dass man von oben<br />

ganz nach unten sehen konnte, was sofort eine<br />

Fotoidee zündete. Ich verständigte mich mit<br />

Ronnie via Handy, ein Assistent blitzte ihn zusätzlich<br />

von oben, was den Schatten erzeugte.<br />

Viel Zeit hatten wir nicht, die Securitys waren<br />

uns schon auf den Fersen.“<br />

30 THE RED BULLETIN


Verbotene Leidenschaften<br />

Kayle Lawson, Melbourne, Australien, 2016<br />

„Diese Stelle war jahrelang gesperrt. Doch dann haben<br />

Einheimische die Sperren entfernt, und man konnte<br />

genau zwei Wochen skaten. Im Bild: mein bester<br />

Freund Kayle bei einem Switch Backside Lipslide.“<br />

THE RED BULLETIN 31


P O R T F O L I O<br />

32 THE RED BULLETIN


Mit 16 zog sich<br />

Jake Darwen eine<br />

Knieverletzung zu<br />

– nicht lustig, wenn<br />

man davon träumt,<br />

Skateboardprofi<br />

zu werden. Doch<br />

der Sonnyboy aus<br />

Auckland, Neuseeland, nutzte die<br />

halbjährige Auszeit kreativ: Er legte<br />

sich eine Kamera zu, um Teil der<br />

Szene zu bleiben, wenn er schon nicht<br />

selber fahren konnte. Schnell wurde<br />

die Fotografie zu seiner neuen Leidenschaft,<br />

wobei er den gleichen Zugang<br />

wählte wie beim Skateboarden: „Du<br />

kannst nicht aufhören, dich zu verbessern,<br />

das macht süchtig“, sagt er.<br />

Nach fünf Jahren in Australien zog er<br />

schließlich nach Los Angeles und<br />

zählt heute, mit 28, zu einem der<br />

gefragtesten Skateboard-Fotografen<br />

der Welt. Vor allem weil er es versteht,<br />

die flüchtigen Tricks der Boarder<br />

und ihre Umgebung mit wachem Blick<br />

und perfektem Timing zu Gesamtkunstwerken<br />

zu erhöhen. „Ich glaube“,<br />

sagt er, „dass man ein Foto auf diese<br />

Art dazu bringt, eine Geschichte<br />

zu erzählen.“<br />

Bilder aus Jakes Leben: Instagram: @jakedarwen<br />

Tag der Fahne<br />

Jake Hayes, Chongqing,<br />

China, 2014<br />

„Diese Flaggen fielen mir auf, als wir<br />

von einem Spot zum nächsten unterwegs<br />

waren. Ich kletterte auf einen<br />

Baum, um den Blickwinkel richtig hinzukriegen,<br />

und Jake machte ein paar<br />

Kickflips. Zum Glück waren nirgends<br />

Securitys.“<br />

THE RED BULLETIN 33


Musik<br />

„Meine Songs<br />

sind dunkelgrün<br />

und himbeerrot“<br />

Wenn Lea Lu singt, wird ihre Welt ganz bunt – denn<br />

jeder Klang ist für sie Farbe. Die Sängerin sieht Töne.<br />

Und das gibt ihrer Musik einen einzigartigen Anstrich.<br />

Interview SABRINA LUTTENBERGER<br />

Foto CLAUDIO STRÜBY<br />

Wenn Lea Lu auf die dunkle Seite<br />

ihrer Seele wechselt – dorthin, wo<br />

es ein wenig düsterer zugeht –, sieht<br />

sie nicht schwarz, nein, sie hört<br />

dunkelgrün.<br />

Für die Sängerin, 36, steht Dunkelgrün<br />

für F-Dur. Und zwar immer.<br />

Denn Lea Lu ist Synästhetikerin.<br />

Das heißt: Jeder Ton, jeder Akkord<br />

lässt vor ihrem inneren Auge eine<br />

bestimmte Farbe erklingen.<br />

Nur einer von 20.000 Menschen,<br />

schätzen Experten wie der Neuropsychologe<br />

Lutz Jäncke von der Uni<br />

Zürich, besitzt diese Gabe. Der russische<br />

Maler Wassily Kandinsky soll<br />

sie gehabt haben, US-Sängerin Lady<br />

Gaga und der Frontmann der britischen<br />

Popband Coldplay, Chris<br />

Martin, sehen Töne wie Lea Lu.<br />

Neue Studien gehen davon aus,<br />

dass fast jeder Zwanzigste Töne<br />

sieht, viele, ohne sich dessen bewusst<br />

zu sein. Lange ahnte auch Lea<br />

Lu nichts von ihrer Gabe, erst eine<br />

Doku über Synästhesie öffnete ihr<br />

die Augen. Dabei hatte sich die<br />

Schweizerin schon als Sechsjährige<br />

mit ihrer speziellen Fähigkeit durch<br />

den Geigen-Unterricht geschummelt:<br />

Statt der Noten merkte sie sich die<br />

Farbfolge, die sie sah, wenn ihr die<br />

Lehrerin ein Stück vorspielte.<br />

Ob die Farbe vor ihrem inneren<br />

Auge ihren Liedern einen besonderen<br />

Klang verleiht? Wir meinen ja, ihrer<br />

ersten Single „I Call You“ gibt sie<br />

einen einzigartigen Anstrich, ihr dieses<br />

Jahr erscheinendes Album verspricht<br />

eine bunte Welt. Ein Happy<br />

End, mit einem dunkelgrünen Start<br />

in New York.<br />

the red bulletin: Wenn du mit<br />

anderen Musik machst, kann es<br />

passieren, dass andere etwas<br />

richtig gut finden, für dich aber<br />

die Farbkombination nicht funktioniert?<br />

lea lu: Ja, das kommt wirklich<br />

vor. Wenn die Komposition toll ist,<br />

die Farben aber langweilig sind,<br />

beeinflusst das schon meine Wahrnehmung<br />

des Songs. Oder zum Beispiel<br />

F-Dur, das ist für mich immer<br />

dunkelgrün, ein bisschen düster. Es<br />

kann schon sein, dass ich dafür eher<br />

melancholischere Themen wähle.<br />

Auf der anderen Seite würde ich<br />

niemals einen traurigen Song in<br />

A‐Dur schreiben. A-Dur ist himbeerrot,<br />

eine fröhliche Farbe!<br />

Wie kann man sich das vorstellen,<br />

wenn du Musik nicht nur hörst,<br />

sondern siehst?<br />

Es ist wie eine Farbebene, die immer<br />

da ist, also auch jetzt, wenn wir<br />

sprechen. Es gibt dieses Empfinden,<br />

das mehr im Inneren des Körpers<br />

stattfindet. Ich habe das nicht nur<br />

bei Tönen, sondern auch, wenn ich<br />

lese und Buchstaben sehe. Da sind<br />

dann aber nicht die Buchstaben<br />

farbig, sondern ich sehe die Farben.<br />

Bei der Musik ist das eben auch so:<br />

Es tauchen Farbnebel vor meinem<br />

inneren Auge auf. Jeder Akkord und<br />

jeder Ton hat in meinem Kopf eine<br />

bestimmte Farbe. Und das ist immer<br />

dieselbe.<br />

Beeinflusst dich diese Fähigkeit<br />

auch in anderen Bereichen?<br />

Mir hilft das dabei, mir Dinge zu<br />

merken. Also, ich hab schon als<br />

kleines Kind Geige gespielt, konnte<br />

aber keine Noten lesen. Die Geigenlehrerin<br />

wusste das aber nicht und<br />

hat mir das Notenblatt hingestellt.<br />

Ich hab sie dann gefragt: „Können<br />

Sie das bitte vorspielen?“ Ich habe<br />

mir die Tonfolge farblich gemerkt<br />

und so getan, als ob ich die Noten<br />

lesen würde. Sie hat das sechs Jahre<br />

lang nicht gemerkt! (Lacht.)<br />

Normalerweise würden wir jetzt<br />

über deinen New-York-Aufenthalt<br />

sprechen. Doch 2020 kam alles<br />

anders.<br />

Ja, ich wäre von März bis September<br />

mit einem Auslandsstipendium der<br />

Stadt Zürich in New York gewesen.<br />

Der Traum jedes Künstlers! Ich<br />

bin am 9. März angereist und war<br />

am 17. März notgedrungen wieder<br />

zurück in der Schweiz. Das war<br />

ein Schock, wie die Pandemie sich<br />

so plötzlich entfacht hat.<br />

Wie hast du die Zeit erlebt?<br />

Zuerst hatte ich natürlich Angst,<br />

um meine Familie, meine Freunde,<br />

meine Gesundheit. Ich war wie in<br />

einer Schockstarre, bis ich erkannt<br />

habe, ich muss da wieder raus. Das<br />

habe ich geschafft, indem ich mir<br />

möglichst viele wissenschaftliche<br />

Informationen zu Covid-19 beschafft<br />

habe. Ich hab viel gelesen und mich<br />

mit Freunden aus Taiwan ausgetauscht,<br />

die bereits früh Erkenntnisse<br />

34 THE RED BULLETIN


„Ich musste<br />

raus aus der<br />

Schockstarre.“<br />

Lea Lu, 36, kämpfte sich nach einem<br />

harten Jahr 2020 wieder zurück.<br />

THE RED BULLETIN 35


Musik<br />

zum Virus hatten. Als die Angst weg<br />

war, war das Organisieren wichtig.<br />

Okay, was mache ich jetzt? Wie zum<br />

Teufel zahle ich meine Miete? Es ist<br />

Lockdown. Ich hab keine Konzerte,<br />

ich kann keinen Gesangsunterricht<br />

geben.<br />

Zum weltweiten Ausnahmezustand<br />

kam also auch noch<br />

ein persönlicher?<br />

Ja. Die Kulturbranche wurde von der<br />

Situation hart getroffen. Zum Glück<br />

gab es nach einigen Monaten Unterstützungsbeiträge<br />

von verschiedenen<br />

Institutionen. Um die erste Zeit zu<br />

überbrücken, habe ich mir Geld<br />

von Freunden geliehen. Sobald das<br />

Finanzielle vorerst geklärt war, hat<br />

sofort wieder das Kreieren begonnen.<br />

Das Leben kam wieder in Bewegung.<br />

Ich wollte schon sehr lange an<br />

meinem neuen Album arbeiten,<br />

deshalb bin ich ja auch nach New<br />

York gegangen.<br />

Stattdessen hast du es bei dir<br />

daheim in Zürich aufgenommen.<br />

Wie war die Arbeit daran?<br />

Als ich die Songs geschrieben hatte,<br />

habe ich einfach angefangen, die<br />

Musik mit meinem Schlagzeuger, mit<br />

dem ich mir den Proberaum teile,<br />

aufzunehmen – mit den Möglichkeiten,<br />

die wir zur Verfügung hatten.<br />

Und ich habe mir Bassspielen beigebracht.<br />

Weil ich … na ja, keinen<br />

„I love the<br />

songs! I love<br />

your voice!“<br />

Der kanadische Musiker Mocky<br />

war sofort bereit, Bass für<br />

Lea Lu zu spielen.<br />

Bassisten in der Nähe hatte. (Lacht.)<br />

Es ging eigentlich ganz okay, aber<br />

dann ist mir plötzlich wieder Mocky<br />

in den Sinn gekommen. Ein kanadischer<br />

Musiker, der schon mit Jamie<br />

Lidell (britischer Sänger; Anm.) und<br />

Leslie Feist (kanadische Sängerin;<br />

Anm.) gearbeitet hatte. Den wollte<br />

ich eigentlich in New York treffen.<br />

Ich hab mir gedacht, die Chance<br />

ist klein, aber ich frag einfach mal<br />

per Mail bei ihm an. Er hat zurückgeschrieben<br />

und war begeistert:<br />

„I love the songs! I love your voice!<br />

I would love to play on your album!“<br />

Er hat dann in Los Angeles die Bass-<br />

Linien eingespielt und uns geschickt.<br />

Das war so krass: Es hat sofort so<br />

geklungen, als ob wir schon lange<br />

eine Band wären! Ohne dass wir uns<br />

einmal getroffen haben.<br />

Wenn man sich das Album anhört,<br />

wird man etwas von der Stimmung<br />

des vergangenen Jahres spüren?<br />

Ich glaube, man wird darin deutlich<br />

das Bedürfnis nach Austausch spüren.<br />

Das, was ich mir in dieser Zeit am<br />

meisten gewünscht habe: wieder<br />

mit anderen Musikern spielen zu<br />

können. Für mich ist das Album<br />

auch eine Weiterführung meiner EP<br />

„Rabbit“. Die war eine Soloproduktion,<br />

ein sehr einsames Stück Musik.<br />

Der nächste Schritt wäre gewesen,<br />

wieder in die Welt hinauszugehen.<br />

Dann kam Corona, und die Welt ging<br />

zu. Aber das Bedürfnis ist geblieben.<br />

Wie bist du damit umgegangen?<br />

Ich habe es so gelöst, wie es eben<br />

ging: zum Beispiel mit Mocky<br />

online. Als der Lockdown in der<br />

Schweiz zu Ende war, so Anfang<br />

Mai, konnte man sich auch wieder<br />

treffen und zusammen musizieren.<br />

Da haben wir das Proberaumstudio<br />

in ein Auto gepackt und in einer<br />

Alphütte wieder aufgebaut, und ich<br />

hab meine Lieblings-Jazzmusiker<br />

aus der Schweiz eingeladen. Also,<br />

ich hab einfach nur angerufen, und<br />

sie sind alle gekommen. Das war ein<br />

wunderschönes Erlebnis. Deshalb<br />

heißt das Album auch „I Call You“.<br />

Dabei wolltest du als Kind auf<br />

keinen Fall Musikerin werden.<br />

Du hast angeblich gesagt, das sei<br />

dir viel zu anstrengend.<br />

Das stimmt. Ich hab schon sehr<br />

früh Songs geschrieben. Das war<br />

das Natürlichste für mich. Ich sag<br />

immer, das war meine erste Sprache,<br />

meine Muttersprache. Die Welt,<br />

in der ich mich ausdrücken konnte.<br />

Musikerin werden war aber nie ein<br />

Berufswunsch oder Traum. Nicht,<br />

weil es anstrengend ist – mir war<br />

wohl schon immer bewusst, dass<br />

es einfach schwierig ist, Musikerin<br />

zu werden und davon zu leben.<br />

Deshalb habe ich auch mit einem<br />

Psychologiestudium begonnen. Da<br />

hatte ich in den Vorlesungen aber<br />

immer eine Jazz-Notensammlung<br />

mit. Eine Mitstudentin hat mich<br />

irgendwann einmal gestupst und<br />

meinte: „Ey, du bist wirklich im<br />

falschen Studium.“ (Lacht.) Danach<br />

habe ich Jazz studiert.<br />

Und kannst du auch Noten lesen?<br />

Ja, das hat auch noch funktioniert.<br />

Als Anheizer für Coldplay: Lea Lu 2016 mit ihrer Band im Stadion in Zürich –<br />

