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Suchdienst SRK Suche nach vermissten Menschen

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

<strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vermissten</strong> <strong>Menschen</strong><br />

Geliebte <strong>Menschen</strong> wiederfinden<br />

Weltweit werden jährlich hunderttausende <strong>Menschen</strong> durch Kriege, Naturkatastrophen,<br />

Vertreibung, Migration oder andere Umstände voneinander getrennt.<br />

Für die Angehörigen von <strong>vermissten</strong> Personen ist es belastend, nicht zu wissen,<br />

wo sich ihre Liebsten aufhalten, ob sie noch am Leben oder allenfalls tot sind.<br />

<strong>Menschen</strong>, die ihre Angehörigen vermissen, können sich an den <strong>Suchdienst</strong> des<br />

Schweizerischen Roten Kreuzes (<strong>SRK</strong>) wenden. Dieser nutzt das weltumspannende<br />

Netzwerk der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung bei der <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong><br />

<strong>vermissten</strong> Personen.<br />

Mehr über den <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> und seine Aktivitäten erfahren Sie auf den<br />

folgenden Seiten:<br />

• Die wichtigsten Dienstleistungen<br />

• Facts & Figures<br />

• Persönlicher Bericht<br />

• Interview mit <strong>SRK</strong>-Direktor Markus Mader<br />

• <strong>Suchdienst</strong> Rotes Kreuz – seit der Entstehung bis heute<br />

• Kontaktadresse<br />

Werkstrasse 18 Postfach CH-3084 Wabern<br />

Telefon +41 31 960 77 70 Telefax +41 31 960 75 60<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

Die wichtigsten Dienstleistungen<br />

Nach <strong>vermissten</strong> <strong>Menschen</strong> suchen<br />

In der Schweiz lebende Personen, die Angehörige<br />

vermissen, können beim <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> einen<br />

Suchantrag stellen. Ebenso können im Ausland<br />

lebende Personen einen Antrag stellen, wenn sie<br />

Angehörige in der Schweiz suchen.<br />

Farad ist vor 18 Jahren aus Afghanistan in die<br />

Schweiz geflüchtet und hatte seither keinen Kontakt<br />

mehr zu seiner Familie. Schliesslich stellte er einen<br />

Suchantrag ans <strong>SRK</strong>. Das Rote Kreuz konnte seine<br />

Familie vor Ort ausfindig machen. Farad erhielt vom <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> eine Telefonnummer, konnte daraufhin<br />

mit einem Verwandten Kontakt aufnehmen und weiss <strong>nach</strong> langem Bangen endlich, dass ein grosser<br />

Teil der Familie die verschiedenen Konflikte überlebt hat.<br />

Rotkreuz<strong>nach</strong>richten übermitteln<br />

Wenn die Adresse von Angehörigen zwar bekannt<br />

ist, aber der Kontakt zu ihnen auf herkömmlichen<br />

Wegen (Post, Telefon, Internet) nicht hergestellt wer-<br />

den kann, besteht die Möglichkeit, via den Such-<br />

dienst <strong>SRK</strong> eine Rotkreuz<strong>nach</strong>richt zu übermitteln.<br />

Josephine lebt in einem Flüchtlingslager in Uganda.<br />

Wegen der Kämpfe in Ruanda musste sie fliehen.<br />

Ihre Schwester Hannahn lebt seit vielen Jahren in der<br />

Schweiz. Mittels einer Rotkreuz<strong>nach</strong>richt konnte sie<br />

Josephine wieder kontaktieren und ihr mitteilen, dass<br />

sie in Sicherheit ist.<br />

Haftbestätigungen beschaffen<br />

Personen, die aufgrund eines bewaffneten Konflikts<br />

inhaftiert waren und während ihrer Gefangenschaft<br />

von Mitarbeitenden des IKRK besucht wurden, kön-<br />

nen durch den <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> eine Haftbestätigung<br />

erhalten.<br />

Sivaruban war in Sri Lanka über mehrere Jahre aufgrund<br />

seiner politischen Aktivitäten im Gefängnis. Dort<br />

wurde er regelmässig von einem Delegierten des<br />

Komitees vom Internationalen Roten Kreuz (IKRK) be-<br />

sucht. Um bei seinem Asylantrag seine Gefährdung beweisen zu können, brauchte er eine schriftliche<br />

