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April 2021

32. Jahrgang

„Diese Ignoranz ist abenteuerlich!“

Im Gespräch: Dr. Gregor Gysi, Politiker, Jurist, Autor

INHALT

THEATER_____________________ 3

Theater Freiburg zeigt Faust II-Inszenierung

KULTURKÄSSLE ________________6

Unsere Sammelaktion ist beendet!

KUNST_______________________9

Kunsthalle Mannheim zeigt Anselm Kiefer

KULTOUR___________________ 16

Berlinale 2021 als Onlineevent

INSTAGRAM________________ 18

Kultur Joker: Exklusive Inhalte und Interviews!

VISION 2025________________ 19

„Haus zum Herzog“ – Ort der Stadtgeschichte

KULINARISCH________________ 21

Von Veilchenwein bis Spargel

NACHHALTIG________________ 30

Zwangsarbeit in Freiburg

GESUNDHEIT________________ 35

Steigerung der Patientensicherheit

MUSIK______________________ 36

Im Gespräch: Musiker Dominik Faitsch

Vom Vorsitz der der SED-

Nachfolgepartei PDS zum

Fraktionsvorsitz der Linken

bis zum Amt des außenpolitischen

Sprechers der Partei.

Gregor Gysi gilt als einer der

profiliertesten linken Politiker

des Landes und als unnachgiebiger

Kritiker des politischen

Mainstream. Unter dem Titel

„Demokratie – verunsichert“

kommt der Politiker am 29.

April über Livestream nach

Freiburg. Gegenstand des Gesprächs

sind Populismus, die

wachsende Attraktivität autoritärer

Systeme und eine Demokratie

im Krisenzustand.

Redakteur Fabian Lutz hat

mit Gregor Gysi im Februar

über all diese Probleme gesprochen,

nach Ursachen wie

Lösungen gefragt und warum

Ignoranz und Vermeidung zu

den großen Fehlern der Politik

in Deutschland gehören.

Foto: DIE LINKE im Bundestag

Augustinermuseum

noch bis

19. 9. 2021

Kultur Joker: Herr Dr. Gysi,

das Freiburger Gespräch mit

Ihnen steht unter dem Titel

„Demokratie – verunsichert“.

Was verunsichert Sie in letzter

Zeit?

Dr. Gregor Gysi: Nach Umfragen

stehen 20 Prozent der

Bevölkerung den Corona-Maßnahmen

der Regierung grundsätzlich

skeptisch gegenüber. 80

Prozent nehmen die Einschränkungen

ihrer Grundrechte im

Zuge der Maßnahmen mehr

oder weniger hin. Bei den 20

Prozent verunsichert mich das

tiefe Misstrauen, denn egal,

was die Politik anbietet, es

wird beim Misstrauen bleiben.

Bei den 80 Prozent fürchte ich

die Bereitschaft, auch nach der

Pandemie vergleichbare Einschränkungen

der Grundrechte

hinzunehmen.

Kultur Joker: Sehen Sie die Gefahr

eines Machtmissbrauchs

durch die Regierung?

Gregor Gysi: Die Herrschenden

wissen mittlerweile, dass

es eine große Akzeptanz für

die Einschränkung von Grundrechten

innerhalb der Bevölkerung

gibt, bei einer plausiblen

oder plausibel erscheinenden

Begründung. Ich hoffe sehr,

Der Schatz

der

Mönche

Leben und

Forschen im

Kloster

St. Blasien

dass das nicht zu einem Machtmissbrauch

führt. Mich besorgt

auch, dass die Bundesregierung

in der Corona-Krise fast alles

allein entscheidet. Der Bundestag

wird viel zu wenig einbezogen.

Kultur Joker: Das ist der gängige

Vorwurf der Opposition im

Bundestag. Welches Handeln

empfehlen Sie der Bundesregierung?

Gregor Gysi: Die Bundesregierung

gibt uns keine Perspektive.

Es wird nur immer wiederholt,

dass die Corona-Maßnahmen

um einige Wochen verlängert

werden. Wir brauchen endlich

einen Stufenplan, an dem die

schrittweise Wiederherstellung

der Grundrechte für die Bevölkerung

sichtbar wird.

Kultur Joker: Das ist eine konstruktive

Kritik. Die populistischen

Anti-Corona-Parolen

der AfD oder außerparlamentarischer

Proteste scheinen die

Sorgen der oben genannten 20

Prozent aber besser einzufangen.

Wie funktioniert Populismus?

Gregor Gysi: Populismus ist

zum Beispiel, wenn man verkündet,

man könne etwas entscheiden,

obwohl man die Mittel

und Kompetenzen dazu nicht

hat. Wenn ein Politiker verkündet,

er könne als Ministerpräsident

die Renten in Ost und West

angleichen, kommt er bei vielen

Rentnern und Rentnerinnen im

Osten gut an. Die Sache ist nur:

Als Ministerpräsident kann er

das gar nicht entscheiden. Zum

Populismus gehört auch, alle

Herausforderungen und Hindernisse

auf dem Weg zu ignorieren.

Wenn die AfD versucht,

sich bei Corona-Leugnern beliebt

zu machen, blendet sie die

Fakten zum Coronavirus und

den Folgen der Pandemie einfach

aus.

Kultur Joker: Für die Partei

ein sicheres Erfolgsrezept.

Gregor Gysi: Nein, zumindest

nicht auf Dauer. Die Bevölkerung

ist nicht dumm. Irgendwann

fühlt sie sich hereingelegt

und entwickelt ein zunehmendes

Misstrauen – nicht nur

gegenüber einer Partei, sondern

gegenüber der gesamten Politik.

Kultur Joker: Und darauf

steigen populistische

Politiker*innen wieder ein…

Gregor Gysi: Natürlich. Die

Populisten weisen die Schuld

Fortsetzung des

Interviews auf

Seite 20

Kultur Joker

Tel.: 0761 / 72 0 72

www.kulturjoker.de

kulturjoker


Liebe Leser*innen,

lang ist’s her, aber der Kultur Joker ist endlich zurück

und wir freuen uns unheimlich darüber, dieses Wiederlesen

zu feiern, denn es gibt einiges zu berichten!

Das kulturelle Leben findet überwiegend digital statt

und auch wir haben uns auf die virtuellen Besucherplätze

begeben und unter anderem eine Faust II-

Inszenierung von Krzysztof Garbaczewski aus dem

Theater Freiburg gesehen. Erich Krieger war für uns

in St. Peter und durfte dort mehr zu einer innovativen

Performance für interagierendes Publikum samt

ferngesteuerter Orgel erfahren.

Die Museumslandschaft bietet auch in dieser Zeit

viele Juwelen, darunter die Kunsthalle Mannheim,

die eine Reise durch Anselm Kiefers Kosmos erlebbar

macht. Dagegen erzählt das Vitra Design Museum

die Geschichte der Architektin Gae Aulenti, die

als eine der wenigen Frauen auf gleicher Ebene mit

männlichen Kollegen rangierte.

Apropos Kunst! Der Kochkunst, die viele von uns während

der Pandemie (wieder)entdeckt haben, widmen wir kulinarische

Sonderseiten und erzählen dort von Veilchenwein

und gerösteten Siebenschläfern. Was die regionale Kulinarik

im April bereithält, verrät uns der Sternekoch Steffen Disch

im Interview.

Und auch wir haben viel zu erzählen. Unsere Sammelaktion

„Kulturkässle“ war ein voller Erfolg und auch digital gibt’s

Neuigkeiten: Wir haben Instagram! Dort gibt’s Themenwochen

und Beiträge zu unseren Hausthemen Kunst, Theater,

Musik, Literatur und Nachhaltigkeit. Und falls Sie Lust

haben, sich mit uns über Bücher und das Lesen auszutauschen,

laden wir Sie herzlich zu unserem Buchclub ein!

Ihr Kultur-Joker-Team

In diesen schweren

Zeiten sind wir dankbar

für jedes Zeichen der

Solidarität; egal ob liebe

Worte oder eine finanzielle

Unterstützung, damit wir unsere Arbeit

fortsetzen können.

Empfänger: Art Media Verlag

IBAN: DE 26 680 5010 1000 2022 512

Als Mitglied des


THEATER KULTUR JOKER 3

Der Regisseur ist der Kameramann

Das Theater Freiburg zeigt mit der Faust II-Inszenierung von Krzysztof Garbaczewski virtuelle Welten

Stefanie Mrachacz Foto: Britt Schilling

Bislang war noch zu jeder

Zeit Goethes Faust II eine Zumutung

der Unzeitgemäßheit.

Es sind Welten, die hier erschaffen

wurden, die gleichermaßen

zukunftsweisend waren

als auch geprägt durch das humanistische

Erbe. Jede Generation

muss sich da neu einen

Weg bahnen. Und nicht wenige

halten Faust II ja für ein reines

Lesedrama. Auch Krzysztof

Garbaczewski glaubt, Goethe

habe das Stück nicht eigentlich

geschrieben, um es aufführen

zu lassen. Der 1983 geborene

polnische Regisseur hat sich

dennoch für das Theater Freiburg

an eine Inszenierung gemacht

und dabei einen Weg

eingeschlagen, für den er sich

seit gut fünf Jahren interessiert.

Der Zuschauersaal im Großen

Haus mag verwaist sein, dafür

gesellen sich auf der Drehbühne

Avatare zu den Darstellern

(Thieß Brammer, Victor Calero,

Laura Friedmann, Janna

Horstmann, Stefanie Mrachacz,

die diesen auch ihre Stimme

leihen). Tragen sie VR-Brillen,

bekommt man einen Eindruck

davon, was jene Zuschauer mit

VR-Equipment erleben.

Die Idee, Faust II als einen

Hybrid zu zeigen, geht in die

Vor-Corona-Zeit zurück. Doch

natürlich hat die Pandemie

bewirkt, dass virtuelle Erfahrungen

derzeit unseren Alltag

bestimmen. Insofern hat das

letzte Jahr Garbaczewskis Umgang

mit Avataren, Screens

und Virtual Reality geradezu

zu einem Allgemeingut werden

lassen. Man darf sich also wie

in einem Computerspiel vorkommen,

wenn Faust (Thieß

Brammer) sich der Wunderwelt

der klassischen Walpurgisnacht

gegenübersieht. Goethes Puppenspiel,

mit dem seine Auseinandersetzung

mit dem Faust-

Stoff begann, erweist sich hier

also als anschlussfähig. Wenn

später Euphorion abstürzt,

wird dies als Schattenspiel visualisiert.

Ein bisschen wirkt

dieser Faust mit seiner blonden

Langhaarperücke und der

Basecap wie ein Sinnsucher

auf Droge, der sich nicht über

das Nilpferdmaul, die Chimären

dort und das blaue Gebirge

im Hintergrund wundert. Reale

Bühnenelemente und die Virtual

Reality bilden – wenn keinen

homogenen, so doch einen gemeinsamen

– Erlebnisraum

(Aleksandra Wasilkowska:

Bühne, Kostüm, Licht). Das

funktioniert insofern gut, als

die extreme künstliche Ästhetik

sich hier gegenseitig unterstützt.

Und manchmal, insbesondere

angesichts von Helenas

Kostüm, das aus mehreren

Fingern besteht, muss man auch

an eine dreidimensionale Hieronymus

Bosch-Welt denken.

Vor einigen Jahren hat Krzysztof

Garbaczewski eigens eine

Firma gegründet, um die Vision

eines erweiterten Theaterraums

umzusetzen. Die Kamera führt

er in seiner Inszenierung selbst.

Der Schwerpunkt seiner Fassung

liegt auf dem Element der

Reise, tatsächlich hat er bereits

in Opole Homers Odyssee inszeniert.

Der ökonomische

Mummenschatz, in dem das

Papiergeld erfunden wird, fällt

also weg, dafür wird neben dem

Faust-Helena-Euphorion-Komplex

die Szene um Philemon

und Baucis wichtiger. Die Vernichtung

ihrer Idylle und ihre

Ermordung werden zum Sinnbild

des Primats der Wirtschaft

und der menschlichen Hybris

überhaupt. Man muss den Text

kennen, um sich hier zurecht zu

finden und auch zu verstehen,

was Garbaczewski auslässt,

doch insgesamt ist dies eine

kleine Faust-Wunderkammer

geworden.

Annette Hoffmann


4 KULTUR JOKER THEATER Theater

Charlotte Will spielt

Pippi Langstrumpf

Foto: Rainer Muranyi

Pippi Langstrumpf ist

ein Publikumsgarant – und

doch extrem anspruchsvoll

auf die Bühne zu bringen:

Fest gebrannt sind seit Generationen

die Filmszenen

mit Inger Nilsson; ob strenge

Prusseliese, die Räuber

Donner-Karlsson und Blom

oder Kapitän Efraim Langstrumpf

– jede der Figuren

ist im Kopf schon besetzt.

Und wie überhaupt soll eine

Schauspielerin den kleinen

Onkel live in einen Theaterhimmel

stemmen?! Zum

75. Pippi-Geburtstag inszenierte

Regisseurin Miriam

Götz den Klassiker schon

im letzten Jahr als Weihnachtsstück

für´s Große

Haus, Pandemie bedingt

feierte das rund 80 minütige

Stück erst jetzt per Live-

Stream seine Premiere.

Da sitzen sie auf der noch

leeren Bühne: Gepflegte

Langeweile bei Tommy

(Lorenz Hochhuth) und

„Normalität

ist ein

zweischneidiges

Schwert.“

Corpus Delicti // 15+

Von Juli Zeh / In einer Fassung von Matthias Kaschig

Mehr unter www.marienbad.org

Alles Gute nachträglich!

75. Geburtstag von Pippi Langstrumpf wird im Theater Freiburg

Annika (Clara Schulze-Wegener).

Dass die ansonsten so

kreative Kostümbildnerin Sarah

Mittenbühler die beiden

als geringeltes Zwillingspaar

Co

ming

soon

nachgeholt

einführt, ist zwar genderneutral,

aber auch etwas

öde. Immerhin spielt Annika

ihren Bruder mit Leichtigkeit

an die Wand – die vernünftige

Spaßbremse ist hier

kess und unverkrampft. Als

die beiden ein Spielhaus aus

Pappe aufstellen, rappelt´s

plötzlich im Karton.

Heraus springt Pippi (überzeugend

und quicklebendig:

Charlotte Will) – mit meterlangen,

karottenroten

Drahtzöpfen, Ringelstrümpfen

und quirliger Energie.

Gleich läuft sie eine Runde

rückwärts, flunkert den Geschwistern

die Hucke voll

und trällert ein Gute-Laune-

Lied, von den beiden tollen

und sehr vielseitigen Musikern

(Timo Stegmüller und

Robert Pachaly) auf der rollbaren

Veranda begleitet. Die

Flötenmelodie ist eindeutig

vom Film gemopst, ansonsten

sind die Songs aber nur

mäßig mitreißend. Zumal

passt das Versmaß oft nicht,

die Texte sind stellenweise

krude, eingängige Refrains

gibt es wenige (Komposition

Simon Steger, Magdalena

Ganter).

Die Bühne (Damian Hitz)

setzt auf Reduktion: Ein

Spielturm mit Rutsche und

vielen Klappen ist die Villa

Kunterbunt, ein kahler Pappbaum

das Beiwerk. Nein, leider

wird er nicht zum wunderbaren

Limonadenbaum…

Das mag in seinen Dimensionen

auf der Bühne wirken,

für den Bildschirm ist

es etwas mager. Dafür gibt

es Himmels-Projektionen,

buntes Licht und leuchtendwitzige

Kostüme. Erzählt

werden wichtige Episoden

wie Jahrmarkt (toll!) oder

Schule (öde) . Leider fehlen

die doofen Polizisten auf

dem Dach, weil es ja überhaupt

keine Villa Kunterbunt

gibt. Dafür bekommen andere

Szenen Farbe: Herrlich

überkandidelt trällert Opernsängerin

Susana Schnell ihr

Fräulein Prysselius im Tango-Bonbonkleid.

Der Starke

Alfons auf dem Jahrmarkt

trägt geringelten Badeanzug

und ist nur Komparse, dafür

gibt es Stelzenläufer und

der Zirkusdirektor ist ein

knallbunter Schmetterling

im Fächeranzug. Und auch

die Szene mit den beiden

Räubern (Christoph Kopp,

auch als lustiger Pippi-Papa,

tolle Stimme: Clara Schulze-

Wegener) macht viel Spaß -

man könnte den Dreien beim

Schottisch-tanzen noch viel

länger zuschauen.

Die Übergänge zwischen

den Einzelgeschichten fließen

und das Tempo stimmt.

Alles, was entsteht, ist wie

ein Spiel im Kinderzimmer:

Es wird viel gerutscht, sich

verkleidet und bei „Tosendem

Meer“ herumgeturnt,

ohne den Boden zu berühren.

Über den kreuzt dann wirklich

eine riesige Hai-Flosse!

Solchen Theater-zauber hätte

man sich im Großen mehr

gewünscht: Mit Projektionen

und Prospekten, Theaternebel,

Figuren – oder

Schattentheater. – Und auch,

dass die Hoppetosse nur ein

großes Papierschiff ist (und

auch das Pferd nur Pappe),

ist zwar bühnenbildnerisch

konsequent, aber auch etwas

enttäuschend. Dafür gibt’s

lebendiges Schauspiel und

richtiges Theater-Feeling –

also ein Erlebnis!

Tickets und Stream auf

www.theater.freiburg.de

Marion Klötzer


THEATER KULTUR JOKER 5

Unter diesem etwas kryptischen

Titel bereitet eine kreative

Kooperation zwischen

der Young Musical Company

Hinterzarten und dem Bezirkskantorat

St. Peter in diesen

Wochen ein ungewöhnliches

Performance-Projekt vor.

Es wird aus dem Impulsprogramm

„Kunst trotz Abstand“

des Ministeriums für Wissenschaft,

Forschung und Kunst

Baden-Württemberg gefördert

und soll, so es der Verlauf der

Corona-Pandemie zulässt, in

mehreren interaktiven Konzerten

im Laufe des Mai 2021

in der Barockkirche in St. Peter

zur Aufführung kommen.

Metanoia – Staunen und Umdenken

Innovative Performance für interagierendes Publikum und ferngesteuerte Orgel

Die Idee

Metanoia, der griechische

Begriff für eine grundlegende

innere Änderung einer Ansicht

oder Überzeugung, steht in

diesem Zusammenhang für die

spontane Kreation von immer

neuen, einmaligen und nicht

vorher festlegbaren Klangskulpturen

durch interaktive

Kommunikation und deren

emotionale Wirkung auf die

Teilnehmenden. Diese werden

von diesen selbst durch digitale

Fernsteuerung der Kirchenorgel

über Tablet oder Smartphone

erzeugt. Den Akteuren

stehen dafür auf ihren Geräten

eine stattliche Anzahl komponierter

musikalischer Patterns

bereit. Diese musikalischen

Kurzclips entsprechen den von

den Philosophen Aristoteles

und Descartes beschriebenen

menschlichen Affekten, als da

wären: Wut, Trauer, Freude,

Zorn, Liebe, Hass, Mitleid,

Furcht, Neid etc. Diesen und

weiteren Affekten sind jeweils

spezielle Icons auf den Geräten

zugeordnet. Im Verlauf

der Kommunikation unter den

Teilnehmern entscheidet sich

jeder Einzelne entsprechend

seines momentanen Empfindens

für den ihm situativ passend

erscheinenden Icon und

so entstehen im musikalischen

Diskurs einzigartige interaktive

und zunehmend mehrstimmige

Orgelimprovisationen.