48.000 Zuschauer sahen ihren Auftritt. Wie Lea Lus Leben Farbe gewinnt: lealu.ch<br />

LUKAS MAE<strong>DE</strong>R<br />

36 THE RED BULLETIN


MOTORÖLE<br />

ADDITIVE<br />

Das geht<br />

AUTOPFLEGE<br />

runter wie Öl!<br />

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LIQUI MOLY


Ultrarunning<br />

Der fitteste<br />

Feuerwehrmann<br />

der Welt<br />

Andreas Michalitz, 52, Hauptbrandmeister aus Österreich,<br />

hält den Weltrekord im 100-Kilometer-Lauf – und zwar in<br />

voller Montur. Das heißt: Er muss 26 Kilo mitschleppen.<br />

Und das ist nicht seine einzige Bestleistung.<br />

Interview WOLFGANG WIESER<br />

Foto PHILIPP HORAK<br />

Seine Vorbereitung für die Weltrekorde<br />

absolvierte Hauptbrandmeister<br />

Andreas Michalitz in der Nacht:<br />

Warum? „Weil es seltsam aussieht,<br />

wenn du mit einem Feuerwehrhelm<br />

auf dem Kopf läufst.“ Tatsächlich näherte<br />

sich der Profi-Feuerwehrmann<br />

aus Wiener Neustadt in Niederösterreich<br />

seiner Rekordjagd Stück für<br />

Stück: Mal trug er den Helm, mal<br />

seine schweren Einsatzstiefel („Die<br />

sind fürs Laufen völlig ungeeignet“).<br />

Bis er schließlich in die komplette,<br />

26 Kilo schwere Montur schlüpfte.<br />

Das monatelange Training hat sich<br />

gelohnt. Heute hält er vier Weltrekorde:<br />

im 100-Kilometer-Lauf (im<br />

Einzel und im Team mit drei deutschen<br />

Kollegen), für zwölf Stunden<br />

am Laufband und im Treppensteigen<br />

– alles in voller Feuerwehr-Montur.<br />

the red bulletin: Du hältst auch<br />

den Weltrekord im Treppensteigen<br />

in voller Montur, konkret hast<br />

du 82.301 Stufen in 24 Stunden<br />

geschafft. Frage eins: Was heißt<br />

in voller Montur genau? Frage<br />

zwei: Ganz ehrlich, ist das nicht<br />

ein bisschen verrückt?<br />

Andreas Michalitz: Die zweite<br />

Frage kann ich kurz beantworten:<br />

Ja. Zur ersten Frage: Helm, Jacke,<br />

Handschuhe, Hose, Stiefel, Atemschutzgerät,<br />

Beil, eine Maske – alles<br />

in allem 26 Kilo schwer.<br />

Wie bist du überhaupt auf diese<br />

verrückte Idee gekommen?<br />

Den Treppenrekord hat vor mir Joey<br />

Kelly von der Kelly Family gehalten<br />

– allerdings ohne Montur. Ich wollte<br />

nur beweisen, wie fit du als Feuerwehrmann<br />

sein musst.<br />

Dieser Weltrekord ist nicht dein<br />

einziger, du hältst vier, einer davon<br />

ist der Weltrekord im 100-Kilometer-Lauf<br />

in Feuerwehr-Schutzausrüstung<br />

mit Atemschutz. Du<br />

hast dafür 15 Stunden, 11 Minuten<br />

und 10 Sekunden gebraucht. Was<br />

treibt dich zu solchen Leistungen?<br />

Das ist schwer zu sagen. Aber ich<br />

vermute, es ist die Motivation, etwas<br />

Besonderes zu schaffen, was sonst<br />

kaum jemand schafft. In Österreich<br />

bin ich mit diesen Extremeinsätzen<br />

eher ein Einzelkämpfer, in Deutschland<br />

sind viel mehr Feuerwehrkollegen<br />

dabei.<br />

Deine Vorbereitung?<br />

Ich laufe seit rund 20 Jahren täglich.<br />

Zwei-, dreimal in der Woche habe<br />

ich speziell für die Weltrekorde<br />

trainiert. Auf unterschiedlichen<br />

Strecken. Meistens in der Nacht,<br />

weil es seltsam aussieht, wenn du<br />

mit einem Feuerwehrhelm auf dem<br />

Kopf läufst. Das größte Problem waren<br />

die Schuhe, die schweren Stiefel<br />

sind fürs Laufen eigentlich völlig ungeeignet.<br />

Aber wenn du lange genug<br />

übst, haut auch das hin.<br />

Was haben die Feuerwehrkollegen<br />

dazu gesagt? Und deine Frau,<br />

deine Kinder?<br />

Die waren Feuer und Flamme und<br />

haben mich unterstützt. Meine Frau<br />

und mein Sohn betreuen mich auch,<br />

wenn ich an Extrem läufen teilnehme.<br />

Am Anfang deiner Laufbegeisterung<br />

stand ein Buch von Extremsportler<br />

Christian Schiester.<br />

In „Lauf ins Leben“ beschreibt er,<br />

wie er vom Kettenraucher zum Top-<br />

Sportler wurde. Es hat mich fasziniert,<br />

dass ein Antisportler all das<br />

schaffen kann.<br />

Bevor Christian mit dem Laufen<br />

begann, hatte er jeden Tag sechs<br />

Bier getrunken und 40 Zigaretten<br />

geraucht. Wie hat dein Sündenregister<br />

ausgesehen?<br />

Gegessen habe ich gerne, aber kaum<br />

Alkohol getrunken. Sportlich habe<br />

ich – außer ein bisschen Ski zu fahren<br />

– schlicht nichts gemacht.<br />

Sind diese Rekorde mehr als bloß<br />

ein Gag?<br />

Natürlich, sie sind so etwas wie eine<br />

Bestätigung meiner körperlichen,<br />

aber auch meiner mentalen Fitness.<br />

Wenn ich bei einem Einsatz auf<br />

der Autobahn auf 50 Grad heißem<br />

Asphalt stehe und im Schutzanzug<br />

arbeiten muss, ist es wichtig, nicht<br />

nur körperlich, sondern auch geistig<br />

fit zu sein.<br />

Wohin Andreas Michalitz gerade läuft:<br />

ultrarunning-michalitz.at<br />

38 THE RED BULLETIN


„In dieser<br />

Montur lief ich<br />

100 Kilometer<br />

am Stück.“<br />

Hauptbrandmeister Michalitz, 52,<br />

in seiner Sportbekleidung:<br />

„Ich will etwas schaffen, was sonst<br />

kaum jemand schafft.“<br />

THE RED BULLETIN 39


Wings for Life World Run<br />

„Du brauchst<br />

nur ein Ziel“<br />

Tadesse Abraham, 38, ist einer der besten Marathonläufer<br />

der Welt. Privat schraubt er das Tempo lieber<br />

runter. Und hilft Menschen, die wie er in der Schweiz<br />

eine neue Heimat suchen.<br />

Interview KARIN CERNY<br />

Fotos JANOSCH ABEL<br />

Gibt es im Refugee-Team Läufer,<br />

die Ihnen später mal Konkurrenz<br />

machen können?<br />

Fünf sind extrem gut. Aber ich hatte<br />

nie Angst, dass jemand besser ist als<br />

ich. Wer gut trainiert, der gewinnt.<br />

Für mich ist es okay, wenn mich<br />

jemand aus dem eigenen Team<br />

schlägt. Das bedeutet doch bloß,<br />

dass ich meinen Job gut gemacht<br />

habe. Es geht beim Sport nicht nur<br />

ums Gewinnen, möglichst viele Kilometer<br />

möglichst schnell zu laufen.<br />

Wichtig ist der Teamgeist.<br />

Er läuft 200 Kilometer pro Woche.<br />

Und liebt es, wenn ihm Zeit für<br />

einen ausgiebigen Mittagsschlaf<br />

bleibt. Denn im Leben von Tadesse<br />

Abraham geht es um die richtige<br />

Mischung aus Entspannung und<br />

Leistung. Seit 2016 hält er den<br />

Schweizer Rekord im Marathon –<br />

mit 2 Stunden, 6 Minuten und<br />

40 Sekunden. Der Weg dahin war<br />

lang: In Eritrea geboren, setzte er<br />

sich während eines Wettkampfs in<br />

Belgien ab und stellte 2004 einen<br />

Asylantrag in der Schweiz. 2014<br />

wurde er eingebürgert – und gilt<br />

heute als bestes Beispiel für gelungene<br />

Integration. Jetzt hilft er jungen<br />

Menschen, die wie er Migrationshintergrund<br />

haben. Sein „THSN<br />

Refugee Team“ wird am 9. Mai beim<br />

Wings for Life World Run in Genf<br />

mitlaufen.<br />

the red bulletin: Wo erwische<br />

ich Sie gerade?<br />

tadesse abraham: Ich bin auf<br />

Trainingslager in Äthiopien und<br />

komme gerade vom Mittagessen.<br />

Vormittags bin ich 21 Kilometer<br />

g elaufen, nachmittags stehen noch<br />

einmal zehn an.<br />

Addis Abeba liegt auf fast<br />

2400 Metern. Probleme mit<br />

der Höhe haben Sie keine?<br />

Die Höhe liegt mir. So bin ich aufgewachsen,<br />

ich akklimatisiere mich<br />

dementsprechend schnell. Äthiopien<br />

ist wie eine Heimat für mich, ich<br />

spreche die Sprache, mag das Essen,<br />

finde leicht Trainingspartner. Und<br />

die Laufstrecken sind sehr abwechslungsreich.<br />

2004 sind Sie aus dem autoritär<br />

regierten Eritrea in die Schweiz<br />

geflüchtet. Konnten Sie Deutsch?<br />

Kein Wort. Das war schon schwierig,<br />

aber der Sport hat mir sehr geholfen,<br />

mich schnell zu integrieren.<br />

Ist das ein Grund, warum Sie sich<br />

sozial engagieren? Um anderen<br />

zu helfen, denen es ähnlich geht?<br />

Definitiv! Viele Leute schämen sich,<br />

dass sie die Sprache nicht perfekt<br />

beherrschen. Ich möchte ihnen die<br />

Hemmungen nehmen. Ihnen klar<br />

machen, dass es wichtig ist, zu sprechen,<br />

auch wenn die Grammatik<br />

nicht perfekt ist.<br />

Sie leiten das „THSN Refugee<br />

Team“. Was ist das genau?<br />

Ein Projekt, das die Versicherung<br />

Generali Schweiz gemeinsam<br />

mit mir ins Leben gerufen hat. Es<br />

geht darum, junge Menschen mit<br />

Migrationshintergrund und Fluchterfahrung<br />

über Sport zu integrieren.<br />

Beim Trainieren redet man ungezwungener,<br />

kommt auf neue Ideen<br />

und findet Freunde.<br />

Ist Marathonlaufen denn nicht<br />

eine relativ einsame Sache?<br />

Klar, bei den Wettkämpfen bist du<br />

allein. Aber beim Training wäre ich<br />

ohne Team aufgeschmissen. Dann<br />

würde ich bei schlechtem Wetter<br />

einfach auf dem Sofa liegen bleiben.<br />

Welche Tricks haben Sie bei Wettkämpfen,<br />

um sämtliche Energiereserven<br />

freizusetzen?<br />

Positive Gedanken helfen. Ich blende<br />

die Konkurrenz aus, denke an die<br />

vielen Leute, die hinter mir stehen.<br />

Meine Familie, mein Team, mein<br />

Verein, alle, die im Ziel auf mich<br />

warten. Dann bin ich mit voller Kraft<br />

unterwegs.<br />

Was für einen Tipp geben Sie<br />

jungen Läuferinnen und Läufern?<br />

Alles ist möglich, du brauchst nur<br />

ein Ziel. Du musst bei der Sache<br />

bleiben, auch wenn es gerade nicht<br />

rund läuft. Positiv sein, aber Selbstkritik<br />

zulassen. Abgesehen davon<br />

finde ich, dass man nicht immer nur<br />

trainieren kann. Auch ein Spitzensportler<br />

muss das Leben genießen.<br />

Ich möchte keine Maschine werden.<br />

Es muss möglich sein, auch mal mit<br />

Freunden abzuhängen.<br />

Mit Tadesse Abraham unterwegs –<br />

auf Instagram: tadesse_abraham_official<br />

40 THE RED BULLETIN


„Es geht<br />

nicht nur ums<br />

Gewinnen.<br />

Wichtig ist der<br />

Teamgeist.“<br />

Tadesse Abraham über seine<br />

Prinzipien im Sport<br />

THE RED BULLETIN 41


Skydiving<br />

KOMET<br />

MIT HELM<br />

Die Skydiver der <strong>Red</strong> Bull<br />

Air Force als menschliche<br />

Flugobjekte am Nachthimmel:<br />

Bei uns erzählt US-Fotograf<br />

Dustin Snipes, wie aus<br />

seiner verrückten Foto-Idee<br />

ein Stunt für die Geschichtsbücher<br />

wurde.<br />

Text NORA O’DONNELL<br />

Fotos DUSTIN SNIPES<br />

42


RED BULL AIR FORCE<br />

Lebende Fackel<br />

Ein Skydiver der <strong>Red</strong> Bull Air<br />

Force im Nachthimmel über<br />

Marfa, Texas. Die US-Kleinstadt<br />

ist für ihre mysteriösen Lichtphänomene<br />

berühmt, die „Marfa<br />

Lights“. Um diese für ein Fotoprojekt<br />

nachzustellen, zündeten<br />

die Athleten kurz nach dem<br />

Absprung pyrotech nische<br />

Raketen an ihren Fußgelenken.


Skydiving<br />

Himmels-<br />

Kunstwerk<br />

Dieses Bild besteht aus 48 Fotos:<br />

Sechs Kameras und je acht Langzeit<br />

belichtungen waren nötig,<br />

damit der gesamte Flug der<br />

vier Skydiver zu sehen ist – vom<br />

Absprung über den Formationsflug<br />

bis zu ihrem Verschwinden<br />

hinter den Bergen. „Ein abstraktes<br />

Gemälde auf einem schier endlosen<br />

Nachthimmel“, schwärmt<br />

Fotograf Dustin Snipes.<br />

44


Skydiving<br />

„Wir machen<br />

diesen Sprung<br />

nicht, weil<br />

er leicht,<br />

sondern weil er<br />

schwierig ist.“<br />

Fotograf Dustin Snipes<br />

Fotograf Snipes (li., mit seinem Team) kam im September 2020 zum ersten Mal nach Marfa, Texas,<br />

um sich nach Locations für das Nacht-Skydiving-Shooting umzusehen. „Die Planung dauerte Monate“,<br />

sagt er, „weil es jede Menge Variablen gab.“<br />

Wie so viele wilde<br />

Abenteuer beginnt<br />

auch diese<br />

Geschichte mit<br />

einer verrückten<br />

Idee – sie stammte von US-<br />

Fotograf Dustin Snipes.<br />

„Je verrückter, desto besser“,<br />

sagt er trocken. „In der Regel<br />

bedeutet das nämlich, dass<br />

es noch niemand vorher versucht<br />

hat.“<br />

Die Hochebene von West-<br />

Texas hat etwas ganz Besonderes<br />

zu bieten: einen Nachthimmel<br />

von außerirdischer<br />

Schönheit. Die Seehöhe und<br />

die Abwesenheit von Lichtverschmutzung<br />

lassen Millionen<br />

von Sternen funkeln wie<br />

Juwelen. Und über allem<br />

schwebt der mystische Schleier<br />

der Milchstraße.<br />

Doch damit nicht genug:<br />

Nahe der Kleinstadt Marfa<br />

werden immer wieder mysteriöse<br />

Lichterscheinungen<br />

beobachtet – pulsierende<br />

Kugeln in allen möglichen<br />

Farben, mittlerweile weltweit<br />

bekannt unter dem Schlagwort<br />

„Marfa Lights“. Paranormale<br />

Phänomene? Atmosphärische<br />

Spiegelungen von<br />

Scheinwerfern oder Lagerfeuern?<br />

UFOs? Wer weiß.<br />

Für Fotokünstler Dustin<br />

Snipes jedenfalls eine würdige<br />

Kulisse, um einen Nachtflug<br />

der <strong>Red</strong> Bull Air Force gebührend<br />

zu inszenieren: Was<br />

wäre, so der Grundgedanke<br />

der Aktion, wenn diese Weltklasse-Athleten<br />

selbst zu<br />

Marfa Lights würden? Snipes,<br />

in Los Angeles daheim, verbrachte<br />

Monate mit der Planung<br />

des Husarenstücks: Es<br />

galt, hunderte von Variablen<br />

mit einem Team von Experten<br />

einigermaßen berechenbar<br />

zu machen. „Es gab mehr Unwägbarkeiten<br />

als bei jedem<br />

anderen Shooting, das ich je<br />

gemacht habe“, sagt er.<br />

Snipes und das Team der<br />

<strong>Red</strong> Bull Air Force schlugen<br />

ihr Basislager auf der historischen<br />

Cibolo Creek Ranch<br />

auf. Zu ihr gehören mehr als<br />

Ein Mann sieht Rot<br />

Kurz nach Sonnenuntergang bringt Dustin Snipes seine<br />

Ausrüstung in Stellung. Das rote Licht ist ein entscheidendes<br />

Werkzeug für die Nachtfotografie – weil es die Augen des<br />

Fotografen im Dunkeln weniger blendet als normales Licht.<br />

DAN WIX, RED BULL AIR FORCE<br />

46 THE RED BULLETIN


Aufstieg<br />

und Fall<br />

Bild oben: Das <strong>Red</strong> Bull Air<br />

Force-Team im Flugzeug vor<br />

dem Absprung. Um sich auf<br />

einem mondlosen Himmel<br />

sichtbar zu machen, wickelten<br />

sich die Athleten in Ketten<br />

von LED-Lichtern; dazu verwendeten<br />

sie Pyro technik,<br />

die das Tempo und die Energie<br />

während des freien Falls rüberbringen<br />

sollte. Das ließ sie<br />

am Ende wie mensch liche<br />

Kometen wirken.


„Es gab mehr<br />

Unwägbarkeiten<br />

als bei jedem<br />

anderen Shooting,<br />

das ich je<br />

gemacht habe.“<br />

Fotograf Dustin Snipes<br />

Fotograf Snipes bat die Athleten,<br />

während der drei Sprünge mit dem<br />

Einsatz von LED-Lichtern und<br />

Pyrotechnik zu experimentieren.<br />

„Das LED liefert schnörkellose<br />

Linien“, sagt er. „Aber die Pyro fügt<br />

so viel Zufälligkeit hinzu und verleiht<br />

dem Ganzen einen wunderbar<br />

geheimnisvollen Look.“


Skydiving<br />

Touchdown<br />

Bloß zwei winzige Lichter boten<br />

den Springern Orientierung<br />

auf dem Weg zur Landung.<br />

„Rundherum waren nur Berge …<br />

und absolute Finsternis“, sagt<br />

Team-Captain Jon DeVore.<br />

„Das Abenteuer wäre wohl<br />

ziemlich böse ausgegangen,<br />

hätten wir es nicht zum richtigen<br />

Landeplatz geschafft.“<br />

RED BULL AIR FORCE<br />

Schweres Geschütz<br />

Um die ganze Schönheit des Nachthimmels über Marfa und den Flug der Bullen auf ein Bild<br />

zu bekommen, bastelte sich Fotograf Snipes ein Gestell für seine Canon-EOS-Kameras.<br />

Jede von ihnen machte acht Langzeitbelichtungen über die drei Minuten, die die Springer<br />

in der Luft waren. Die Konstruktion musste leicht für den Transport sein und stabil genug,<br />

um den Kameras Halt zu bieten. Snipes brauchte fünf Tage, um das Ding zu bauen.<br />

120 Quadratkilometer Land –<br />

mehr als genug Platz für störungsfreie<br />

Aufnahmen.<br />

Doch all die penible Vorbereitung<br />

half Snipes nicht bei<br />

der größten Herausforderung:<br />

beleuchtete Körper, die aus<br />

3000 Metern drei Minuten lang<br />

in die Dunkelheit fallen, ordentlich<br />

aufs Bild zu kriegen.<br />

Er verwendete ein Set-up aus<br />

neun Kameras, die auf ein selbst<br />

gebasteltes Gestell montiert waren,<br />

um ein 180-Grad-Panorama<br />

hinzubekommen.<br />

„Immer, wenn ich so etwas<br />

mache“, sagt Snipes, „muss ich<br />

an das denken, was Präsident<br />

John F. Kennedy seinerzeit über<br />

die Mondmissionen sagte: ‚Wir<br />

machen das nicht, weil es leicht,<br />

sondern weil es schwierig ist.‘<br />

Du willst schließlich nicht den<br />

ganzen Tag mit langweiligen<br />

Spaziergängen verbringen.“<br />

Das ganze Video der Marfa-Lights-<br />

Sprünge: redbull.com<br />

THE RED BULLETIN 49


Musik<br />

RELAX-POSE<br />

Rapper Nimo, 25,<br />

ganz entspannt beim<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>-<br />

Shooting in Berlin<br />

50 THE RED BULLETIN


Text JONAS VOGT<br />

Fotos LENNART BRE<strong>DE</strong><br />

Mit 17 saß er im<br />

Knast, mit 23 schrieb<br />

er seinen ersten<br />

Nummer-eins-Hit.<br />

Heute sagt Rapper<br />

NIMO: Jeder kann<br />

sein Leben zum<br />

Positiven ändern.<br />

Hier erzählt er,<br />

wie ihm das gelang.<br />

„Ich bin nur<br />

ein Junge, der<br />

zur Vernunft<br />

gekommen ist“<br />

THE RED BULLETIN 51


Musik<br />

Und wenn Nimo schreien muss, dann<br />

schreit er. Der 25-jährige Deutschrapper<br />

mit iranischen Wurzeln spielt gern mit<br />

seiner Stimme, er singt, aber er rappt<br />

auch ganz klassisch. Und manchmal<br />

bricht es aus ihm heraus. Dann legt er<br />

in seine Zeilen eine Emotion, die man<br />

in diesem Genre nicht häufig findet.<br />

Als Hoffnung in der Rapszene galt<br />

Nimo seit seinem 2016 erschienenen<br />

Debüt-Mixtape „Habeebeee“. 2017 kam<br />

sein Debüt-Album „K¡K¡“ heraus, 2019,<br />

mit seinem zweiten Album „Nimoriginal“,<br />

startete er dann endgültig durch. Die<br />

Single „Kein Schlaf“ ging in den Charts<br />

auf Nummer eins und wurde auf YouTube<br />

bislang fast 40 Millionen Mal angeschaut.<br />

Was Nimo zum Gesprächsthema<br />

werden lässt, sind aber nicht nur Klickzahlen.<br />

In Interviews, aber auch in seinen<br />

Liedern transportiert er inzwischen eine<br />

überwiegend positive Botschaft. Das ist<br />

im Deutschrap, der hauptsächlich von<br />

Fehden, Drohungen und Aggressionen<br />

geprägt ist, bemerkenswert. Natürlich<br />

folgt auch Nimo manchen Genre-Regeln.<br />

Auch bei ihm geht es um V12-Motoren,<br />

um dicke Gagen, die auf dem S-Klasse-<br />

Rücksitz gezählt werden, und darum,<br />

wer der krasseste Typ von allen ist. Aber<br />

Nimo traut sich, das Spiel ein wenig auszuweiten.<br />

Er traut sich Emotionalität zu.<br />

Verletzlichkeit. Und er distanziert sich<br />

von einer Straßen-Vergangenheit, die ihn<br />

in den Jugendknast brachte. Anstatt damit<br />

zu prahlen, spricht er lieber darüber,<br />

was er inzwischen alles dazugelernt hat.<br />

„Ich danke Gott jeden Tag, dass ich so<br />

bin, wie ich bin“, sagt Nimo. „Ich möchte<br />

nie in mein altes Leben zurück.“<br />

Mit The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> sprach Nimo<br />

über Musik, Mode und Wandelbarkeit.<br />

Und darüber, welche Art von Gedanken<br />

ihm halfen, durch ein schwieriges Jahr<br />

2020 zu kommen.<br />

the red bulletin: Nimo, wir leben<br />

nun schon über ein Jahr in einer<br />

Pandemie. Wie würdest du die Zeit<br />

rückblickend beschreiben?<br />

nimo: Es war voller Überraschungen.<br />

Wir wussten nicht, was auf uns zukommt,<br />

wissen das ja eigentlich immer<br />

noch nicht. Es ist ein bisschen vergleichbar<br />

mit Untersuchungshaft: Dort<br />

weißt du auch nicht, was sein wird und<br />

wann du rauskommst.<br />

Du hast Ende 2019 mehrere große<br />

Interviews über deinen veränderten<br />

Lebenswandel gegeben. Wie fühlt<br />

man sich danach, wenn so was<br />

draußen ist?<br />

Es fühlt sich gut an, den Menschen<br />

eine positive Message mitzugeben. Ich<br />

hab damit anderen geholfen. Die Leute,<br />

auch aus der Szene, sind danach auf<br />

mich zugekommen und haben gesagt:<br />

Wir haben dein Interview gesehen,<br />

Respekt!<br />

Was ist das Neue an deinem Leben?<br />

Das Neue ist das Normale. Ich mach<br />

jetzt die Dinge, die für jeden Menschen<br />

normal sein sollten. Ich funktioniere,<br />

ich arbeite, ich lebe. Ich bin fokussiert.<br />

Ich bin klar im Kopf, ich weiß, was ich<br />

mache. Ich nehme mein Umfeld wahr.<br />

Und ich bin mir meiner Sache bewusst.<br />

Ich bin nichts Außergewöhnliches. Nur<br />

ein Junge, der zur Vernunft gekommen<br />

ist, der sich verändert hat.<br />

Glaubst du, dass man Krisen durchleben<br />

muss, um daran zu wachsen?<br />

Ich denke, ja. Eine Wandlung ist nichts,<br />

wofür man sich schämen muss, im<br />

Gegenteil. Wandel ist gut.<br />

Von der Rettung durch Arbeit<br />

und inspirierenden Vorbildern<br />

Das Jahr 2020 war auch für Nimo nicht<br />

nur einfach. „Vom Kopf her bin ich Gott<br />

sei Dank sehr gut durchgekommen“, sagt<br />

er, auch dank seines intakten Umfelds.<br />

Für ihn war das Jahr von Studio-Arbeit<br />

für sein neues Mixtape „Steinbock“ geprägt.<br />

Aber trotzdem fehlte was. Er liebt<br />

das Live-Spielen am meisten, und das ist<br />

ausgefallen. Nur Songs zu releasen und<br />

dann der „verbissene Vergleich, wer die<br />

meisten Klicks und Streams hat“, das sei<br />

so gar nicht sein Ding. Nimo liebt den<br />

direkten Kontakt zu seinem Publikum.<br />

Er erzählt von Fans, die ihm geschrieben<br />

haben – was ihm wichtig war. Trotz des<br />

Unbehagens mit der neuen Situation<br />

stand Nimo in den vergangenen Monaten<br />

fast pausenlos im Studio, hat 30 bis<br />

40 Tracks aufgenommen.<br />

Welcher Rapper hat dich früh<br />

geprägt?<br />

Niemand so wie Haftbefehl. Ich hab<br />

von Anfang an mehr in ihm gesehen<br />

als die anderen, hab mehr aus ihm<br />

rausgehört. Zu der Zeit, so 2012,<br />

da hat er etwas vollkommen Neues<br />

gemacht und eine komplett neue Subkultur<br />

erschaffen. Er war auf eine ganz<br />

besondere Art wieder real. Das kannte<br />

man vorher nicht. Wie er geredet hat,<br />

wie detailliert er von den Sachen erzählt<br />

hat. Dreckig, direkt, aber eben<br />

so, wie es wirklich ist. Vorher ging es<br />

immer um „Ich f*** deine Mutter, ich<br />

hab das dickere Auto“. Haftbefehl hat<br />

die Karten auf den Tisch gelegt.<br />

Kannst du dich an den Moment<br />

erinnern, in dem du das erste Mal<br />

mehr in deiner eigenen Arbeit<br />

gesehen hast?<br />

Ich kann mich an die ersten Momente<br />

erinnern. Ich hab ganz normal als<br />

Teenager vor meinen Freunden mit<br />

dem Rappen begonnen. Ich hatte einen<br />

Kumpel, der war so drei Jahre älter als<br />

ich. Der hat mich immer bestärkt. Und<br />

irgendwann war ich an dem Punkt,<br />

wo ich Parts aufgeschrieben hab und<br />

plötzlich dachte: Das ist brutal gut.<br />

Wenn die Leute das hören, werden sie<br />

sagen: Das ist gut. Und genauso ist es<br />

gekommen.<br />

Wie fühlt man sich da?<br />

Du musst dir das so vorstellen: Du bist<br />

16 Jahre alt und hast gerade etwas<br />

geschrieben, wo du als Rap-Liebhaber<br />

weißt: Das ist was ganz Neues. Aber im<br />

selben Moment sitzt du hinter Gittern.<br />

Du kannst niemandem deine Kunst<br />

zeigen. Das waren gemischte Gefühle:<br />

Ich war sehr motiviert und sehr frustriert.<br />

Ich hatte einen Rubin in der<br />

Hand, aber ich konnte der Welt diesen<br />

Rubin nicht zeigen.<br />

52 THE RED BULLETIN


PUNKTLANDUNG<br />

Die Kategorie Kingsize gilt<br />

für seine Abrufzahlen –<br />

und für seine Hotelbetten.<br />

„Ein Künstler ist nicht<br />

nur jemand, der Musik macht<br />

oder zeichnet. Künstler ist<br />

man durch und durch.“


Manchmal bricht es aus ihm<br />

heraus, dann legt Nimo in<br />

seine Zeilen eine Emotion,<br />

die man im Rap selten findet.<br />

TIME-OUT<br />

Nimo produziert reihenweise<br />

Tracks, aber er<br />

nimmt auch Auszeiten.