Bestätigung der Haftzeit. Der <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> unterstützte ihn beim Ausfüllen des Antrages und leitete<br />

diesen an das IKRK weiter.<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> – Die wichtigsten Dienstleistungen<br />

Gesundheits- und Fürsorgeberichte<br />

beschaffen<br />

Personen, die den Kontakt zu alten und/oder kran-<br />

ken Angehörigen im Ausland verloren haben,<br />

können über den <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> einen Gesundheits-<br />

oder Fürsorgebericht erhalten.<br />

Helen hat monatlich telefonischen Kontakt mit ihrem<br />

Vater, der in der Schweiz lebt. Die aussereheliche<br />

Tochter lebt seit längerer Zeit in Kanada. Plötzlich<br />

antwortet der hochbetagte Vater nicht mehr auf ihre<br />

Anrufe. Der <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> findet ihn in einem Pflegeheim und kann Helen die direkte Telefonnummer<br />

weitergeben.<br />

Familien beim Zusammenführen<br />

begleiten<br />

Familienmitglieder, die den Kontakt untereinander<br />

wieder herstellen konnten, haben die Möglichkeit,<br />

sich bei der Zusammenführung durch den <strong>Suchdienst</strong><br />

<strong>SRK</strong> begleiten zu lassen.<br />

Denia hat ihre Mutter vor langer Zeit verloren und lebt<br />

als unbegleitete Minderjährige in der Schweiz.<br />

Die Mutter sucht Denia über das Britische Rote Kreuz.<br />

Aufgrund eines Hinweises kann das Mädchen durch<br />

den <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> ausfindig gemacht werden. Damit Denia wieder bei ihrer Mutter leben kann,<br />

müssen viele Abklärungen vorgenommen und organisatorische Fragen geklärt werden. Der <strong>Suchdienst</strong><br />

<strong>SRK</strong> unterstützt die Familie dabei, gemeinsam einen Neuanfang ins Auge zu fassen.<br />

Schicksale von <strong>vermissten</strong> Personen<br />

klären<br />

Der <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> hilft mit, das Schicksal von<br />

Vermissten zu klären und <strong>nach</strong> Grabstätten zu<br />

suchen.<br />

Reza ist in seinem Heimatland Slowenien seit vielen<br />

Jahren ohne Nachricht von seinem Bruder. Die Briefe<br />

kommen ungeöffnet zurück. Der <strong>Suchdienst</strong> findet<br />

heraus, dass Ivan in der Schweiz verstorben ist.<br />

Eine Bestätigung der Todesursache und der Todesschein<br />

werden der Familie übermittelt. Zudem wird die Lage des Grabes von Ivan abgeklärt. So<br />

kann die Familie in Würde um ihn trauern.<br />

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<strong>Suchdienst</strong> des Roten Kreuzes –<br />

seit der Entstehung bis heute<br />

Den Grundstein für die Entstehung des <strong>Suchdienst</strong>es des Roten Kreuzes legte<br />

Henry Dunant 1859 auf dem Schlachtfeld von Solferino, indem er die Ster-<br />

benden <strong>nach</strong> ihren letzen Wünschen fragte, die Adresse ihrer Angehörigen<br />

notierte und für sie Andenken und Abschiedsgrüsse entgegennahm.<br />

Die Geschichte des <strong>Suchdienst</strong>es als Dienstleistung geht auf die Gründung der<br />

Central Tracing Agency des IKRK während des Französisch-Preussischen Kriegs<br />

im Jahre 1870 zurück. In Basel wurde damals ein Zentrum eingerichtet, um die<br />