Die Performance

In Gang gesetzt und dynamisch

begleitet wird der Spielprozess

von einem Regisseur,

der Fragen, Kommentare oder

Aufforderungen an die einzelnen

Teilnehmer auf die Smartphones

sendet und Reaktionen

der Empfänger provoziert. In

die Kommunikation mischen

sich weitere Teilnehmer ein,

aus Dialogen werden zunehmend

Diskurse und der musikalische

Raumklang wird entsprechend

immer komplexer

Bei der Probe in der Barockkirche St. Peter. Von links: Johannes Goßmann,

Carsten Fuhrmann, Johannes Götz, Norbert Schnell und Peter Ludorf Foto: Erich Krieger

und somit auch die emotionale

Wirkung auf die Akteure. Für

die ausschließlich nonverbale

Kommunikation sind über das

Betätigen der Icons hinaus auch

gestische und mimische Ausdrucksformen

erlaubt. Dies ist

durch das Agieren in Coronagerechtem

Abstand möglich.

In dieser Konstellation werden

Dimensionen wie Erlebnis,

Wahrnehmung, Interaktion,

Gemeinschaft, Kritik,

Distanz, Zustimmung, Ablehnung

atmosphärisch für jeden

spürbar – die Teilnehmenden

sind alle Akteure und Publikum

zugleich. Die Orgel als

Instrument des Jahres 2021 ist

dabei das gemeinsam von allen

selbst gesteuerte Werkzeug.

Dieses nahezu antagonistische

Spannungsfeld zwischen dem

alt-ehrwürdigen Instrument

Einige der Icons, mit denen die den Affekten entsprechenden

musikalischen Patterns ausgelöst werden

können

Foto: Erich Krieger

und den Ausdrucksformen des

digitalen Zeitalters kann in besonderer

Weise Umdenkungsprozesse

und neue reflexive

Wahrnehmung in Gang setzen.

Das Team

Das Kreativ-Team besteht

aus erprobten Voll-Profis, die

derzeit unter Volldampf am

Feintuning der Konzeption arbeiten.

Bezirkskantor Johannes

Götz und Organist der Klosterkirche

in St. Peter obliegt

die musikalische Leitung und

die Komposition der Patterns.

Carsten Fuhrmann, Regisseur

und Schauspieldozent für Musiktheater

an den Hochschulen

Freiburg und Düsseldorf wird

die Abläufe und Interaktionen

der Performances dynamisch

und aktiv teilnehmend begleiten.

Joachim Goßmann

von der Hochschule für Musik

in Trossingen und Norbert

Schnell, Musicdesigner an der

Fachhochschule Furtwangen

sorgen als Computermusiker

und Klangtechnologen für den

digitalen technischen Unterbau.

Von der Young Musical

Company Hinterzarten ist Peter

Ludorf mit im Boot und steuert

seine reiche Erfahrung in der

Realisierung von Musiktheaterprojekten

in freier Jugendarbeit

bei. Dies ist bei dem Blick

auf die Hauptzielgruppe Schulklassen

besonders hilfreich.

Bei einer ersten Erprobung

der musikalischen Patterns und

der bisherigen strukturellen

Architektur vor Ort an der Orgel

der Barockkirche konnte

das Team jede Menge Erkenntnisse

in Richtung Feintuning

sammeln. Das vollmotivierte

Engagement der fünf Kreativen

erzeugte eine Atmosphäre voll

knisternder Spannung. Wesentlich

dabei war das gemeinsame

Bemühen um einen Weg, wie

eine bei Bedarf notwendige

„ordnende Hand“ zu etablieren

sei, ohne im Geringsten den

„demokratischen Charakter“

der Performance zu zerstören.

Nach Vornahme der erarbeiteten

Korrekturen soll sich bei

der nächsten Probe durch eigenes

Spielen zeigen, wo es noch

hakt.

Man darf gespannt sein, wie

sich das innovative Projekt im

Mai zeigen wird, vorausgesetzt,

dass der Pandemieverlauf

die Aufführungen überhaut ermöglicht.

Weitere Informationen über

Young Musical Company Hinterzarten:

http://www.ymch.de/

Erich Krieger

0014408210-1.pdf


6 KULTUR JOKER KULTurkässle

Corona und Kultur – eine Tragödie

Kaum staatliche Hilfen, keine

konkreten Perspektiven,

trotz strenger Hygiene-Konzepte.

Mit seiner Initiative

„Kulturkässle“ wollte der

KulturJoker da ein wenig

Linderung schaffen und ein

Zeichen setzten. Rund vierzig

solidarische Freiburger Einzelhändler

stellten Spendenboxen

auf. Mit Erfolg - über

5000 Euro kamen zusammen!

Nach der Auslosung im Dezember

wurden sie den fünf

glücklichen Gewinner*innen

in zwei Ausschüttungen à

500 Euro übergeben. Marion

Klötzer hat Reaktionen und

Lageberichte gesammelt:

Bea von Malchus

Bea von Malchus – Autorin,

Schauspielerin und seit 1996

mit ihrem Ein-Frau-Erzähltheater

auf Tour. Infos: www.

beavonmalchus.de

Es war ein furchtbares Jahr! Ich

habe drei Vorstellungen gespielt.

Das wars. Ich habe kein Geld

verdient. Ich habe Bauchweh

gehabt! Oder einfach nur Angst.

Ich habe wenig geschlafen. Ich

war viel allein. Ich habe ein

Buch geschrieben. Ich hatte

keine Lust zu putzen. Ich hab

viel geweint.

Ich wurde ständig aufgefordert,

sehr optimistisch Pläne

zu schmieden, neue Stücke

über Corona zu schreiben, voll

digital zu werden oder voll

Open Air oder einfach mal vor

Kindern zu spielen. Ich habe

morgens im Bett überlegt, wie

ich mich umbringen kann. Ich

hab‘ Höhenangst und kann

nicht vom Hochhaus springen.

Ich hab‘ Airbag und kann nicht

vor eine Wand fahren. Ich durfte

in den Arsch der Bürokratie

kriechen, um Geld zum Überleben

zu bekommen. Und war

fasziniert, wie effizient unsere

Bürokratie ist! wenn es darum

geht, Künstlern dann doch kein

Geld zu geben.

Ich habe erkannt, wo freie

Kunst trotz aller warmen Worte

in dieser Stadt steht: Ganz unten.

Aber: Ich habe auch vor

Freude geweint! Wildfremde

Menschen haben mir aus dem

Nichts eine Hand gereicht und

mir geholfen. Normale Menschen:

Krankenschwestern,

Therapeuten, Lehrer, Sozialpädagogen.

Das hat hat meine

Welt aus den Angeln gehoben!

Vielleicht mehr als diese ganze

Pandemie. Ich bin dankbar und

gerührt, dass es offensichtlich

ein unsichtbares Netz von

Freundlichkeit und Empathie

gibt. Dass es Menschen gibt, die

wissen, dass uns ohne Kultur

nur noch Lieferando,

Amazon und

Easy Jet bleiben

und dass das wahrscheinlich

zu wenig

ist für ein lebenswertes

Leben.

Ich danke dem KulturJoker,

der um

sein eigenes Überleben

kämpft, und

trotzdem so ein

Netz für Künstler

aufgespannt hat.

Und obwohl ich immer die

Nieten ziehe, hab ich dieses Mal

gewonnen. Danke.Von Herzen!

Wir sind noch nicht durch! Aber

das wissen Sie ja selbst!

Foto: promo

Frauke Hofmann Foto: promo

Frauke Hofmann – seit 1998

freiberufliche Sängerin (Mezzosopran)

und Gesangslehrerin.

https: Infos: frauke-hofmann.de

Ich bin sehr froh über den

Gewinn vom Kulturkässle und

bedanke mich nochmal herzlich!

Als studierte klassische

Sängerin lebe ich einerseits

vom Unterrichten, ich leite

einen Chor in Freiburg (wir

wünschen uns auch neue MitsängerInnen!)

und natürlich

trete ich als Sängerin in Konzerten

und in der Kirche auf. Da

Präsenz-Unterricht gerade nur

online, das geht relativ gut, ist

aber dann doch nicht vergleichbar.

Außerdem kommen keine

neuen Schüler*innen nach,

die auf der Warteliste stehen,

kommen erst, wenn es wieder

live möglich ist. Da fehlen dann

Einnahmen. Als Sängerin ist

es natürlich besonders schade,

dass keine Konzerte stattfinden

können, da fehlt die Möglichkeit

mit anderen, für andere zu

musizieren. Und natürlich auch

die Einnahmen. Die Stadt Waldkirch

hatte jetzt ein Online-

Event organisiert, bei dem ich

singen durfte, das war ein Lichtblick!

Infos: www.youtube.

com/watch?v=W3Y8Mx80fsw

Freistil-Theater

Freistil – seit 2004 professionelle

Improvisationstheater-

Gruppe um Schauspieler, Autor

und Regisseur Christian M.

Schulz. www.freistil-theater.de

„Wir haben uns sehr gefreut!

Wichtig war aber vor allem das

Signal, das hinter der Spende

steckt: Wir denken an euch und

möchten in dieser schwierigen

Zeit unsere Wertschätzung

ausdrücken. Da wir seit November

keine Auftritte haben,

bis auf zwei Online-Auftritte

für Firmen und da wir bis März

auf die Auszahlung des restlichen

Geldes der „November-

“Hilfe warten mussten, waren

wir froh über alle Einnahmen.

Ansonsten zehrt die Zwangs-

Arbeitslosigkeit mit jedem

weiteren Tag an den Nerven und

am Selbstwert-Gefühl. Theater

ist ja nicht nur Broterwerb, sondern

Leidenschaft und Herzblut.

Unsere Lebensfreude fehlt uns

(und unserem Publikum). Die

Ungewissheit, wann es für uns

weitergeht, ist sehr belastend.

Wir hatten immer wieder neue

Hoffnungen, die sich seit Monaten

immer wieder zerschlagen.

Glücklicherweise haben wir

feste Spielorte, die zumindest

ab Herbst wieder mit uns planen

(das wäre dann ein ganzes Jahr

Zwangs-Pause!). Jede neue

Auftrittsanfrage ist derzeit ein

Lichtblick.

Gesine Bänfer – freiberufliche

Musikerin, Schalmei, Saxophon,

Whistles, Dudelsack und

alte englische Gitarre. Infos:

office-of-musicians-affairs.com

„Vielen herzlichen Dank für die

Gewinnausschüttungen des Kulturkässles

vor Weihnachten und

nun nochmal ganz überraschend

im Februar. Es ist wunderbar,

dass die Freiburger*innen uns

Musiker*innen nicht vergessen.

Meine persönliche Situation

war schon vor Weihnachten

sehr angespannt

und der Überraschungsgewinn

half mir aus einem

seelischen Tief. Konzerte,

die vom vergangenen

Jahr auf

dieses Jahr verschoben

wurden, sind

mittlerweile wieder

abgesagt, neue Konzertbuchungen

sind

wegen der Planungsunsicherheit

für die

Veranstalter*innen nicht in

Sicht. In diesem Jahr ist mein

Terminkalender leer, meine

Einnahmen sind weggebrochen.

Da freue ich mich riesig über

die unerwartete Zuwendung.

Mit mir freut sich meine Familie

Foto: promo

Gesine Bänfer Foto: Ellen Schmauss

- drei meiner vier Kinder sind

noch in der Schule bzw. Ausbildung.

Wie es weitergehen

soll, ist mir ein Rätsel. Wenn

dann solche Wunder wie dieser

unerwartete Gewinn passieren,

fühlt sich das an, wie ein Fingerzeig,

dass mein Beruf doch eine

Daseinsberechtigung hat. Vom

Kulturamt der Stadt Freiburg

wünsche ich mir Unterstützung,

z.B. eine Beratungsstelle für uns

Freiburger „Soloselbständige“.

Und für den Sommer wünsche

ich mir offene Bühnen in den

Innenhöfen.

Ingmar Winkler – Freiberuflicher

Komponist und Gitarrist.

www.ingmarwinkler.de

„Ich habe mich sehr über den

Gewinn gefreut. Die Corona-

Krise hat mich voll erwischt,

mein bis dahin gut gefüllter

Terminkalender wurde komplett

zusammengestrichen. Außer

zwei kleinen Open-Air-Konzerten

auf Spendenbasis und

ein paar Beerdigungen hatte ich

Ingmar Winkler Foto: Michael Dienert

seit letztem März keine Auftritte

mehr. Zum Glück habe ich noch

eine halbe Anstellung bei der

Musikschule. Allerdings hat

dieses 2. Standbein bewirkt,

dass ich keine staatliche Coronahilfe

bekommen habe. 2020

war bei mir aus verschiedenen

Gründen ein hartes Jahr. Aber

ich versuche optimistisch und

motiviert zu bleiben, auch wenn

ich mir nicht sicher bin, wie

es weitergehen wird, welche

Clubs und Auftrittsorte nach

dem Lockdown überhaupt noch

da sein werden. Bewegungen

wie #Kulturgesichter und #ohneKunstwirdsstill

versuchen

auf die Situation der Künstler

aufmerksam zu machen, leider

gibt es keine große Lobby.


Kulturkässle KULTUR JOKER 7

5.915,16 €Euro

Wir möchten uns von Herzen bei allen teilnehmenden

Läden bedanken, die unsere Sammelaktion unterstützt

und dadurch erst ermöglicht haben. Die Resonanz war

großartig und das Vertrauen in uns riesig.

Vielen, vielen Dank!

Ein großes Dankeschön geht auch an unsere tollen

Mitarbeiter*innen, die die „Kulturkässle“ in ihrer Freizeit

verteilt, geleert und gezählt haben. Ohne euch wär‘ das

nichts geworden!

Bierhandlung

culinara

ZOLLER

GENUSSKULTUR


8 KULTUR JOKER kunst

Von Menschen und Mäusen

In der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk in Freiburg ist die aktuelle Regionale 21 zu sehen

Ganz sollte Lea Torcelli dann

doch nicht Recht haben. Anders

als von ihr vorhergesagt,

haben die Regionale 21 in der

Freiburger Galerie für Gegenwartskunst

im E-Werk nicht

nur Mäuse gesehen. Sie selbst

kam mit der Höhe ihrer Installation

den Nagern entgegen, alle

anderen müssen sich bücken.

Zeit ist in diesem Pandemiejahr

relativ geworden – eine Regionale,

die im Frühjahr besichtigt

werden kann, nachdem im letzten

Jahr lediglich eine Online-

Vernissage stattfand, ist da nur

ein Ausdruck eines ins Wanken

geratenen Gefüges, in dem man

bislang immer darauf zählen

konnte, dass die Regionale das

Jahr beschließt und das neue

beginnt.

„Songs from the End of the

World“, so der Titel von Heidi

Brunnschweiler und Jana

Spät kuratierten Ausstellung,

nimmt bereits auf unser Jahr

mit Covid-19 Bezug. Das Dystopische,

das in den ausgewählten

Werken anklingt, lässt sich

also nicht mehr als angesagter

Diskurs, eingeleitet von ein paar

Theoretikerinnen und Theoretikern

sowie der documenta 13

abtun. Viele der Arbeiten der

elf Künstlerinnen und Künstler

befassen sich mit unserem

Verhältnis zur Natur, Emeka

Udembas Einzelausstellung in

der Galerie I steuert noch ein

weiteres Thema bei: den alltäglichen

Rassismus, den Schwarze

in Deutschland erleben. „Where

are you from“ ist dann auch auf

mehrere Blätter gedruckt, die

eine der Wände in der Galerie

tapezieren. Der Stempel dazu

liegt auf dem Tisch daneben

aus. Die enervierende Frage

schließt sich zum Kreis, die

Form erinnert an eine Iris, die

zunehmend zur Identifizierung

genutzt wird. Das Taxieren von

Menschen ist in dieser Einzelpräsentation

„#Another Day in

Paradise“ eine Angelegenheit

auf Gegenseitigkeit. Betritt man

die Galerie I sieht man sich der

Installation „The Gathering“

gegenüber, es sind zehn kegelförmige

Umhänge auf Ständern,

die an die Kutten des

Klu-Klux-Klan erinnern. Die

Augenpartie ist ausgespart und

farbig konturiert, der Rest mit

Spiegelscherben beklebt, die

nicht nur unseren Blick fragmentieren,

sondern ihn auch

zurückspiegeln. Die Porträts,

es sind ein Block von Kinderdarstellungen

als Brustbild und

Paare aller Art, bestätigen diese

Ambivalenz. Sie stiften einen

Dialog mit den Betrachterinnen

und Betrachtern, der durch die

Collagetechnik der Bilder wie

ein Lichtstrahl gestreut, der auf

ein Prisma fällt.

Emeka Udemba thematisiert den alltäglichen Rassismus, den Schwarze in Deutschland

erfahren

Foto: Marc Doradzillo

Der Titel „Songs from the End

of the World“ löst sich in Lea

Torcellis Installation „Phyto_Lotis

(3031)“ ein. Die Arbeit beruht

auf der Voraussetzung, dass ein

zukünftiger Asteroideneinschlag

das Leben auf der Erde wenn

nicht zerstören, so doch nachhaltig

verändern wird, insofern

er Hybride hervorbringt. Torcelli

geht in dieser materialreichen

Installation auf historische Deutungs-

und Ordnungsmuster zurück

wie etwa die Naturalien der

Wunderkammern und antike Erzählungen

von Metamorphosen

zwischen Mensch und Natur.

Am Boden befinden sich zudem

Glaskolben mit Nährflüssigkeit

für Samen, die zu Pflanzen austreiben

sollen. Ein bisschen Synkretismus

ist schon dabei, wenn

die Welt nach der Apokalypse

neu gedacht werden soll.

Dass nicht alles verloren ist,

zeigt die aufwendige und höchst

ästhetische Zweikanal-Videoinstallation

„Habitat“ von Daniel

Dressel und Lynne Kouassi aus

dem Jahr 2019. Das Video stellt

tatsächlich zwei unterschiedliche

Lebensräume vor, die sich auf

unerwartete Weise Halsbandsittiche

und Rotkehlchen ausgesucht

haben. Seit einigen Jahren

bevölkern die auffällig grünen

Sittiche, die ursprünglich aus

Afrika stammen, europäische

Städte. Sie haben sich ebenso an

das Klima und die Lebensbedingungen

gewöhnt wie das Rotkehlchenpaar,

das in einem der

Gewächshäuser von Kew Gardens

in London lebt. Ein kleines

Wunder der Anpassung.

Regionale 21. Galerie für Gegenwartskunst

im E-Werk, Eschholzstr.

77, Freiburg. Bis 23. Mai.

Derzeit mit Terminvergabe, vorbehaltlich

aktueller Änderungen

des Pandemiegeschehens. Weitere

Infos unter www.ewerkfreiburg.de

Annette Hoffmann

Kreativität steht im Mittelpunkt

JugendKunstParkour (JKP) 2021 - Lasst die Kunst nicht „abwARTen“

Auch in diesem Jahr findet

der JugenKunstParkour wieder

statt. Zum neunten Mal veranstalten

der Kubus³ e.V. und

der ArTik e.V. mit Hilfe eines

jungen Organisationsteams den

JKP. Auf ein junges Team wird

von den Veranstaltenden viel

Wert gelegt um junge Menschen

in die Prozesse einzubinden,

aber auch ein Programm

auf die Beine zu stellen, das

von jungen Menschen für junge

Menschen geschaffen wird. Im

Rahmen des mehrmonatigen

Projektes (Mitte April bis Anfang

Juli) bekommen Jugendliche

und junge Erwachsene im

Alter von 15 bis 27 Jahren die

Möglichkeit, sich kreativ unter

professioneller Begleitung

auszuprobieren. Letztes Jahr

musste der JKP´online stattfinden

und arbeitete von Zuhause

unter dem Motto „grenzenloswerden“.