Musik<br />

MAKE-UP: CAROLINE TORBAHN/NINA KLEIN ARTISTS<br />

Vom ersten Auftritt ohne Bühnenerfahrung<br />

und Mode als Kunst<br />

„Nie wieder geh’ ich in Zelle wegen Patte<br />

(Slangausdruck für Geld; Anm.), nie wieder<br />

wegen Raub und Erpressung vor dem<br />

Richter stehen, nie wieder. Nie wieder<br />

geh’ ich mit Achter (Handschellen; Anm.)<br />

und Fußfesseln runter in Bunker und<br />

wart’ auf mein Urteil.“<br />

Nimo hat sein früheres Leben und<br />

seine Fehler in seinen Raps verarbeitet:<br />

Er wird in eine Karlsruher Familie mit<br />

iranischen Wurzeln hineingeboren,<br />

wächst in der Nähe von Stuttgart auf.<br />

Der junge Nima Yaghobi, wie Nimo mit<br />

bürgerlichem Namen heißt, baut viel<br />

Mist. Seinen 16. und 17. Geburtstag verbringt<br />

er im Jugendgefängnis, unter anderem<br />

wegen räuberischer Erpressung.<br />

Aber er hat eine Idee und jede Menge<br />

Reime im Kopf. Als er wieder draußen ist,<br />

geht es los: Er nimmt Raps auf, postet sie<br />

in den sozialen Medien. Die Frankfurter<br />

Rapper und Labelchefs Celo & Abdi werden<br />

nach einigen mit einfachsten Mitteln<br />

gedrehten Handyvideos auf ihn aufmerksam,<br />

nehmen den bühnenunerfahrenen<br />

Jungrapper sofort mit auf Tour. 2016 erscheint<br />

sein Mixtape „Habeebeee“. Darauf<br />

rappt er gleich zu Beginn: „Soll nicht<br />

bedeuten, dass ich denk, ich wär was<br />

Besseres wie du. Bin nur ein Hoodie, der<br />

mit Glück und Handyvideos einen Deal<br />

bekam.“ Nimo rappt auch über seine<br />

Eltern und seine „Prioritäten im Leben“.<br />

Zum ersten Mal verrät er etwas über<br />

seinen Wandel und die Wurzeln der Veränderung:<br />

„Man denkt erst nach, wenn<br />

man alleine ist.“<br />

2017 folgt das Debüt-Album „K¡K¡“.<br />

Dort gibt er sich als gereifter und selbstbewusster<br />

Künstler. Wieder hat das<br />

Album einen programmatischen ersten<br />

Song: „Michelangelo“. Darin gesteht er<br />

zuerst bescheiden und sachlich korrekt:<br />

„Ich habe Rap nicht erfunden, hab’ Trap<br />

nicht erfunden, hab’ Hip-Hop nicht erfunden.“<br />

Um dann beiläufig hinterherzuschieben:<br />

„Ich bin Deutschraps Michelangelo.“<br />

Den Größenwahn der Zeile<br />

fängt er selbst wieder auf: „Auf einmal<br />

sagen sie, ‚der Typ ist abgehoben‘, weil<br />

ich mich selber als Künstler bezeichne,<br />

wir sind die Renaissance, ekho, die neue<br />

Generation.“ Ein Künstler zu sein, das<br />

kann durchaus mehr umschließen als<br />

das Rappen. Nimo ist die Musik nicht<br />

mehr genug. Er schlüpft mittels Mode<br />

immer wieder in andere Rollen. Oder<br />

„Es fühlt sich gut an,<br />

den Menschen eine<br />

positive Message<br />

mitzugeben.“<br />

wie er wahrscheinlich sagen würde:<br />

andere Teile seiner Persönlichkeit.<br />

Du hast deinen Horizont über den<br />

Hip-Hop hinaus erweitert. Mode<br />

scheint dir sehr wichtig zu sein.<br />

Ja, das ist eine Ambition neben der<br />

Musik. Im Großen und Ganzen würde<br />

ich sagen, ich bin ein Künstler. Ein<br />

Künstler ist nicht nur jemand, der Musik<br />

macht, der schreibt oder zeichnet.<br />

Künstler ist man durch und durch.<br />

Und Mode ist eine der ältesten Künste,<br />

die der Mensch hat.<br />

Was fasziniert dich so daran?<br />

Mit Klamotten kannst du eine Menge<br />

über dich aussagen. Wie du drauf bist,<br />

wie du dich heute fühlst, wie dein<br />

Mood ist. Es gibt Tage, da liebe ich es,<br />

elegant herumzulaufen. Und Tage,<br />

da schau ich gern wie ein Hoodboy<br />

aus. Ich zieh mich privat sogar noch<br />

verrückter und modebewusster an als<br />

im Internet.<br />

Warum unterscheidest du da?<br />

Heute zeigen die Leute ständig im Internet,<br />

was sie haben. Für mich ist das<br />

eher privat. Es standen schon oft Leute<br />

vor meinem Kleiderschrank und haben<br />

gesagt: Wow, du hast das und das Kleidungsstück,<br />

das denkt man gar nicht.<br />

Dann sag ich: Ja, ist auch besser so. Ich<br />

trag’s für mich, nicht für die anderen.<br />

Vom schonungslosen Blick in den<br />

Spiegel und der Kraft guter Werte<br />

„Ihr wollt den alten Nimo? Hier ist der<br />

neue Nimo“, heißt es auf „Bereit“. 2019<br />

ist das Jahr, in dem Nimo mit mehreren<br />

Nummer-eins-Hits durchstartet, zuerst<br />

auf „Capimo“, mit dem Kollegen Capo,<br />

dann als Solokünstler auf „Nimoriginal“.<br />

Und er spricht offen über Ups and<br />

Downs. Über falsche Freunde und Drogen,<br />

darüber, wie es ist, an einen Punkt<br />

zu kommen, wo man sich für sich selbst<br />

schämt. In den Spiegel zu schauen und<br />

zu denken: Das bin nicht ich.<br />

Auf „Kein Schlaf“ zeigt er sich von<br />

einer emotionalen, verletzlichen Seite.<br />

Anstatt harter Raps dominiert eher<br />

Gesang. Auf der Single tritt die Rapperin<br />

Hava als Gast auf. Eigentlich hat der<br />

Song sogar zwei Perspektiven: eine<br />

männliche und eine weibliche. In Interviews<br />

spricht er sich gegen Rassismus<br />

und Homophobie aus, verteidigt auch<br />

mal viel attackierte Rap-Kolleginnen wie<br />

Shirin David öffentlich. „Gute Werte“, wie<br />

Nimo es nennt. „Kein Schlaf“ wird seine<br />

erste Nummer eins als Solokünstler.<br />

Kein Schwachsinn mehr. Dafür Arbeit,<br />

Familie und Fokus. Als Grund für seine<br />

Wandlung nennt Nimo auch die – vorerst<br />

anonyme – neue Frau an seiner Seite.<br />

„Erst durch sie habe ich gelernt, mit<br />

Kritik umzugehen“, sagt er. Seit 2019<br />

sind die beiden liiert, sogar von Hochzeit<br />

ist schon die <strong>Red</strong>e.<br />

Er hat die Kurve bekommen. Und er<br />

will, dass das anderen auch gelingt, will<br />

sie bestärken, wie ihn sein älterer Freund<br />

bestärkt hat, als er mit dem Rappen begonnen<br />

hat. Er hat eine Spendenaktion<br />

für Obdachlose angestoßen und redet<br />

darüber, der Gesellschaft etwas zurückgeben<br />

zu wollen. „Für die Generation<br />

jetzt und für die Generation, die nach<br />

uns kommt.“ Nimo ist ein Rapper, und<br />

das wird er auch immer bleiben. Aber er<br />

ist definitiv schon mehr als das.<br />

Was kommt als Nächstes von dir,<br />

wo geht die Reise hin?<br />

Ich hab gelernt, nicht mehr groß über<br />

Pläne zu reden. Das letzte Jahr hat gezeigt,<br />

wie schwierig Pläne sind. Sagen<br />

kann ich: Wenn wir was machen, dann<br />

wird es etwas ganz Neues sein. Etwas,<br />

was wir noch nicht gemacht haben.<br />

Welcher ist der echte Nimo – der im<br />

Anzug oder der in der Jogginghose?<br />

Es gibt keinen echten Nimo und keinen<br />

unechten. Es gibt nur einen einzigen<br />

Nimo, mit verschiedenen Stimmungen.<br />

Aber es ist total egal, ob im Anzug oder<br />

in Jeans – Nimo ist Nimo.<br />

CLASH <strong>DE</strong>R <strong>DE</strong>UTSCHRAP-STARS<br />

Ein Studio, zwei Künstler, eine Aufgabe: Bei der<br />

„<strong>Red</strong> Bull Soundclash Studio Edition: The Takeover“<br />

performen Nimo und Jamule je einen<br />

eigenen Song, den der andere ab der Hälfte fortsetzen<br />

muss. Das alles im <strong>Red</strong> Bull Music Studio<br />

Berlin inklusive Live-Band und mit anschließendem<br />

Fan-Voting. Am 29. April auf dem Kanal<br />

<strong>Red</strong> Bull Rap Einhundert auf youtube.com<br />

THE RED BULLETIN 55


Laufen<br />

IM<br />

NAMEN<br />

<strong>DE</strong>S<br />

HEILIGEN<br />

VATERS<br />

Vor drei Jahren ist die<br />

Studentin CAMILLE CHENAUX<br />

unverhofft zur Leicht athletin<br />

geworden – sie läuft für das<br />

2019 gegründete Team<br />

des Vatikans. Jetzt will sie<br />

mit Gottes Hilfe die Flagge<br />

des Heiligen Stuhls zu den<br />

Olympischen Spielen bringen.<br />

Text CHRISTOF GERTSCH<br />

Fotos NICOLA CARIGNANI<br />

SIE HAT EINEN<br />

SCHUTZENGEL<br />

Camille Chenaux, 30,<br />

beim Training auf der<br />

Engelsbrücke in Rom<br />

56 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 57


S<br />

ie kam als Achte ins Ziel, über eine halbe<br />

Minute hinter der Siegerin, vom Publikum<br />

auf der Piazza del Popolo nicht weiter<br />

beachtet. Trotzdem veränderte dieser<br />

Samstag im September 2018 das Leben<br />

von Camille Chenaux.<br />

Denn einer nahm bei dem Wettlauf<br />

über eine Meile in Rom doch von ihr<br />

Notiz – ein spanischer Priester, betraut<br />

mit einer großen Aufgabe: Als Untersekretär<br />

des Päpstlichen Rates für die<br />

Kultur sollte er „Athletica Vaticana“<br />

aufbauen, den ersten offiziellen Sportverband<br />

des Vatikans. Dazu brauchte er<br />

unter anderem Läuferinnen und Läufer,<br />

die mit dem kleinsten Staat der Welt auf<br />

irgendeine Weise verbunden waren.<br />

„Ist das nicht die Tochter von Philippe<br />

Chenaux?“, fragte er.<br />

Die Schweizerin Camille Chenaux,<br />

damals 27 Jahre alt, war Hobbyläuferin<br />

mit einer Vergangenheit als Hobbyfußballerin<br />

und Hobbytriathletin.<br />

Ihre ersten Lebensjahre hatte sie in<br />

der Schweiz, in Belgien und Frankreich<br />

verbracht, doch heimisch geworden war<br />

sie in Italien. Zwei Jahre zuvor hatte sie<br />

ihren Master in European Studies gemacht,<br />

und jetzt, im September 2018,<br />

BLICK NACH VORN<br />

Ursprünglich war Camille<br />

nur Hobbyläuferin. Doch<br />

mit den Erfolgen wurden<br />

die Ziele ambitionierter.<br />

„ALS KIND SCHWOR ICH<br />

MIR, DASS ICH MICH<br />

ALS PROFISPORTLERIN<br />

VERSUCHEN WÜR<strong>DE</strong>.“<br />

58 THE RED BULLETIN


Laufen<br />

PICTURE<strong>DE</strong>SK.COM<br />

begann sie ihre Dissertation an der Università<br />

Roma Tre. Thema: „Populismus<br />

in Deutschland und Italien“.<br />

Und ja: Camille Chenaux ist die Tochter<br />

von Philippe Chenaux, einem Professor<br />

für Kirchengeschichte an der Päpstlichen<br />

Lateranuniversität. Das machte<br />

sie in den Augen des spanischen Priesters<br />

zu einer potenziellen Sportlerin für<br />

Athletica Vaticana.<br />

Nonnen, Museumsangestellte und<br />

Zimmerleute sind im Team dabei.<br />

Als der Verband ein Vierteljahr später gegründet<br />

wurde, im Rahmen einer spektakulären<br />

Medienkonferenz Anfang 2019<br />

im Presseraum des Heiligen Stuhls, zählte<br />

er sechzig Mitglieder, darunter Nonnen,<br />

Zimmerleute, Apotheker, Museumsangestellte,<br />

Schweizergardisten – und<br />

die Tochter eines päpstlichen Professors.<br />

In den darauf folgenden Wochen berichteten<br />

Medien aus aller Welt über das<br />

Leichtathletikteam des Papstes.<br />

Man erfuhr, dass sich vatikanische<br />

Läuferinnen und Läufer bereits seit<br />

Jahren zum morgendlichen Training<br />

am Ufer des Tiber treffen und natürlich<br />

davon träumen, die Flagge des Heiligen<br />

Stuhls irgendwann bei der Eröffnung der<br />

Olympischen Spiele zu sehen.<br />

Man erfuhr aber auch, dass sie realistisch<br />

bleiben wollen und sich zunächst<br />

die Teilnahme an den Kleinstaatenspielen<br />

zum Ziel gesetzt haben, einem alle zwei<br />

Jahre stattfindenden Sportereignis, bei<br />

dem europäische Länder mit weniger als<br />

einer Million Einwohnerinnen und Einwohnern<br />

startberechtigt sind.<br />

Überhaupt, so hieß es, verstehe man<br />

sich eher als Amateurbewegung, deren<br />

Zweck auch darin bestehe, die päpstliche<br />

Botschaft in den Sport zu tragen.<br />

Wer konnte da ahnen, dass Zufallsmitglied<br />

Camille Chenaux schon bald<br />

viel größere Ambitionen hegen würde?<br />

ZUVERSICHTLICH<br />

Camille Chenaux mit Mitgliedern von<br />

„Athletica Vaticana“ vor der beeindruckenden<br />

Kulisse des Petersdoms<br />

STRAHLEND<br />

Papst Franziskus schüttelt „seiner“<br />

Botschafterin Camille die Hand.<br />

Camille hält alle Vatikan-Rekorde<br />

von 1000 bis 10.000 Meter.<br />

Zwei Jahre nach der Gründung von<br />

Athletica Vaticana ist Camille Chenaux<br />

mit Abstand die beste Läuferin der Gruppe,<br />

auf sämtlichen Distanzen zwischen<br />

1000 und 10.000 Metern hält sie den<br />

vatikanischen Rekord. Sie ist nicht Weltklasse,<br />

bei weitem nicht – aber sie ist jetzt<br />

30 Jahre alt, und kaum ein Wettkampf<br />

„FRÜHER GLAUBTE<br />

ICH, DASS IM LEBEN<br />

NICHT PLATZ IST FÜR<br />

UNI UND INTENSIVES<br />

TRAINING.“<br />

vergeht, an dem sie nicht ihre Bestzeiten<br />

pulverisiert. Um das ein wenig einzuordnen:<br />

Mit der Zeit, die sie voriges Jahr über<br />

1500 Meter lief, hätte sie in der Schweizer<br />

Saison bestenliste Platz 8 belegt.<br />

Die ehemalige Hobbyläuferin und baldige<br />

Doktorin der Politikwissenschaft ist<br />

also in kurzer Zeit an den Punkt gelangt,<br />

an dem niemand lacht, wenn sie sagt,<br />

sie möchte sich für die Leichtathletik­<br />

Europameisterschaften 2022 qualifizieren.<br />

Und dann vielleicht für die Olympischen<br />

Spiele 2024.<br />

Späte Karriere: „Mit 20 hätte ich<br />

nicht die Fähigkeiten gehabt.“<br />

Wie kam das?<br />

Camille Chenaux sagt, alles begann<br />

mit einem Versprechen, das sie sich als<br />

Kind gegeben habe. „Ich war ein großer<br />

Sportfan, schaute im Fernsehen unzählige<br />

Wettkämpfe. Ich schwor mir, dass ich<br />

mich irgendwann in meinem Leben als<br />

Profisportlerin versuchen würde.“<br />