Opfer beider Seiten zu versorgen. Einem Arzt fiel auf, dass die meisten Soldaten<br />

bedrückt waren, weil ihre Familien nicht wussten, was ihnen zugestossen war.<br />

Sehr rasch zeigte sich, dass sich die Moral der Internierten verbesserte, wenn sie<br />

ihren Familien Briefe schreiben durften. Der Auskunftsdienst der interna tionalen<br />

Hilfsagentur für verwundete und kranke Wehrmänner in Basel ergriff die Initiative<br />

und leitete die Gefangenenlisten der Konfliktparteien weiter. Erstmals in der<br />

Geschichte wurde den Familien von Kriegsgefangenen mitgeteilt, dass ihre Väter,<br />

Söhne oder Brüder zwar in der Hand des Gegners, aber am Leben waren.<br />

Wenig später, im Februar 1871, richtete der Bundesrat ein «eidge nössisches<br />

Auskunftsbüro für die französischen Internierten» der Bourbaki-Armee ein.<br />

Es wurde eine Liste mit Namen, Dienstgrad und Herkunft der Soldaten angefertigt.<br />

Das Auskunftsbüro leitete über 820000 Briefe weiter und behandelte<br />

rund 4000 Anfragen.<br />

Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) richtete das Interna tionale Komitee<br />

vom Roten Kreuz (IKRK) den Internationalen Kriegsge fangenen-Dienst ein, um<br />

Nachrichten zwischen Familienangehörigen vermitteln zu können. Bald erhielt<br />

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<strong>Suchdienst</strong> des Roten Kreuezes – seit der Entstehung bis heute<br />

das IKRK durchschnittlich 30000 Briefe pro Tag. Bis zu 3000 Freiwillige, darunter<br />

viele vom Genfer Roten Kreuz, leiteten 20 Millionen Nachrichten weiter und<br />

bear beiteten Suchanträge. Bis zum Ende des Kriegs waren sieben Millionen<br />

Dossiers von Kriegsgefangenen – aufgrund von Suchan trägen durch Angehörige<br />

und Behörden – eröffnet, viele Pakete von Familien zu Kriegsgefangenen weitergeleitet<br />

und die Repatriierung von Opfern organisiert worden.<br />

Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) waren für den zentralen Kriegsgefangenen-Dienst<br />

des IKRK 4000 Mitarbeitende an verschiedenen Orten in<br />

der ganzen Schweiz aktiv. Dies wurde möglich durch die Unterstützung verschiedener<br />

Sektionen des <strong>SRK</strong>. Das IKRK machte 11000 Besuche in Kriegsgefangenen-<br />

und zivilen Häftlingslagern. 120 Millionen Briefe von Kriegsgefangenen und<br />

deren Familien wurden weitergeleitet. Alleine in Europa konnten 700000 Personen<br />

aufgrund der Aktivitäten des Roten Kreuzes wieder vereint werden.<br />

Erst <strong>nach</strong> der Kapitulation Deutschlands wurde das volle Ausmass der Tragödie<br />

vermisster Personen ersichtlich. Dies war der Auslöser für die Einrichtung des<br />

Internationalen <strong>Suchdienst</strong>es (ITS) in Bad Arolsen, Deutschland, der 1955 an<br />

das IKRK überging und heute unabhängig tätig ist.<br />

Das Schweizerische Rote Kreuz (<strong>SRK</strong>) selber wurde früh in die Such aktivitäten<br />

der Rotkreuzbewegung – die <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vermissten</strong> Personen und Familienzusam-<br />

menführungen – einbezogen. Die Anfänge des «hauseigenen» <strong>Suchdienst</strong>es <strong>SRK</strong><br />

liegen in der Zeit unmittelbar <strong>nach</strong> dem Ersten Weltkrieg, als sehr viele Anfragen<br />

das <strong>SRK</strong> erreichten. Auch während des Zweiten Weltkriegs erhielt das <strong>SRK</strong><br />

unzählige Nachforschungsanträge, die individuell und oft in Zusammenarbeit mit<br />

anderen nationalen Rotkreuz-Gesellschaften bearbeitet wurden. In den 1950er<br />