Die entstandenen

Arbeiten wurden in einer Fotogalerie

auf der Webseite ausgestellt.

Dieses Jahr ist das Motto

„abwARTen“ der Leitfaden

durch den Kreativprozess. Ob

der JKP wieder online stattfinden

muss oder ein Arbeiten vor

Ort möglich sein wird, ist noch

unklar. Geplant ist ein Zusammenkommen

in Gruppen von

fünf bis acht Personen, welche

auf fünf verschiedene Ateliers

JugendKunstParkour 2020

verteilt werden sollen. Die Bereiche

Beton, Bildhauerei, Collage

und Objektkunst, Maskenbau

und Maskenspiel, Klang

und Video werden in den einzelnen

Gruppen abgedeckt. Die

interne Auftakt- und Kennenlernveranstaltung

am 10. April

wird online stattfinden. Für die

Teilnahme sind keinerlei Vorkenntnisse

erforderlich, einzig

das Ausleben von Kreativität,

in welcher Form auch immer,

steht im Mittelpunkt. Vorgesehen

sind die Ateliers im DEL-

PHI_space, im Kubus³, in der

Foto: Hannah Hahn

Edith-Maryon-Kunstschule, im

Schwere(s)los und im ArTik.

Zum Ende des JKP ist wie üblich

ein Finale geplant, wo die

entstandenen Werke im Rahmen

eines Abschlussfestes ausgestellt

und aufgeführt werden.

Aufgrund von Corona gibt es

erstmals eine Anmeldepflicht,

aber das Programm bleibt weiterhin

kostenfrei. Unter www.

jugendkunstparkour-freiburg.

de ist die Anmeldung und alle

weiteren Informationen zu

finden. Anmeldefrist ist vom

22.März – 4.April.


KUNST KULTUR JOKER 9

Eine Reise durch Anselm Kiefers Kosmos

Große Sonderausstellung in der Kunsthalle Mannheim

Wuchtige erdfarbene Wellen

türmen sich auf, darunter

scheint ein dunkelgrauer Fluss

sich seinen Weg zwischen

schmutzig weißem Geröll zu

bahnen. „Sefiroth“ heißt das

gigantische Kunstwerk, das

eine ganze Wand über zwei

Stockwerke hinweg einnimmt

und wie eine Naturgewalt über

die Besucher der Mannheimer

Kunsthalle hereinbricht. Der

passende Auftakt zur großen

Sonderausstellung des Künstlers

Anselm Kiefer, die wie

so viele Ausstellungen durch

den Lockdown unterbrochen

wurde, kaum dass sie eröffnet

hatte. Deshalb hat die Mannheimer

Kunsthalle die nach

dem Künstler benannte Schau

„Anselm Kiefer“ bis zum 22.

August verlängert.

Man fragt sich ohnehin, wie

man sich in den hohen, weiten

„Tod und Stille“ sowie „Himmel

und Erde“. Wer erinnert

sich noch an den Widerstand

gegen dieVolkszählung 1987?

„Leviathan“ nennt der Künstler

sein Kunstwerk, in dem das

Unbehagen der durch Erbsen

dargestellten Bürger gegenüber

der Datensammlung durch den

Staat zum Ausdruck kommt.

Mitten im Raum steht ein rostiger

Container mit offenen

Türen, durch die man zahlreiche,

wie Vorhänge aufgehängte

Datenblätter aus dünnem

Blei sieht. In ihnen sind

Erbsen gefangen. Darüber ringeln

sich metallene Schlangen.

Im staatstheoretischen Denken

nach Thomas Hobbes stehen sie

für den Staat als bedrohlichen

„Leviathan“ (1651).

Doch es gibt auch Hoffnung.

Ein Flugzeug hat Sonnenblumen

geladen als wolle es deren

Installationsansicht „Anselm Kiefer“.

Der verlorene Buchstabe, 2011-2017, Kiefer-Sammlung Grothe im Franz Marc Museum

© Anselm Kiefer

Der fruchtbare Halbmond, 2010, Sammlung Grothe in der Kunsthalle Mannheim

© Anselm Kiefer, Foto: Kunsthalle Mannheim; Rainer Diehl

Frauen der Antike, 2006, Sammlung Grothe

in der Kunsthalle Mannheim

© Anselm Kiefer, Foto: Wienand Verlag

Anselm Kiefer

© Atelier Anselm Kiefer

Erde und Asche eine fast schon

greifbare Passionsgeschichte

erzählen.

Der vierte und letzte Raum

liegt im zweiten Stock, was die

Gelegenheit gibt, aus einer anderen

Perspektive Ausmaß und

Umfang von „Sefiroth“ wahrzunehmen.

Neuneinhalb Meter

hoch und fast 3 Tonnen schwer

– dieses archaische Sinnbild der

Schöpfung nach der Kabbala

sorgt dafür, dass man sich als

Mensch nicht allzu groß und

mächtig fühlt.

An die frühen Hochkulturen

im Zweistromland erinnert

„Der fruchtbare Halbmond“.

Man meint fast, das Fallen der

Ziegel hören zu können, aus denen

Stadtstaaten wie Babylon

und Ninive errichtet wurden.

Auf den aus erdigen Farben

plastisch herausgearbeiteten

Ziegeln schrieb Kiefer die Namen

legendärer Orte jener lang

vergangenen Zeit: Ur, Akkad,

Jericho…

Eine verspielte Note bringt

das jüngste Werk in die Ausstellung:

„Der verlorene Buchstabe“

entstand 2011-2017. Im

Kern steckt eine als Original

ausgewiesene alte Heidelberger

Druckmaschine, die von konservierten

Sonnenblumen überwuchert

wird. Umringt wird sie

von Folianten aus Metallseiten

und Sonnenblumenkernen. Das

erinnert an einen klugen Menschen

der römischen Antike,

der zu der zeitlos richtigen Erkenntnis

kam, dass es einem an

nichts fehlt, wenn man eine Bibliothek

und einen Garten hat.

„Anselm Kiefer“,

Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz

6, 68165 Mannheim,

www.kuma.art. Bis 22.08.2021

Nike Luber

Räumen der Kunsthalle bei

einem ausgearbeiteten Hygienekonzept

anstecken sollte. In

diesen Räumen entfalten sich

Kiefers monumentale Arbeiten

optimal. Riesige getrocknete,

metallfarbene Sonnenblumen

schauen auf das derzeit noch

nicht vorhandene Publikum herab.

Es heißt, der Künstler habe

diese speziellen, 2 Meter und

mehr erreichenden Sonnenblumen

aus seinem eigenen Garten

in seiner Wahlheimat Frankreich.

Sie gehören, zusammen

mit Asche, Metall und Erde, zu

seinen Lieblingsmaterialien, ob

in den frühen Arbeiten oder den

neueren, oft von der jüdischen

Kabbala inspirierten Werken.

Die Mannheimer Schau

nimmt einen mit auf eine Reise

durch Kiefers Kosmos, unterteilt

in die Themen „Gott

und Staat“, „Mann und Frau“,

Samenkörner über der aschegrauen

verwüsteten Landschaft

des Gemäldes ausstreuen. „Die

große Fracht“ ist benannt nach

dem gleichnamigen Gedicht

von Ingeborg Bachmann. Anselm

Kiefer findet in seinem

Werk oft Platz für Frauen. „Lilith“

zum Beispiel, in der jüdischen

Überlieferung die erste

Frau von Adam. Sie rebellierte

gegen ihren Mann und gegen

Gott selbst. In Kiefers geradezu

plastisch gemalter Skyline einer

Großstadt steht eine Strähne

schwarzen Haares für die widerspenstige,

oft als Vernichterin

geschilderte Lilith.

„Frauen der Antike“ findet

man im nächsten Raum. Allerdings

sehen sie etwas anders

aus als es der Titel dieser

Werk reihe vermuten lässt. In

den langen weißen Kleidern

aus Gips stecken keine weiblichen

Figuren, es gibt nicht

einmal Köpfe. Aus dem einen

Kleid wachsen Sonnenblumen,

das andere Kleid wird schier

erdrückt von der Masse großer,

im wahrsten Wortsinne

bleischwerer Bücher. Beides

steht dafür, dass viele Frauen

in früheren Zeiten trotz ihrer

Verdienste kaum gewürdigt

wurden und somit unfreiwillig

anonym blieben.

Seit vielen Jahren beschäftigt

sich Anselm Kiefer intensiv

mit Religion und Mystik. Ein

ganzer Raum ist dem „Palmsonntag“

gewidmet. Die ausgewachsene

Palme, die samt

Wurzelballen wie umgestürzt

da liegt, steht natürlich für die

Kreuzigung. Den Hintergrund

nehmen 30 schwere Vitrinen

ein, in denen getrocknete dornige

Rosenzweige und trockene

Palmwedel auf einem Bett aus

Schwedisches

Design mit

grüner Seele

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10 KULTUR JOKER KUNST

Komplexe Bildstörung - „Kunst und Nationalsozialismus“

Sonderausstellung im Dreiländermuseum Lörrach

Hermann Burte: Anker am Rhein, 1934

Wie wir heute die Bildproduktion

verschiedener Künstler

aus Baden einschätzen können,

die im Zeitraum zwischen 1933

und 1945 entstanden ist, dieser

Frage geht derzeit die Ausstellung

„Kunst und Nationalsozialismus“

im Dreiländermuseum

nach. Gezeigt werden über

hundert Gemälde, Grafiken und

Skulpturen von zwölf Künstlern,

darunter Hans Adolf Bühler,

Emil Bizer, Adolf Riedlin,

Adolf Strübe, Max Laeuger,

August Babberger, Paul Ibenthaler,

Rudolf Kreuter; gleichzeitig

wird deren Verhältnis

zum NS-System biographisch

erhellt. Einige engagierten sich

aktiv, andere gaben „nur“ ihre

Unabhängigkeit auf, passten

sich an, verschlossen die Augen

vor der Gewaltherrschaft, beschränkten

sich auf Landschaften,

Porträts und mythologische

Sujets, während Sozialkritik,

Fabriken und Panzer ein Tabu

waren. Was folgt daraus für

Kunst und Persönlichkeit?

Einer der aggressiven Unterstützer

des NS-Regimes, der

schon vor 1933 an der Mobilmachung

mitwirkte, ist Hans Adolf

Bühler, Gründungsmitglied des

antisemitischen „Kampfbund(s)

für deutsche Kultur“ und Vertreter

eines ideologisch aufgeladenen

altdeutschen Symbolismus;

als neueingesetzter Direktor

an der Landeskunstschule

in Karlsruhe hat er Professoren

wie etwa Karl Hubbuch und

Georg Scholz aus dem Amt gedrängt.

In anderer Weise gehört

Hermann Burte, Schriftsteller

und Maler, zu den Regimeverfechtern,

was man nicht jedem

seiner Bilder gleich ansieht,

aber aus Texten weiß; „Anker

am Rhein“ (1934) etwa zeigt

einen Blick ins Elsass, das er

zur „gemeinsamen alemannischen

Heimat“ zählte, die von

den Nazis für den „judenfreien

Oberrheingau“ zurückerobert

werden wollte. Darf sein Bruder

Adolf Strübe als Mitläufer

gelten, und inwiefern trifft dies

auf andere Mitglieder der „Badischen

Secession“ zu? Jedenfalls

wollten einige nach 1945

als Opfer gelten, retuschierten

Bilder und Fakten; dem Regime

verbunden, hatten sie Erfolg

und Unterdrückung gleichzeitig

erfahren, etwa Emil Bizer

oder Adolf Riedlin. Letzterer

führte staatliche Aufträge aus,

während Werke von ihm als

„entartet“ aus Museen entfernt

wurden. Eindeutig verdankt

der Bildhauer Philipp Flettner

dem „Dritten Reich“ seinen

Aufstieg. Im Übrigen charakterisiert

es die NS-Primitivität,

dass eigene Anhänger, die zunächst

gegen die „Volksfeinde“

Bedeutung erreichten, selbst zur

Zielscheibe gerieten, z.B. Emil

Nolde; Werke von ihm wurden

beschlagnahmt, er verdiente

aber weiterhin gut (Goebbels

und Göhring war er genehm,

Hitler bevorzugte Adolf Ziegler,

etc.).

Bei all diesen Pseudo-Widersprüchen

und korrupten

Willkürmaßnahmen unter den

Nazis konnten die genannten

Künstler im Deutschen Reich

bleiben, teils ästhetisch verfemt,

aber nicht politisch verfolgt, im

Gegensatz zu der 1933 ins Exil

gezwungenen und ausgeraubten

Moderne (Beckmann, Klee,

Schwitters, Freundlich, Albers,

Hausmann u.v.a.). Dieser Sachverhalt

wird in der Ausstellung

leider kaum verdeutlicht, weshalb

sich ein Besucher ohne

Vorwissen mit dem Eindruck

begnügen könnte, auch Naziverstrickte

vermögen zu malen

und mit Farbe umzugehen, denn

die Exponate zeigen durchaus

Handwerk. Aber auch Eigenständiges?

Vielmehr eignen sie

sich aus allen Kunstrichtungen

Markantes an, weshalb etwa

Eugen Feger (SA-Mitglied)

„Magnolien“ kubistisch darstellen

konnte und Riedlin

eine Arbeiterkolonne expressiv

futuristisch oder den Isteiner

Klotz à la Cézanne. Paul Ibenthaler

inspirierte sich ebenfalls

mächtig in Frankreich, u.a. als

Besatzungssoldat. Genaueres

lässt sich nur am Einzelfall verstehen,

wobei die Begleitpublikation

der Kuratorin Barbara

Hauß unerlässlichen Rat bietet.

Ergänzend ist die Ausstellung

„Grenzfälle“ in Basel (hmb.

ch) sehr wichtig (Besprechung

erfolgt demnächst).

Kunst und Nationalsozialismus.

Dreiländermuseum, Lörrach,

Basler Str. 143. www.dreilaendermuseum.eu.

Di – So 11

- 18 Uhr. Verlängert bis 11. 07.

2021 Cornelia Frenkel

Albert Riedlin: Waldarbeiter,

1937 Fotos: Dreiländermuseum

Unter dem Druck der NS-Gewalt

„Grenzfälle. Basel 1933-1945“ – Ausstellung im Historischen Museum Basel

Täglich trafen seit 1933 politisch

Verfolgte aus Deutschland

in der Schweiz ein,

während die Nazis gleichzeitig

versuchten, das Land

mit seiner Gewaltherrschaft

zu infiltrieren, u.a. gründete

die NSDAP eine Zentrale in

Basel. Wie die NS-Herrschaft

das Leben in der Grenzregion

prägte, beleuchtet derzeit eine

facettenreiche Ausstellung.

Bevölkerung und Behörden,

Firmen und Banken reagierten

unterschiedlich, Deutschland

war einer der wichtigsten

Handelspartner der Schweiz.

Die kantonale und nationale

Flüchtlingspolitik nahm unter

dem Druck der Verhältnisse

restriktive Formen an; während

aber die Grenzen geschlossen

und ein Stacheldraht

gezogen wurde, vernetzten

sich Fluchthelfer und gründeten

Hilfswerke. Aufenthaltsbewilligungen

für die Schweiz

erfolgten nur zögerlich, doch

scharf verurteilte z.B. Albert

Oeri, Chefredakteur der Basler

Nachrichten, das NS-Regime

und die Judenverfolgung. Für

die Bevölkerung Basels war

die Situation eine massive Herausforderung;

das Schweizer

Selbstbild stand im Zeichen

der „Geistigen Landesverteidigung“,

es herrschte Angst

vor einem Einmarsch wie im

benachbarten Elsass geschehen,

das NS-Funktionäre zum

„Oberrheingau“ umbauten.

Die Schau in Basel analysiert

all diese Aspekte anhand von

menschlichen und rechtlichen

„Grenzfällen“ aus verschiedenen

gesellschaftlichen Bereichen.

Angerissen sei hier der Bereich

Kunst, da er die Ausstellung

„Kunst und Nationalsozialismus“

ergänzt, die im Dreiländermuseum

Lörrach stattfindet.

Während in Deutschland

die moderne Kunst verfolgt

wurde, entwickelt sich die

öffentliche Kunstsammlung in

Basel rapide: denn sogenannte

„entartete“ Kunst irrte in großer

Zahl durch die Lande und

suchte nach Rettung und Käufern.

In dieser Situation fuhr

z.B. Museumsdirektor Georg

Schmidt nach Berlin, um aus

Museen beschlagnahmtes

Kulturgut zu erwerben, ersteigerte

zudem Werke in

Luzern und kaufte Bilder von

Sammlern und Künstlern, die

nach Basel emigrierten oder

dort auf der Flucht Station

machten - und dringend Geld

benötigten. Curt Glaser etwa,

geschasster Direktor der Berliner

Kunstbibliothek, konnte

Teile seiner Sammlung in die

Schweiz retten. Auch Georg

Schmidts Vorgänger Otto Fischer

förderte die Moderne,

kaufte Kirchner, Corinth u.a.

Zur wichtigen Persönlichkeit

wurde in diesem Zusammenhang

Christoph Bernoulli; sein

Haus in der Holbeinstraße war

seit den 1930er Jahren ein Ort

der Begegnung und Zuflucht

für Künstler und Sammler aus

Deutschland, etwa für Fritz

Nathan und Walter Feilchenfeldt.

Eine Drehscheibe waren

auch Paul und Maja Sacher sowie

Annie und Oskar Müller-

Widmann, z.B. für Hans Arp,

© Dokumentationsstelle der Gemeinde Riehen, Foto: Adrian Stückelberger

Kurt Schwitters, Jan Tschichold.

In Basler Museen gelangten

zudem Kunstwerke,

weil NS-Verfolgte beträchtliche

Konvolute deponierten,

etwa Eva Cassirer und Nell

Walden. Die provisorisch eingelagerten

Bestände wurden in

der Nachkriegszeit restituiert,

aber Vieles fand in Basel ein

dauerhaftes Zuhause. Die Ausstellung

sowie das weiterführende

Begleitbuch (Christoph

Merian Verlag) sind unbedingt

zu empfehlen.

Historisches Museum Basel.

Barfüsserkirche. Steinenberg

4. Di-So 10 – 17 Uhr. www.

hmb.ch. Begleitprogramm:

www.grenzfaelle.ch. Verlängert

bis 30.5. 2021

Cornelia Frenkel


KUNST KULTUR JOKER 11

Eine Frau unter Männern

„Gae Aulenti: Ein kreatives Universum“ – Ausstellung im Vitra

Gae Aulenti: „King Sun“-Tischlampe, hergestellt von Kartell 1967

© Vitra Design Museum, Foto: Andreas Jung

Gae Aulenti, 1989. Mit freundlicher Genehmigung von

Archivio Gae Aulenti

Foto: © Hans Visser

Design Museum in Weil am Rhein

Gae Aulentis Wohnung an der Via Fiori Oscuri, Mailand, 1993.