Die Eltern standen dem Traum lange<br />

im Weg: Nicht, dass sie sich dagegen<br />

wehrten, dass ihre Tochter Sport treibt,<br />

aber sie bestanden darauf, dass die Schule<br />

Vorrang hat.<br />

Damals tat sich Camille Chenaux<br />

gelegentlich etwas schwer mit dieser<br />

THE RED BULLETIN 59


Laufen<br />

Vorgabe, doch heute betrachtet sie die<br />

elterliche Hartnäckigkeit als Glücksfall.<br />

„Ich hätte mit zwanzig nicht die Fähigkeiten<br />

für eine Profikarriere gehabt.<br />

Jetzt ist mein Körper zwar zehn Jahre<br />

älter, aber mein Kopf ist dafür auch um<br />

zehn Jahre erfahrener.“<br />

Erstens wisse sie nun genau, wie sie<br />

sich ernähren müsse, „das ist im Sport ja<br />

eine kleine Wissenschaft“. Zweitens habe<br />

sie im Studium gelernt, mit Prüfungssituationen<br />

klarzukommen und sich vom<br />

Stress nicht bremsen, sondern antreiben<br />

zu lassen. Und drittens zehre sie von<br />

einer gewissen Gelassenheit: „Ich hatte<br />

schon im Studium Erfolg, ich muss mir<br />

im Sport nichts beweisen.“<br />

Ein Leben zwischen Dissertation<br />

und ausgiebigem Lauftraining.<br />

Am Beispiel der Läuferin Camille Chenaux<br />

könnte man einige spannende Fragen<br />

stellen: Wie leistungsfähig ist ein vergleichsweise<br />

alter, dafür noch nicht jahrzehntelang<br />

auf Spitzenniveau geschundener<br />

Körper? Gibt es eine Alternative<br />

zum im Sport allgegenwärtigen Jugendwahn?<br />

Was ist im Wettkampf wichtiger –<br />

Körper oder Geist?<br />

Doch um all diese Fragen geht es ihr<br />

gar nicht. Wenn sie läuft, folgt sie einem<br />

„ICH HATTE SCHON<br />

IM STUDIUM ERFOLG,<br />

ICH MUSS MIR<br />

IM SPORT NICHTS<br />

BEWEISEN.“<br />

Urbedürfnis. Sie sagt: „Schaue ich beim<br />

Laufen in den Himmel, fange ich an<br />

zu träumen. Ich bin in Kontakt mit der<br />

Natur, bei Sonne, Regen, Schnee. Laufen<br />

hat für mich etwas Mystisches, es ist tatsächlich<br />

so etwas wie eine Entdeckungsreise<br />

zu mir selbst.“<br />

Dazu gehört, dass sie erfahren will,<br />

wo ihre Grenzen liegen. Darum dieser<br />

beinahe grenzenlose Aufwand, das tägliche<br />

Ausbalancieren von Dissertation und<br />

Langstreckenläufen: Morgens arbeitet<br />

sie von sieben bis neun und läuft von<br />

zehn bis zwölf Uhr, nachmittags arbeitet<br />

sie von zwei bis vier und läuft von fünf<br />

bis sieben. „Früher glaubte ich, dass im<br />

Leben nicht Platz ist für zwei derart intensive<br />

Beschäftigungen. Heute weiß ich,<br />

dass man besser beides hat: Sport lenkt<br />

mich von der Universität ab, und die Universität<br />

macht, dass ich mir nie lange den<br />

Kopf zerbreche, wenn es im Sport einmal<br />

nicht läuft.“<br />

Mit jedem Schritt wurden<br />

Camille ihre Ziele klarer.<br />

Meistens trainiert sie allein, aber Athletica<br />

Vaticana stellt ihr einen Profitrainer<br />

zur Verfügung, der ihr Pläne schreibt.<br />

Sie sagt: „Wenn ich laufe, fühle ich mich<br />

frei von allem, ich brauche niemanden,<br />

da bin ich mir ganz nah.“<br />

Camille Chenaux spricht so hingebungsvoll,<br />

aber auch abgeklärt über<br />

ihren Sport, dass man leicht vergessen<br />

kann, wie jung ihre Karriere noch ist.<br />

Als der spanische Priester sie an jenem<br />

Samstag im September 2018 ansprach,<br />

war ihr Training weit von der heutigen<br />

Ernsthaftigkeit entfernt. Sie erkannte<br />

auch nicht sofort, dass Athletica Vaticana<br />

die Chance ist, ihren Kindheitstraum zu<br />

verwirklichen. „Erst als ich den Aufwand<br />

erhöhte und von Wettkampf zu Wettkampf<br />

besser wurde, fing ich an, die Ziele<br />

zu formulieren, die ich jetzt verfolge.“<br />

„WENN ICH LAUFE,<br />

FÜHLE ICH MICH<br />

FREI VON ALLEM,<br />

DA BIN ICH MIR<br />

GANZ NAH.“<br />

Bezüglich dieser Ziele gibt es allerdings<br />

noch ein Problem, das außerhalb ihres<br />

Einflussbereichs liegt. Bei Olympischen<br />

Spielen sowieso, aber auch bei den Kleinstaatenspielen<br />

sind streng genommen<br />

nämlich nur nationale Komitees mit<br />

mindestens fünf verschiedenen Sportverbänden<br />

zugelassen.<br />

Zwar verfügt der Vatikan noch über<br />

ein Fußball- und ein Cricket-Team, doch<br />

deren Mitglieder treffen sich bloß zum<br />

Vergnügen. Möglich, dass man für das<br />

Leichtathletikteam des Papstes irgendwann<br />

eine Ausnahme macht, die nächste<br />

60 THE RED BULLETIN


Ge legenheit dazu besteht allerdings erst<br />

2023: Bei den letzten Kleinstaatenspielen<br />

2019 in Montenegro war Athletica<br />

Vaticana noch nicht zugelassen, und<br />

die diesjährigen Wettkämpfe in Andorra<br />

sind wegen der Pandemie abgesagt.<br />

Eine sehr dezent formulierte<br />

Botschaft an junge Menschen.<br />

Camille Chenaux, die sich als moderat<br />

gläubig bezeichnet, weiß das alles, aber<br />

sie betont auch, dass es ihr mit Athletica<br />

Vaticana noch um etwas anderes gehe.<br />

Auf Instagram hat sie mehr als 50.000<br />

Follower, voriges Jahr war sie zusammen<br />

mit Papst Franziskus auf einem Buchcover<br />

zu sehen. „Über den Sport kann<br />

ich junge Menschen ansprechen, die<br />

sonst vielleicht nicht in Berührung mit<br />

der katholischen Kirche kämen.“<br />

Dass sie das einmal sagen würde, hätte<br />

sie wahrscheinlich auch nicht gedacht,<br />

als sie im September 2018 auf der Piazza<br />

del Popolo nach Luft rang, zufrieden mit<br />

sich, aber auch wahnsinnig ausgelaugt,<br />

vom Publikum fast gänzlich unbemerkt.<br />

Camille Chenaux beim Laufen via Instagram<br />

begleiten: @thesportyblonde<br />

GUT IN SCHUSS<br />

Mit ernsthaftem Training<br />

fing Camille Chenaux<br />

erst vor drei Jahren an.<br />

THE RED BULLETIN 61


WHEELIE<br />

Was für Tarek Rasouli auf<br />

dem Bike noch Spaß war,<br />

ist im Rolli im Alltag<br />

Notwendigkeit (was jetzt<br />

nicht heißt, dass er daran<br />

keinen Spaß hätte).<br />

62 THE RED BULLETIN


Mountainbike<br />

DAS IST EUROPAS<br />

WICHTIGSTER<br />

BIKE-MANAGER<br />

Vor seinem Unfall war TAREK RASOULI, 46,<br />

ein exzellenter Mountainbike-Freerider.<br />

Doch erst seit er im Rollstuhl sitzt,<br />

wurde er zum Dreh- und Angelpunkt der Szene<br />

und veränderte eine komplette Branche<br />

zum Besseren.<br />

Text WERNER JESSNER<br />

Fotos PHILIPP HORAK<br />

THE RED BULLETIN 63


Mountainbike<br />

Eine Liste von exakt zehn Personen, die<br />

dich beruflich geprägt haben und die du<br />

gern zum Abendessen einladen würdest:<br />

Wer Tarek Rasouli, 46, diese Frage stellt,<br />

beschäftigt ihn über Tage. Zehn Namen,<br />

keiner mehr. Legenden der Frühzeit,<br />

Superstars von heute, visionäre Bikepark-<br />

Entwickler, prägende Event-Erfinder,<br />

legendäre Filmer, renommierte Sportärztinnen,<br />

hingebungsvolle Trainer: Es<br />

ist das Who’s who der Szene. Wirklich<br />

nur zehn Namen? Tarek streicht und ergänzt,<br />

doch die Liste bleibt viel zu lang.<br />

Der Start: Ein Sonnyboy<br />

erobert die Bike-Welt<br />

Wer wissen will, warum dieser Mann so<br />

gut vernetzt ist, muss mitkommen auf<br />

eine kleine Zeitreise um die Jahrtausendwende.<br />

Wer damals Mountainbike-Fan<br />

war, hatte sehr wahrscheinlich ein Poster<br />

oder ein Magazin mit Tarek zu Hause.<br />

Der Münchner war der einzige Europäer<br />

unter den legendären „Fro-Ridern“,<br />

dem ersten Profi-Freeride-Team des Kult-<br />

Herstellers Rocky Mountain. Diese rare<br />

Pflanze hatte seine Wurzeln in einer<br />

BMX-Karriere und einer als Fotomodell.<br />

Tarek zierte in seiner Karriere eine zweistellige<br />

Zahl an Covern internationaler<br />

Bike-Magazine. Er sah gut aus und konnte<br />

verdammt gut fahren – eine seltene Kombination,<br />

vor allem in Europa. So startete<br />

er nach dem Abi eine Karriere, die er<br />

selbst managte. „Ich war meine eigene<br />

globale One-Man-Show: Manager, Pressesprecher,<br />

Trainer und mehr. Ich war überarbeitet,<br />

aber oft untertrainiert. Manchmal<br />

war mein Training das Fotoshooting<br />

selbst!“ Aber es funktionierte. Sein Geld<br />

verdiente er auch mit Shows und BMX-<br />

Rennen. Und dann das: „1999 wurde ich<br />

auf meiner Heimbahn nur Vizemeister.<br />

Im Ziel hab ich geweint, weil ich so enttäuscht<br />

war.“ Tarek war da immerhin<br />

schon 24 Jahre alt. Er stellte das BMX<br />

in die Ecke, konzentrierte sich voll aufs<br />

Mountainbike – aber nicht auf Rennen,<br />

sondern auf Videoproduktionen.<br />

Mit immer actionreicheren Clips<br />

wuchs er in die Freeride-Szene rein, die<br />

sich ausgehend vom kanadischen British<br />

Columbia gerade etablierte. Das Medium<br />

jener Tage war die VHS-Kassette, die Kult-<br />

Reihe hieß „Kranked“. Dort fuhren die<br />

Götter. Dank seiner Professionalität, aber<br />

auch seinem Style arbeitete sich Tarek<br />

bis zu den Fro-Ridern nach oben. Seine<br />

Sponsoren inszenierten ihn als Sonnyboy<br />

mit Models, Party und Glamour, selbst<br />

PIONIER <strong>DE</strong>R LÜFTE<br />

Tarek sprang den später ikonisch<br />

gewordenen Stunt „Mushroom Drop“<br />

in Moab, Utah, als Erster.<br />

wenn es hinter den Kulissen nicht immer<br />

so glitzerte – aber wen kümmerte das<br />

schon: „Nach meinem ersten Auftritt in<br />

‚Kranked‘ musste ich reihenweise Autogramme<br />

geben – etwas, was mir all die<br />

Cover und die sportlichen Erfolge im<br />

BMX nie gebracht hatten.“<br />

Der Einschlag: ein Sturz,<br />

der plötzlich alles veränderte<br />

Für „Kranked 5“ sollte im Spätsommer<br />

2002 im kanadischen British Columbia<br />

gedreht werden, jenem Geburtsort des<br />

Freeriding. Ein neuer Berg, große Verwirrung<br />

bezüglich der Drehgenehmigungen,<br />

alles sehr konfus. Als die Rider endlich<br />

mit dem Lift im Bike-Resort Sun Peaks<br />

rauffahren durften, um die Stelle anzuschau<br />

en, an der sie drehen wollten, sagte<br />

Tarek: „What a beautiful view from a<br />

wheel chair.“ Er hatte eigentlich „chairlift“<br />

gemeint, also Sessellift – und doch war<br />

der Satz beinahe prophetisch. Was die<br />

wenigsten wissen: Tareks Halbbruder,<br />

der im österreichischen Kärnten lebt,<br />

sitzt seit einem Kletter-Unfall im Rollstuhl.<br />

Kurz dachte er an ihn. Zwei Stunden<br />

nach diesem Satz schlug der Blitz<br />

bei Tarek ein. Der Landehügel war unterdimensioniert,<br />

er zu hoch gesprungen.<br />

In mehreren Metern Höhe warf er das<br />

Bike weg. Bei der Landung auf den Beinen<br />

gab der oberste Lendenwirbel auf. Sofort<br />

waren bestialische Schmerzen da. Taubheit.<br />

Und die Vermutung, dass die Bike-<br />

Karriere unwiderruflich zu Ende war.<br />

Der Neuanfang:<br />

Optimismus als Rettung<br />

Wenn Tarek Rasouli von jener Zeit<br />

spricht, in der er den Grundstein zu allem<br />

Weiteren legte, beginnt er noch im<br />

Krankenhaus in Kanada. Der freundliche<br />

150-Kilo-Pfleger mit der Piepsstimme.<br />

Dann das Dreibettzimmer in der Reha<br />

in Murnau, wo sich der eine Nachbar gar<br />

nicht und der andere nur einen Arm bewegen<br />

konnte, was diesem immerhin das<br />

Kettenrauchen ermöglichte. Tarek lag<br />

fröhlich dazwischen: „Ich habe einen<br />

Luxus- Querschnitt! Volle Beweglichkeit<br />

der Arme und Hände, sogar der Bauchmuskeln.<br />

Was soll ich da jammern?“<br />

Eine Eigenschaft, die Trial-Legende<br />

Danny MacAskill an Rasouli bewundert:<br />

„Ich habe Tarek noch nie – niemals – über<br />

seinen Zustand klagen gehört.“ In seinem<br />

Inneren sieht es bisweilen freilich anders<br />

aus: „Natürlich habe ich Schmerzen.<br />

Jeden Tag. Aber andere sind viel schlechter<br />

dran.“ Man würde seine Schmerzen<br />

nicht ahnen, genau wie man vergisst,<br />

dass der charismatische Mann mit den<br />

vielen Ideen im Rollstuhl sitzt, wenn<br />

man länger mit ihm zu tun hat. Seine<br />

Zuversicht und sein Anpackergeist sind<br />

es auch, die ihn schnell in Kontakt mit<br />

Gleichgesinnten bringen – etwa mit den<br />

Machern der Wings for Life Stiftung,<br />

die sich für die Heilung von Querschnittslähmung<br />

einsetzt (s. Kasten S. 67). Als<br />

Stiftungs-Botschafter spricht Tarek seit<br />

über 15 Jahren anderen Betroffenen Mut<br />

zu, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.<br />

SCOTT MARKEWITZ<br />

64 THE RED BULLETIN


DAS NETZWERK <strong>DE</strong>S TAREK RASOULI<br />

Bei ihm laufen die Fäden zusammen: Der Bike-Manager (in der Mitte) kennt<br />

auf zwei Rädern die Götter und die Welt – und bringt sie zusammen.<br />

<strong>DE</strong>R KULT-FILMER<br />

<strong>DE</strong>REK WESTERLUND<br />

Von „New World Disorder“<br />

bis „Where the Trail Ends“:<br />

Er setzt die Athleten in Szene.<br />

<strong>DE</strong>R LOCAL HERO<br />

ERIK FEDKO<br />

Tarek hat den besten<br />

deutschen Freerider einst<br />

bei einem kleinen Event<br />

entdeckt.<br />

<strong>DE</strong>R YOUTUBE-<br />

SUPERSTAR<br />

FABIO WIBMER<br />

Der gebürtige Osttiroler<br />

hat die Ideen, Tarek und Co<br />

tragen sie in die Welt.<br />

BORIS BEYER/RED BULL CONTENT POOL(2), BRYAN RALPH, PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL,<br />