Jahren wurde offiziell der Such dienst des <strong>SRK</strong> eingerichtet. Er bearbeitete lange<br />

um die 200 Anfragen pro Jahr.<br />

Zu Beginn behandelte der <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> meist Anfragen von Personen, die<br />

aufgrund des Zweiten Weltkriegs den Kontakt zu ihren Familienmitgliedern<br />

verloren hatten. Mit der Zeit gab es häufiger auch Anfragen von Personen, bei<br />

denen soziale Gründe, der Wunsch, das Schicksal vermisster Angehörigen<br />

zu klären, oder die <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> den eigenen Wurzeln zu einem Suchauftrag<br />

führten.<br />

Auch heute noch unterstützt der <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> ehemalige «Kriegs kinder» und<br />

ihre Gastfamilien in der Schweiz dabei, sich wieder zu finden oder Informationen<br />

über den Aufenthalt vor fast 70 Jahren zu erhalten. Im Rahmen der vom Schweizerischen<br />

Roten Kreuz organi sierten Kinderhilfe kamen über 180000 Kinder<br />

zur Erholung in die Schweiz. Auch Familienzusammenführungen von Personen,<br />

die als Flüchtlinge in die Schweiz kamen, und ihren Angehörigen, die sie im<br />

Herkunftsland zurücklassen mussten, sind zu einer wichtigen Dienstleistung des<br />

<strong>Suchdienst</strong>es <strong>SRK</strong> geworden.<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

Persönlicher Bericht<br />

Leila S. aus Somalia<br />

Leila denkt immer wieder an den Moment zurück, als sie ihren Sohn Abdul bei<br />

einer Freundin zurückliess und aus ihrem Land flüchtete. Mit 19 Jahren bekam sie<br />

ein uneheliches Kind, was dazu führte, dass ihre Familie sie vor die Türe setzte.<br />

Die Lebensumstände auf der Strasse in Somalia machten es ihr unmöglich, alleine<br />

ihren Sohn zu ernähren. Abdul war einjährig, als sie auf der <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> einem<br />

Einkommen <strong>nach</strong> Saudi-Arabien flüchtete. Dort arbeitete sie unter schwierigsten<br />

Umständen in einem Haushalt. Mit dem verdienten Geld setzte sie ihre Flucht fort<br />

in die Schweiz. Hier angelangt, kommt sie in Kontakt mit dem Schweizerischen<br />

Roten Kreuz im Kanton Wallis. Die vor Ort zuständige Sozialarbeiterin gibt Leila<br />

den Rat, Abdul mit Hilfe des <strong>Suchdienst</strong>es zu suchen.<br />

Unterstützt von einer Mitarbeiterin des <strong>SRK</strong> füllt Leila in stundenlanger Arbeit<br />

die Formulare aus, die für eine <strong>Suche</strong> in Somalia benötigt werden. Dort helfen<br />

die Angaben des betreffenden Clans, Subclans und viele andere Auskünfte<br />

weiter als ein Geburtsdatum.<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> – Persönlicher Bericht<br />

In Somalia ist es aufgrund der Sicherheitssituation sehr schwierig, Personen direkt<br />

vor Ort zu suchen, so greift das Rote Kreuz auf Radioankündigungen zurück.<br />

Und tatsächlich, im Januar 2010 meldet sich eine Frau namens Mariam aus<br />

Kenia beim IKRK in Nairobi und behauptet, dass Abdul bei ihr sei. Leila kann es<br />

kaum glauben, denn sie kennt Mariam nicht und versteht auch nicht, warum<br />

Abdul in Kenia ist.<br />

Das IKRK sendet Fotos von Abdul, der jetzt ein Junge von sechs Jahren ist. Leila<br />

erzählt der Mitarbeiterin des <strong>Suchdienst</strong>es <strong>SRK</strong> von einem Geburtsmal, das<br />