Mit freundlicher Genehmigung von Archivio Gae Aulenti

Foto: © Santi Caleca

lentis Designobjekte wurden

zur Verkörperung des Zeitgeists.

In dem berühmten Film

„Swimming Pool“ räkelten

sich Romy Schneider, Jane Birkin

und Alain Delon am Rand

des tiefblauen Pools auf diesen

poppigen Gartenmöbeln. Bei

den farbigen Stoffbezügen ließ

sich die Designerin tatsächlich

von dem in Italien lebenden

britischen Pop-Art Künstler

Joe Tilson inspirieren. Ihre

Möbel und Objekte waren

nicht nur Aufträge, sie umgab

sich mit ihnen auch in ihrem

eigenen Lebensumfeld. In einer

Wandprojektion werden

Fotografien aus ihrer Mailänder

Wohnung gezeigt, die klarmachen,

wie eng verwoben ihr

berufliches und privates Leben

war. Einige Objekte haben

eine Mehrfachfunktion. So

kann die kugelförmige Lampe

Giova gleichzeitig als Vase

genutzt werden. In der unteren

Glaskugel befindet sich die

Glühbirne, die von oben eingepasste

kleinere Halbkugel

kann als Vase genutzt werden.

Die Verbindung verschiedener

Funktionen findet sich auch

bei einem witzigen Objekt, das

auf den ersten Blick wie ein

kleines, erbsenfarbenes Kraftwerk

aussieht. Seine Funktion

erschließt sich bei genauer

Betrachtung. Auch hier ist

eine Vase mit einer Lampe

liiert, hinzu kommt noch ein

Aschenbecher.Der Name für

diesen Hybrid von 1967 ist

Rimorchiatore, was Schleppschiff

bedeutet und somit die

gedrungene, leicht bullige

Form erklärt. Alle 35 ausgewählten

Objekte tragen Namen

und jedes ist für seine jeweilige

Funktion entwickelt worden.

Eine einheitliche Formsprache

findet sich nicht. Von Stil hielt

Aulenti nichts. Auch in den

großen Architekturprojekten

der 80er und 90er Jahre konzentrierte

sie sich auf die Erfordernisse

des jeweiligen Ortes.

Alles hat eine eigene Geschichte

und steht in einem anderen

Zusammenhang. Darauf wollte

sie eingehen und nicht eine

Handschrift, eine Wiedererkennbarkeit

entwickeln, wie es

bei so vielen ihrer männlichen

Kollegen der Fall ist. Auf die

Architekturprojekte wird in

dieser Ausstellung, wohl aus

Platzgründen, nicht weiter eingegangen.

Immerhin gibt eine

Bildprojektion einen Eindruck

von der Fülle und Vielfalt ihrer

Aufträge, die sich vom Flughafengebäude,

über Museumsumbauten,

bis hin zu Privathäuser

erstreckten. Als Gae

Aulenti 2012 verstarb, war sie

hochgeehrt und in der Fachwelt

als eine der wenigen Architektinnen

bekannt, die auf gleicher

Ebene mit den berühmten

männlichen Kollegen rangierte.

Mailand, die Stadt, in der

sie am längsten wirkte, nannte

einen futuristischen Platz nach

ihr: Piazza Gae Aulenti.

Vitra Design Museum, Weil

am Rhein. Bis 18.04.2021.

Christiane Grathwohl

Eine Frau unter Männern.

Als Architektin bewegte sich

Gae Aulenti in einer Männerdomäne.

Mit ihren ortsbezogenen

Ideen und Entwürfen

setzte sie sich durch. Gerade in

der Neunutzung alter Gebäude

leistete sie Hervorragendes.

Berühmt wurde sie mit dem

Umbau des Gare d’Orsay vom

stillgelegten Bahnhof zum

viel genutzten Museum. Für

die Bewältigung dieser Mammutaufgabe

erhielt sie die

ranghöchste Auszeichnung

Frankreichs, den Orden der

Ehrenlegion. Sie selbst maß

ihrer Rolle als Frau in einer

Männerwelt keine große Beachtung

bei. Ihr ging es um

die Arbeit. Seit dem Studium

am Mailänder Polytechnikum,

das sie 1954 als eine von zwei

Frauen neben 18 Männern des

Jahrgangs abschloss, kannte

sie es nicht anders. Bevor jedoch

die großen Architekturaufträge

kamen, machte die

1927 in der Nähe von Udine

geborene Gaetana Aulenti sich

einen Namen als Designerin.

Darauf liegt der Akzent

der aktuellen Ausstellung im

Schaulager des Vitra Design

Museums in Weil. 35 Objekte

sind dort versammelt, präsentiert

zwischen den Regalen der

ständigen Sammlung. Obwohl

räumlich ein wenig beengt und

leider ohne eigene Begleitpublikation,

ist die Ausstellung

sehr erfreulich. Gilt es doch

eine Produktdesignerin und

Architektin kennen zu lernen,

die hierzulande immer noch

als Geheimtipp gilt.

In den Objekten aus den

frühen 60er Jahren wie dem

Schaukelstuhl Sgarsul von

1962 orientiert sie sich noch

an der Ästhetik des Art Deco.

Auch die berühmte Pipistrello-Lampe

von 1965 erinnert

in ihrer Farbigkeit - schwarz

und silber für den Lampenfuß,

weiß für den Lampenschirm

aus Glas - an die 20er Jahre.

Diese nach der Fledermaus benannte

Lampe wurde 1965/66

für den Schauraum der Firma

Olivetti in Paris entwickelt.

Sie ist ein absolutes Kultobjekt

für Design-Fans und wird

bis heute in Italien produziert.

Sie machte Aulentis Namen

über die Grenzen Italiens bekannt.

Mit der Gartenmöbelserie

Locus Solus schwamm sie

sich frei. Neben Liegestuhl

und Beistelltisch, gehörten zu

dem Programm eine Liege mit

großen Rollen, Armlehnstühle,

ein Esstisch und eine Sitzbank

samt Hocker und Lampe. Alles

angefertigt aus gebogenem und

leuchten orange lackiertem

Stahlrohr. Die Pop-Art lag in

der Luft, die Swinging Sixties

waren voll im Gang und Au-

Schopfheimerstraße

2


12 KULTUR JOKER KUNST

Malerei und Poesie Hand in Hand

„Bernd Schwär - Abstrakte Malerei 1972-2019“ gewährt einmaligen Blick auf das Werk des internationalen Künstlers

Der in Au bei Freiburg lebende

Bernd Schwär, seinerseits Obermeister

der Schreiner-Innung

Freiburg, stellt seit Jahrzehnten

unter Beweis, dass kreatives

Geschick in Handwerk und Bildender

Kunst Hand in Hand einhergehen

können. Seine Liebe

zur kreativen Arbeit entdeckte

der Schreinermeister 1973 im

Rahmen einer Ausbildung zum

Dipl. Schweizer Innenarchitekten

in Basel. „Damals kam

mir das Buch „Begegnung mit

Pionieren“ von Alfred Roth in

die Hände. Hier wird das Zusammenspiel

zwischen Idee und

gefertigtem Original dargestellt

sowie Begegnungen mit Le Corbusier,

Piet Mondrian, Alfred

Loos und Henry van der Velde

beschrieben. Diese Ideen beobachtete

ich bei jeder Begegnung

mit Kunstschaffenden und so

Bernd Schwär beim Malen

1.1.1993 Fotos: promo

kam ich später zur eigenen Malerei“,

beschreibt Schwär seinen

künstlerischen Weg. Besonders

geprägt haben den internationalen

Künstler Begegnungen mit

Kunstgrößen wie Jean Tinguely,

Joseph Beuys oder Alfonso Hüppi.

„Mit Alfonso Hüppi verband

mich eine gute Beziehung, weshalb

ich handwerklich an seinem

Objekt für die Hammer-Ausstellung

1978 in Basel mitarbeitete.“

Die dafür speziell entworfenen

Keilbilderrahmen in besonders

großen Formaten (bis zu 5 Meter

Länge!) erregten die Aufmerksamkeit

anderer Künstler*innen,

sodass Bernd Schwär fortan auch

für Artur Stoll, Johannes Gecceli

und Georg Baselitz die Rahmen

entworfen hat.

In seinem künstlerischen Werk

finden sich verschiedene Strömungen

der Abstrakten Kunst,

Farbgebung sowie des Duktus.

Der internationale Künstler

Bernd Schwär steht beispielhaft

für eine lyrische Abstraktion,

die durch eine rhythmische

Harmonie und spontane Malgestik

auffällt und geschickt Zufallselemente

in das Werk und

den Malprozess integriert. Wer

einen Blick auf seine Kunstwerke

wirft, entdeckt sofort die

präzisen Pinsel-, Spachtel-, und

Fingerspuren, die die Betrachtenden

dazu einladen, Teil des

Entstehungsprozesses zu werden.

Zu sehen waren Schwärs

Werke bereits bei verschiedenen

internationalen Ausstellungen in

Frankreich, Italien, Spanien, Österreich

und der Schweiz. Eine

Schnittstelle zwischen Kreativität,

Wahrnehmung und dem Willen

zur Durchführung ist wohl

sein unternehmerisches Handeln,

dessen Erfolg sich auch in

seinem international agierenden

Unternehmen MODUTEC darbietet.

Neben seiner Tätigkeit als

Schreinermeister und Künstler,

engagiert sich Bernd Schwär seit

vielen Jahrzehnten für Kunstund

Kulturvermittlung in der

Abstract Art Academy – Art and

Med.

„Abstract Art Academy –

Art and Med“

Die 1970 in London gegründete

Abstract Art Academy – Art

and Med versteht sich als digitale

Plattform, die Personen mit

Interesse an Kunst und entsprechenden

Vermittlungsformaten

die Möglichkeit gibt, sich zu vernetzen.

Neben dem Gründungsort

London gibt es auch Vertretungen

in Paris, Zürich, Basel,

Beirut sowie in Freiburg. Im Zentrum

der Abstract Art Academy

– Art and Med steht die Vermittlung

von Kunst und Kultur in Bereichen

des öffentlichen Lebens,

in denen ein künstlerisches Interesse

sonst wenig vertreten wird.

Die Organisation der Abstract

Art Academy in Freiburg obliegt

dem regionalen Künstler Bernd

Schwär. Ein besonderes Projekt

ist die Corona Galerie 2021. Hier

stellen Mitglieder der Abstract

Art Academy ihr Werk des Monats

vor.

Bernd Schwär Porträt

Bernd Schwär – Abstrakte

Malerei 1972-2019

Einen minutiösen Einblick in

das Werk und Leben des Malers

gewährt das Buch „Bernd

Schwär – Abstrakte Malerei“,

wo Lyrik und Malerei in einer

phantastischen Symbiose aufeinandertreffen.

Auf je einer Doppelseite treffen

Bernd Schwärs Werk und die

Gedichte der regionalen Autorin

Gerlinde Kurzbach aufeinander.

Hand in Hand gehen Malerei und

Poesie auf eine Reise durch Malprozesse,

symbolische Bedeutungen,

Gefühlswelten und psychologische

Grenzerfahrungen.

Das Besondere dabei ist, dass

jedes lyrische und künstlerische

Werk je einen Tag im Jahr gewidmet

ist. So können Leser*innen

des Buches jeden Tag auf Neue

in eine lyrische Welt eintauchen,

die sich an der expressiven Malerei

des internationalen Künstlers

Bernd Schwär orientiert.

„Bernd Schwär-Abstrakte Malerei

1972-2019“, Jahreskalender

ISBN 978-3-9821900-0-6

10. April

Ich dreh‘ mich,

ich dreh‘ mich,

ich seh‘ mich.

Kleine Welt.

Und dich und dich,

ein geschlossener

Kokon. Las Palmas

Ich strecke meine Fühler hinaus,

ertaste dich.

Hab dich gesehen...

Da ist es bunt, da ist es schön,

da ist ‚dich und mich‘,

da ist Leben

Jetzt lebe ich und

tanze mit dir in Vegueta

Las Palmas.

Ich tanze in meiner Welt,

um dich, um mich.

Mein Zuhause.


KUNST KULTUR JOKER 13

Ein Ort, an dem Freiheit gelebt werden konnte

„Impasse Ronsin. Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris“ – Ausstellung im Museum Tinguely in Basel

Die Impasse Ronsin in Paris

war hundert Jahre lang

ein legendärer Ort der Kreativität

für Künstler*innen.

Seit den 1970er Jahren gibt

es diesen, auch als magisch

bezeichneten Ort nicht mehr.

Die aktuelle Ausstellung im

Tinguely Museum in Basel

spürt der einstigen Ateliersiedlung

nach, die sich

wie eine Insel aus dem 19.

Jahrhundert, in der geschäftigen

Metropole im Stadtteil

Montparnasse gehalten hatte.

Als ein benachbart gelegenes

Krankenhaus erweitert

wurde, war das Ende besiegelt

und die Atelierhäuser

wurden abgerissen. Nostalgie

und Romantik wird mit

der Impasse Ronsin verbunden.

Sieht man sich die Fotos

an, ähnelten die einfach

ausgestatteten Ateliers eher

Bruchbuden. Die hygienischen

Verhältnisse waren

schlecht, keine Bäder, keine

Heizung und nur eine Toilette

für 37 Häuser. Und dennoch

sind es nicht diese Dinge,

die im Gedächtnis derer

haften, die in den 50er und

60er Jahren dort gearbeitet

haben, sondern die außergewöhnliche

Intensität des

kreativen Austauschs und

der künstlerischen Vielfalt.

In der Impasse Ronsin konnte

Freiheit gelebt werden.

Diese besondere Atmosphäre

in einer Ausstellung

sichtbar zu machen, ist kein

leichtes Vorhaben. Durch

verschachtelt angelegte

Press-Span-Kojen versuchen

die Ausstellungsmacher,

den Grundriss der Ateliersiedlung

nachzuvollziehen.

Zweihundert Werke von

über fünfzig Künstler*innen

sind ausgewählt worden, die

nicht nur die lange Zeit vom

ausgehenden 19. Jahrhundert

bis in die 70er Jahre des 20.

Jahrhunderts umfassen, sondern

auch die unterschiedlichsten

Stile und Qualitäten.

Ein ziemliches Potpourri

ist das Ergebnis und führt

dem Besucher eine Realität

vor Augen, die klarmacht:

Von den Vielen, die in der

Impasse Ronsin einmal ihr

Atelier hatten, sind nur die

Wenigsten heute noch bekannt.

Zu den Namen, die in

die Kunstgeschichte eingegangen

sind, gehören Marcel

Duchamp, Yves Klein, Jean

Tinguely, Eva Aeppli, Niki

de Saint Phalle und Marta

Minujin. Dann natürlich der

geniale Bildhauer Constantin

Brancusi, der sein Werk

dem französischen Staat vermachte,

in der Hoffnung, die

Impasse Ronsin damit retten

zu können, hatte er doch immerhin

40 Jahre lang dort gelebt,

gearbeitet und ist auch

dort gestorben. Diese Schenkung

nützte für den Erhalt

nichts, aber sein Atelier ist

heute auf dem Vorplatz des

Centre Pompidou als Rekonstruktion

wiederaufgebaut

und kann besichtigt werden.

Es kamen die Amerikaner

Larry Rivers und Robert

Rauschenberg in die Impasse

Ronsin, auch Max Ernst

Blick in die Ausstellung Foto: Daniel Spehr

und Isamu Noguchi waren

einige Zeit vor Ort. In dieser

Ausstellung können jedoch

gerade unter den heute weniger

bekannten Namen Entdeckungen

gemacht werden.

Dazu gehören auch der klassisch

arbeitende Bildhauer

André del Debbio, der eine

eigene Bildhauer-Schule unterhielt

und seine Frau Anael

Topenot-del Debbio, die Industrieszenen

malte. Frauen

fanden nach dem Krieg in

der Impasse Ronsin ein geistig

offenes Umfeld, in dem

sie ihre Kunst selbstbewusst

entwickeln konnten.Mit

Dokumentationen, kleinen

Filmchen und Kunstwerken

wird die Rolle von Frauen

aufgezeigt. Ein Eclat, der

1908 große Aufregung verursachte

und mit dem Namen

der Impasse Ronsin verbunden

blieb, war der nie aufgeklärte

Doppelmord, in den

maßgeblich eine Frau – Marguerite

Steinheil – verwickelt

war. All das lässt sich

vertiefen in dem umfangreichen

Katalog, der nicht

nur mit informativen Texten

glänzt, sondern mit einer

Vielzahl von unterschiedlichen

Abbildungen. Neben

den Werkfotografien sind es

die zeitgenössischen Porträtfotos

der Künstlerschaft in

Aktion, die ein lebendiges

Zeitbild vermitteln. Wer Lust

auf Vorab-Orientierung hat,

kann sich online von den beiden

Ausstellungskuratoren

auf Englisch einführen lassen.

Es lohnt sich!

Eva Aeppli in der Impasse Ronsin, 1959,

Foto Joggi Stoecklin ©2020/2021 Museum Tinguely, Basel

„Impasse Ronsin. Mord,

Liebe und Kunst im Herzen

von Paris“. Museum Tinguely,

Basel. Bis 09.05.2021

Christiane Grathwohl

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14 KULTUR JOKER Kunst

Ein Türspalt in die Kinderzeit

Die Galerie Baumgarten in Freiburg präsentiert „Christoph Drexler:

Bilder aus 20 Jahren“

Christoph Drexler, Blauer See mit

Kahn, 2017

Foto: Galerie Baumgarten

Christoph Drexler ist seinen

Motiven über viele Jahre treu.

Er malt konzentriert und langsam.

Hat er mit einem Bild

einmal angefangen, muss es in

einem Stück zu Ende gemalt

werden. Das erfordert einiges

an Vorüberlegungen, so dass

sich die aktiven Malphasen

mit denen der Planung und

Kontemplation abwechseln.

Auf diese Weise entstehen stetig

neue Bilder, die sich in den

Fluss ihrer Vorgänger einreihen.

In der aktuellen Ausstellung

hat die Galerie Baumgarten

Werke zusammen getragen

von Mitte der 90er Jahre

bis heute. Es ist ein schöner

Rundumblick und zeigt das

Kontinuum der Bildmotive:

Felder, Berge, Seen, Häuser,

Boote, Spielzeughäuser und

neuerdings auch Blumen und

Innenräume.

Bei den Bildern des in München

lebenden Christoph

Drexler handelt es sich um

klassische Farbmalerei, Öl auf

Leinwand oder Öl auf Karton,

fast alle im kleinen Format, abgesehen

von einigen größeren

Ausnahmen. Das kleine Format

passt gut, die Bilder haben

etwas Intimes. Sie wollen

nicht überwältigen. Die Weite

tragen sie in sich und scheinen

in ihrer oft hellen, mit weiß

aufgemischten Tonigkeit, den

Bildraum über den Rahmen

auszudehnen. Alle Bilder entstehen

im Atelier und obwohl

sie sich auf gesehene Situationen

beziehen, haben sie sich

längst von äußeren Realitäten

abgelöst. Eine in den letzten

Jahren entstandene Werkgruppe

sind die „Spielzeughäuser“.

Diese existieren, wie

auch die Landschaften, in der

Wirklichkeit. Als Modelle

benutzt der Künstler die alten

Holzhäuschen aus seiner Kinderzeit.

Mit ihnen baut er eine

Miniaturwelt auf im Atelier.