COLIN MEAGHER, YORRIX CARROUX, JONNIE BOER, DAVE MACKISON/RED BULL CONTENT POOL, KLAUS BAUER<br />

<strong>DE</strong>R EVENT-GURU<br />

TODD BARBER<br />

Erfinder des legendären<br />

<strong>Red</strong> Bull Rampage und weiterer<br />

Bike-Spektakel<br />

DIE TRIAL-IKONE<br />

DANNY MacASKILL<br />

Der Mann, der uns immer<br />

wieder staunen lässt, ist<br />

mittlerweile mehr Freund<br />

als Klient von Tarek.<br />

DIE ÄRZTIN<br />

DR. CHRISTINE<br />

BACHMANN<br />

Behandelt Tareks Biker<br />

und weitere Top-Athleten.<br />

<strong>DE</strong>R TRAINER<br />

LORENZ WESTNER<br />

Kümmert sich um<br />

begnadete Körper auch<br />

in schwierigen Lagen.<br />

<strong>DE</strong>R BIKEPARK-VISIONÄR<br />

KORNEL GRUNDNER<br />

Setzte Leogang in Salzburg<br />

auf die Bike-Landkarte – auch<br />

dank Tareks Events.<br />

DIE BESTE SCHWESTER<br />

NATHALIE TANOS<br />

Stellvertretende Geschäftsführerin<br />

bei Rasoulution und<br />

Tareks rechte Hand<br />

<strong>DE</strong>R FREERI<strong>DE</strong>-<br />

ÜBERFLIEGER<br />

EMIL JOHANSSON<br />

Der Freerider mit dem vielleicht<br />

größten sportlichen<br />

Potenzial weltweit vertraut<br />

auf Tareks Netzwerk.<br />

THE RED BULLETIN 65


WIE<strong>DE</strong>R AUF <strong>DE</strong>N BEINEN<br />

Es ist ein persönlicher Durchbruch:<br />

Seit kurzem kann Tarek wieder<br />

eigene Schritte machen – mit<br />

Hightech-Unterstützung des Exoskeletts<br />

EksoNR von Ekso Bionics<br />

und immer in Begleitung einer Physiotherapeutin.<br />

So will er am 9. Mai<br />

sogar beim Wings for Life World<br />

Run wieder als Läufer starten.<br />

66 THE RED BULLETIN


Mountainbike<br />

PHILIP PLATZER FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN<br />

Die Revolution: Ein Kolumnist<br />

erfindet etwas andere Bike-Events<br />

Nach der intensiven Reha-Phase machte<br />

Tarek da weiter, wo er vor dem Unfall<br />

aufgehört hatte: Er jammerte nicht, sondern<br />

managte sich selber, genau wie er<br />

es immer getan hatte. Nutzte seine Kontakte.<br />

Er schaute beim Magazin „Bike“<br />

rein und kam mit dem Auftrag für eine<br />

ständige Szene-Kolumne raus. Schließlich<br />

die Anfrage, ob er sich zutrauen<br />

würde, ein Event zu organisieren. Hatte<br />

er zwar noch nie gemacht, aber er hegte<br />

schon lange den Traum, auch Menschen<br />

jenseits der Szene für Bike-Events zu begeistern.<br />

Und so wählte er die Location<br />

nicht versteckt in den Bergen, sondern<br />

bei Konstanz am Bodensee und setzte auf<br />

Good Vibes und Partystimmung. Aus<br />

„Ride to the Lake“ sollte später der <strong>Red</strong><br />

Bull District Ride entstehen, ein Bike-<br />

Spektakel vor zehntausenden Zuschauern,<br />

zuletzt etwa in der Nürnberger Altstadt.<br />

Ermutigt vom Erfolg in Konstanz,<br />

gründete Tarek mit einer Freundin eine<br />

Event-Agentur: Rasoulution.<br />

Die Begeisterung und der Optimismus,<br />

mit denen Tarek an die Sache heranging,<br />

erweckten Dinge zum Leben, die sonst<br />

nie und nimmer funktioniert hätten. Das<br />

Feuer, das damals aufflackerte, brennt<br />

heute unverändert hell: Wenn er vorab<br />

den streng geheimen Pilot des jüngsten<br />

Danny-MacAskill-Videos „The Slabs“<br />

durchschickt, freut er sich wie ein Kind,<br />

weil einem seiner Athleten wieder einmal<br />

etwas Unfassbares gelungen ist und<br />

er seinen Teil dazu beitragen konnte.<br />

Die Familie: Eine Heimat für globale<br />

Zweirad-Stars entsteht<br />

Rasoulution bietet nämlich auch Athleten-<br />

Management, also genau das, was Tarek<br />

einst für sich selbst gemacht hat, bloß<br />

viel, viel professioneller. Es sind nicht die<br />

Schlechtesten, die auf Rasoulution vertrauen:<br />

YouTube-Megastar Fabio Wimber<br />

zum Beispiel. Das deutsche Supertalent<br />

Erik Fedko. Danny MacAskill, längst<br />

mehr Kumpel als Kunde. Wer bei Rasoulution<br />

ist, gehört zur Familie. Als den<br />

schwedischen Jungstar Emil Johansson<br />

monatelang mysteriöse Rückenprobleme<br />

quälten, ließ Tarek ihn nach München<br />

einfliegen, wo Spezialisten ein Problem<br />

mit einem Wirbel diagnostizierten, außerdem<br />

ein Autoimmun-Problem. Nach<br />

zehn Monaten konnte Emil sein Comeback<br />

auf dem Bike geben: „Ohne das persönliche<br />

Engagement von Tarek weiß ich<br />

nicht, wie es ausgegangen wäre. Dafür<br />

bin ich ihm total dankbar!“<br />

Elf Athleten hat Rasoulution elf Athleten<br />

unter Vertrag. Wie sucht ihr die aus?<br />

„Spezielles Talent. Und ganz wichtig ist<br />

ihr Charakter. Ihre Offenheit, Umgänglichkeit<br />

und Bodenständigkeit.“ Die letzte<br />

Entscheidung trifft Tarek. Ein junger<br />

Local Boy wie Erik Fedko kann es genauso<br />

schaffen wie jüngst ein bis dato völlig<br />

unbekannter Japaner namens Tomomi<br />

Nishikubo, den Tarek auf Videos entdeckte.<br />

Oder man nimmt den klassischen<br />

Weg wie Fabio Wibmer, der als Sechzehnjähriger<br />

bei einem von Tarek und Danny<br />

Am 9. Mai: Mit Tarek für<br />

die gute Sache laufen<br />

Wings for Life World Run<br />

Weltweit starten zeitgleich alle Teilnehmer<br />

zum Wings for Life World Run. Jeder läuft<br />

einzeln, eine App feuert dich an und signalisiert,<br />

wenn dich das virtuelle Catcher Car<br />

eingeholt hat. Die Einnahmen fließen zu<br />

100 Prozent in die Rückenmarksforschung.<br />

Übrigens, über die App kannst du auch<br />

Tareks Rasoulution-Laufteam beitreten.<br />

Sei dabei: wingsforlifeworldrun.com<br />

Zusammen stark<br />

für die Forschung<br />

Wie die Wings for Life Stiftung<br />

Querschnittslähmung heilen will.<br />

Robotergestützte Reha, Proteine,<br />

die Nervenwachstum fördern, künstliche<br />

Intelligenz, die maß geschneiderte<br />

Therapien berechnet: Weltweit fördert<br />

die von Bot schaf tern wie Tarek Rasouli<br />

unterstützte Wings for Life Stiftung<br />

wegweisende Forschungsprojekte<br />

zur Heilung von Querschnittslähmung –<br />

und ermöglicht damit schon heute<br />

vielen Betroffenen ein besseres Leben.<br />

Mehr Infos: wingsforlife.com<br />

MacAskill organisierten Camp auffällt,<br />

behutsam reift, mit „Fabiolous Escape“<br />

den YouTube-Hit des Jahres landet – und<br />

dann zum globalen Star wird: Der Clip<br />

„Wibmer’s Law“ zählte zu <strong>Red</strong>aktionsschluss<br />

über 160 Millionen Views.<br />

Das Ergebnis: ein neues Level<br />

für das Fahrrad-Universum<br />

Das alles liest sich wie ein Märchen.<br />

Fest steht: Die Freeride-Szene wäre nicht<br />

so professionell und präsentabel, würde<br />

nicht Tarek mit seiner Crew die Standards<br />

hochschrauben. Vorbei sind die Zeiten,<br />

in denen Poster von Mountainbikern<br />

nur in den Zimmern der Freaks hingen.<br />

Typen wie MacAskill oder Wibmer kennt<br />

heute jedes Kind. Auch dass Events um<br />

so viel sicherer geworden sind, bei gleichzeitig<br />

immer ärgeren Stunts, ist ein Verdienst<br />

von – nicht nur, aber auch – Tarek<br />

Rasouli. Wenn er vom Rollstuhl aus<br />

befindet, dass eine Landung breiter gemacht<br />

werden soll, wer würde da widersprechen?<br />

Oder dass es eine Kameraposition<br />

gibt, die die Action der Kids<br />

besser einfängt? Oder tausend Details,<br />

die nur jemand kennt, der dem Sport<br />

seit fast drei Jahrzehnten so viel gegeben<br />

hat? „Und warum gibt es im Großraum<br />

München nur drei Pumptracks, aber<br />

hunderte Fußballplätze?“, fragt Tarek<br />

provokant, und man ahnt, womit er sich<br />

die nächsten Jahre beschäftigen wird.<br />

Das einzig unlösbare Problem bleibt<br />

jenes mit den zehn wichtigsten Menschen<br />

seiner Karriere. Typen mit einem dermaßen<br />

fest gewobenen Beziehungsnetz<br />

kann man kaum in ein so enges Korsett<br />

zwängen – sie brauchen Events, um dort<br />

alle zu treffen. Wie passend, dass Tarek<br />

Rasouli diese Events veranstaltet. Dieser<br />

Mann ist goldrichtig da, wo er ist.<br />

Hast du dir jemals überlegt, wo du<br />

heute ohne den Unfall wärst? „Vermutlich<br />

wäre ich viel zu lang bloß Rider<br />

geblieben und hätte einiges versäumt.“<br />

Wenn er da so sitzt, beim <strong>Red</strong> Bull<br />

Rampage in Utah, dem <strong>Red</strong> Bull District<br />

Ride in Nürnberg oder einem kleinen<br />

Event irgendwo, wenn die Jungs draußen<br />

sind und fahren, wenn alles läuft, dann<br />

fällt ihm manchmal der Satz ein, den<br />

er einst zwei Stunden vor dem großen<br />

Crash gesagt hat: „What a beautiful view<br />

from a wheelchair.“<br />

Mehr über Tareks Welt: rasoulution.com<br />

THE RED BULLETIN 67


E-Mobilität<br />

Göteborg: Klarén vor<br />

der schwedischen<br />

Zentrale von Volvo,<br />

der Muttermarke<br />

des Polestar


„Wir legen<br />

die Karten<br />

offen auf<br />

den Tisch“<br />

BJÖRN LARSSON ROSVALL<br />

Wie umweltfreundlich ist E-Mobilität wirklich?<br />

Gibt es klimaneutrale Fahrzeuge? Und: Fahren wir<br />

morgen überhaupt noch eigene Autos?<br />

FREDRIKA KLARÉN, Nachhaltigkeits managerin<br />

bei der Volvo-Tochter Polestar, über die<br />

neue Ehrlichkeit der Autoindustrie.<br />

Interview WERNER JESSNER<br />

69


E-Mobilität<br />

Tnachhaltig ist sie noch längst nicht. Wir<br />

sprechen das ganz offen aus, weil wir<br />

glauben, dass die Automobilindustrie<br />

ihre Art der Kommunikation dramatisch<br />

ändern muss: hin zu absoluter Transparenz<br />

und Ehrlichkeit, gerade wenn es<br />

um E-Mobilität geht.<br />

Da haben Sie viel zu tun. Offizielle<br />

Durchschnittsverbräuche hatten<br />

in der Vergangenheit selten etwas mit<br />

der Realität zu tun, und niemanden<br />

hat es groß gekümmert …<br />

Ich hoffe, dass die Kunden bei Autos bald<br />

ebenso genau hinschauen werden, wie<br />

sie es bei Lebensmitteln oder Bekleidung<br />

ohnehin bereits tun. Wir wollen, dass sie<br />

he red bulletin: Was macht eigentlich<br />

eine Nachhaltigkeits-Managerin<br />

bei einem Autohersteller?<br />

fredrika klarén: Ich versuche, die<br />

Energie und die Ideen, die es innerhalb<br />

von Polestar gibt, zu kanalisieren. Unsere<br />

Leute hier wollen Dinge anders machen<br />

als in der Autoindustrie bisher üblich –<br />

nachhaltiger. Ich möchte daraus eine<br />

Strategie formen, die diese Power bestmöglich<br />

nutzt.<br />

Wie macht man das?<br />

Ich versuche, kompromisslos zu sein,<br />

wenn wir uns im Dreieck Nachhaltigkeit,<br />

Kosten und Aufwand bewegen.<br />

Das heißt, ein Polestar darf mehr<br />

kosten, wenn er dafür die Kriterien<br />

der Nachhaltigkeit erfüllt?<br />

Es kann auch heißen, dass wir mehr<br />

arbeiten müssen, um bessere Lösungen<br />

zu finden. Ein Beispiel: Für unsere Fabrik<br />

in Shanghai mussten wir uns zwischen<br />

einer Heizung mit Biogas und einer mit<br />

Strom entscheiden. Gas wäre billiger gewesen,<br />

aber damit hätten wir keine CO ²<br />

-<br />

neutrale Fabrik mehr gehabt. Mit Strom<br />

aus erneuerbaren Energien geht das.<br />

jene Informationen bekommen, die sie –<br />

ganz zu Recht – verlangen, wenn sie ein<br />

neues Auto kaufen. Eine Studie besagt,<br />

dass 36 Prozent der Autoindustrie aktiv<br />

misstrauen. Wir stellen dem absolut<br />

transparente Kommunikation entgegen.<br />

Wie bringt ein kleiner Hersteller wie<br />

Polestar seine Konkurrenten dazu,<br />

bei Offenheit und Nachhaltigkeit mitzuziehen?<br />

Es gibt ja bereits Netzwerke in der<br />

Industrie, und sie wachsen. Uns eint das<br />

gemeinsame Ziel. Wir sollten einheitliche<br />

Standards haben, wie wir den CO ²<br />

-<br />

Abdruck eines Autos messen, aus Fairness<br />

unseren Kunden gegenüber, die sich zu<br />

Recht Vergleichbarkeit erwarten. Dazu<br />

muss man klar kommunizieren, wie<br />

gemessen wurde, und diese Standards<br />

müssen für alle gleich sein. Noch gibt es<br />

ein großes Wirrwarr. Wir sind die Ersten,<br />

die die Karten offen auf den Tisch legen,<br />

auch wenn uns viele Zahlen noch nicht<br />

gefallen, und wir wissen, dass wir besser<br />

werden müssen. Wir sprechen das offen<br />

aus. Auswüchse wie Autos, die als „klimaneutral“<br />

beworben werden, sollte es<br />

nach unserem Verständnis nach nicht<br />

geben. Kein Auto ist CO ²<br />

-neutral.<br />

Gehen wir also davon aus, dass ein<br />

Polestar nachhaltig produziert wird.<br />

Tanke ich „schmutzigen“ Strom, verhagelt<br />

das die Öko- Bilanz aber ganz<br />

schnell wieder.<br />

Egal welchen Strom-Mix man tankt:<br />

Früher oder später erreicht man den<br />

Punkt, ab dem ein E-Auto einen kleineren<br />

CO ²<br />

-Fußabdruck hat als eines mit Verbrennungsmotor.<br />

Über die Lebensdauer<br />

eines Autos gemessen, lässt er sich durch<br />

erneuerbare Energien grob gesprochen<br />

halbieren. Wofür wir als Hersteller verantwortlich<br />

sind, ist die Energie, die im<br />

„Echte Nach haltigkeit<br />

erreicht man<br />

nur, wenn innovative<br />

Technologien für<br />

die ganze Industrie<br />

zugänglich sind.“<br />

Echte und behauptete Nachhaltigkeit<br />

sind oft enge Verwandte, Stichwort<br />

„Greenwashing“. Wie stellen Sie<br />

sicher, dass das nicht passiert?<br />

Als Polestar 2017 gegründet wurde,<br />

schrieb man „no bullshitting“ in der<br />

Unternehmenskultur fest. Das gilt auch<br />

für die Kommunikation. Oft wird ja so<br />

getan, als wäre E-Mobilität der Königsweg<br />

für nachhaltige Mobilität. Die Wahrheit<br />

ist: E-Mobilität mag aktuell bereits<br />

die beste Lösung sein, aber wirklich<br />

Privat „tankt“ Fredrika Klarén bereits seit acht Jahren ausschließlich Strom.<br />

Mit im Bild: ihr Privatauto, der Polestar 2<br />

BJÖRN LARSSON ROSVALL<br />

70 THE RED BULLETIN


Der wahre Fußabdruck<br />

Wie viel CO ²<br />

produzieren E-Autos im Vergleich zu<br />

Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor tatsächlich?<br />

Über seine gesamte Lebensdauer (200.000 Kilometer) gerechnet, ist ein E-Auto<br />

umwelt freundlicher als ein Verbrenner, selbst wenn bei seiner Herstellung<br />

ursprünglich mehr CO ²<br />

entsteht. Knapp wird die Rechnung beim Betrieb mit dem<br />

globalen Strom-Mix, in den CO ²<br />

-Bomben wie Kohle, Öl und Gas eingerechnet sind.<br />

Quelle: Polestar<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Gesamt-<br />