Abdul hat. Sie denkt, dass er die kleine Delle in der Bauchgegend immer noch<br />

hat und dieses Mal ihn von den anderen Kindern unterscheidet. Gleichzeitig<br />

kommt auch aus Kenia von Mariam eine Rotkreuz<strong>nach</strong>richt mit einem Foto. Auf<br />

diesem ist erwähnt, dass der Junge ein Geburtsmal am Bauch hat.<br />

Unfassbar für Leila, aber wahr: Abdul ist gefunden worden und lebt bei einer<br />

fremden Familie in einem Flüchtlingscamp in Kenia. Leila steht zuerst unter<br />

Schock. Ihre Gefühle schwanken zwischen einer unglaublichen Freude, dass<br />

Abdul lebt und gesund ist, und banger Erwartung. Es ist für sie schwierig zu<br />

ertragen, dass sie ihn noch nicht bei sich haben kann.<br />

Leila kann nun wieder mit ihrem Sohn kommunizieren. Aber für Abdul ist es<br />

schwierig, zu verstehen, dass seine Mutter gefunden wurde und trotzdem nicht<br />

bei ihm ist. Es gilt langsam wieder eine Verbindung zwischen Mutter und Sohn<br />

aufzubauen. Der Prozess der Familienzusammenführung ist nun in vollem Gange<br />

und wir hoffen, dass Leila und Abdul sich bald in die Arme schliessen können.<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

Interview mit <strong>SRK</strong>-Direktor<br />

Markus Mader<br />

«Die Ungewissheit frisst die<br />

Angehörigen auf»<br />

Markus Mader, Direktor des Schweizerischen Roten<br />

Kreuzes, hat am Anfang seines Berufslebens im Auftrag<br />

des Roten Kreuzes Kriegsgefangene besucht. Heute zählt<br />

die <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vermissten</strong> Personen für ihn zu den<br />

Kernaufgaben der Rotkreuzbewegung.<br />

Herr Mader, Sie waren <strong>nach</strong> Ihrer Studienzeit einige Jahre Delegierter des<br />

Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und haben Kriegsgefangene<br />

besucht. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?<br />

Ein unvergessliches Erlebnis hatte ich in Sri Lanka: Ich fuhr jeweils am Mittwoch<br />

die gleiche Route in das Gebiet der Tamil Tigers, um mich mit ihren Vertretern zu<br />

treffen und diese insbesondere für den Schutz der Zivilbevölkerung zu sensibilisieren.<br />

Und immer stand die gleiche Frau am Strassenrand. Sie fragte mich jedes<br />

Mal, ob ich ihren Sohn gefunden hätte. Sie muss oft zwei, drei oder vier Stunden<br />

gewartet haben, da wir ja nicht immer zur gleichen Zeit mit dem Auto vorbeikamen.<br />

Aber sie stand jedes Mal dort – vermutlich auch an den Mittwoch<strong>nach</strong>mittagen,<br />

an denen ich nicht in das Gebiet gefahren bin. Diese Frau repräsentiert<br />

für mich alle Angehörigen von Verschwundenen, die tagein, tagaus an nichts<br />

anderes denken können als an den Verbleib ihrer Liebsten. Die Ungewissheit<br />

frisst sie regelrecht auf.<br />

Wie reagieren die Angehörigen, wenn sie erfahren, dass ein Familienmitglied im<br />

Gefängnis ist?<br />

Das waren immer sehr bewegende Momente. Oft hatten die Gefangenen<br />

Monate oder gar Jahre nichts von ihren Familien gehört und diese wussten<br />

wiederum nicht, ob der Betroffene überhaupt noch lebt. Durch uns konnten sie<br />

Rotkreuz<strong>nach</strong>richten austauschen – das sind kurze, persönliche Briefe, die das<br />