Sie stehen auf einem Tisch,

der sich wiederum in einer

Zimmerecke befindet. Meist

sparsam arrangiert, oft an

den entgegengesetzten Tischkanten

aufgestellt, manchmal

sogar auf dem Rücken liegend,

erzeugen sie überraschende

Raumwirkungen. Zwischen

den Häusern entstehen Beziehungen.

Durch unterschiedliche

Größenverhältnisse,

Schatten auf der Tischplatte,

Winkelverschiebungen und

farbige Setzungen, schafft

Christoph Drexler eine surreal

anmutende Bildsituation

voll assoziativer Möglichkeiten.

Tatsächlich öffnet sich

in diesen Bildern ein Türspalt

in die Kinderzeit mit ihren

magischen Möglichkeiten

der Weltwahrnehmung. Der

Modellcharakter einer Puppenstube,

das Ausprobieren

von Großem im Kleinen, vom

Erwachsenensein im Spiel als

Kind, klingt in diesen Bildern

an.

Seine Position als der Agierende

und zugleich von außen

aufs Geschehen Blickende ist

auch in anderen Bildern nachvollziehbar.

Besonders auffällig

ist es bei den Bildern,

die als „Fensterlandschaften“

bezeichnet sind. Ein gemalter

Bildrahmen, meist am linken

und unteren Rand, begrenzt

den Ausblick in die Landschaft.

Aus einem Innenraum

heraus, durch eine Fensteröffnung

werden Berge und Häuser

betrachtet. Es ist immer

ein Ausschnitt, gesehen aus

der Distanz. Kein Involviertsein,

kein in der Landschaftaufgehen

ist gemalt, sondern

ein Zustand des Beobachtens.

Die Berge sind in weite Ferne

gerückt, auch Hausformensind

Teil der Staffage. Ähnlich wie

die Spielzeughäuser wirken

sie arrangiert:angeschnitten,

winzig klein und weit entfernt.

Auch sie sind vereinzelt, in

großer Distanz voneinander

gesetzt, wie choreografiert in

einer leeren Landschaft.

Kontemplative Ruhe und

Weite strahlen diese Bilder

aus. Eine dichte Atmosphäre

der Konzentration auf das Wesentliche

ist in ihnen enthalten,

getragen von einer sanften und

differenzierten Farbigkeit, voller

Schönheit und Wohlklang.

Etwas Traumverlorenes haftet

den Bildern an.

„Christoph Drexler: Bilder

aus 20 Jahren“. Galerie Baumgarten,

Freiburg. Bis April

2021.

Christiane Grathwohl

Christoph Drexler,

Häuserstillleben mit grüner

Schachtel, 2013

Foto: Galerie Baumgarten

MUSEEN & AUSSTELLUNGEN

FREIBURG

Archäologisches Museum Colombischlössle

- „freiburg.archäologie - Leben vor der

Stadt“-09.01.22

- „Der römische Legionär - Weit mehr

als ein Krieger“ -18.04.

Augustinermuseum

- „Der Schatz der Mönche - Leben

und Forschen im Kloster St. Blasien“

-19.09.

Carl-Schurz-Haus

- „Hope, Never Fear“-08.05.

E-Werk / Galerie für Gegenwartskunst

- „Regionale21: Songs from the end of

the world“ -25.05.

Faulerbad

- „Kunst auf der Liegewiese“ -12.06.

Galerie Albert Baumgarten

- „Christoph Drexler“ -17.04.

Galerie Artkelch

- „Zeitreise: 15 Jahre Aboriginal Art in

Freiburg“-17.04.

Galerie G

- „Andrea Hess: Nach Strich und

Faden - Textile Arbeiten“-07.05.

JVA Freiburg

- „Strafraum - Absitzen in Freiburg“

-17.07.

Katholische Akademie

- „OMG - Oh My God“-09.04.

Kunsthaus L6

- „Romina Abate, Nina Laaf: Den

Himmel mit den Ohren riechen“-02.05.

Kunstverein Freiburg

- „Kontamination“-16.05.

Museum Für Neue Kunst

- „Modern Love (or Love in the Age of

Cold Intimacies)-18.04.

Museum für Stadtgeschichte

- „buochmeisterinne – Handschriften

und Frühdrucke aus dem Freiburger

Dominikanerinnenkloster Adelhausen“

-13.06.

PEAC Museum

- „Nearby - Wie Bilder zeigen“

-22.08.

BASEL

Antikenmuseum

- „Von Harmonie und Ekstase. Musik

in den frühen Kulturen“ 18.04.-19.09.

Fondation Beyeler

- „Rodin / Arp“-16.05.

Haus der elektronischen Künste

- „Shaping the Invisible World: Digitale

Kartografie als Werkzeug des

Wissens“-23.05.

Historisches Museum Basel

- „Grenzfälle - Basel 1933-1945“

.-30.05.

Kunsthalle Basel

- „Lydia Ourahmane: Barzakh“ -16.05.

- „Joachim Bandau: Die Nichtschönen,

Werke / Works 1967-1974“-06.06.

- „Judith Kakon“ -15.08.

Kunsthaus Baselland

- „Nachleuchten. Nachglühen Videoinstallationen

und ihre Wegbereiter“

-24.05.

Kunstmuseum Basel

- „Rembrandts Radierungen“ -11.04.

- „Sophie Taeuber-Arp“ -20.06.

- „Dorian Sari“ -24.05.

- „Continuously Contemporary“-09.05.

Museum Tinguely

- „Katja Aufleger. Gone“-18.04,

- „Impasse Ronsin. Mord, Liebe und

Kunst im Herzen von Paris“ -29.08.

- „Leu Art Family. Caresser la peau du

ciel“-31.10.

- „Bruce Conner. Light out of Darkness“05.05.-28.11.

S AM

- „Access for All. São Paulos soziale

Infrastruktur“-15.08.

Spielzeug Welten Museum

- „Denim - stylisch, praktisch, zeitlos“

-05.04.

ANDERE ORTE

ABU DHABI (AE)

Louvre Abu Dhabi

- „Abstraction and Calligraphy - Towards

a Universal Language“-12.06.

Amsterdam (NL)

Foam Fotografiemuseum

- „Les Adu - I Am“-27.06.

- „Laia Abril: A History of Misogyny,

Chapter Two: On Rape“ -27.06.

Augsburg

Galerie Noah

- „Alex Katz“-09.05.

Baden-Baden

Museum LA8

- „Schön und gefährlich. Die hohe See

im 19. Jahrhundert“-05.09.

Museum Frieder Burda

- „Impressionismus in Russland“

-15.08.

- „James Turrell: Accretion Disc“b.a.w.

BARCELONA (E)

Museu d’Art Contemporani

- „Felix Gonzalez-Torres: The Politics

of Relation“ -12.09.

BERLIN

Galerie Crone

- „Ganz anders gleich“-24.04.

- „Emmanuel Bornstein“ 22.04.-05.06.

- „Ashley Hans Scheirl“ 29.04.-05.06.

Hamburger Bahnhof

- „Xinyi Cheng“-30.05.

- „Bunny Rogers“ -18.04.

Dokumentationszentrum des

Terrors

- „Der kalte Blick. Letzte Bilder jüdischer

Familien aus dem Ghetto von

Tarnów“-11.04.

Schwules Museum

- „Intimacy: New Queer Art From

Berlin And Beyond“ -30.08.

BERN (CH)

Alpines Museum der Schweiz

- „Let‘s Talk about Mountains: Eine

filmische Annäherung an Nordkorea“

-03.07.22

Kunstmuseum Bern

- „Werke aus der Sammlung“-30.05.

Zentrum Paul Klee

- „Mapping Klee“-25.04.

- „Aufbruch ohne Ziel. Annemarie

Schwarzenbach als Fotografin“

-09.05.

BIETIGHEIM-BISSINGEN

Städtische Galerie

- „Keine Schwellenangst! Die Tür

als Motiv in der Gegenwartskunst“

-06.06.

Bonn

Bundeskunsthalle

- „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“-16.05.

- „Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne

- Das Original“-25.07.

BREGENZ (A)

Kunsthaus Bregenz

- „Jakob Lena Knebl & Ashley Hans

Scheirl: Seasonal Greetings“ -05.04.

- „Pamela Rosenkranz“17.04.-04.07.

- „Lois Weinberger“ 17.04.-04.07.

Vorarlberg Museum

- „2000 m über dem Meer“-27.06.

BREMEN

Kunsthalle

- „The Picasso Connection. The Artist

and his German Gallerist“

-18.07.

- „Soma: Luisa Eugeni und Mattia

Bonafini“-25.04.

- „Herzstücke: Von Kollwitz bis Miró“

-11.07.

BREISACH

Museum für Stadtgeschichte

- „Ausstellung zur Geschichte der

Stadt Breisach am Rhein” (ständig)

BRUCHSAL

Schloss Bruchsal

- „Busy Girl - Barbie macht Karriere“

-13.06.

BRÜSSEL (BEL)

Galerie Templon

- „Anju Dodiya - Tower of Slowness“

-22.05.

COLMAR (F)

Musée Unterlinden

- „Yan Pei-Ming - Au nom du père“

-06.09.

Donaueschingen

Museum Art.Plus

- „Vollgas - Full Speed“-11.04.

DRESDEN

Deutsches Hygienemuseum

- „Im Gefängnis. Vom Entzug der

Freiheit“-31.05.

- „Future Food. Essen für die Welt von

morgen“-26.09.

DÜREN

Leopold-Hoesch-Museum

- „Piktogramme, Lebenszeichen,

Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen“-11.04.

DÜSSELDORF

Kunstpalast

- „Caspar David Friedrich und die

Düsseldorfer Romantik“

-24.05.

FRANKFURT am main

Caricatura Museum


KUnst KULTUR JOKER 15

- „Hauck & Bauer: Cartoons“-April

Museum für Moderne Kunst

- „Sammlung“-30.05.

GRAZ (A)

Neue Galerie Graz

- „Kunst-Kontroversen“-17.10.

- „Ladies First!“ -02.05.

- „Dominik Steiger - Tagtraumarbeiter“-11.04.

Hamburg

Deichtorhallen

- „Katharina Sieverding“-25.07.

- „William Kentridge“ -01.08.

HEIDELBERG

Sammlung Prinzhorn

- „Grenzgänger zwischen Kunst und

Psychiatrie / Werke der Sammlung

Kraft“-11.07.

Karlsruhe

Badischer Kunstverein

- „Gitte Villesen“-11.04.

Badisches Landesmuseum/

Schloss

- „HumAnimal - Das Tier und Wir“

-06.06.

- „Räuber Hotzenplotz Mitmachausstellung

für Familien“ -06.06.

Naturkundemuseum

- „Kosmos Kaffee“-06.06.

Staatliche Kunsthalle

- „Francoise Boucher. Künstler des

Rokoko“-05.04.

Junge Kunsthalle

- „Volle Kanne Kunst“-05.04.

Städtische Galerie

- „Verborgene Spuren. Jüdische

Künstler*innen, Architekt*innen und

Fotograf*innen in Karlsruhe“

-08.08.

- „Daniel Roth: Stac Lee“-12.09.

- „Peco Kawashima“ -08.08.

ZKM

-“Chiharu Shiota. Connected to Life“

-11.07.

KIEL

Kunsthalle zu Kiel

- „Zauber der Wirklichkeit. Der Maler

Albert Aereboe“-05.09.

KIRCHZARTEN

Kunstverein Kirchzarten

- „Junge Kunst XXIII“ -18.04.

KOCHEL AM SEE

Franz Marc Museum

- „Anselm Kiefer: Opus Magnum“

-06.06.

KÖLN

Michael Horbach Stiftung

- „Benedikt Ernst: Tolima“-18.04.

Museum Ludwig

- „Andy Warhol Now“-13.06.

- „Sisi privat. Die Fotoalben der Kaiserin“-04.07.

LICHTENSTEIN (LIE)

Kunstmuseum Lichtenstein

- „Werke aus der Hilti Art Foundation“

-10.10.

LÖRRACH

Dreiländermuseum

- „Kunst und Nationalsozialismus“

-11.07.

- „Gefeiert und gefürchtet“ -11.07.

MADRID (E)

Museo Reina Sofía

- „Trilogía marroquí“-27.09.

Mannheim

Kunsthalle Mannheim

- „Grenzenlos – Michael Buthes

Künstlerbücher“-13.06.

- „Anselm Kiefer“-22.08.

Reiss-Engelhorn-Museen

- „In 80 Bildern um die Welt“-04.07.

- „Jörg Brüggemann: Wie lange noch“

-24.05.

MERZHAUSEN

Kulturverein artisse e.V.

- „Christel A. Steier: Autonome Räume

- Innere Landschaften“-07.06.

METZ (F)

Centre Pompidou

- „Chagall. Überbringer des Lichts“

-30.08.

- „Aerodream. Architektur, Design und

Aufblasbare Strukturen 1950-2020“

-23.08.

MÜNCHEN

Lenbachhaus

- „Michaela Eichwald“-16.05.

- „Unter freiem Himmel. Unterwegs

mit Wassily Kandinsky und Gabriele

Münter“-30.01.22

Pinakothek

- „Nicholas Nixon. The Brown Sister,

1975-2020“-11.07.

- „Francis Alÿs: Re-Enactments“

-05.09.

Villa Stuck

- „Bis ans Ende der Welt und über

den Rand – mit Adolf Wölfli“

29.04.-25.07.

PARIS (F)

Galerie Cartier

- „Sarah Sze: Night into Day“-25.04.

- „Artavazd Pelechian: Nature, The

Season“-25.04.

Galerie Templon

- „Gérard Garouste“ -19.06.

- „Iván Navarro“ -15.05.

OFFENBURG

Städtische Galerie Offenburg

- „Peter Bosshart“ -20.06.

RIEGEL

Galerie Messmer

- „André Evard: Herbstträume“b.a.w.

Kunsthalle Messmer

- „Linda McCartney: The Sixties and

more“02.04.-04.07.

ROTTWEIL

Erich Hauser Kunststiftung

- „Sammlung“-ständig

SINDELFINGEN

Schauwerk

- „There is another way of looking at

things“-24.05.

- „Love Stories: 10 Jahre Schauwerk“

-24.04.

SINGEN

Museum Art & Cars

- „Gianni Versace: Retrospective“

-21.04.

SPEYER

Historisches Museum der Pfalz

- „Medicus: Die Macht des Wissens“

-13.06.

- „Der Grüffelo“-27.06.

STAUFEN

Galerie K

- „Restart 2.1“b.a.w.

Keramikmuseum

- „Jochen Rüth - KraftSpuren“

09.04.-16.05.

STRASBOURG (F)

Archäologisches Museum

- „Archäologische Sammlung“-28.06.

Museum für bildende Kunst

- „Wofür wurden Bilder gemalt, als es

noch keine Museen gab?“-02.08.

ST. Gallen (CH)

Kunstmuseum

- „Erker“ -21.11.

- „Welt am Draht“ -29.08.

ST. Märgen

Kloster Museum

- „Holzräderuhren“-2021

STUTTGART

Kunstmuseum

- „Wände | Walls“-30.05.

- „Frischzelle_27: Claudia Magdalena

Merk“-19.09.21

- „Kamm, Pastell und Buttermilch“

-26.09.

Landesmuseum

- „Fashion?! Was Mode zu Mode

macht“-24.04.22

Schacher - Raum für Kunst

- „Jan Jansen, Marc Dittrich – Stadtwerk“-08.05.

Staatsgalerie

- „Mit allen Sinnen! Französischer

Impressionismus“-04.07.

- „Neu#01“ -02.05.

TÜBINGEN

Kunsthalle

- „Karin Sander“-04.07.

ULM

Kunsthalle Weishaupt

- Beat Zoderer: „Visuelle Interferenzen1990

- 2020“ - bis 10. Oktober

2021

VADUZ (LIE)

Landesmuseum Lichtenstein

- „Hexenjagd in Papua-Neuguinea“

-09.05.

WALDENBUCH

Museum Ritter

- „Vera Molnar: Promenades en carré“

-11.04.

- „Highlights. Lichtkunst aus der

Sammlung“-11.04.

WEIL AM RHEIN

Vitra Design Museum

- „Deutsches Design 1949–1989:

Zwei Länder, eine Geschichte“-05.09.

- „Gae Aulenti. Ein kreatives Universum“-18.04.

- „Memphis. 40 Jahre Kitsch und

Eleganz“-23.01.22

Wien (A)

Belvedere

- „Johann Jakob Hartmann“-29.08.

- „Christine und Irene Hohenbüchler“

-12.09.

Kunstforum

- „Gerhard Richter: Landschaften“

-07.03.

- „Daniel Spoerri“-27.06.

MUMOK

- „Andy Warhol Exhibits“-30.05.

- „Hugo Canoilas. On the extremes of

good and evil“ -20.06.

„Defrosting the Icebox“ -30.05.

WINTERTHUR (CH)

Fotomuseum

- „Eva & Franco Mattes: Dear Imaginary

Audience“-24.05.

WOLFSBURG

Kunstmuseum Wolfsburg

- „In aller Munde. Von Pieter Bruegel

bis Cindy Sherman“-06.06.

- „Macht! Licht!“-10.07.

ZÜRICH (CH)

Kunsthaus

- „Gerhard Richter. Landschaft“-25.07.

- „Ottilie W. Roederstein: Retrospektive“-05.04.

Migros Museum für Gegenwartskunst

- „Potential Worlds 2: Eco-Fictions“

-09.05.

Museum Haus Konstruktiv

- „Reset - Museum. Sammlung.

Zukunft.“-16.05.

Photobastei

- „Zürich - Schwarz auf Weiss“

-06.12.

Generationenübergreifende Fotokunst

Deutsche Fotografische Akademie präsentiert online-Fotodialoge

Im Jahr 2020 wurde für die

DFA die Absage der realen Fotografietage

zur Grundlage der

digitalen Fotodialoge # 1. Das

Gesprächskonzept bewegt sich

auf zwei Ebenen: Ein Mitglied

schlägt einen Gast vor und

dieser Gast stellt sein Werk in

Wort und Bild vor. Anschließend

öffnet sich die Veranstaltung

zu einem Dialog mit

den zugeschalteten Teilnehmenden.

So erweitert sich der

Kreis: Auch ein sonst nicht

der DFA verbundenes Publikum

wird begrüßt – Krise als

Chance zu neuen Ansätzen

der Vermittlung! Bei den diesjährigen

Fotodialogen # 2 sind

- aufgeteilt auf vier Dienstagabende

jeweils ab 19 Uhr und

ab 20 Uhr – acht fotografische

Positionen zu erleben:

6.4. Katrin Jaquet/Anna Ehrenstein/13.4.

Anja Engelke/

Steve Luxembourg/20.4. Melanie

Wiora/Fatih Kurçeren

/27.4. Anne Schönharting/Catrine

Val.

Damit sind Generationen

zwischen den 70er und 90er

Jahren des 20. Jahrhundert vertreten.

Themen sind das fotografische

Licht (Katrin Jaquet,

von Langzeitbelichtungen und

Unschärferelationen mit Abstraktion

zu Überlagerungen

von Gesichtern und Körpern

mit Fokus auf der Deutungsebene);

der feministische Blick

auf politische Verhältnisse und

die Rolle des sozialen Körpers

(Anna Ehrenstein, multimedial

im Zusammenhang mit

Migration, kultureller Peripherie

- Fatih Kuçeren, mit

seinen soziokulturell eher

männlich geprägten Welten);

Aneignung und Nutzung des

fotografischen Mediums durch

eigene Inszenierung eines historischen

Vorbildes (Anja Engelke).