Tonnen CO ²<br />

58<br />

Volvo XC40<br />

Verbrenner<br />

50<br />

Polestar 2,<br />

betrieben mit<br />

globalem<br />

Strom-Mix<br />

42<br />

Polestar 2,<br />

betrieben mit<br />

europäischem<br />

Strom-Mix<br />

27<br />

Polestar 2,<br />

betrieben mit<br />

erneuerbaren<br />

Energien<br />

CO ²<br />

-Check: Ab wie viel Kilometer Fahrleistung ist der<br />

Elektromotor umweltfreundlicher als der Verbrenner?<br />

112.000 km<br />

Polestar 2<br />

mit globalem<br />

Strom-Mix *<br />

* Auflösung: Im Vergleich<br />

zum Verbrennungsmotor<br />

ist der Polestar erst nach<br />

112.000 Kilometern auf<br />

der grünen Seite, wenn<br />

er ausschließlich mit<br />

dem globalen Strom-Mix<br />

betrieben wird. Die größten<br />

CO ²<br />

-Treiber: Kraftwerke,<br />

die Öl, Kohle oder<br />

Gas verbrennen.<br />

78.000 km<br />

Polestar 2<br />

mit EU28-Strom-Mix<br />

Das sieht um einiges<br />

besser aus: Wenn (wie<br />

in der EU im Jahr 2020)<br />

bereits 40 Prozent des<br />

Betriebsstroms aus<br />

erneuer baren Quellen<br />

gewonnen wird, ist der<br />

Polestar seinen Kollegen<br />

mit Verbrennungsmotor<br />

auch schon nach<br />

78.000 Kilo metern<br />

überlegen.<br />

Verschrottung<br />

Betrieb<br />

Produktion<br />

Batterieherstellung<br />

Rohmaterial-<br />

Herstellung<br />

50.000 km<br />

Polestar 2<br />

mit erneuerbaren<br />

Energien<br />

Der Idealfall: Kommen<br />

100 Prozent des Stroms<br />

für den laufenden Betrieb<br />

aus erneuerbaren Quellen<br />

wie Wind- oder Sonnenenergie,<br />

kippt die Rechnung<br />

schon bei 50.000<br />

Kilometern ins Positive.<br />

„Das Umweltbewusstsein<br />

hat<br />

zuletzt dramatisch<br />

zugenommen.<br />

Ich würde es<br />

als Revolution<br />

bezeichnen.“<br />

Produktionsprozess draufgeht. Ein Polestar<br />

2 verlässt die Fabrik heute mit einem<br />

CO ²<br />

-Abdruck von 26 Tonnen, ein Wagen<br />

mit Verbrennungsmotor verursacht nur<br />

rund die Hälfte. Unser Ziel ist die CO ²<br />

-<br />

neutrale Produktion.<br />

Ist das realistisch?<br />

Erste Schritte haben wir bereits gesetzt:<br />

erneuerbare Energien in den Fabriken.<br />

Die Energie-Effizienz des Autos im Fahrbetrieb<br />

ist ein großer Faktor, Stichwort<br />

Gewicht. Wir verwenden klimaneutrale<br />

Materialien im Innenraum. Ein gutes Beispiel<br />

ist das Schweizer Start-up Bcomp,<br />

das hochleistungsfähige Verbundwerkstoffe<br />

aus nachhaltigem Flachs herstellt.<br />

Die Textilien bestehen aus recycelten<br />

Fischernetzen. Wussten Sie, dass nahezu<br />

die gesamte Badebekleidung in Skandinavien<br />

so hergestellt wird? Ein perfektes<br />

Beispiel für Nachhaltigkeit: Aus Müll entstehen<br />

intelligente Produkte – und ein<br />

Geschäftsmodell. Als kleinerer Hersteller<br />

haben wir die Möglichkeit, neue, innovative<br />

Zulieferer ins Boot zu holen.<br />

Wie findet man diese Start-ups?<br />

Indem man seine Augen offen hält und<br />

aktiv auf der ganzen Welt sucht. Bcomp<br />

ist ein gutes Beispiel dafür.<br />

Und dann schließt man einen Exklusivvertrag,<br />

um als einziger Hersteller<br />

Flachs statt Plastik im Innenraum<br />

verwenden zu können?<br />

Echte Nachhaltigkeit erreicht man nur,<br />

wenn innovative Technologien für die<br />

ganze Industrie zugänglich sind. Die<br />

alte Autowelt hätte Exklusivverträge<br />

geschlossen. Wir machen das nicht.<br />

Ich hoffe, dass wir damit einen Kulturwandel<br />

anstoßen. Bleiben wir bei<br />

Bcomp: Skalierungseffekte sind in der<br />

Autobranche extrem wichtig. Wenn sie<br />

profitabel sein wollen, brauchen sie viele<br />

Abnehmer für ihre Flachsprodukte.<br />

THE RED BULLETIN 71


Schwedischer Weg:<br />

Nach Stationen bei IKEA<br />

und der Modekette<br />

KappAhl ist Klarén bei<br />

Polestar angekommen.<br />

72 THE RED BULLETIN


E-Mobilität<br />

BJÖRN LARSSON ROSVALL, POLESTAR<br />

Wie genau stellen Sie denn sicher,<br />

dass Kobalt für die Akkus unter<br />

menschenwürdigen Bedingungen<br />

abgebaut wird?<br />

Wir haben Blockchain-Technologie<br />

implementiert, wie sie bei Kryptowährungen<br />

auch verwendet wird. Die<br />

Herkunft jeder Lieferung ist somit<br />

absolut fälschungssicher nachvollziehbar.<br />

Ich habe zuvor in der Bekleidungsindustrie<br />

gearbeitet. Da geistert mehr<br />

Bio-Baumwolle am Weltmarkt herum,<br />

als überhaupt wächst! Mittels Blockchain<br />

stellen wir sicher, dass Korruption in der<br />

Lieferkette ausgeschlossen wird. Kobalt<br />

ist der Anfang, aber wir werden das auch<br />

auf andere Materialien und Rohstoffe<br />

ausweiten.<br />

Soll ich also mein altes Auto mit Verbrennerantrieb<br />

durch ein elektrisches<br />

ersetzen?<br />

Das allein ist nicht die Lösung. Wir müssen<br />

mehr Flexibilität ins System bringen.<br />

Wie bringen wir Menschen und Güter<br />

möglichst umweltschonend von A nach<br />

B? Diese Frage müssen wir klären, anstatt<br />

bloß jedem ein E-Auto vor die Tür<br />

zu stellen. Auch die Infrastruktur muss<br />

mitwachsen – und das wird sie. Wir sehen<br />

unsere Rolle darin, Produkte zu bauen,<br />

die langlebig sind und die man reparieren<br />

kann – auch die Batterien.<br />

Wie sieht es mit dem Recycling aus?<br />

Die EU schreibt eine Quote vor, die alle<br />

Hersteller erreichen. Aber wir müssen<br />

noch besser werden und die Quote, die<br />

derzeit bei 88 Prozent liegt, weiter erhöhen.<br />

Es ist zum Beispiel nicht einzusehen,<br />

dass das Plastik alter Autos noch<br />

immer thermisch entsorgt, also schlicht<br />

verbrannt wird. Mischfasern in Textilien<br />

mögen ein Problem beim Recycling sein.<br />

Das Plastik eines so großen Teils wie eines<br />

Armaturenbretts sollte es nicht sein. Hier<br />

müssen wir als Autoindustrie besser werden<br />

und in feinere Recycling-Anlagen<br />

inves tieren. Autos sollten zu 100 Prozent<br />

wiederverwertbar sein.<br />

Welche Lebensdauer nehmen Sie<br />

bei Ihren Berechnungen für den Fußabdruck<br />

über die komplette Nutzungszeit<br />

eines Polestar 2 an?<br />

200.000 Kilometer. Nun sehen wir aber<br />

bereits, dass sowohl das Auto selbst als<br />

auch die Batterie deutlich länger halten,<br />

die Gesamtposition also positiver ausfallen<br />

wird als von uns ursprünglich<br />

berechnet.<br />

„In acht Jahren<br />

wird das E-Auto<br />

die Normalität sein,<br />

der Verbrenner<br />

die Ausnahme.“<br />

Wie nutzen Sie persönlich E-Autos?<br />

Ich fahre seit acht Jahren ausschließlich<br />

elektrisch. Wenn ich ausnahmsweise<br />

wieder in einem Auto mit Verbrennungsmotor<br />

sitze, merke ich, wie sich meine<br />

Art, Autos zu nutzen, verändert hat.<br />

Im Winter heize ich mein Auto immer<br />

bereits vor, bevor ich einsteige. Das Fahrgefühl<br />

bei Verbrennern ist viel langweiliger.<br />

Sie sind laut und vibrieren.<br />

Wo werden wir in weiteren acht<br />

Jahren stehen?<br />

Das E-Auto wird die Normalität sein, der<br />

Verbrenner die Ausnahme. Wir werden<br />

die Produktionsketten so umgebaut<br />

haben, dass die Emissionen in der Produktion<br />

dramatisch niedriger sein werden<br />

als heute, gerade in den Bereichen<br />

Batterie-, Alu- und Stahlherstellung. Die<br />

Energielade-Infrastruktur wird exponentiell<br />

gewachsen sein. Die Entwicklung<br />

wird uns rasanter vorkommen, weil wir<br />

Menschen linear denken, der Fortschritt<br />

aber exponentiell passieren wird.<br />

Wie groß wird der globale Automarkt<br />

im Vergleich zu heute sein?<br />

Ich hoffe, dass wir mit weniger Autos<br />

mehr Geld verdienen als heute, weil<br />

Hersteller nicht mehr nur Autos bauen,<br />

sondern eine ganze Kette an Mobilitäts-<br />

Services wie etwa Car-Sharing anbieten.<br />

Polestar bietet mit der Studie<br />

„ Precept“ einen Zukunfts-Ausblick<br />

auf ein künftiges Modell. Kommt<br />

dieses Auto wirklich so?<br />

Ja. Precept ist sehr mutig, aber die Autoindustrie<br />

sollte auch mutig sein, anstatt<br />

noch immer Geld in die Entwicklung<br />

von Verbrennungsmotoren zu stecken,<br />

vor allem für Märkte in Südamerika und<br />

Afrika. Man kann doch keine Energie<br />

für Technik von gestern vergeuden und<br />

sich damit zufriedengeben, schöne<br />

„grüne“ Prototypen herzuzeigen, die<br />

dann ohnehin nicht kommen. Der Precept<br />

ist kein Concept-Car, er ist unser<br />

Commitment-Car.<br />

Heute Concept-Car, morgen bereits<br />

in Serien produktion: der Polestar<br />

Precept<br />

POLESTAR PRECEPT<br />

Zukunft<br />

in Serie<br />

Vom Material bis zur Form:<br />

Dieses Auto setzt alles<br />

auf smarte Effizienz.<br />

„Hightech-Minimalismus“ nennt<br />

Polestar-Chef Thomas Ingenlath<br />

das Design des Precept. Markteinführung:<br />

in zwei Jahren. Auffällig:<br />

Statt eines Kühlergrills befinden<br />

sich in der geschlossenen Front die<br />

Sensoren für Assistenzsysteme. Was<br />

einst dem Luftzug diente, ist jetzt<br />

also fürs Sehen zuständig. Oberflächen<br />

aus Flachs, recycelten PET-<br />

Flaschen oder Fischernetzen sind<br />

im Innenraum verbaut. Anstelle einer<br />

Heckscheibe ist das Glasdach für ein<br />

luftiges Raumgefühl bis ganz nach<br />

hinten gezogen.<br />

Mehr Inspiration für<br />

Innovative gibt es<br />

im aktuellen INNOVATOR.<br />

Infos und Abo unter:<br />

redbulletininnovator.com<br />

THE RED BULLETIN 73


AUF <strong>DE</strong>M SPRUNG IN<br />

DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT?<br />

Wie Sie alle<br />

Hürden meistern:<br />

www.wingfinder.com<br />

F R E E A S S E S S M E N T


GUI<strong>DE</strong><br />

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />

JAKE HOLLAND CALUM MUSKETT<br />

PARAGLEITEN<br />

AM MONT BLANC<br />

– mit Bergführer<br />

Calum Muskett<br />

75


GUI<strong>DE</strong><br />

Reisen<br />

„In der kühlen Morgenluft<br />

stürze ich mich<br />

hinab Richtung Italien<br />

und freue mich auf<br />

einen stärkenden<br />

Cappuccino im Café<br />

neben dem Landeplatz.“<br />

Calum Muskett, Bergführer<br />

und Paragleiter, erzählt vom<br />

Abenteuer „Para-Alpinismus“.<br />

Unter meinen Füßen knirscht<br />

der Schnee, als ich die<br />

letzten Schritte auf dem<br />

schmalen Grat mache, der<br />

zum höchsten Gipfel der<br />

Alpen führt: zum Mont Blanc, 4809 Meter<br />

über dem Meer. Eine Wolke bedeckt<br />

die französische Seite des Berges, eine<br />

eisige Brise bringt meine Augenlider<br />

zum Gefrieren.<br />

Es ist der 1. September 2019, sieben<br />

Uhr früh, und das Gleitschirmverbot<br />

in der Region wurde gerade aufgehoben.<br />

Mir wird ein bisschen übel, als ich meine<br />

Tasche auspacke – die Anstrengung des<br />

Aufstiegs hat mir körperlich zugesetzt.<br />

Ich bin von Les Houches aus aufgestiegen<br />

und seit ein Uhr früh unterwegs – das<br />

sind 3800 Höhenmeter in sechs Stunden.<br />

Das Tal von Chamonix liegt tief unter<br />

mir. Von meinem Standpunkt aus wäre der<br />

Weg den Mont Blanc hinunter normalerweise<br />

lang, beschwerlich und riskant,<br />

er würde über Gletscher und Felswände<br />

führen, aber ich werde den Abstieg nicht<br />

zu Fuß vornehmen. Ich werde fliegen.<br />

Seit 2006 besteige ich Berge. Damals<br />

absolvierte ich eine Ausbildung auf den<br />

Klippen meiner Heimat Nordwales.<br />

Heute, als professioneller Kletterer und<br />

Bergführer, folge ich den Jahreszeiten<br />

und teile meine Zeit zwischen den Bergen<br />

von Snowdonia in Wales und den französischen<br />

Alpen auf.<br />

Vor zwei Jahren habe ich Paragleiten<br />

gelernt, was mir neue Horizonte eröffnet<br />

hat. Eine Besteigung des Mont Blanc<br />

dauert normalerweise drei Tage und<br />

umfasst zwei Seilbahnen und eine Zugfahrt.<br />

Wenn ich heute sehr früh auf<br />

den Berg klettere, kann ich zum Frühstück<br />

wieder zurück sein.<br />

Das Fliegen hat etwas Befreiendes –<br />

wie nach dem Start, bei dem alles einfach<br />

Aufstieg über den Pilier Rouge du Brouillard<br />

stimmen muss, der Druck entweicht, die<br />

Füße baumeln surreal über dem Abgrund,<br />

man trickst die Evolution aus und gesellt<br />

sich segelnd zu den Vögeln.<br />

Nach zehn Minuten, in denen ich die<br />

frostbedeckten Seile entwirrt und den<br />

Fallschirm ausgelegt habe, bin ich dahin,<br />

stürze mich in der kühlen Morgenluft<br />

vom Gipfel hinab, gleite Richtung Italien<br />

und freue mich – heilfroh, nicht mehr<br />

weiterwandern zu müssen – auf einen<br />

stärkenden Cappuccino im Café neben<br />

dem Landeplatz. Der Flug dauert ungefähr<br />

40 Minuten. Zu Fuß würde eine<br />

geführte Gruppe, je nach Können, ein<br />

bis zwei Tage brauchen.<br />

Para-Alpinismus, wie man in Frankreich<br />

sagt, wird zu einer immer belieb­<br />

76 THE RED BULLETIN


Wohin<br />

soll’s<br />

gehen?<br />

Ort:<br />

Chamonix-Tal<br />

Nächster Flughafen:<br />

Genf, Schweiz<br />

Transport:<br />

sechs Seilbahnanlagen<br />

Startplätze:<br />

Im Mont-Blanc-<br />

Massiv gibt es<br />

mehrere, Calum flog<br />

einmal vom Gipfel<br />

des Mont Blanc, einmal<br />

vom Glacier du<br />

Brouillard in knapp<br />

4000 Meter Höhe.<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Saisonale Information:<br />

Im Juli und August ist<br />

Paragleiten im Mont-<br />

Blanc-Massiv verboten.<br />

Grund dafür<br />

sind Unfälle in den vergangenen<br />

Jahren und<br />

die steigende Zahl<br />

der Helikopterflüge.<br />

JAKE HOLLAND CALUM MUSKETT<br />

Schmaler Grat: Calum Muskett auf dem Weg zur Biwakstation Pic Eccles<br />

Talfahrt: Der Gletscher ist für den Start ideal, aber der Untergrund etwas glatt.<br />

teren Freizeitbeschäftigung. Wie der<br />

Name schon verrät, handelt es sich dabei<br />

um eine Kombination aus Paragleiten<br />

und Alpinismus, und die europäischen<br />

Alpen mit ihren überschaubaren Flugbeschränkungen<br />

und der hervorragenden<br />

Infrastruktur eignen sich für so ein Vorhaben<br />

besonders gut.<br />

Das Konzept ist nicht neu: Pioniere wie<br />

der Franzose Jean-Marc Boivin starteten<br />

schon vor rund vierzig Jahren von einigen<br />

der höchsten Gipfel der Welt. Diese Frühzeit<br />

des Sports gipfelte in Boivins Flug<br />

vom Mount Everest 1988. Seither hat<br />

sich die Technologie des Paragleitens<br />

eher zu den Cross-Country-Flügen hin<br />

verlagert, wo die Leistung der Tragflächen<br />

vor allem darauf ausgerichtet ist,<br />

Gleitzahl und Auftrieb zu verbessern.<br />

Der aktuelle Weltrekord gelang brasilianischen<br />

Piloten 2016: Sie legten eine<br />

Strecke von 564 Kilometern zurück.<br />

Die Pioniere des Para-Alpinismus<br />

schulterten noch riesige Rucksäcke, die<br />

mehr als zwölf Kilo wogen (und darin ist<br />

die erforderliche Bergsteigerausrüstung<br />

noch nicht eingerechnet), wodurch sich<br />

die Kletter/Flug-Missionen eher mühsam<br />

und unpraktisch gestalteten.<br />

Das änderte sich erst vor kurzem<br />

mit neuen Schirmtypen. Die neuen Tragflächen<br />

wiegen jetzt nur noch ein Kilo,<br />

lassen sich in einen mittelgroßen Beutel<br />

stopfen und haben ein ultraleichtes Sitzgeschirr.<br />

Dieser Technologiesprung hat<br />

dem Sport deutlichen Auftrieb gegeben.<br />

September 2020. Zusammen mit meinen<br />

Freunden Paul und Jake bin ich wieder<br />

auf dem Mont Blanc. Wir versuchen<br />

einen Aufstieg über den schwierigsten<br />

THE RED BULLETIN 77


GUI<strong>DE</strong><br />

Reisen<br />

Segeln wie die Vögel: Calum Muskett fliegt über die Gletscherspalten des Glacier du Brouillard (oben)<br />

und nähert sich dem Landeplatz im italienischen Val Veny (unten).<br />

Felsen des Berges, den Pilier Rouge du<br />

Brouillard, einen imposanten Granitmonolithen<br />

auf 4000 Metern, und das<br />

über eine erst im Juli erstmals bezwungene<br />

Route, die als „Incroyable“ (zu<br />

Deutsch: unglaublich) bekannt ist.<br />

Die Sonne scheint, es ist heiß. Unter<br />

schmelzendem Schnee auf den Hängen<br />

über und unter uns taucht eine schwindelerregende<br />

rote Felswand auf, die wir mit<br />

unseren Fingerspitzen hinaufklettern.<br />

Am Ende eines erfolgreichen Klettertages<br />

schaffen wir es bis zur winzigen<br />

Blechschutzhütte auf dem Pic Eccles und<br />

zu einem geeigneten Startplatz an einem<br />

hängenden Abschnitt des Gletschers<br />

nahe der Hütte.<br />

Die Position ist furchterregend. An sich<br />

ist der immer steiler werdende Schneehang<br />

perfekt für einen Absprung – oder<br />

besser: Er wäre perfekt, wenn nicht der<br />

ganze Hang immer noch gefroren wäre.<br />

Paul und Jake stehen auf einem ausge­<br />

„Lauer Wind hebt<br />

den Schirm – und<br />

mich sanft von<br />

den Füßen.“<br />

Calum Muskett, Bergführer und Paragleiter<br />

schlagenen Schneevorsprung 30 Meter<br />

neben mir. Es ist Pauls erster Flug unter<br />

Jakes Kommando auf einem ultraleichten<br />

Tandemparagleiter. Was für ein Ort für<br />

eine Premiere!<br />

Mit Steigeisen, um mir Halt auf dem<br />

glatten Untergrund zu verschaffen,<br />

mache ich meinen Anlauf. Der leichte<br />

Stoff erhebt sich schnell und einfach<br />

über meinen Kopf, und sobald die Vorderkante<br />

die Sonne zu berühren scheint,<br />

bläst lauwarmer Wind aus dem Tal den<br />

Schirm auf und hebt mich sanft von den<br />

Füßen. Ich schaue zurück und sehe,<br />

wie Jake und Paul vor Freude jauchzend<br />

starten und es sich unter ihren Tragflächen<br />

bequem machen.<br />

Bergführer Calum Muskett buchen unter:<br />

muskettmountaineering.co.uk (für Touren<br />

im Raum Chamonix). Ein fünftägiger Paragleit-<br />

Kurs kostet zwischen 500 und 900 Euro,<br />

die Ausrüstung rund 3000 Euro.<br />

JAKE HOLLAND CALUM MUSKETT<br />

78 THE RED BULLETIN


JAHRESABO<br />

getredbulletin.com<br />

€ 25,90<br />

BEYOND THE ORDINARY<br />

Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:<br />

LORENZ HOL<strong>DE</strong>R/RED BULL CONTENT POOL


GUI<strong>DE</strong><br />

Gaming<br />

TIPPS<br />

Spielend<br />

Karriere<br />

machen<br />

Jacob Mourujärvi ist ein<br />

Weltklasse-Spieler des Ego-<br />

Shooters „Valorant“. Hier<br />

verrät der Schwede, wie er<br />

es zum Profi geschafft hat.<br />

<strong>Red</strong> Bull Campus Clutch ist<br />

ein weltweites eSport-Turnier<br />

für Spieler im Studierendenalter.<br />

Gespielt wird „Valorant“,<br />

ein taktisches Ego-Shooter-<br />

Game. Schon bevor das Spiel<br />

vergangenes Jahr veröffentlicht<br />

wurde, brach es einen<br />

Rekord: Mit 34 Millionen Stunden<br />

an einem Tag ist nie zuvor<br />

ein Spiel länger verfolgt worden<br />

– und zwar von Zuschauern,<br />

die sich die Streams ausgewählter<br />

Spieler ansahen.<br />

Im Weltfinale von <strong>Red</strong> Bull<br />

Campus Clutch kämpfen die<br />

Siegerteams aus jedem Land<br />

im Juli um 20.000 Euro Preisgeld<br />

und ein Gaming-Center<br />

für ihren Uni-Campus.<br />

Von Jacob „Pyth“ Mourujärvi<br />

könnten die Campus-<br />

Clutcher einiges lernen. Der<br />

27-jährige Schwede gehört<br />

zur Elite-eSport-Mannschaft<br />

G2 und ist einer der besten<br />

„Valorant“-Spieler der Welt.<br />

Vor neun Jahren wollte er<br />

noch IT-Experte werden. „Ich<br />

hatte keinerlei Vorstellung<br />

von meiner Karriere, außer<br />

dass ich gerne mit Computern<br />

arbeitete.“ Damals spielte er<br />

das gerade neu erschienene<br />

„Counter-Strike: Global Offensive“<br />

(„CS:GO“), als Mitspieler<br />

ihn einluden, einem Team beizutreten.<br />

„Mittlerweile arbeite<br />

ich jeden Tag mit Computern.“<br />

Und zwar als Profispieler …<br />

15 Stunden Gaming<br />

Als Mourujärvi mit achtzehn<br />

den üblichen Bildungsweg<br />

hinter sich ließ, spielte er<br />

15 Stunden täglich „CS:GO“.<br />

„Acht Uhr morgens schlafen<br />

gehen, fünf Uhr nachmittags<br />

aufstehen und weiterspielen“,<br />

erinnert er sich. „Aber sobald<br />

mir bewusst wurde, dass ich<br />

damit Karriere machen kann,<br />

änderte ich meine Routine<br />

und fing an, wie ein Profi zu<br />

denken. Ich hörte auch mit<br />

dem Lästern auf, wie es in<br />

der Szene üblich ist. Jetzt<br />

bin ich ein lieber Kerl.“<br />

Stärken ausspielen<br />

Pyth ist ein Meister des<br />

„Clutch Play“– der Fähigkeit,<br />

ein Spiel in den letzten<br />

Sekunden umzudrehen.<br />

Schon 2014 bezwang Pyth<br />

im Alleingang seine Gegner<br />

in einem „CS:GO“-Match.<br />

„Beweise dich, und man wird<br />

dich wahrnehmen“, sagt er.<br />

„Aber Abkürzungen gibt’s<br />

keine. Man muss sich Schritt<br />

für Schritt hocharbeiten.“<br />

Neues riskieren<br />

2015 betrat Pyth Neuland und<br />

half beim Aufbau des neuen<br />

kanadischen „CS:GO“-Teams<br />

Luminosity Gaming. „Durch<br />

diese Erfahrung bin ich jetzt<br />

teamfähiger, offener und<br />

ehrlicher.“ Dieser erfolgreiche<br />

Schachzug inspirierte ihn<br />

gleich für den nächsten: Mourujärvi<br />

hörte mit „CS:GO“ auf,<br />

„Ich bin jetzt<br />

teamfähiger,<br />

offener und<br />

ehrlicher.“<br />

Jacob Mourujärvi,<br />

genannt „Pyth“, 27<br />

Scharfschützen:<br />

die Charaktere<br />

Phoenix (li.) und<br />

Jett aus dem<br />

Game „Valorant“<br />

vor allem auch deshalb, weil er<br />

auf Twitter während des Spiels<br />

Morddrohungen erhalten<br />

hatte. „‚Valorant‘ hat eine sehr<br />

unterstützende Fanbase“,<br />

erzählt Pyth. Angenehme<br />

Arbeits kollegen seien schließlich<br />

überall entscheidend.<br />

„Bei G2 sind wir Freunde. Beim<br />

Spielen und auch danach.“<br />

Niemals aufhören<br />

Mit 27 gehört Mourujärvi zu<br />

den eSport-Veteranen. Was<br />

nach dem Karriereende nun<br />

kommt? „Ich will weiter im<br />

eSport arbeiten, vielleicht ja<br />

als Trainer. Viele Spieler üben<br />

jeden Tag ihre Treffsicherheit,<br />

verstehen aber nicht viel von<br />

Teamwork und Strategie. Dabei<br />

ist es wie im Fußball: Die<br />

Spieler im Team sollten einander<br />

nicht zu sehr gleichen<br />

und eine Einheit bilden.“<br />

„Valorant“ auf Microsoft<br />

Windows: playvalorant.com<br />

Die aktuellen Matches beim<br />

<strong>Red</strong> Bull Campus Clutch<br />

findest du auf redbull.com.<br />

Folge Pyth auf: twitch.tv/pyth<br />

YUNG ELDR JOE ELLISON<br />

80 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Playlist<br />

PAROV STELAR<br />

Mein Sohn,<br />

8, ist mein<br />

wichtigster<br />

Kritiker<br />

Electroswing-Pionier Parov Stelar<br />

verrät, welche Lieder sein Leben<br />

prägten – wie etwa jenes,<br />

das seinem Sohn Max einen<br />

schulfreien Tag bescherte.<br />

In seinem Studio auf Mallorca<br />

produziert Marcus Füreder, 46,<br />

geläufiger als Parov Stelar, gerade<br />

ein Album für sein Alter Ego<br />

Stelartronic: „Stelartronic – The<br />

Observer“ soll „elektronischer,<br />

experimenteller, poppiger“ grooven.<br />

Daneben bereitet er eine<br />

Ausstellung seiner Gemälde<br />

in Palma vor; im Clip zum neuen<br />

Stelar tronic-Remix von „Brass<br />

Devil“ bringt sich der Oberösterreicher<br />

als Grafiker und erstmals<br />

als Darsteller ein. Und mit seiner<br />

„Voodoo Sonic Documentary“<br />

gibt er auf 160 Streaming-<br />

Plattformen (darunter Amazon<br />

und Apple TV; mit Untertiteln in<br />

80 Sprachen!) einen Einblick in<br />

sein Leben. Uns verrät der DJ,<br />

Produzent und Remixer, welche<br />

Lieder ihn bewegen.<br />

Multitalent<br />

Marcus Füreder<br />

alias Parov Stelar<br />

JAN KOHLRUSCH FLORIAN OBKIRCHER<br />

GUSGUS<br />

WITHIN YOU (2011)<br />

„Diese Nummer habe ich vor zehn<br />

Jahren im heftigen Liebeskummer<br />

auf und ab gehört. Solche Zeiten<br />

fräsen sich in dein Hirn und dein Herz.<br />

Das Komische ist: Eigentlich erinnert<br />

sich ja niemand gern an solche Situationen.<br />

Aber Musik kann so viel!<br />

Wenn ich ‚Within You‘ heute höre,<br />

denke ich mir: Das war damals echt<br />

scheiße. Was bin ich froh, dass es<br />

mir wieder so gut geht!“<br />

MACKLEMORE & RYAN LEWIS<br />

CAN’T HOLD US (2011)<br />

„Ich beschäftige mich als Produzent<br />

intensiv mit Sound-Ästhetik und<br />

muss mich davor hüten, Musik zu<br />

sehr zu analysieren. Als ich diesen<br />

Song zum ersten Mal gehört habe,<br />

dachte ich: Ist das ihr Ernst? Das<br />

Tempo, in der Macklemore rappt,<br />

ist unwirklich – Respekt! Ich bin nicht<br />

der größte Hip-Hop-Fan, aber diese<br />

Nummer hat so einen Drive, dass ich<br />

aufstehen und tanzen muss.“<br />

CARLA MORRISON<br />

AZÚCAR MORENA (2015)<br />

„Azúcar morena, das heißt ,brauner<br />

Zucker‘. Dieses bittersüße Lied der<br />

Mexikanerin Carla Morrison ist relativ<br />

neu, aber zeitlos schön. Ich tue mir<br />

schwer damit, über Musik zu reden<br />

und etwas zu beschreiben, was man<br />

nicht in Worte fassen kann. Vor allem<br />

bei Songs, die dieses gewisse Etwas<br />

haben und damit etwas in dir berühren.<br />

Dieses Lied schlägt einfach<br />

verborgene Saiten in mir an.“<br />

PAROV STELAR<br />

BRASS <strong>DE</strong>VIL (2020)<br />

„Eine Nummer aus meinem eigenen<br />

Repertoire, die ich nie vergessen<br />

werde. Mein Sohn Max, er wird bald<br />

neun, ist mein wichtigster Indikator;<br />

Kinder sind gnadenlos ehrlich. Als ich<br />

ihm ‚Brass Devil‘ zum ersten Mal vorgespielt<br />

habe, hat er sofort zu hüpfen<br />

begonnen. Wir haben im Studio vier<br />

Stunden Party gemacht und waren<br />

dann beide total erledigt. Max hat am<br />

nächsten Tag schulfrei bekommen.“<br />

THE RED BULLETIN 81


LENNY KRAVITZ, LAVEN<strong>DE</strong>L UND WEIHRAUCH<br />

ROCK-LEGEN<strong>DE</strong> WIRBT FÜR PARFUM, SEINE TOCHTER FÜR YSL-LIPPENSTIFT<br />

Wie Lenny Kravitz (li.) riecht, wissen wir jetzt: nach „lichtdurchflutetem Lavendel,<br />

schwarzem Zedernholz und mystischem Weihrauch“ – kurz nach „Y Le Parfum“ von<br />