IKRK überbringt.<br />

Warum widmet sich das Rote Kreuz dem Thema der Familien-Zusammenführung?<br />

Jeder kennt das Rote Kreuz und dank seiner Neutralität kann ihm jeder vertrauen<br />

– egal auf welcher Seite die Person vor, während oder <strong>nach</strong> dem Krieg stand.<br />

Die Zusammenführung von Familien hat für die Betroffenen eine riesige Bedeu-<br />

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<strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong> – Interview mit <strong>SRK</strong>-Direktor Markus Mader<br />

tung: Nichts ist existenzieller für den <strong>Menschen</strong> als seine Familie, seine Liebsten.<br />

Wenn diese durch Kriege, Naturkatastrophen oder Migration getrennt werden,<br />

ist das Leid unvorstellbar.<br />

Der <strong>Suchdienst</strong> ist also ein zentrales Element in der Arbeit des Roten Kreuzes.<br />

Auf jeden Fall. Der <strong>Suchdienst</strong> hat eine grosse strategische Bedeutung für das<br />

Schweizerische Rote Kreuz – die <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vermissten</strong> Personen ist eine der<br />

Kernaufgaben der gesamten Rotkreuzbewegung: Nur das Rote Kreuz hat eine<br />

weltweite Abdeckung und zeichnet sich durch Neutralität aus – was unsere<br />

Arbeit erst ermöglicht.<br />

Warum besucht das IKRK Kriegsgefangene?<br />

Um sie vor dem Verschwindenlassen und menschenunwürdiger Behandlung zu<br />

schützen. Bei unseren Besuchen von Gefangenen ging es in erster Linie darum<br />

festzustellen, ob eine Person noch lebt, und diese zu registrieren, damit sie nicht<br />

verschwinden kann. Und in einem zweiten Schritt haben wir die Haftbedingungen<br />

überprüft und Themen wie Folter angesprochen.<br />

Wie gingen Sie mit solchen Geschichten um?<br />

Wenn man zu viel über Folter hört, baut man automatisch eine innere Wand auf.<br />

Man muss sich schützen. Die Methoden, die in den Gefängnissen angewendet<br />

werden, sind oft menschenverachtend. Wir können uns hier gar nicht vorstellen,<br />

was Krieg bedeutet. Wir sehen Filme, in denen Leute erschossen und Autos oder<br />

Gebäude gesprengt werden. Aber wir können uns nicht vorstellen, was der Krieg<br />

in der Seele einer Person anrichtet, und wie solche Traumatisierungen über der<br />

gesamten Familie hängen bleiben, sie zerstören können, und zwar nicht nur bei<br />

den Opfern, sondern oft auch bei den Tätern.<br />

Wer nimmt in der Schweiz, wo wir ja glücklicherweise keine Kriegswirren haben,<br />

den <strong>Suchdienst</strong> in Anspruch?<br />

Mit der zunehmenden weltweiten Migration gibt es auch in der Schweiz immer<br />

mehr Anfragen von Migrantinnen und Migranten, die ihre Familie während der<br />

Flucht verloren haben. Oder zum Beispiel letztes Jahr, als der bewaffnete Konflikt<br />

in Sri Lanka sich dramatisch zuspitzte, kontaktierten viele hier lebende Sri Lanker<br />

das <strong>SRK</strong>, um Informationen über ihre Familienangehörigen zu erhalten. Wir<br />

haben eng mit unseren Kolleginnen vom IKRK und Kollegen vor Ort zusammengearbeitet,<br />

um an Informationen zu gelangen und die Listen der registrierten<br />

Gefangenen zu erhalten.<br />

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Nicole Windlin, Leiterin <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

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Weitere Informationen<br />

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Newsletter <strong>Suchdienst</strong> <strong>SRK</strong><br />

Der Newsletter des <strong>Suchdienst</strong>s <strong>SRK</strong> informiert zweimal jährlich über Aktivitäten<br />

des Roten Kreuzes und aktuelle Entwicklungen bei der <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vermissten</strong><br />

Personen in der Schweiz und im Ausland.<br />

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