Catrine Val (einstmals

Assistentin von Valie Export)

folgt nicht nur ihren feministischen

Interessen in Fotografie

und Film, sondern beschäftigt

sich mit dem weiblichen Anteil

an der Philosophiegeschichte.

Ganz aktuell zeigt sich die

Bildserie zur kolonialen Aufarbeitung

innerhalb der eigenen

Familie von Ostkreuz- Mitglied

Anne Schönharting. Der

in Rheinfelden geborene und

in Kandern aufgewachsene

Steve Luxembourg ist vielseitig

tätig als Filmemacher und

Musiker. Seine fotografischen

Arbeiten umkreisen Verlust

und Erinnerung, Verlassenheit

und Trost in „Landschaften

zwischen Zivilisation und

Natur“. Melanie Wiora zeigt

uns ihre radikale Sicht der

Welt - als undurchschaubares

und unbegrenztes Zusammenspiel

von Wasser und Wolken,

Schnee und Eis oder als Video

mit dem sinnlichen Erleben der

bedrohlichen Kräfte der Natur.

Wiora und Jaquet setzen eine

besondere Form der fotografischen

Aufnahme ein: Sie

nutzen die Öffnung des Auges

oder des Mundes und lassen

aus dem eigenen Körper heraus

einen fokussierten Ort der

Fotografie entstehen. Wiora reflektiert

Landschaft im Spiegel

des eigenen Blicks als Zeugnis

des unmittelbaren Zusammenhangs

von Ich und Welt. Jaquet

zeigt in ihrem Schlund ein Familienbild

als Metapher für

ein Verinnerlichen – positiv

wie belastend – der familiären

Prägungen. Diese Positionen

führen die Teilnehmenden in

aktuelle mediale Sichtweisen

ein - mit dem Fotografischen

im Mittelpunkt, um virulente

Melanie Wiora:

„Bergsee Fedaia“,

2016, aus der

Serie Eyescapes,

Lambda Print

Foto: Melanie Wiora

Aspekte unserer Gegenwart

sichtbar zu machen.

Weitere Infos zu den Teilnehmenden:

www.katrinjaquet.de

www.fatihkurceren.com

www.anneschoenharting.

com

www.catrineval.com

www.melaniewiora.de

www.steveluxembourg.com

www.anja-engelke.squarespace.com

www.annaehrenstein.com

Susanne Meier-Faust


16 KULTUR JOKER kultour

Kino der Pandemie: Der rumänische Berlinalegewinner „Bad Luck Banging or Loony Porn“ © Silviu Gethie / Micro Film 2021

Gute bis hervorragende Filme

in Serie

Die Berlinale fand 2021 als Onlineevent statt. Ein Erfahrungsbericht

Im Herbst 2020 verschickte

die Berlinale eine so hoffnungsfrohe

wie selbstbewusste

Pressemitteilung. Man blicke

der Zukunft zuversichtlich entgegen

und habe sich entschieden,

das Festival im Februar

2021 physisch vor Ort stattfinden

zu lassen. Der darauffolgende

Winter ist mittlerweile

Geschichte und mit all seinen

Komplikationen bekannt. So

überraschte es kaum, als kurz

vor Weihnachten korrigiert

wurde: Das Filmfestival wird

erstmals in seiner 71-jährigen

Geschichte zweigeteilt stattfinden.

Als internes, fünftägiges

Onlineevent für Filmindustrie

und Presse im Februar

einerseits und als öffentliches

Kinoereignis im Sommer andererseits,

wenn Impfkampagne

und Freiluftkino ein gemeinschaftliches

Filmerlebnis

hoffentlich wieder möglich

machen. Nur die offizielle Jury

durfte im Februar nach Berlin

reisen und unter Einhaltung

aller Sicherheitsvorkehrungen

die Wettbewerbsfilme im Kino

sichten.

Es handelte sich dabei um

eine weitreichende Entscheidung.

Denn mitnichten ist

ein Filmfestival nur reines

Filmeschauen. Vielmehr ist

es ein sozialer Raum der Debatten,

der Kontroversen, der

Vernetzung. Der deutsche

Regisseur Christian Petzold

bezeichnete die Berlinale einst

zurecht als „Labor“, in dem

zehntausende Cineast*innen,

Filmemacher*innen und die

interessierte Öffentlichkeit

zueinander in Beziehung treten.

All das fiel in diesem Jahr

also auch für die Berlinale aus,

weswegen das Festival mit besonderer,

wenngleich ambivalenter

Spannung erwartet

wurde.

Wie hat man sich ein solches

Megaevent als Onlineausgabe

vorzustellen? In organisatorischer

Hinsicht griff die Berlinale

auf die gängige Streamingtechnik

zurück. Täglich

punkt sieben Uhr wurden rund

20 Filme in einem nur Akkreditierten

zugänglichen Bereich

online gestellt und standen

exakt 24 Stunden zur Verfügung.

Wie auf den bekannten

Portalen üblich, konnte sich

die Zuschauer*innen dann je

nach Zeitbudget und Interesse

durch die Filmauswahl klicken.

Dass die Sorge um das

illegale Abgreifen und Verbreiten

taufrischer Filmwerke groß

war, zeigte die Nutzungsvereinbarung,

die vor der ersten

Sichtung bestätigt werden

musste und die nicht nur ein

gemeinsames Filmeschauen

strikt untersagte, sondern sogar

den täglichen Spielplan

einer Geheimhaltungsklausel

unterwarf.

Aus Sicht der Nutzenden galt

es, die mittlerweile berühmtberüchtigte

Homeoffice-Falle

zu umgehen. Zu groß war die

Verlockung, in Jogginghose

oder gleich ganz mit Laptop im

Bett das Festival zu genießen.

Gleichzeitig erschien es wenig

attraktiv, im aufkeimenden

Frühling fünf Tage das komplett

verdunkelte WG-Zimmer

nicht mehr zu verlassen.

Selbstdisziplin war also gefordert,

die einem normalerweise

durch den zwangsläufigen

Wechsel zwischen Kino und

trautem Heim abgenommen

wird: Zeitig aufstehen, Tagespläne

erstellen, Pausen einhalten,

einsetzende Müdigkeit

ignorieren und dem sozialen

Umfeld mitteilen, dass man

für die kommenden Tage „offiziell

gar nicht da“ sei. Und

tatsächlich, allen Zweifeln

zum Trotz: So ließ es sich

dann bewerkstelligen und der

berlinaletypische Durchschnitt

von fünf Filmen pro Tag erreichen,

bisweilen sogar toppen

(man musste ja nicht die Kinos

wechseln, in keiner Schlange

anstehen und sich nicht um

Pressetermine kümmern).


kultour KULTUR JOKER 17

Und dafür wurde man belohnt.

Es war vermutlich die

größte Paradoxie in diesem

merkwürdigen Setting, dass

das gegenüber normalen Jahren

signifikant eingekürzte

Programm gute bis hervorragende

Filme in Serie anbot.

Ohne Übertreibung lässt sich

festhalten, dass es sich bei diesem

Jahrgang um den besten

der letzten zehn Jahre handelte.

Woran das lag, ist unklar,

nur der Zufall kann ausgeschlossen

werden. Denkbar

ist, dass die Filmproduktion

2020 aufgrund der Pandemie

generell stockte und nur den

erfolgsträchtigen und professionalisierten

Projekten Finanzierung

gewährt wurde.

Wahrscheinlicher ist aber,

dass die Berlinale durch die

Programmkürzung gezwungen

wurde, sich auf das Wesentliche

zu konzentrieren

und dass dadurch viele mittelmäßige

Produktionen, denen

in normalen Jahrgängen eine

Chance gegeben worden wäre,

aus dem Angebot gestrichen

wurden. Es wäre ein Gewinn,

wenn dies als Erkenntnis auf

künftige Jahrgänge übertragen

werden würde!

Die Liste an Filmempfehlungen

würde den Umfang

dieses Textes sprengen. Es

bleibt zu hoffen, dass jeder

einzelne im Verlauf dieses

Jahres in die Kinos kommen

und dann im Detail besprochen

werden kann. Stellvertretend

sei auf den diesjährigen

Gewinner hingewiesen,

den rumänischen Film „Bad

Luck Banging or Loony Porn“.

Denn er ist ein Paradebeispiel

für das, was man zukünftig

vielleicht als „Pandemiefilm“

bezeichnen wird. Provokant

wird die Geschichte einer

Lehrerin erzählt, die verzweifelt

versucht, ein Video, das

sie beim Sex mit ihrem Partner

zeigt und das gegen ihren Willen

ins Internet gestellt wurde,

wieder einzufangen. Die Pandemiesituation

schlägt sich

in diesem 2020 produzierten

Film formal nieder. Erzwungener

Maßen vor allem in

Außenaufnahmen gedreht,

macht Regisseur Radu Jude

aus der Not eine Tugend und

legt wiederkehrend Ansichten

des modernen Bukarests frei,

von einer verfallenen Kirche

zwischen zwei Wohnsilos

über eine trashig-verrostete

Coca-Cola-Werbung bis hin

zur Aufnahme eines Straßenhändlers.

Pikant zudem: Alle

Schauspieler*innen tragen

Masken, halbdokumentarisch

werden Reizbarkeit und Unruhe

gezeigt, die monatelange

Lockdowns mit sich brachten

und die das gesellschaftliche

Miteinander veränderten. Gezanke

an der Supermarktkasse

oder wildes Geschrei im Straßenverkehr.

Will man das gerade im

Kino sehen? Fraglich, aber

schon in wenigen Jahren wird

dieser hochinteressante Film

zu einem wichtigen Dokument

einer Zeit, die wir so schnell

nicht vergessen werden. Zurecht

ausgezeichnet mit dem

Goldenen Bären der 71. Berlinale.

Johannes Litschel



Vision 2025 KULTUR JOKER 19

„Haus zum Herzog“: Ort der Stadtgeschichte

Historische Immobilie im Zentrum Freiburgs darf nicht verscherbelt werden

Ein „erstes Steinhaus“, so die

Info-Tafel vor Ort in der Freiburger

Salzstraße 18, stand hier

schon „um 1140“ (nachweisbar

im Keller des Objekts) – wenige

Jahre nach der urkundlich bezeugten

Marktgründung 1120.

Dennoch spielten historische

Bauten Freiburgs keine sichtbare

Rolle im nun auslaufenden

Stadtjubiläum ohne Programmatik.

Das hätte aber ein dringender

Eckpfeiler sein müssen,

tatsächlich ein Leuchtturmprojekt

werden können. Hier haben

die Verantwortlichen eine Chance

ausgelassen und versagt.

Einst mutige Entscheidung

des neuen OB

Ärgerlicherweise war, aus

Platznot auch, vor Jahren bereits

der Fortzug des Stadtarchivs,

das sich seit 1957 in dem Gebäudekomplex

befindet, in einen

Neubau an der Messe beschlossen.

Gegen die Verlegung aus

der Stadtmitte hatte sich vergeblicher

Widerstand erhoben (siehe:

„Operation am offenen Herzen“,

KulturJoker, April 2018, S.

10). Gabi Dierdorf, langjähriges

Mitglied der Kulturliste Freiburg

und stellvertretende Vorsitzende

der ARGE Freiburger

Stadtbild, regt das noch heute

auf: „Schade, dass die Chance

vertan wurde, anlässlich des

unerhört langen Leerstandes die

ehemalige Sport-Arena mit zu

integrieren und das Stadtarchiv

als Anziehungspunkt mit einem

neugeschaffenen Lesesaal im

Zentrum der Freiburger Innenstadt

zu belassen.“ Doch der

Deal war längst schon perfekt.

Im OB-Wahlkampf 2018 hatte

der junge Martin Horn, verständlicherweise

anfangs ohne

detaillierte Freiburg-Kenntnis

Deckengemälde „Hochzeit

zu Kana“, Detail

Foto: Gabi Dierdorf

und ohne ausgeprägtes kulturell-historisches

Profil, sich bei

Bürger*innen der Stadt offen gegeben

für Fragen dieser Art. Im

internen Dialog mit der Kulturliste

Freiburg, die ihn bei seiner

Kandidatur unterstützte, zeigte

er großes Interesse am „Haus

zum Herzog“. Und Horn revidierte,

ins Amt gewählt und mutig

nun allemal, den Entscheid,

das Objekt aus städtischem

Besitz zu veräußern. Seitdem

stand die Zukunft des Gebäudekomplexes

in den Sternen. Man

wartete auf ein künftiges Nutzungskonzept.

Geschichte und Bedeutung

des Hauses

Die Bauforschung hat längst

weithin Klarheit verschafft: „Es

ist ein Kleinod, an dem sich exemplarisch

die Geschichte des

Wohnens und Arbeitens in Freiburg

ablesen lässt – eine Stadtchronik

in Stein. Von den ersten

Freiburgern über illustre Patrizier

im Spätmittelalter, der Abtei

St. Blasien bis zum städtischen

Amt reicht der Bogen, der sich

auch baulich niedergeschlagen

hat.“ So fasst es im Gespräch vor

wenigen Tagen Frank Löbbecke

zusammen, Ko-Autor der maßgeblichen

wissenschaftlichen

Publikation und heute Leiter

der Bauforschung bei der Kantonalen

Denkmalpflege Basel-

Stadt.

Tatsächlich blieb das Anwesen

nicht nur wie durch ein Wunder

bei der Bombardierung im November

1944 verschont, es ist

auch eines der ältesten Häuser

der Stadt. Zudem sind durch die

neun Jahrhunderte nahezu sämtliche

Eigner und Bewohner gut

dokumentiert, und alle Epochen

haben auch ihre sichtbaren Spuren

hinterlassen, sei es in der architektonischen

Außenhaut oder

im Interieur: notable Bürger,

die Vorösterreichische Regierung,

das Kloster Sankt Blasien

(dessen Stadtsitz es im 18. Jahrhundert

bildete), das Erzbistum

Freiburg. Im Hof trifft man auf

den spätgotischen Treppenturm.

Die Fassade an der Salzstraße

(längst nicht mehr der Eingang)

präsentiert das barocke Wohnpalais

des mittleren 16. Jahrhunderts,

im Innern die Deckengemälde

von Johann Kaspar Brenzinger

(1651–1737), darunter die

„Hochzeit zu Kana“.

Welche Nutzung wäre sinnvoll?

Die Frage müsste ein Thinktank,

eine (möglichst kleine)

Gruppe von Experten der

Stadtkultur, Stadtgeschichte

und -politik, bearbeiten und

einer Lösung zuführen. Falls

tatsächlich das Wentzingerhaus

am Münsterplatz, das die Stadt

aus eigenem Besitz 1992 an die

Stiftungsverwaltung verkaufte,

auf Dauer wegen der hohen

Mietkosten, die jährlich und

kontinuierlich den Haushalt belasten,

als Ort des Museums für

Stadtgeschichte nicht zu halten

ist, wäre eine besonders geistreiche

und ebenfalls zentrale

Alternative eröffnet. Bei einer

Abschreibung von Investitionen

in Gebäudekosten über 30 oder

50 Jahre könnte sich das vermutlich

rechnen.

Der südliche Zugang von der

Grünwälderstraße bleibt längst

spartanisch und unattraktiv. Der

Nachkriegsbau aus Stahlbeton

(1961–1964), der die Archivmagazine

beherbergt, könnte ohne

Verlust beseitigt und durch eine

moderne, kleine Museumsarchitektur

ersetzt werden, die dann

dem lebenden Geschichts-Zeugnis

des „Hauses zum Herzog“

beiseite steht.

Darf die Pandemie Verkäufe

erzwingen?

Einst, vor Martin Horn, stand

das Haus für 4 bis 4,5 Mio. Euro

Verkaufspreis zur Debatte. Jetzt

taucht es – völlig überraschend

– im Entwurf des städtischen

Doppelhaushalts 2021/22 auf der

(projektierten) Einnahmen-Seite

wieder auf. Diesmal für 6 Mio.

Euro. Ob hinter der enormen

Preissteigerung binnen vier Jahren

auch ein politisches Kalkül

steckt, sei im Moment dahingestellt.

Es bleibt das Unerhörte

des Gedankens. Noch einmal

Frank Löbbecke: „Das ist kein

x-beliebiges Investitionsobjekt,

sondern ein steinerner Zeuge

der Freiburger Stadtgeschichte.

Und ich möchte bezweifeln, ob

ein Privatinvestor der Verantwortung

für ein solches Bauwerk

gewachsen ist. Zumal die

städtische Nutzung bislang Besichtigungen

der uralten Keller,

des Abtsappartements und des

eindrücklichen Dachs ermöglicht

hat.“

Die seit 15 Monaten andauernde

Corona-Lage belastet verständlicherweise

auch die kommunalen

Haushalte. Also gibt es

Druck auf den Kämmerer und

den Gemeinderat, die Finanzen

zu regulieren – kein einfaches

Geschäft. Dennoch entsteht die

Frage, wie weit ein fiskalischer

‚Ausgleich‘ des städtischen

Haushalts moralisch und politisch

überhaupt gehen darf. Wo

ist die ethische Grenze, welche

rote Linie darf in der Krise – die

ja zugleich den Blick eben doch

auch nach vorn eröffnen muss!

– tatsächlich nicht überschritten

werden? Wir meinen: Dieses

stadthistorische Gebäude muss

in Freiburger Besitz bleiben! Es

darf keinem anonymen Investor

in die Hand gegeben werden!

Martin Flashar

Haus zum Herzog, Front

Foto: Jörgens.Mi/Wikipedia, CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

Abbildungen:

1 Haus zum Herzog,

Front

(Foto: Jörgens.Mi/Wikipedia,

CC-BY-SA 3.0, Wikimedia

Commons)

2 Treppenhaus im Turm

(Foto: Gabi Dierdorf)

3 D e c k e n g e m ä l d e

„Hochzeit zu Kana“, Detail

(Foto: Gabi Dierdorf)

Treppenhaus im Turm

Foto: Gabi Dierdorf


20 KULTUR JOKER Interview

immer den anderen Parteien und

Politikern zu. Für eine Weile

funktioniert das vielleicht, aber

nicht auf lange Zeit. In meinen

Augen ist der Populismus letztlich

zum Scheitern verurteilt.

Kultur Joker: Am Ende dieses

Misstrauensszenarios stünde

also das Versagen aller Parteien

und der Politik, der keiner

mehr traut.

Gregor Gysi: Ja, und diesen

Zustand haben wir bereits. Einige

Teile der 20 Prozent trauen

auch der AfD nicht mehr – und

auch nicht den Linken und erst

recht nicht der Union. Die sind

mit der sogenannten „etablierten

Politik“ fertig. Die AfD inszeniert

sich in Reaktion darauf

als ausgegrenzte Partei, aber auf

Dauer wird sie damit auch keinen

Erfolg haben.

Kultur Joker: Bedeutet das in

letzter Konsequenz eine Verlagerung

der Politik vom Parlament

auf die Straße?

Gregor Gysi: Ja, damit müssen

wir rechnen. Und das passiert,

weil sich die herrschende Politik

viel zu wenig Gedanken

darüber macht, warum sie das

Vertrauen dieser 20 Prozent

verloren hat. Würde sie das

tun, müsste sie auch über Wege

nachdenken, wie sie das Vertrauen

zurückgewinnen kann.