Yves Saint Laurent (YSL), wofür er gerade wirbt; Töchterchen Zoë (re.) rümpft darob<br />

nicht das Näschen, sie macht das Gleiche mit YSL-Lippenrot. loreal.com<br />

Richtig gutes Zeug<br />

Handverlesene Liebhaberstücke, Tipps & Termine.<br />

Von der <strong>Red</strong>aktion empfohlen. Text WOLFGANG WIESER<br />

SCHUH-KUNST<br />

DAS VIRTUELLE MUSEUM VON SALVATORE FERRAGAMO<br />

Diese lässigen Schuhe von Ferragamo stehen symbolisch<br />

für das virtuelle Museum des italienischen Modevisionärs.<br />

Klare Empfehlung: Schau dir das an! Wer Mode und Geschichte<br />

liebt, klickt sich mit wachsendem Entzücken durch.<br />

ferragamo.com/museo<br />

COURTESY OF FERRAGAMO, DAVID SIMS/YVES SAINT LAURENT BEAUTY ÖSTERREICH,<br />

GARMIN, COUCH CONSOLE, VÖSLAUER<br />

82 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Trends<br />

HALTE<br />

<strong>DE</strong>INEN FLOW!<br />

GARMIN ENDURO<br />

Diese Uhr weiß praktisch<br />

alles über ihren Träger.<br />

Die Eigenschaft, die uns<br />

am besten gefällt? Sie<br />

misst deinen Flow – also<br />

wie flüssig du mit dem<br />

Mountainbike die Trails<br />

bewältigst. Je niedriger<br />

der Wert, desto besser.<br />

PS: Und wann du besser<br />

Pause machst, sagt sie dir<br />

auch. garmin.com<br />

LEBEN IM GLEICHGEWICHT<br />

THE COUCH CONSOLE<br />

Manch einer mag sagen, das Leben auf der Couch<br />

sei nicht das Wahre. Antworte: Aber dafür ich bin<br />

ausbalanciert. Dank dieser Konsole – sie enthält<br />

alles, was du für einen entspannten Tag brauchst.<br />

Ein Hit auf Kickstarter, eh klar. Lieferung ab Mai.<br />

couchconsole.com<br />

MEHR KOMFORT<br />

Ein neues atmungsaktives<br />

Nylonarmband<br />

sorgt für einen<br />

perfekten Sitz.<br />

GUTES GEWISSEN<br />

Wer diese Tasche trägt,<br />

trägt 100 Prozent<br />

recycelte PET-Flaschen.<br />

FRISCH WIE<br />

<strong>DE</strong>R FRÜHLING<br />

TASCHE VOM <strong>DE</strong>SIGNER<br />

Wer diese Einkaufstasche<br />

sieht, denkt: Frühling,<br />

Gott sei Dank! Für die<br />

Wasser-Spezialisten von<br />

Vöslauer entworfen hat<br />

sie ein österreichischer<br />

Designer mit Armani­<br />

Vergangenheit: Arthur<br />

Arbesser, bekannt für seine<br />

Vorliebe zu klaren Mustern.<br />

voeslauer-designshop.com<br />

THE RED BULLETIN 83


FÜR IMMER<br />

JUNG<br />

SWATCH IM<br />

MOMA-<strong>DE</strong>SIGN<br />

Tadanori Yokoo, Jahrgang<br />

1936, zeigt, dass Kunst nie<br />

wirklich alt wird: Sein Werk<br />

mit dem schönen Titel „The<br />

City and Design, The Wonders<br />

of Life on Earth, Isamu<br />

Kurita“ aus dem Jahr 1966<br />

schmückt, 55 Jahre später,<br />

fein zitiert, eine Swatch aus<br />

der MoMA-Kollektion.<br />

swatch.com<br />

DIESES WERK PACKT ALLE EIN<br />

„THE PACKAGE <strong>DE</strong>SIGN BOOK 6“: AUSGEZEICHNETE VERPACKUNG<br />

In den 1980er-Jahren empfahl die Glamour-Band „ABC“, nie ein Buch<br />

wegen des Covers zu kaufen. Das war schon damals pure Ironie.<br />

Wie wichtig – und wie kunstvoll – Verpackung heute sein kann, zeigt<br />

dieser Band, der über 500 Arbeiten der Gewinner des Pentawards<br />

der Jahre 2019 und 2020 versammelt. taschen.com<br />

Beurteile ein Buch immer<br />

nach seinem Cover!<br />

MO<strong>DE</strong>RN ART<br />

Ein Werk aus dem Jahr<br />

1966 ziert jetzt eine Uhr.<br />

Kunst aus dem Handgelenk<br />

sozusagen.<br />

WELTWEITER<br />

BATTLE <strong>DE</strong>R<br />

STU<strong>DE</strong>NTEN<br />

RED BULL CAMPUS<br />

CLUTCH<br />

Willkommen beim ersten<br />

globalen eSport-Turnier für<br />

Studenten: Beim <strong>Red</strong> Bull<br />

Campus Clutch treten<br />

Teams aus fünf Spielern<br />

einer Universität im<br />

Taktik- Shooter „Valorant“<br />

gegen einander an. Präzise<br />

Schießtechnik ist hier ebenso<br />

gefragt wie Agentenfähigkeit.<br />

Noch bis zum<br />

2. Mai steigen die nationalen<br />

Qualifier, bevor im Juli<br />

die Gewinnerteams zum<br />

weltweiten Finale antreten.<br />

Alle Termine:<br />

redbullcampusclutch.com<br />

TASCHEN, SWATCH, BRIAN SPECTOR, MATTHIAS BALK/DPA/PICTURE<strong>DE</strong>SK.COM,<br />

PHILIP PLATZER, SAMSONITE<br />

84 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Trends<br />

WIR SPIELEN GLEICHBERECHTIGUNG<br />

ENDLICH! KÖNIG UND KÖNIGIN SIND GLEICH VIEL WERT<br />

In einem neuen Kartenspiel – gibt’s vorläufig nur auf Englisch –<br />

sind Queen und King (= Queeng) endlich gleich viel wert, die<br />

ehemalige Dame heißt jetzt Duke. Und selbstverständlich sind<br />

auch alle Hautfarben vertreten. Worauf wir jetzt noch warten?<br />

Auf die Revolution der Zweier: ¡Venceremos! queengcards.com<br />

LETZTES DUELL VOR HEISSER EISZEIT<br />

EHC RED BULL MÜNCHEN EMPFÄNGT DÜSSELDORFER EG<br />

Jetzt wird’s erst richtig spannend: Am 18. April endet die Hauptrunde<br />

der Deutschen Eishockey Liga – und im Anschluss starten<br />

die Play-Offs. Am letzten Spieltag empfängt EHC <strong>Red</strong> Bull München<br />

(im Bild: Trevor Parkes) das kampfstarke Team aus Düsseldorf.<br />

Olympia-Eissportzentrum München; redbullmuenchen.de<br />

BELASTBAR<br />

Das Spezialmaterial<br />

aus PET-Flaschen ist<br />

reiß- und schnittfest.<br />

ALARM AN <strong>DE</strong>R<br />

ALGARVE<br />

MOTO GP IN PORTUGAL<br />

Unebener Asphalt und Highspeed-Geraden:<br />

Der MotoGP<br />

Grand Prix von Portugal am<br />

18. April wird den Fahrern<br />

(im Bild: Brad Binder) alles<br />

abverlangen. ServusTV<br />

überträgt die Qualifyings,<br />

das vierte freie Training und<br />

die Rennen aller Klassen.<br />

Infos: servustv.com/motogp<br />

RUCKSACK<br />

FIN<strong>DE</strong>T STADT<br />

SAMSONITE SECURIPAK<br />

Endlich ein Rucksack, der<br />

nicht so tut, als wollte er<br />

auf einen Gipfel geschleppt<br />

werden. Er ist eindeutig für<br />

den modernen Stadtbewohner<br />

gedacht. Das Material<br />

heißt Recyclex (ja, es sind<br />

PET-Flaschen), ist reiß- und<br />

schnittfest – und klar gibt<br />

es eine Lademöglichkeit.<br />

samsonite.com<br />

THE RED BULLETIN 85


Sport wagen<br />

Die derzeit prickelndsten Autos: Die einen sind für besonders<br />

dynamische Ausfahrten gemacht, die anderen bringen uns<br />

mit viel Stauraum zum Training. Plus: drei aktuelle Motorräder<br />

für alle Fälle. Text WERNER JESSNER, JOHANNES MITTERER<br />

Das aktuell schnellste<br />

Serienauto auf der Nordschleife<br />

des Nürburg rings:<br />

der AMG GT Black Series<br />

86 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Autos<br />

ÜBERFLÜGEL<br />

Wenn man ein Rennauto<br />

straßentauglich macht,<br />

ohne Kompromisse einzugehen,<br />

kommt exakt<br />

so etwas dabei heraus.<br />

NEUER SPEED<br />

RENNMASCHINE<br />

FORD MUSTANG MACH 1<br />

Dieser Mustang ist ein Straßenwagen, der auch auf der Rennstrecke<br />

besteht. Kein in Europa angebotener Serien-Mustang war<br />

bis jetzt schneller. Das verdankt der Mach 1 einem 5-Liter-V8-Motor<br />

mit 460 PS, einem renntauglichen Sportfahrwerk, das auch<br />

bei hohen Kurvenfliehkräften klare Rückmeldung gibt, und einer<br />

besonders direkten Lenkung. Ach ja: 22 Prozent mehr Abtrieb<br />

und zusätzliche Kühler bringt er auch noch mit.<br />

Höchstgeschwindigkeit: bis zu 267 km/h<br />

Preis: ab 60.800 Euro<br />

HERSTELLER<br />

NEUE BESTZEIT<br />

6:48,047<br />

AMG GT Black Series<br />

Das ist der neue Rundenrekord auf<br />

der Nürburgring-Nordschleife, der<br />

wohl schwierigsten Rennstrecke der<br />

Welt. Aufgestellt hat ihn der deutsche<br />

Rennfahrer Maro Engel mit dem<br />

AMG GT Black Series. Er prügelte den<br />

730 PS starken Wagen bei bloß zehn<br />

Grad Streckentemperatur und feuchten<br />

Flecken auf der Bahn über die<br />

20,832 Kilometer. Wie das möglich<br />

war? Mit professioneller Renntechnik<br />

und allerhand Set-up-Möglichkeiten.<br />

Höchstgeschwindigkeit: 325 km/h<br />

Preis: ab 335.240 Euro<br />

NEU AM START<br />

HOCH- UND BREITENSPORT<br />

CUPRA FORMENTOR VZ<br />

Cupra ist die Sport-Marke der spanischen VW-Tochter Seat,<br />

und das SUV-Coupé Formentor löst diesen Anspruch perfekt ein.<br />

Besonders gut gelingt ihm das in der Version mit 310 PS starkem<br />

Zweiliter-TSI-Motor mit Allrad, 7-Gang-DSG-Getriebe und einer Nullauf-hundert-Beschleunigung<br />

von 4,9 Sekunden. Das coole Design,<br />

Bremsen mit gelochten Scheiben und das Digitalcockpit lassen<br />

die 2018 gegründete Marke auf Anhieb ganz oben mitspielen.<br />

Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h<br />

Preis: ab 45.090 Euro<br />

THE RED BULLETIN 87


GUI<strong>DE</strong><br />

Autos<br />

NEU KOMPONIERT<br />

ZUKUNFTSMUSIK<br />

AUDI RS E-TRON GT<br />

Athletischer war e-tron noch nie: Mit dem RS e-tron GT verleiht<br />

Audi seinem vollelektrischen Modell radikale Dynamik. 440 kW, also<br />

umgerechnet 598 PS, stellen die E-Motoren bereit und ermöglichen<br />

so eine Beschleunigung von null auf hundert in 3,1 Sekunden. Für<br />

den passenden Klang außen und innen sorgt auf Wunsch ein eigens<br />

komponierter voluminöser Sportsound, den der Fahrer regeln<br />

kann. Die Reichweite der Batterie liegt bei bis zu 487 Kilometern.<br />

Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h<br />

Preis: ab 138.200 Euro<br />

NEUES KÜRZEL<br />

SUPER TROFEO OMOLOGATO<br />

LAMBORGHINI HURACÁN STO<br />

Genau dafür stehen die drei Buchstaben STO, und sie bedeuten,<br />

dass der Rennwagen aus der Super-Trofeo-Serie straßentauglich<br />

gemacht wurde. Der 10-Zylinder-Motor mit 640 PS trifft auf<br />

Heckantrieb und nur 1339 Kilo. Möglich wurde das durch eine<br />

Karosserie, die zu 75 Prozent aus Carbon besteht. Besonders auffällig:<br />

der neu entwickelte Schnorchel auf der Motorhaube (hinten)<br />

mit integrierter Haifischflosse und verstellbarem Heckspoiler.<br />

Höchstgeschwindigkeit: 310 km/h<br />

Preis: ab 296.800 Euro<br />

STARKER SPRINT<br />

Das hier gezeigte Modell<br />

4S des Porsche Cross<br />

Turismo beschleunigt<br />

in 4,1 Sekunden<br />

von null auf hundert.<br />

NEUE WEGE<br />

Gelände-Fan<br />

Porsche Taycan Cross Turismo<br />

Rallye-Feeling mit dem E-Porsche?<br />

Der Taycan Cross Turismo verspricht<br />

genau das. Auf losem Fahrbahnuntergrund<br />

kommen Allradantrieb, Radlaufblenden<br />

und das Fahrprogramm<br />

„Gravel Mode“ zu Hilfe. Das Letztgenannte<br />

hebt den Wagen dank der<br />

adaptiven Luftfederung um 30 Millimeter<br />

an. Genug Wumms gibt’s auch:<br />

460 kW/625 PS als Turbo S,<br />

(560 kW/761 PS im Overboost).<br />

Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h<br />

Preis: ab 93.635 Euro<br />

HERSTELLER<br />

88 THE RED BULLETIN


ERFOLGSMO<strong>DE</strong>LL<br />

Raumwunder<br />

reloaded<br />

Mazda CX-5<br />

Wie verkauft man über drei Millionen<br />

Exemplare eines Autos? Ein kluges<br />

Raumkonzept hilft, wie der seit 2012<br />

gebaute Mazda CX-5 beweist. Auch<br />

im Modelljahr 2021 bietet er der<br />

ganzen Familie komfortabel Platz –<br />

samt Kletterausrüstung für die<br />

Bergtour. Mit umgeklappten Sitzen<br />

entstehen 1620 Liter Stauraum.<br />

Die aktuelle Variante bietet verbesserte<br />

Motoren, die schärfer ansprechen<br />

und weniger verbrauchen.<br />

Kofferraumvolumen: 506 – 1620 Liter<br />

Preis: ab 27.600 Euro<br />

RUNDUM-BLICK<br />

Von außen nicht sichtbar<br />

sind im Mazda CX-5 vier<br />

Kameras verbaut, die<br />

beim Einparken helfen.<br />

E-ALLROUN<strong>DE</strong>R<br />

STROM LA<strong>DE</strong>N<br />

VW ID.4<br />

Einer der größten Vorteile von E-Autos ist, dass die Antriebstechnik<br />

weniger Platz braucht als bei konventionell befeuerten Fahrzeugen<br />

– Platz, der den Passagieren oder eben auch Sportgeräten zugute<br />

kommt. Dazu gibt’s eine inzwischen abenteuertaugliche (statt<br />

abenteuer liche) Reichweite: VW verspricht für den im Frühling<br />

erhältlichen 204 PS starken ID.4 bis zu 520 Kilometer.<br />

Bonus: Man kann Anhänger von bis zu einer Tonne ziehen.<br />

Kofferraumvolumen: 543 – 1575 Liter<br />

Preis: ab 36.950 Euro<br />

HYBRID-SUV<br />

WACHSTUMSKURS<br />

MITSUBISHI ECLIPSE CROSS PLUG-IN HYBRID<br />

Mehr Platz lautete auch die Devise bei der Überarbeitung dieses<br />

Modells: Um 14 Zentimeter ist die aktuelle Variante des Eclipse<br />

Cross im Vergleich zum Vorgänger gewachsen. Beim neuen Plug-In<br />

Hybrid mit Allradsystem stammt die Antriebseinheit (2,4-Liter-<br />

Benziner und zwei Elektromotoren) aus dem Outlander (188 PS<br />

Systemleistung). Rein elektrisch können bis zu 61 Kilometer<br />

gefahren werden, die Gesamtreichweite liegt bei bis zu 750 .<br />

Kofferraumvolumen: 359 – 1108 Liter<br />

Preis: ab 39.890 Euro<br />

THE RED BULLETIN 89


GUI<strong>DE</strong><br />

Autos<br />

BESTSELLER<br />

SCHNELLER RUCKSACK<br />

ŠKODA OCTAVIA COMBI RS<br />

Still und leise ist der Octavia zum Herausforderer des Platzhirschen<br />

VW Golf herangereift. Überzeugendes Platzangebot und<br />

ein scharf kalkulierter Preis sind dafür wohl ausschlaggebend.<br />

Das Topmodell RS ist als Diesel oder Benziner zu haben, mit Frontoder<br />

Allradantrieb, ist 200 oder 245 PS stark – und dank der<br />

scharfen Optik hat man die Garantie, den eigenen unter all den<br />

anderen Octavias auf dem Parkplatz sofort zu finden.<br />

Kofferraumvolumen: 640 – 1700 Liter<br />

Preis: ab 39.810 Euro<br />

POWER-HYBRID<br />

TEAMFÄHIG<br />

KIA SORENTO PLUG-IN HYBRID<br />

Eine Volleyball-Aufstellung (sechs Spieler) plus Trainer können<br />

in diesem SUV zum Match fahren. Die Variante mit Plug-In Hybrid<br />

ist nicht nur die neueste, sondern auch die leistungsstärkste. Kombiniert<br />

kommen die Antriebe – 1,6-Liter-Turbobenziner plus Elektromotor<br />

– auf 265 PS und 350 Nm Drehmoment. Eine 6-Gang-Automatik<br />

gibt die Power an alle vier Reifen weiter. Wer den Raum hinten<br />

für Gepäck nutzen will, baut den Sieben- zum Fünfsitzer um.<br />

Kofferraumvolumen: 175 – 898 Liter<br />

Preis: ab 53.940 Euro<br />

KRAFTPAKET<br />

Unter der Gladiator-Haube<br />

steckt ein 3.0 V6 MultiJet<br />

Turbodieselmotor mit<br />

264 PS und 600 Nm<br />

Drehmoment.<br />

PICK-UP<br />

Kämpfertyp<br />

Jeep Gladiator<br />

Nach 28 Jahren bietet Jeep zum<br />

ersten Mal wieder einen Pick-up.<br />

Als Basis des Gladiator dient das<br />

Kult-Modell Wrangler. Von diesem<br />

erbt er auch die Geländegängigkeit –<br />

unter anderem dank intelligentem<br />

Allradsystem, Dana-44-Achsen<br />

der dritten Generation und O≠road-<br />

Reifen. Für Sportgeräte wie Fahrräder,<br />

Kajaks, Surfbretter oder Skier<br />

gibt’s auf Wunsch spezielle Träger.<br />

Ladefläche: 153 Zentimeter lang.<br />

Preis: ab 60.500 Euro<br />

HERSTELLER<br />

90 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Motorräder<br />

FÜR NEULINGE<br />

Sein ohne<br />

Schein<br />

Brixton Rayburn<br />

Achtung, Einstiegsdroge! Das Bike<br />

sieht nach sündteurem Custom-<br />

Bike-Umbau aus, nach viel Hubraum<br />

und Spielzeug für harte Jungs – ist<br />

aber ein 125er-Motorrad, das man<br />

mit Autoführerschein bewegen darf.<br />

Die „Rayburn“ kombiniert Roadster-<br />

Look mit luftgekühltem Einzylindermotor.<br />

Style-Highlight: der gefederte<br />

Ledersattel. Geschmack ist keine<br />

Frage des Hubraums: Selbst in der<br />

Achtelliter-Klasse gibt es keinen<br />

Grund mehr, billige Plastikroller<br />

zu fahren. Ab 3039 Euro<br />

ALLES AN BORD<br />

LED-Tagfahrlicht und<br />

-Blinker, digitaler Tacho<br />

und elektronische<br />

Einspritzung zählen u. a.<br />

zur Serienausstattung.<br />

FÜR VIELSEITIGE<br />

UM DIE WELT<br />

KTM 1290 SUPER ADVENTURE S<br />

Große Freiheit! Nur blöd, wenn im richtigen Leben unterwegs<br />

der Wind zerrt, der Hintern zwickt und die Knie pitschnass werden.<br />

Für die große Tour nehme man also ein Bike, das Unbill vom Fahrer<br />

fernhält, souverän motorisiert ist und aller Tricks mächtig, die tausend<br />

Kilo meter oder mehr im Sattel zur Freude werden lassen. Das<br />

neue KTM- Flaggschiff hat fünf Fahrmodi von Regen bis Rally, 7-Zoll-<br />

TFT-Display und 23-Liter- Tank für enorme Reichweite: Wer jetzt<br />

noch zu Hause bleibt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ab 18.495 Euro<br />

FÜR SPORTLER<br />

JE<strong>DE</strong> KURVE EINE FREU<strong>DE</strong><br />

BMW F 900 R<br />

Präzises Handling, sportliches Design und ein drehmomentstarker<br />

Zweizylinder-Reihenmotor – die BMW F 900 R steht für unkomplizierten<br />

Fahrspaß bei jeder Gelegenheit. Der dynamische Roadster<br />

hat bereits in der Grundausstattung einen Schalt assistenten und<br />

wählbare Fahrmodi. Mit 105 PS ist in jeder Situation reichlich Power<br />

vorhanden, und dank TFT-Display und Connectivity behält man<br />

die wichtigsten Infos stets im Blick – egal ob auf dem Weg<br />

ins Büro oder auf Kurvenjagd in den Alpen. Ab 8800 Euro<br />

THE RED BULLETIN 91


B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

JOHN GLENN<br />

VOM GRÖSSTEN SCHMERZ<br />

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />

inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />

Folge 2: Womit der erste US-Astronaut, der die Erde umkreiste, zu kämpfen hatte.<br />

