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RAUM Gefühl

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Räume mit Stil und<br />

Eleganz betritt der Besucher<br />

im Schloss Isny und entdeckt<br />

dort wahre Schätze.<br />

Text: Klaus-Peter Mayr • Fotos: Matthias Becker<br />

Vielleicht ist Friedrich Hechelmann<br />

ein paar Jahrhunderte zu spät geboren.<br />

Würde der Maler nicht viel besser<br />

in die Renaissance passen, jener<br />

von ihm so sehr verehrten Epoche,<br />

die aus dem Geist der Antike heraus<br />

eine neue Kunst gebar? Das Ideal der<br />

Schönheit, die natürliche Harmonie,<br />

das Wohlproportionierte jedenfalls<br />

reizen ihn am meisten. Man könnte<br />

sich ihn gut als Zeitgenossen von<br />

Leonardo da Vinci oder Michelangelo<br />

vorstellen.<br />

Wer ihn im Schloss Isny besucht, wo<br />

er lebt, arbeitet und ausstellt, taucht<br />

in ein Zauberland ein, das nur von<br />

einem Träumer und Idealisten geschaffen<br />

worden sein kann. Davon<br />

zeugen die fantastischen Räumlichkeiten<br />

ebenso wie die Kunstwerke<br />

und die Repliken antiker Skulpturen.<br />

Dort trifft man auf einen Menschen,<br />

der in einer ganz eigenen Welt lebt,<br />

der sich dem Konsumwahn unserer<br />

Gesellschaft bewusst verweigert und<br />

weder Führerschein noch Handy besitzt.<br />

Und der jeden Winter für drei<br />

Monate auf eine kleine Insel im Atlantik<br />

flieht. Die Allgäuer Kälte und die<br />

erstarrte Natur behagen ihm nicht,<br />

sagt er. Auf La Palma hingegen, der<br />

Insel des ewigen Frühlings, blüht alles.<br />

Dort lässt sich‘s leben.<br />

In den Sälen und Fluren des Schlosses<br />

sind von Zeit zu Zeit Bronzearbeiten<br />

Hechelmanns ausgestellt,<br />

zudem Gemälde aus früheren Schaffensperioden<br />

- aufwendig gestaltete<br />

Tafelbilder, die der Künstler für vierund<br />

fünfstellige Beträge verkauft. Er<br />

schuf sie vor allem als Vorlagen für<br />

Bücher, die er zu illustrieren hatte:<br />

Michael Endes Momo, Shakespeares<br />

Sommernachtstraum, Boccaccios<br />

Dekamerone. Die größte Aufmerksamkeit<br />

erregte eine Künstlerbibel.<br />

Hechelmann schuf 52 Gemälde mit<br />

Szenen aus dem Alten und Neuen<br />

Testament, in denen Jesus auch mal<br />

als meditierender Buddhist erscheint.<br />

Sie zeigen, welch enorme Gestaltungskraft<br />

und Fantasie er besitzt.<br />

Wie in den meisten anderen Werken<br />

singt er auch damit das Hohelied auf<br />

die Schönheit der Natur. Ur-Wälder<br />

leuchten in sattem Grün, Flüsse stürzen<br />

in kaltem Blau-Weiß in geheimnisvolle<br />

Tiefen. Manche sagen, Hechelmann<br />

sei der letzte Romantiker.<br />

Das stimmt – und stimmt auch nicht.<br />

Maler Hechelmann, der in Wien bei<br />

einem bedeutenden Vertreter des<br />

Fantastischen Realismus‘ studierte,<br />

ist vor allem ein glühender Verfechter<br />

des Figurativen und des Gegenständlichen<br />

– auch wenn er gerne surreale<br />

Welten komponiert. Das Abstrakte<br />

erscheint ihm, dem Fan von Tolkiens<br />

Fantasy-Büchern „Herr der Ringe“,<br />

viel zu beliebig. Mit den Motiven und<br />

seiner Malweise scheint er aus der<br />

Zeit gefallen zu sein. Logisch, dass er<br />

Experten und Publikum spaltet. Dem<br />

schmächtigen Mann mit dem weißen<br />

Vollbart, der sanften Stimme und der<br />

randlosen Brille ist das freilich egal.<br />

Friedrich Hechelmann hatte in seinem<br />

Leben schon etliche Höhen<br />

und Tiefen zu durchschreiten. Eine<br />

der größten Prüfungen musste er vor<br />

neun Jahren bestehen, als sein Lebensgefährte<br />

und Manager Joseph<br />

Baschnegger starb. Jahrelang hatten<br />

sie auf einem idyllisch gelegenen<br />

Bauernhof zwischen Weitnau und<br />

Isny gelebt und gearbeitet.<br />

Ein Garten Eden inmitten der Allgäuer<br />

Hügellandschaft.<br />

Vor über zehn Jahren zogen die Beiden<br />

ins Schloss Isny – in jene Stadt,<br />

in der Hechelmann aufgewachsen<br />

ist. Vom obersten Stock kann er hinüber<br />

auf die Altstadt schauen. „Dort“,<br />

sagt er und zeigt auf einen roten Giebel,<br />

„steht mein Elternhaus.“ Die Hechelmanns<br />

waren Kaufl eute, die zu<br />

Geld kamen. Kunst und Musik waren<br />

ihnen aber ebenso wichtig.<br />

Das Isnyer Schloss, 1096 als Benediktinerkloster<br />

gegründet, hat eine<br />

wechselvolle Geschichte hinter sich.<br />

1999 kauften Bürger das marode<br />

Gebäude und führten es in eine Stiftung<br />

über. Hechelmann und Baschnegger<br />

mieteten sich ein, renovierten<br />

das geschichtsträchtige Gebäude<br />

und machten daraus eine Kunsthalle<br />

mit Ausstellungsräumen und einem<br />

Laden. Im ersten Stock richtete Hechelmann<br />

sein Atelier ein - ein großer<br />

Raum mit vielen Fernstern und<br />

großen Musikboxen; Bach, Schubert<br />

oder Wagner begleiten ihn bei der<br />

kreativen Arbeit.<br />

Ein Stockwerk höher wohnt er. Dort<br />

oben liegt auch eine Wohnung mit<br />

mehreren Zimmern, die staunen<br />

lässt. „Abthaus“ wird sie genannt,<br />

weil dort einst der Chef der Reichsabtei<br />

residierte. Man betritt sie durch<br />

eine verspiegelte Tür am Ende eines<br />

langen Flures. Hier hat Hechelmann<br />

in mehrjähriger Arbeit ein wundersames,<br />

zauberhaftes Refugium geschaffen<br />

mit einer Fülle an alten<br />

Möbeln, Gemälden, Lüstern und<br />

Öfen. Wer über das knarzende Parkett<br />

wandelt, dem gehen schier die<br />

Augen über angesichts der opulenten<br />

Reminiszenz an großbürgerliche<br />

Zeiten.<br />

Immer mehr Menschen wollen diesen<br />

Hort der 1000 Kostbarkeiten<br />

kennen lernen. Die Führungen sind<br />

für gewöhnlich rasch ausgebucht.<br />

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