Aber das macht sie nicht, denn

80 Prozent Zustimmung reichen

ihr.

Kultur Joker: Das klingt nach

Desinteresse.

Gregor Gysi: Politiker und

Politikerinnen sind meist unter

sich. Meist gehen sie nur auf

das ein, was andere Parteien

innerhalb des Bundestags an

ihnen kritisieren. Mit der Unsicherheit

in der Bevölkerung

setzen sie sich seltener auseinander.

Kultur Joker: Haben Sie ein

Beispiel?

Gregor Gysi: Die Politik hat

während der Corona-Krise

scheinbar erkannt, wie wichtig

die Tätigkeiten der Verkäuferinnen,

Krankenschwestern,

Pflegenden und Beschäftigten

in der Logistik sind. Aber glauben

Sie ernsthaft, dass diese

Gruppen nach der Pandemie

50 Prozent mehr Lohn erhalten,

nur weil ihre Bedeutung erkannt

wurde? Die bekommen Lob und

ein Lutschbonbon zugeworfen!

Dass man hier aber grundsätzlich

Schlussfolgerungen zieht

und zum Beispiel sogenannte

„Frauenberufe“ abschafft,

also Berufe, die so schlecht

bezahlt sind, dass wir Männer

sie meiden, passiert nicht. Ich

gebe Ihnen noch ein Beispiel.

Die Politik hat in der Corona-

Krise scheinbar erkannt, dass

die Privatisierung von Krankenhäusern

ein Fehler ist und

dass die Gesundheit an erster

Stelle stehen sollte. Trotzdem

wurden während der Pandemie

Krankenhäuser geschlossen

oder weiter privatisiert. Diese

Ignoranz gegenüber der Bevölkerung

und der eigenen politischen

Verantwortung ist abenteuerlich!

Kultur Joker: Soweit die Problemdiagnose.

Haben Sie eine

Methode, diesem „Unter sich

bleiben“ im Bundestag zu begegnen?

Gregor Gysi: Ich versuche immer

zu übersetzen. Wenn eine

dreiviertel Stunde lang von der

„Veräußerungserlösgewinnsteuer“

gesprochen wird, komme ich

ans Pult und erkläre erst einmal,

was damit überhaupt gemeint

ist. Das habe ich als Anwalt

gelernt. Als Anwalt habe ich

hochgebildete Menschen vertreten,

aber auch solche, die nicht

hochgebildet waren und solche,

die weder lesen noch schreiben

konnten.

Kultur Joker: Ein Versuch, wie

der klassische Politiker zu agieren,

der das Volk in seiner Breite

repräsentiert?

Gregor Gysi: Viele Politiker

und Politikerinnen im Bundestag

sprechen in ihrer eigenen

Sprache und merken gar nicht,

wenn ein größerer Teil der Bevölkerung

nicht mehr folgen

kann. Hier verstehe ich mich als

Übersetzer. Und wissen Sie, ich

habe noch eine ungewöhnliche

Eigenschaft: Ich lüge nicht.

Kultur Joker: Das glaube ich

Ihnen nicht.

Gregor Gysi: Ich kann gar nicht

lügen, weil ich mir Lügen nicht

merken kann. Wer erfolgreich

lügen will, muss sich seine Lügen

merken können. Da ich sie

am nächsten Tag schon vergessen

hätte, geht es nicht. Deshalb

sage ich die Dinge so, wie ich

sie denke.

Kultur Joker: Und das ist für

Politiker*innen ungewöhnlich?

Gregor Gysi: Schon. Viele Politiker

und Politikerinnen haben

diese Merkfähigkeit. Die müssen

sich ein ganzes Konstrukt

aufbauen und das ist schwierig.

Die meisten Menschen schätzen

aber, dass ich diese Fähigkeit

nicht habe. Und die meisten

Menschen sind überrascht. Sie

erwarten stereotype Aussagen,

die sie von mir aber nur selten

bekommen.

Kultur Joker: Wir sprechen

gerade viel über Sprache und

Lügen. Womit wir wieder beim

Populismus wären.

Gregor Gysi: Mit einfachen

Sätzen kann man auch gut populistische

Politik machen. Direkt

lügen sollte man aber nicht. Erfolgreiche

populistische Aussagen

können vereinfachen, sollten

aber nicht falsch sein. Das merken

die Leute dann doch. Es gibt

einen Unterschied zwischen populistisch

und populär.

Kultur Joker: Was wären die ersten

Schritte, die eine Politik tut,

die den Menschen nicht belügt,

sondern ernst nimmt?

Gregor Gysi: Sie würde zuerst

versuchen, die Menschen zu

verstehen. Wenn die alleinerziehende

Hartz-IV-Empfängerin

mit zwei Kindern das Gefühl

hat, dass ihre Probleme weder

in dieser noch in einer kommenden

Legislaturperiode gelöst

werden, geht sie davon aus, dass

es ihr nie besser gehen wird. Sie

wird auch glauben, dass es ihren

Kindern nie besser gehen wird.

Sie denkt, dass es egal ist, wer

reagiert, denn für sie würde sich

nichts bessern. Deshalb geht sie

nicht wählen. Man muss dieses

Denken erkennen und verstehen,

um ihm einigermaßen wirksam

begegnen zu können.

Kultur Joker: Haben Politik und

Medien nicht auch Angst, sich

mit politikverdrossenen Menschen

auseinanderzusetzen?

Gregor Gysi: Ja. Nehmen wir

die Medien als Beispiel. Die

Gegner der Corona-Politik sieht

man in Talkshows fast nie. Es

gibt ja auch Virologen neben

Christian Drosten, die es anders

sehen. Deshalb bleiben die Menschen

auch bei ihrem Eindruck,

die Medien seien gleichgeschaltet.

Früher war das Klima in solchen

Gesprächsrunden anders.

Da kamen Vertreter mit den unterschiedlichsten

Argumenten

zusammen. Am Ende mussten

sich die Zuhörer und Zuhörerinnen

selbst eine Meinung bilden.

Das trauen sich die Medien

heute nicht mehr. Sie haben

Angst, dann selbst als Corona-

Leugner wahrgenommen zu

werden. Und auch die Politik hat

Angst. Die Erstürmung des Bundestags

und die viel schlimmere

des amerikanischen Capitols haben

auch das Gefühlsleben und

die Denkweise der Politiker und

Politikerinnen verändert.

Kultur Joker: Der Angst der

Politik und der Medien steht die

„Sehnsucht nach einem starken

Staat“ gegenüber, wie sie einige

Teile der Bevölkerung äußern

und wie sie auch der Pressetext

zu Ihrer Veranstaltung konstatiert.

Woher kommt diese Sehnsucht?

Gregor Gysi: Das Denken in

autoritären Strukturen nimmt

weltweit zu. Das liegt womöglich

daran, dass die Menschen

glauben, dass autoritäre Strukturen

effizienter sind. Erdoğan

kündigt etwas an, das zwei Wochen

später umgesetzt wird. In

der Bundesrepublik wird vorher

zwei Jahre darüber gestritten.

Was all die Befürworter aber

vergessen: Einen Diktator werden

sie nicht mehr los. Auch,

wenn er Dinge tut, die sie nicht

wollen. Überhaupt muss man

bedenken, dass nur eine Minderheit

der Menschheit in demokratischen

Strukturen lebt.

Die Mehrheit kennt nur autokratische

Systeme.

Kultur Joker: In Ihrer Rede

im Bundestag am 10. Februar

sagten Sie zum aktuellen Verhältnis

der Bundesrepublik zu

Russland: „Wenn man aber

auf Sanktionen verzichtete und

eine Politik der Annäherung betriebe,

könnte man viel leichter

auch humanistische Akte erreichen.“

Lässt sich daraus generell

ein Umgang mit autoritären

Systemen ableiten – ein humanistischer?

Gregor Gysi: Nach dem Mauerbau

hat die Sozialdemokratie

begriffen, dass ein Wandel in

der DDR nur durch Annäherung

funktionieren kann. Und das hat

funktioniert, wenn auch in kleinen

Schritten. Diese Denkweise

ist heute völlig verschwunden.

Man denkt nur noch an Sanktionen.

Der Gegenüber denkt dann

wiederum an Gegensanktionen

und schottet sich immer mehr ab.

Und das ist kreuzgefährlich. Daher

sage ich: Wir müssen wieder

eine Politik des Wandels durch

Annäherung betreiben – zumindest

dort, wo Chancen bestehen.

Auch wird übersehen, dass die

Sanktionen der EU gegenüber

Russland und China beide nur

näher zusammenrücken lässt. Je

stärker beide Länder werden, desto

schwächer werden westliche

Demokratien.

Kultur Joker: Dieses Jahr erscheint

ihr Buch „Gysi vs. Sonneborn.

Kanzlerduell der Herzen“.

Inwiefern sehen Sie gerade in

einem Politsatiriker wie Martin

Sonneborn ein gutes Gegenüber,

um über eine „linke Wende“ zu

streiten, wie der Pressetext verkündet.

Gregor Gysi: Erst dachte ich,

dass uns Martin Sonneborn nur

die jungen Wähler wegnimmt.

Aber das stimmt nicht. Sonneborn

hat nur einen anderen Stil,

um junge Leute an Politik heranzuführen.

Seine politische

Satire kommt bei ihnen sehr gut

an – ebenso wie die von Jan Böhmermann.

Auch wenn man diese

Methode nicht beherrscht, muss

man sie akzeptieren. Wir haben

oft erlebt, dass Leute zuerst zu

Die Partei kamen und danach

doch zur Linken.

Kultur Joker: Kunst und Kultur

sind aber nicht nur Wege zur Politik.

Gregor Gysi: Natürlich nicht.

Beide sind systemrelevant, selbst

wenn das die Bundesregierung

während der Pandemie anders

sieht. Wissen Sie, Künstlerinnen

und Künstler und Kulturschaffende

bleiben stärker in Erinnerung

als jene, die heute an der Macht

sind oder meinen, besonders

wichtig zu sein. Alle kennen Bach

und Beethoven. Wer zu deren Zeit

politisch relevant war, wissen

heute dagegen nur wenige. Kunst

und Kultur haben einen bleibenden

Wert. Politik kommt und

geht, kann aber auch verändern.

Kultur Joker: Herr Dr. Gysi, vielen

Dank für das Gespräch!

Das Gespräch mit Dr. Gregor

Gysi am 29. April, 19.30 Uhr

findet in Kooperation mit der

Katholischen Akademie Freiburg

und als Online-Veranstaltung

statt. Weitere Informationen

und Anmeldung: www.katholische-akademie-freiburg.

de


kulinarisch KULTUR JOKER 21

VON VEILCHENWEIN UND GERÖSTETEN SIEBEN-

SCHLÄFERN

„Wenn alle Künste untergehen, die edle Kochkunst bleibt bestehen“

(Daniel Spoerri)

Roberto Bompiani: „Ein römisches Festmahl“ um 1900

Foto: J. Paul Getty Museum, Los Angeles

In einer Zeit, in der kulturelles

Erleben digital stattfindet

und kaum eine Kunst noch live

genossen werden kann, ist ein

elementares und uraltes Kulturgut

der Menschheit wieder

aktuell geworden: Die Kochkunst.

Wenn einem nicht viel

Anderes übrig bleibt, besinnt

man sich aufs Selbertun. Es

wird wieder gekocht, Rezepte

aus Kindertagen hervorgeholt,

in Kochbüchern geschmökert

und den heimischen Knollen

aus der Gemüsekiste eine leckere

Vielfalt entlockt. Kochen

ist kreativ, Kochen ist gesund

und kann Spaß machen, vor

allem, wenn’s gelingt und gern

gegessen wird.

Kochen gehört zur Menschheitsgeschichte

wie die Felsenmalereien

von Lascaux.

Der älteste Topf ist immerhin

zehntausend Jahre alt. Aber

auch Kochbücher wurden früh

verfasst. Die ersten Rezepte

stammen aus Mesopotamien,

sind in Keilschrift auf kleinen

Tafeln notiert und lassen

uns erfahren, dass besonders

Eintopf- und Schmorgerichte

geschätzt wurden. Menschen

machen sich in allen Epochen

Gedanken über ihr Essen und

ihre Essgewohnheiten. Vor

allem seit es nicht mehr nur

um das tägliche Überleben

geht, sondern Essen zum Genuss

und Luxus wurde, ließ

die Menschheit sich einiges

zur Nahrungsverfeinerung

einfallen. Der Appetit wurde

zur Triebkraft für die „Zivilisation“

und all die Errungenschaften

in der Küche sind eng

mit anderen kulturellen Entwicklungen

verbunden.

Ägyptische und römische

Wandmalereien von Festmählern

und Speisefolgen

sind erhalten. Die Griechen

verewigten ihre Gelage auf

Vasen und kostbaren Trinkbechern.

Kunstvolle Mosaike

mit Früchten und Tieren sind

überliefert, selbst Speisereste

waren den Römern ein Mosaik

wert. Parallel zu auf frescogemaltem

Essen sind aus der Antike

Beschreibungen erhalten

von Mahlzeiten und Feierlichkeiten.

Von großem Einfluss

war das erste vollständig erhaltene

Kochbuch. Es stammt aus

der Römerzeit und heißt: „De

Arte Coquinaria“ („Über die

Kochkunst“). Verfasst wurde

es von dem berühmten und

reichen Feinschmecker Marcus

Gavius Apicius, der eine

eigene Kochschule hatte und

in der Gegend des heutigen

Köln lebte. Über Jahrhunderte

orientierte sich die Küche der

wohlhabenden Oberschicht in

Europa an diesem Buch. Heutzutage

verlocken die Rezepte

nicht mehr zum Nachkochen,

zumal sie ohne Mengenangaben

auskommen und merkwürdige

Zutaten benötigen. Wenn

es um die Zubereitung von

Schweineeuter, gemästetem

Siebenschläfer und den Genuss

von Veilchenwein geht, wird

es kompliziert. Hinzu kommt:

Nicht nur die speziellen Zutaten

sind heute schwer zu

beschaffen, auch die Küchen

sehen anders aus. Ging man

früher in einem großen Haushalt

von mehreren Köchen und

vielen helfenden Händen, von

Mägden und Küchenjungen

aus, von stundenlangem Garen

und Vorbereiten, hat sich

die Lage inzwischen gravierend

geändert. Dennoch lassen

sich wohl bis heute, gerade

bei den deftigeren Gerichten,

Reste der Apicius-Rezepte in

spanischen, italienischen und

südfranzösischen Speisen finden.

Die Spurensuche nach

den historischen Ursprüngen

ist auch in der Küche ein spannendes

Unterfangen.

Wenn wir uns aktuell verstärkt

wieder selbst der Kochkunst

zuwenden, schöpfen wir

aus einem breiten Spektrum

der internationalen Küche.

Ein umfangreicher Schatz an

Kochbüchern und Rezepten

aus dem Internet stehen zur

Verfügung. Lebensmittelläden

und Bauernmärkte sind geöffnet,

auch Restaurants kochen

auf Bestellung zum Mitnehmen.

Es herrscht kein Mangel

und doch fielen in Zeiten des

Lockdowns leere Regale auf.

Klopapier und Nudeln waren

der Renner. Zeitweise konnte

kein Mehl mehr nachgeliefert

werden. Was war denn da los?

Die Leute haben wieder selbst

ihr Brot gebacken. Ein archaischer

Vorgang, der tief in die

Anfänge der Menschheit zurückreicht.

Brot war lange das wichtigste

Nahrungsmittel. Bis weit ins

19. Jahrhundert bestand die

tägliche Nahrung für neunzig

Prozent der Bevölkerung in

Europa aus Brot und Getreidebrei.

In Deutschland gibt es bis

heute an die dreihundert Brotsorten.

Es gibt Brotmuseen und

Künstler*innen, die Brotauf

der Leinwand malen oder als

Skulptur modellieren. So verzierte

Salvador Dalí die Außenfassade

seines Museums in

Figueras mit unzähligen Nachbildungen

katalanischer Brote,

auch auf dem Dach ist ein

überdimensionales Brot montiert.

Und ganz aktuell könnte

– wenn sie nicht geschlossen

wäre – im Ulmer Museum Brot

und Kunst die Ausstellung der

Berliner Künstlerin Sonja Al-


22 KULTUR JOKER KUlinarisch

Auch die Bewohner von Pompeji gönnten sich hin und wieder Fastfood. Archäologen

haben bei Ausgrabungen einen Schnellimbiss gefunden, der überraschend gut erhalten

ist

Foto: Image credit Parco Archeologico di Pompei

häuser besucht werden. Ihr

Thema: mit Brot verbundene

Rituale und das Spiel mit traditionellen

Bedeutungen.

Kunst aus Lebensmitteln

Eat Art ist eine Kunstrichtung

aus den 60er und 70er

Jahren. Eng verbunden mit

bekannten Namen wie Daniel

Spoerri oder Dieter Roth,

die Essen ins Zentrum ihrer

Kunst stellen, nicht gemalt

oder aus Gips, sondern direkt

aus Lebensmitteln gefertigt.

Umfangreiche Ausstellungen

– wie im vergangenen Jahr

„Amuse-bouche. Der Geschmack

der Kunst“, im Museum

Tinguely in Basel gezeigt

- widmen sich speziell

diesem Thema.Die Nähe von

Kulturgeschichte und Kunstgeschichte,

von Kunst und

Essen, fasziniert die Künstlerschaft

und lässt nicht los. Auffällig

viele Kochbücher von

Künstler*innen erschienen

in den letzten Jahren. Quer

durch die Jahrhunderte und

Kontinente: von Claude Monet

und Paul Cezanne, von Frieda

Kahlo und Georgia o’Keefe.

Auch das Artist’s Cookbook

des New Yorker Museum of

Modern Art mit 155 Rezepten

von Louise Bourgois bis

Jackson Pollock. Und im letzten

Herbst das Kochbuch des

dänisch-isländischen Lichtkünstlers

Olafur Eliasson, der

jeden Tag seine Mitarbeiter

und Gäste zum Mittagessen

im Atelier einlädt. Essen als

sinnstiftendes Element, Kochen

als kreatives Ereignis.

Der Eat Art Künstler Daniel

Spoerri postulierte ironisch:

„Wenn alle Künste untergehen,

die edle Kochkunst bleibt

bestehen“. Dann machen wir

es wie die Künstlerschaft,

lassen uns nicht entmutigen,

backen wieder Brot und

werden als Köch*innen am

heimischen Herd aktiv und

kreativ. Auf den langen Atem

kommt es an, in der Kunst wie

auch im Leben.

Christiane Grathwohl


Kunlinarisch KULTUR JOKER 2323

„Der Frühling ist die schönste Zeit des Kochs“

Im Gespräch: Sterne- und TV-Koch Steffen Disch

Der Freiburger Sternekoch

Steffen Disch begeistert seine

Gäste mit hochwertiger Genussküche.

Mit dem Kuro

Mori in der Freiburger Innenstadt

und dem Raben in

Horben trifft ihn die Corona-

Krise gleich doppelt. Wie der

Gastronom das vergangene

Jahr erlebt hat und was der

kulinarische Frühling bereithält,

hat er Elisabeth Jockers

verraten.

Kultur Joker: Die Gastronomie

gehört zu den Branchen,

die, durch frühe Schließungen

und bislang ohne Öffnungsaussichten,

von der Corona-

Krise besonders betroffen ist.

Wie haben Sie das vergangene

Jahr als Gastronom erlebt?