Mitte der Neunzigerjahre des<br />

vorigen Jahrhunderts fuhr ich<br />

mit Bob Didonato durch die<br />

US-Staaten Pennsylvania, Ohio,<br />

Kentucky und West Virginia. Bob<br />

war Professor an der Miami University in<br />

Oxford, Ohio, er unter richtete deutsche<br />

Literatur und deutsche Sprache, die Studenten<br />

liebten ihn wegen seiner unkonventionellen<br />

Einfälle. Er sagte, er wolle mir<br />

Dinge zeigen, die in keinem Fremdenführer<br />

aufgeführt seien, die aber für das Selbstverständnis<br />

und das Selbstbewusstsein<br />

der Amerikaner große Bedeutung hätten<br />

– „eine sub kutane Bedeutung“, so drückte<br />

er sich aus. Was er darunter verstand,<br />

demonstrierte er mir in New Concord, einem Dorf im<br />

Muskingum County in Ohio, das sich durch nichts von<br />

den umliegenden Dörfern unterschied, eingerahmt<br />

von Tankstellen und Fast-Food-Lokalen. Die Ausfahrtsstraße<br />

im Norden führte an einem schmalen Fluss entlang<br />

– dem Fox Creek, wie mich Bob unterrichtete.<br />

Irgendwann hielt er an. Wir gingen auf einem Seitenweg<br />

in ein lichtes Wäldchen, nach einer Meile blieb<br />

er stehen und sagte:<br />

„Hier ist es.“<br />

„Was?“, fragte ich.<br />

„Genau hier“, flüsterte er.<br />

„Bob“, sagte ich, „was ist hier? Und warum flüsterst<br />

du?“<br />

„Hier hat er gelegen“, flüsterte er weiter.<br />

„Wer, verdammt noch mal!“<br />

„John Glenn.“<br />

John Glenn – der große John Glenn – war der erste<br />

Mensch, der die Erde gesehen hat, wie ich den Globus<br />

sehe, der auf meinem Schreibtisch steht: als eine<br />

vorwiegend blaue Kugel. Er war der erste Mensch,<br />

der unsere Erde in einer Umlaufbahn umkreist hat.<br />

Dreimal. Er allein. Die längsten und zugleich kürzesten<br />

vier Stunden, 55 Minuten und 23 Sekunden,<br />

MICHAEL KÖHLMEIER<br />

Der Vorarlberger<br />

Bestseller-Autor gilt<br />

als bester Erzähler<br />

deutscher Zunge.<br />

Zuletzt erschienen:<br />

„Die Märchen“,<br />

816 Seiten,<br />

Carl Hanser Verlag.<br />

die jemals ein Mensch durchlebt hat.<br />

Das war am 20. Februar 1962 gewesen.<br />

Nein, der erste Mensch im All war<br />

er nicht. Viele Amerikaner wollten das<br />

zwar glauben. Und viele wollten damals<br />

glauben, seine Mission diene in erster Linie<br />

der Wissenschaft. So war es aber nicht.<br />

John Glenn war eine politische Trumpfkarte<br />

im Wettstreit mit der Sowjetunion.<br />

Ein Jahr zuvor nämlich, am 12. April 1961,<br />

hatte der russische Astronaut Juri Alexejewitsch<br />

Gagarin die Erde als tatsächlich erster<br />

Mensch, jedoch nur einmal, umrundet,<br />

sein Flug dauerte 108 Minuten. Damit hatte<br />

der verteufelte Kommunismus das glorreiche<br />

Amerika, das Land der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten, das sich allen Nationen überlegen<br />

fühlte, in die Schranken verwiesen. Die Kränkung war<br />

so bitter, dass manche amerikanische Zeitungen und<br />

Rundfunkanstalten gar nicht darüber berichteten.<br />

Nun also die Revanche.<br />

Um 9 Uhr 47, Ostküstenzeit, startete die Atlas-Rakete,<br />

an deren Spitze der vierzigjährige Astro naut<br />

John Herschel Glenn saß. Er selbst hatte sich<br />

gewünscht, dass seine Mission „Friendship“ genannt<br />

würde. Die Schüler durften an diesem Tag zu Hause<br />

bleiben, die meisten Betriebe unterbrachen die Arbeit<br />

für eine oder zwei Stunden, Präsident Kennedy saß<br />

wie Millionen andere Amerikaner vor dem Fernseher<br />

und sah sich mit klopfendem Herzen an, wie die<br />

gigantische Rauchwolke über der Cape Canaveral Air<br />

Force Station in Florida in den Himmel quoll und aus<br />

ihr der haardünne Kondensstreifen der Rakete höher<br />

und immer höher schoss. Der Sprecher im Fernsehen<br />

verkündete: „Oberstleutnant Glenn ist soeben mit<br />

seiner Rakete in die Erdumlaufbahn gestartet. Bitte<br />

beten Sie für ihn.“<br />

Gegen fünfhundert Konkurrenten hatte Glenn<br />

sich durchgesetzt, und er hatte nicht die besten<br />

MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES (2)<br />

92 THE RED BULLETIN


Voraussetzungen. Sein größter Nachteil gegenüber<br />

den anderen Anwärtern war sein Alter. Ein Vierzigjähriger<br />

sei körperlich nicht mehr auf der Höhe, ein<br />

solches Unternehmen aber verlange das Äußerste.<br />

So hieß es. Glenn konnte mithalten. Er bestand in den<br />

Dunkelräumen bei stundenlanger Schwärze und absoluter<br />

Stille; er hielt in der Hitzekammer aus, gegen<br />

die eine Sauna eine kühle Veranda sei, wie einer der<br />

Kandidaten witzelte; auch minutenlanges Ausharren<br />

im Eiswasser konnte ihm nichts anhaben, und die Zentrifuge<br />

und die Rüttelmaschine verließ er breitbeinig<br />

zwar, aber ohne zu wanken und ohne dass er sich –<br />

wie die meisten seiner Kollegen – übergeben musste.<br />

Mental, so hieß es, war John Glenn allen überlegen.<br />

Und darauf komme es an. Man könne unten auf dem<br />

Boden trainieren und simulieren, so viel man wolle,<br />

niemand sehe voraus, was einen dort oben alles erwarte.<br />

Und dann seien nicht allein Muskeln und Sehnen<br />

gefragt, sondern Intelligenz, Kaltblütigkeit und<br />

Selbstbeherrschung. Über diese Fähigkeiten verfügte<br />

Oberstleutnant John Herschel Glenn. Am Ende der<br />

Mission musste er diese Fähigkeiten beweisen.<br />

THE RED BULLETIN 93


B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

Ich greife vor: Bevor er die Umlaufbahn um die Erde<br />

verließ, um in die Erdatmosphäre einzutauchen,<br />

schlug ein System Alarm. Der Keramikschild, der die<br />

Kapsel vor dem Verglühen bewahren sollte, schien<br />

sich zu lösen. Wenn das geschähe, wäre der Astronaut<br />

nicht mehr zu retten. Glenn behielt die Nerven, von<br />

der Bodenstation aus konnte der Schaden behoben<br />

werden, allerdings musste er die Landung händisch<br />

steuern – Intelligenz, Kaltblütigkeit und Selbstbeherrschung.<br />

Zu diesen Begriffen würde in Zukunft eine<br />

ganze Generation den Namen John Glenn assoziieren.<br />

Angst und Panik konnten ihm nichts anhaben.<br />

Diese Gefühle ließ er nicht zu, er besiegte sie, triumphierte<br />

über sie. Mit einem anderen Gefühl aber hatte<br />

er nicht gerechnet, und kein Techniker unten auf der<br />

Erde, kein Psychologe, der Priester nicht, nicht einmal<br />

Anna Margaret, Johns Ehefrau, die ihm schon im Alter<br />

von fünf Jahren das Ja-Wort fürs Leben gegeben hatte,<br />

nicht einmal sie hatte damit gerechnet: Heimweh.<br />

Durch das winzige Fenster der Raumkapsel blickte<br />

er hinunter auf die Erde, er konnte ihre Rundung<br />

sehen, er geriet in heilige Verzückung, als sich<br />

unter ihm der blaue Pazifik dehnte, er sah Hawaii,<br />

sah die Perlenkette Japan, sah die goldenen Weiten<br />

der asia tischen Wüsten, sah die Gipfel des Himalaya,<br />

sah Europa, klarer als auf jeder Landkarte. Und dann<br />

sah er die Küste von Amerika. Er war allein, er traute<br />

sich nicht, laut mit sich selbst zu sprechen, weil er<br />

dachte, die Bodenstation höre zu. Er wollte singen.<br />

Ihm fiel ein, wie er als Kind in dem Wald am Fox Creek<br />

gespielt hatte, er war aufgewachsen in New Concord.<br />

Wie glücklich war er gewesen, er, ganz mit sich allein.<br />

Wenn er im Sommer unten beim Bach die Libellen beobachtet<br />

hatte, manche ganz nahe. Wenn er über die<br />

schillernden Farben ihrer Flügel gestaunt hatte, die<br />

sich in den Spiegelungen des Wassers änderten. Wenn<br />

er das feuchte Moos gerochen hatte, kein Parfum<br />

konnte damit konkurrieren. Sogar an die Moskitostiche<br />

erinnerte er sich gern, zu Hause rieb seine Mutter<br />

die betreffenden Stellen mit Zitronensaft ein. Da habe<br />

er begriffen – erst viele Jahre nach diesem großen<br />

Menschheitsabenteuer erzählte er einer Journalistin<br />

davon –, da habe er begriffen, dass Alleinsein das<br />

Schönste auf der Welt sei, allein mit sich und seinen<br />

Gedanken, seinen Träumen, seinen Gedankenspielen<br />

weit voraus in eine Zukunft, seine Zukunft.<br />

„Aber doch nur“, sagte er der Reporterin ins<br />

Mikrofon, „wenn du auf den Wegen gehst, auf denen<br />

du schon oft gegangen bist, auf denen Menschen<br />

gegangen sind, die du liebst oder hasst, die dir Gutes<br />

oder Böses wollen. Wenn du die Wegbiegung dort<br />

vorne kennst, wenn du die riesige Fichte dort drüben<br />

kennst, wenn du die Steine kennst, auf die du dich setzen<br />

und mit den nackten Füßen im Bach plantschen<br />

kannst.“ Einsamkeit sei dagegen etwas anderes. Er<br />

habe geglaubt, sein Herz breche entzwei: Wenn ich<br />

nie wieder, nie wieder … Die Einsamkeit, das wisse er<br />

nun, sei das Entsetzlichste.<br />

Mit einem Gefühl hatte<br />

der Astronaut John<br />

Glenn nicht gerechnet:<br />

Heimweh.<br />

Er war glücklich gelandet, war als Held gefeiert<br />

worden. Im Triumphzug fuhr er durch New York,<br />

hunderttausend Menschen jubelten ihm zu. Präsident<br />

Kennedy bat ihn um seine Freundschaft und warb mit<br />

ihm für seine Politik. Er tourte durch das Land, hielt<br />

Vorträge, wurde zu Fernsehshows eingeladen – er hatte<br />

Amerika den Stolz zurückgegeben. Er war ein Star.<br />

Als er an Bord des Schiffes, das ihn und seine<br />

Kapsel aus dem Meer geborgen hatte, aus dem Raumanzug<br />

stieg, hatte ihn der Kapitän gefragt: „Sir, was<br />

gedenken Sie als Erstes zu tun?“<br />

Glenn antwortete: „Ich möchte nach Hause.“<br />

Zu Hause fragte ihn Anna Margaret: „John, was<br />

willst du als Erstes tun?“<br />

Er antwortete: „Ich möchte nach Hause.“<br />

Sie wusste, was er meinte, sie fragte: „Soll ich dich<br />

begleiten?“<br />

Nein, sagte er, er wolle allein sein. Und sie wusste<br />

wieder, was er meinte.<br />

Er setzte sich in seinen Wagen und fuhr nach New<br />

Concord, das war nicht weit. Er spazierte am Fox<br />

Creek entlang bis zu dem Wäldchen. Und dort legte er<br />

sich bäuchlings mitten auf den Weg. Breitete die Arme<br />

aus, als wolle er den Globus, die Welt, die ganze Welt,<br />

nämlich unsere Erde, umarmen und küssen.<br />

So hat man ihn gefunden“, erzählte mein Freund<br />

Bob Didonato. „Ach, du wirst es nicht glauben“,<br />

sagte er, „ein junger schwarzer Musiker fand ihn.<br />

Er meinte, er sei tot. So wie er dalag. Ohne Regung.<br />

Die Lippen auf den Lehmboden gepresst. Der Musikant<br />

– glaub mir, es ist die Wahrheit –, er muss wohl<br />

ein frommer Mann gewesen sein, er kniete sich nieder<br />

und betete, betete für die Seele dieses Mannes, der da,<br />

ganz allein, ohne jeden Beistand, einsam, mitten auf<br />

dem Weg nahe dem Fox Creek gestorben war. Aber er<br />

war nicht gestorben. Er ist aufgestanden – auferstanden,<br />

sozusagen.“<br />

„Und das ist hier geschehen?“, fragte ich. „An dieser<br />

Stelle, genau hier?“<br />

„Genau hier“, sagte Bob.<br />

„Woher weißt du das?“<br />

„Jeder weiß es, jeder hier in New Concord, jeder<br />

in Muskingum County. Frag, wen du willst.“<br />

„Das werde ich“, sagte ich.<br />

Und ich tat es. Ich fragte in einem Coffeeshop, ich<br />

fragte eine Frau auf der Straße, ich klopfte an Türen<br />

und fragte, ich fragte Kinder auf dem Spielplatz. Alle<br />

bestätigten, was Professor Bob Didonato mir erzählt<br />

hatte.<br />

94 THE RED BULLETIN


Echte Flammen.<br />

Echter Geschmack.<br />

Ohne Zusatzstoffe Konservierungsstoffe<br />

und Geschmacksverstärker.<br />

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IMPRESSUM<br />

THE RED<br />

BULLETIN<br />

WELTWEIT<br />

Aktuell erscheint<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

in sechs Ländern. Das<br />

Cover unserer Kollegen<br />

in Österreich zeigt in<br />

diesem Monat B-Girl Sina<br />

aus Tirol, die erst auf<br />

einer langen Reise nach<br />

Marokko lernte, was sie<br />

wirklich auszeichnet – als<br />

Tänzerin und als Mensch.<br />

Mehr Geschichten abseits des<br />

Alltäglichen findest du auf:<br />

redbulletin.com<br />

Gesamtleitung<br />

Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.)<br />

Chefredaktion<br />

Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.)<br />

Creative Direction<br />

Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.)<br />

Art Direction<br />

Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson<br />

Grafik<br />

Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit,<br />

Kevin Goll<br />

Fotoredaktion<br />

Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.),<br />

Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör<br />

Digitalredaktion<br />

Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Lisa Hechenberger,<br />

Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan<br />

Head of Audio<br />

Florian Obkircher<br />

Special Projects<br />

Arkadiusz Piatek<br />

Managing Editors<br />

Ulrich Corazza, Marion Lukas-Wildmann<br />

Publishing Management<br />

Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek<br />

Managing Director<br />

Stefan Ebner<br />

Head of Media Sales & Partnerships<br />

Lukas Scharmbacher<br />

Head of Co-Publishing<br />

Susanne Degn-Pfleger<br />

Projektmanagement Co-Publishing,<br />

B2B-Marketing & Communication<br />

Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz,<br />

Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B),<br />

Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner<br />

(Communication)<br />

Creative Services<br />

Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka,<br />

Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart<br />

Commercial Management Co-Publishing<br />

Alexandra Ita<br />

Editorial Co-Publishing<br />

Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann,<br />

Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser<br />

Executive Creative Director<br />

Markus Kietreiber<br />

Projekt Management Creative<br />

Elisabeth Kopanz<br />

Art Direction Commercial & Co-Publishing<br />

Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Simone Fischer,<br />

Martina Maier, Andreea Parvu, Alexandra Schendl,<br />

Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie<br />

Weidinger, Stephan Zenz<br />

Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm,<br />

Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar<br />

Anzeigenservice<br />

Manuela Brandstätter, Monika Spitaler<br />

Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.),<br />

Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig<br />

Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis,<br />

Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher<br />

Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger<br />

MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler<br />

Operations Melanie Grasserbauer,<br />

Alexander Peham, Yvonne Tremmel<br />

Projekt Management Gabriela-Teresa Humer<br />

Assistant to General Management Sandra Artacker<br />

Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer<br />

Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien<br />

Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809<br />

Web redbulletin.com<br />

Medieninhaber, Verlag & Herausgeber<br />

<strong>Red</strong> Bull Media House GmbH,<br />

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15,<br />

A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i,<br />

Landesgericht Salzburg, ATU63611700<br />

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz,<br />

Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber<br />

THE RED BULLETIN<br />

Deutschland, ISSN 2079-4258<br />

Länderredaktion<br />

David Mayer<br />

Lektorat<br />

Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert,<br />

Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-<br />

Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham,<br />

Vera Pink<br />

Country Project Management<br />

Natascha Djodat<br />

Media Sales & Partnerships<br />

Thomas Hutterer (Markenlead),<br />

Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />

Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />

Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />

Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />

Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />

Jennifer Sabejew, Johannes<br />

Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />

Sochor, Ute Wolker, Christian<br />

Wörndle, Sabine Zölß;<br />

Abo<br />

Abopreis: 21,90 EUR,<br />

10 Ausgaben/Jahr,<br />

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Druck<br />

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Pułtuska 120, 07-200 Wyszków,<br />

Polen<br />

THE RED BULLETIN<br />

Frankreich, ISSN 2225-4722<br />

Länderredaktion<br />

Pierre-Henri Camy<br />

Country Coordinator<br />

Christine Vitel<br />

Country Project Management<br />

Youri Cviklinski<br />

THE RED BULLETIN<br />

Großbritannien, ISSN 2308-5894<br />

Länderredaktion<br />

Ruth McLeod (Ltg.),<br />

Tom Guise, Florian Obkircher<br />

Lektorat<br />

Davydd Chong (Ltg.),<br />

Nick Mee<br />

Publishing Management<br />

Ollie Stretton<br />

Media Sales<br />

Mark Bishop,<br />

mark.bishop@redbull.com<br />

Fabienne Peters,<br />

fabienne.peters@redbull.com<br />

THE RED BULLETIN<br />

Österreich, ISSN 1995-8838<br />

Länderredaktion<br />

Wolfgang Wieser<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei Deutschland<br />

Publishing Management<br />

Bernhard Schmied<br />

Media Sales & Partnerships<br />

Thomas Hutterer (Markenlead),<br />

Thomas Hutterer (Markenlead),<br />

Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />

Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />

Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />

Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />

Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />

Jennifer Sabejew, Johannes<br />

Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />

Sochor, Ute Wolker, Christian<br />

Wörndle, Sabine Zölß;<br />

Kristina Krizmanic (Team Assistant)<br />

Sales Operations & Development<br />

Anna Schönauer (Ltg.),<br />

David Mühlbacher<br />

THE RED BULLETIN<br />

Schweiz, ISSN 2308-5886<br />

Länderredaktion<br />

Wolfgang Wieser<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei Deutschland<br />

Country Project Management<br />

Meike Koch<br />

Commercial & Brand Partnerships<br />

Manager<br />

Stefan Bruetsch<br />

Media Sales<br />

Marcel Bannwart (D-CH),<br />

marcel.bannwart@redbull.com<br />

Christian Bürgi (W-CH),<br />

christian.buergi@redbull.com<br />

Goldbach Publishing<br />

Marco Nicoli,<br />

marco.nicoli@goldbach.com<br />

THE RED BULLETIN USA<br />

ISSN 2308-586X<br />

Länderredaktion<br />

Peter Flax (Ltg.),<br />

Nora O’Donnell<br />

Lektorat<br />

David Caplan<br />

Publishing Management<br />

Branden Peters<br />

Media Network Communications<br />

& Marketing Manager<br />

Brandon Peters<br />

Media Sales<br />

Todd Peters,<br />

todd.peters@redbull.com<br />

Dave Szych,<br />

dave.szych@redbull.com<br />

Tanya Foster,<br />

tanya.foster@redbull.com<br />

96 THE RED BULLETIN


A N Z E I G E<br />

must-haves<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 LIGHT TRAILRUNNER<br />

Der leichte und technisch präzise<br />

RIBELLE RUN von Scarpa ist der<br />

ideale Trailrunningschuh in rauem<br />

Terrain. Er ist konzipiert für kurze<br />

bis mittlere Distanzen und überzeugt<br />

mit seiner optimalen Passform<br />

sowie seinem atmungsaktiven Obermaterial.<br />

Dazu sorgt seine exklusive<br />

SuperGum-Außensohle dafür, dass<br />

du auch auf rutschigen Wegen locker<br />

vorankommst.<br />

scarpa.net<br />

2 NEUE MOTORRADMARKE<br />

Erst vor wenigen Wochen global<br />

gelauncht, versprüht die neue Motorradmarke<br />

MOTRON frischen Wind<br />

und besticht durch lässiges Design<br />

zu einem top Preis-Leistungs-Verhältnis.<br />

Sie begeistert Motorradfahrer,<br />

Elektro-Fans und Roller-Liebhaber<br />

gleichermaßen. Der ultimative Reisebegleiter<br />

für Abenteurer: Die neue<br />

MOTRON X-Nord 125 ist ab jetzt<br />

bestellbar.<br />

motron-motorcycles.com<br />

3 AUSGEZEICHNET INNOVATIV<br />

Die Odin 9 Worlds Infinity Shell-Jacke<br />

von Helly Hansen ist deine nachhaltige<br />

Begleiterin auf all deinen Abenteuern:<br />

Sie überzeugt mit einer revolutionären,<br />

wasserdichten und atmungsaktiven<br />

LIFA ® Infinity Pro Technologie,<br />

die komplett ohne chemische Zusätze<br />

auskommt. Ausgezeichnet mit dem<br />

GOOD <strong>DE</strong>SIGN ® Award 2020, setzt<br />

die innovative Jacke neue Maßstäbe<br />

in puncto Outdoor-Bekleidung.<br />

hellyhansen.com<br />

4 MIT POWER AUF UND AB<br />

Mach dich bereit, mit dem X ULTRA<br />

4 GTX von Salomon kraftvoll bergauf<br />

und bergab zu laufen. Er ist so<br />

wendig wie ein Trailrunningschuh,<br />

aber bietet dazu die Stabilität, den<br />

Grip und den wasserabweisenden<br />

Schutz, den du fürs Gelände<br />

brauchst. Mit einem neuen Chassis<br />

schützt der Schuh den Knöchelbereich<br />

noch besser, ohne die<br />

Bewegungsfreiheit einzuschränken.<br />

salomon.com


N I C O L A S M A H L E R S<br />

S P I T Z F E D E R L I C H E S C H A R A K T E R - K A B I N E T T<br />

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 11. Mai 2021.<br />

NICOLAS MAHLER<br />

98 THE RED BULLETIN


WIR LAUFEN FÜR ALLE,<br />

DIE ES NICHT KÖNNEN.<br />

9. MAI 2021 – 13 UHR<br />

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