Steffen Disch: Vergangenes

Jahr waren wir überwältigt von

der Solidarität unserer Stammgäste

des Raben, die uns extrem

unterstützt haben!

Die Neueröffnung des Kuro

Mori war ein voller Erfolg und

wir haben mit unserem Konzept

von Qualitätsbewusstsein

und Erlebnis den Nerv der Zeit

getroffen. Auch jetzt sind wir

„Gastgeber“ und deshalb für

unsere Gäste des Raben und

Kuro Mori mit unserem Takeaway

zur Abholung und auch

Lieferservice da. Wir sind

unglaublich dankbar für den

Rückhalt.

Kultur Joker: Fühlen Sie

sich von der Politik allein gelassen?

Steffen Disch: Was die Entscheidungen

der Politik angeht,

möchte ich selbst kein Politiker

sein und diese ganzen Entscheidungen

treffen müssen.

Allerdings kann es nicht sein,

dass in unserem Land alles heruntergefahren

wird und die

Menschen ins Ausland fahren/

fliegen dürfen. Es kommt mir

vor als wenn man am Strand

stehend einem Tsunamie ins

Auge schaut und in Schockstarre

verharrt.

Kultur Joker: Für viele

Menschen ist die Coronazeit

auch zu einer kulinarischen

Reise geworden, in der manch

Einer den heimischen

Herd

für sich entdeckt

hat. Welche saisonalen

Produkte

empfehlen

Sie unseren

Leser*innen für

den April?

Steffen Disch:

Der Frühling

ist die schönste

Zeit des Kochs.

Nach den langen

Wintermonaten

sind mit saisonalen

Produkten

wie Spargel,

Morcheln, Rhabarber

ect. der

Kreativität keine

Grenzen gesetzt.

Kultur Joker:

Herzlichen

Dank für das

Gespräch!

Steffen Disch im Kuro Mori

Foto: promo


24 KULTUR JOKER Spargel

Regionaler Spargel ist ein Genuss

Warum das Warten sich lohnt

Ein wenig Geduld sollte

man schon aufbringen, denn

auch heimischer Spargel ist

noch immer ein Produkt und

Geschenk der Natur, und somit

auch nach wie vor abhängig

von deren Launen. Hier

bei uns in Baden beginnt die

Spargelzeit je nach Witterung

so um die Mitte des Monats

April. Die wärmeren Länder

Südeuropas ernten das königliche

Gemüse bereits Ende

Februar und lassen es dann zu

uns transportieren. Frisch vom

Feld aber schmeckt der Spargel

einfach noch um einiges

besser. Das importierte Edelgemüse

hat leider zudem eine

miserable CO2-Bilanz und verbraucht

z.B. in Griechenland

und Spanien solche Mengen an

Wasser, dass die dort ohnehin

trockenen Anbaugebiete noch

weiter austrocknen. Spargel ist

noch immer ein sehr lukratives

Bio Spargel auf dem Vormarsch

Das Weingut Scherer stellt nun auch seine Spargelproduktion um

Die Weinberge der Familie

Scherer in Bad Krozingen

werden bereits seit 2013 biologisch

bewirtschaftet, seit

2020 sind sie nun Demeter

zertifiziert und werden unter

dieser Bezeichnung erstmals

mit dem neuen Jahrgang auf

den Markt kommen. Ab sofort

stellen die Scherers auch die

anderen landwirtschaftlichen

Erzeugnisse auf Bio um, so

insbesondere den Spargel,

den es während der Session

immer tagesfrisch von Feld

und Hof zu kaufen gibt. Dass

die Umstellung auf ausgewiesene

Bioprodukte nicht

immer leicht ist, so die Winzer

Micha und Felix Zimmer,

zeigt die Tatsache, dass zwar

der Hof inzwischen „Bio“ ist,

der Spargel aber erst ab 2024

als „Demeter“ angeboten werden

darf. Nichts desto trotz

bestimmt schon jetzt anstelle

der Chemie hier natürlicher

Pflanzenschutz aus Ackerschachtelhalm

oder Brennesselextrakt

die Szene. Hornkiesel

zum Wurzelwachstum

sowie Pferde- und Rindermist

zur weiteren Düngung werden

ebenfalls eingesetzt. Für den

Biowinzer ist auch die Vielfalt

der Anpflanzungen von großer

Wichtigkeit, ein insgesamt

gesundes Ökosystem. Hanf-,

Lein- und Sonnenblumenöl

gehören zu den Produkten, die

sich gut miteinander vertragen

und harmonieren.

SfK.

Geschäft für die Bauern hier

bei uns. Nach dem Motto „Wer

zuerst kommt, mahlt zuerst“,

decken viele die Spargelfelder

mit Folien ab, die die Wärme

speichern und dann ein paar

wenige Wochen Zeitgewinn

für den Beginn der Ernte erlauben.

Auch das ist nicht unproblematisch.

Nicht nur wegen

des enormen Verbrauchs

an Plastikfolien, auch Kleinsäuger,

Vögel und Insekten

leiden an diesen unnatürlichen

Bedingungen. Die teilweise,

wenn auch seltener „beheizten“

Felder, können wegen des dann

enormen Energieverbrauchs

und ohne Rücksicht auf den

dringend erforderlichen Klimaschutz

noch ein Vielfaches

mehr an Schäden anrichten als

der Importspargel.

Es lohnt sich also auf die reguläre

Spargelzeit zu warten,

die so um den 15. April beginnt

und bis Johanni am 24. Juni,

mitunter auch Spargelsilvester

genannt, andauert. Nach einem

hierzulande selten gewordenen

kalten und lang andauernden

Winter kann sich die Saison um

10 bis 14 Tage nach hinten verschieben.

Feldfrisch wird dann

das königliche Gemüse in

Baden in Dutzenden von Hofläden

und auf allen Märkten

angeboten. Hunderte von Restaurants

bieten ebenso wie

die urigen Straußwirtschaften

ihren Spargel an, was wohl

wegen Covid 19 auch 2021

weitestgehend zurückgestellt

werden muss. Frischer Spargel

ist nicht nur gesund und

ein ausgesprochener Gaumengenuss,

er hat im Vergleich

zu anderen Gemüsen

Foto: promo

auch eine geringere Pestizidbelastung.

Keine schädlichen

Rückstände also in den Spargelstangen?

Wer ganz sicher

sein will, sollte zu Bio-Spargel

greifen, der mehr und mehr

hier in Baden angebaut wird.

Haupt-Anbaugebiete für den

deutschen Spargel sind neben

Baden und Württemberg die

Bundesländer Bayern, NRW

und Hessen sowie die Region

Brandenburg. Bon Appetit!

SfK.

Nicht nur Spargel auch Bio-Weine gehören zu den Produkten der Winzerbrüder Micha

und Felix Zimmer auf dem Schererhof

Foto: Weingut Scherer


spargel KULTUR JOKER 25

Spargel und Wein in schöner Tuniberg-Landschaft.

Familie Walter hofft auch das Hofcafé bald wieder

aufmachen zu können.

Foto: Ferienhof Walter

im hofladen

Erntefrischer Spargel

– auf Wunsch geschält –

Wein aus eigenem Anbau

täglich Backwaren und Kuchen

Die Symbiose von Wein und Spargel

Welcher Wein passt dazu

Ein Spargelwein sollte wie der

Frühling sein. Die Meinungen,

welcher Wein genau passt, sind

indes ebenso unterschiedlich

wie deren Genießer. Grundsätzlich

lässt sich aber sagen, dass

ein solcher Tropfen nicht zu

übermächtig im Alkoholspiegel

sein sollte, 11% vol. sind genug,

zurückhaltende Säure ist erwünscht.

Der Gesamteindruck

sollte ein wenig erdig sein, zu

den zarten Aromen des Spargels

passen und dessen Eigengeschmack

nicht unterdrücken.

Der Winzerkeller Auggener

Schäf und sein Kellermeister

Andreas Philipp halten da natürlich

den Gutedel hoch. Es

ist zwar ein paar Jährchen her,

dass das Magazin des „Stern“

gar den Gutedel des Winzerkellers

zum besten Spargelbegleiter

gekürt hat, was aber sicher bis

heute seine Berechtigung hat.

Einen trockenen Rivaner oder

einen ebensolchen Sauvignon

Blanc kann sich der Kellermeister

auch gut vorstellen, dessen

deutlich vegetabilen Noten mit

einer gewissen Mineralität stehen

im Einklang mit ähnlichen

Ein Vorreiter in Sachen Bio-Spargel

Das Weingut Lampp in Heitersheim

Wohl einer der Ersten im

Markgräfler Land, der hier Biospargel

anpflanzte, war das

Weingut Lampp am romantischen

Sulzbach in Heitersheim.

Da das Gut auch eine

eigene Straußi bewirtschaftet,

bot es sich an, dort im Frühjahr

die wohlschmeckenden

Stangen in besonders großen

Portionen aufzutragen, preiswert

und frisch vom Acker. In

den Coronazeiten 2021 wird

das, wenn überhaupt, erst ab

Mai oder Juni möglich sein.

Ab etwa dem 20. April ist aber

der Hofverkauf angedacht und

möglich. Nicht alle Kids sind

schon Fans des Edelgemüses

aber alle genießen den Straußengarten

mit Baumhausrutsche,

verschiedenen Spielfahrzeugen

und Sandspielen. Vom

Spargelsalat über Spargeltoast

bis zum klassischen Gericht,

gibt es hier alles was das Herz

und der Magen begehrt, und,

wie sich das für ein Weingut

gehört, beste und passende

Weißweine dazu. Der Bio-

Winzer Fritz Lampp ist übrigens

so „berühmt“, dass das

auflagen-starke Magazin der

badenova ihm einer seiner

Ausgaben nicht nur das Titelbild

sondern auch zwei ganze

Seiten Redaktion widmete.

SfK.

Geschmacksvarianten des edlen

Gemüses. Jung und spritzig, so

wie der Frühling selbst, auf der

Terrasse oder dem Balkon zu

genießen, „notfalls“ auch ohne

Spargel und sonstige Speisen,

sollte er sein.

Das biologisch zertifizierte

Demeter-Bio-Weingut

Hartemeck in Schliengen hat

seine eigenen Favoriten. Auch

hier spielt der Gutedel eine bedeutende

Rolle, Favorit aber

ist dort der Auxerrois. Ein geschmeidiger

Burgunder mit Noten

von Limette, Holunderblüten

und Birnen. Die Spezialität des

Gutes mit dem „Sonnensegler“,

einer würzig-fruchtigen Variante,

passt besonders gut zu Spargelsalaten

und Aperitifs.

Am Tuniberg können wir das

Weinhaus Opfingen und das

schräg gegenüber beheimatete

Öko-Weingut Sonnenbrunnen

mit seiner Strauße empfehlen.

Phantastische Spargel und ausgezeichnete

Weine gibt es auch

eineinhalb Kilometer außerhalb

des Ortes in der Grießtal-Strauße.

Der Spaziergang durch Reben

und Felder dorthin ist allemal

ein Vergnügen. Wenn nicht

gerade Corona die Welt regiert,

gibt es hier am Rande des Tunibergs

mannigfache Möglichkeiten

Spargel und Wein in vielfach

ausgezeichneten gastronomischen

Betrieben zu genießen.

Für 2021 schwer vorauszusagen,

ob geöffnet werden darf, aber

im nächsten Jahr gibt es ja auch

wieder Spargel und Wein.

Werfen wir zum guten Schluss

noch einen Blick in und auf

den Badischen Winzerkeller in

Breisach. Auch die „Sonnenwinzer“

glauben zu wissen, was

zum Spargel passt, nämlich ihre

weithin bekannte Eigenmarke

„Martin Schongauer“. „Es gilt

einen Wein zu finden, der mit

sanfter Säure und feiner Aromatik

den Spargel mit seiner

leichten Bitternote sanft umschmeichelt,

ihn aber nicht mit

Fülle und Intensivität erdrückt“.

Ein grauer und ein weißer Burgungder

erfüllen diese Voraussetzungen

ebenso gut wie die

neue Martin Schongauer Cuvée

mit Riesling und Spätburgunder.

Alle bringen auch die badische

Sonne ins Glas. SfK.

Lukas Spargel

Foto: Weingut Lampp

Öffnungszeiten Spargelsaison:

Mo – Fr 9.30–12.30 und 14–19 Uhr, Sa 9 – 17 Uhr, So 10 – 17 Uhr

79112 Fr.-Opfingen • Wippertskirch 2 • Tel. 07664–1396 • www.ferienhof-walter.de

tages frisch

-

bio

weingut

Markgrafler -

land

Spargelgastronomie

Die gastronomischen Betriebe in unserem Land haben sich trotz

Corona-Krise vorbildlich verhalten. Dass ausgerechnet sie die meisten

Dauerschließungen hinnehmen müssen, ist schwer zu verstehen.

Ergeben sich nach Mitte April Lockerungen, wollen wir in

der Maiausgabe natürlich auch über die „Spargel-Gastronomie“

berichten. Anregungen hierzu nehmen wir gerne entgegen.

SfK.


26 KULTUR JOKER nachhaltig

Ein rosarotes Kopfkino setzt sich in Gang

Große Vorfreude auf ein gutes Leben ohne Tankstellen

Sie ist 40 und hat als Vorzeige-Regierungschefin

ihr Land

so gut durch die Pandemie gebracht,

dass man aus unserem

Land, das von einem überforderten

Hühnerhaufen aus Beratungsresistenten

und Korrupten

regiert wird, neidisch

auf die andere Seite des Globus

schaut. Doch nicht nur im

Sachen ‚No-Covid-Strategie‘

sieht man in Neuseeland, wie

das gute Leben aussehen kann,

das sich so viele wünschen.

Premierministerin Jacinda Ardern

findet: „Unter dem Strich

bietet der Kampf gegen den

Klimawandel eine wirtschaftliche

Chance für Neuseeland.“

Mit dem Einfuhrstopp für Autos

mit Verbrennungsmotor ab

2032 setzt sie hier rosarotes

Kopfkino in Gang.

Ein Leben ohne Verbrenner

- was für ein Gewinn das ist,

wird einem sofort klar, wenn

man auf dem Gehsteig neben

der Tankstelle giftige Diesel-

Schwaden und Auspuff-Abgase

riecht, vom Lärmteppich röhrender

Motoren erdrückt wird

und auf die rußgeschwärzten

Hauswände und Fensterscheiben

nebenan schaut. Das ist

dann alles wirklich weg! Die

ganze stinkende, platzraubende

Infrastruktur, einfach nicht

mehr nötig. Allein in Freiburg

könnten mehr als zwei Dutzend

Tankstellen abgeräumt werden.

Mal angenommen, es käme

eine gute Fee und sagte: „Der

Platz in Deinem Stadtviertel,

wo heute die Tankstelle steht,

ist morgen frei und Du darfst

entscheiden, was an dieser

Stelle entsteht.“ Was würde

uns alles einfallen, von Gartenwirtschaft

über Outdoor-Bowlingbahn,

Spielplatz, Repair-

Cafe, Kiez-Kino, Streichelzoo,

Stadteil-Bücherei, Jugendtreff

… Den komischsten aller möglichen

Vorschläge mag die Autorin

hier nicht wiedergeben,

obgleich sie schallend gelacht

hat, als die nächste und beste

Testperson von allen der guten

Fee geantwortet hatte.

Auch wer Stromrechnungen

von Tankstellen kennt weiß,

dass der hohe Stromverbrauch

für die Pumpen, die das Benzin

aus den unterirdischen

Tanks holen, längst nicht das

größte Übel ist. Das sind diese

Pumpen, von denen wir

erst wissen, dass es sie gibt,

wenn wir bei der Beschreibung

von Blackout-Szenarien

an die Stelle kommen, wo die

Lebensmittel-LKW nicht mehr

fahren, weil kein Strom den

Sprit in ihre Tanks pumpt. Wer

schon mal eine Auskofferung

des verseuchten Erdreichs bei

einer Tankstellen-Sanierung

begleitet hat, kennt diese Hinterlassenschaften

der fossilen

Mobilität und den immensen

Aufwand, diese Schäden

einzuhegen. Da freut man sich

auf das Ende des Ölzeitalters.

Dann gibt es noch die vielen

Tanklaster, die Tag für Tag

von den Raffinerien zu den

Tankstellen poltern und mit

anderen auspuffqualmenden

Fahrzeugen die Straßen verstopfen

– die bleiben den

Neuseeländer:innen in greifbarer

Zukunft erspart. Man

möchte sein gesamtes Lungenzugvolumen

voller frischer

Luft saugen und einen tiefen

Stoßseufzer tun, schwankend

zwischen Vorfreude und Hoffnung,

dass man diese Wendung

zum Guten noch miterleben

wird.

Es werden Erinnerungen

wach, an die Radtour auf Sardinien,

als man versehentlich

auf die Straße geraten war, die

schier endlos mitten durch die

bedrohliche Kulisse einer Raffinerie

führte. Irgendwo liegen

noch diese garstigen Urlaubsfotos,

die man den unbelehrbaren

Klimaleugnern im Bekanntenkreis

schicken wollte, um zu

zeigen, dass es neben dem unsichtbaren

CO2 auch sichtbare

Probleme des Ölzeitalters gibt.

Unter dieser Horrorkulisse liegt

eine wunderschöne Landschaft

begraben. Wie schön wird es,

wenn die wieder freigelegt

wird! Wie gut wird es, wenn all

die tausenden von Ölfrachtern,

die kaum reguliert mit dem

billigsten und schmutzigsten

Treibstoff über die Weltmeere

schippern, das einfach bleiben

lassen – weil niemand mehr das

schwarze Gold zu Geld machen

wird. Wenn weiße Strände einfach

weiß bleiben, weil kein

Ölfrachter mehr unterwegs

sein wird, der Leck schlagen

könnte, keine Bohrinsel mehr,

die nach Deep Water-Horizon-

Drehbuch Hunderte Millionen

Liter Öl ins Meer erbrechen

würde.

Auf die Infrastruktur des

Grauens gucken übrigens auch

diejenigen nicht, die Sätze mit

„Aber die Elektromobilität …“

beginnen. Natürlich wird – unabhängig

von der Lärmreduktion

– die Umweltbilanz besser,

wenn Lieferketten fair und die

Stromproduktion erneuerbar

sind. Diese Bilanz werden fossil

betriebene Fahrzeuge niemals

erreichen, denn vor lauter

Fingerzeigen vergessen diejenigen,

die sich an Benzin und

Diesel klammern nur zu gerne,

mal auf die kilometerlangen

Ölpipelines zu schauen, für die

Umweltschützer ermordet wurden.

Und auf hunderttausenden

von Ölförder-Tiefpumpen, von

denen jede einzelne jeden Monat

rund zehntausend Kilowattstunden

Strom frisst, um das

Rohöl aus einigen Kilometern

tiefer liegenden Lagerstätten an

die Oberfläche zu holen.

Ein ganz wesentlicher Nachteil

der E-Mobilität ist für einige

Zeitgenossen auch die

Gefahr, dass man angefahren

wird, weil man die leisen Fahrzeuge

ja nicht herannahen hört.

Ob das auch ein Nachteil von

Fahrrädern ist, konnte nicht

geklärt werden. Man möchte

sie alle in den Verkehrskindergarten

schicken, nicht nur,

damit sie lernen, dass man

auch im hohen Alter lernfähig

sein kann. Auch um ihnen

vor Augen zu halten, welche

Infrastruktur wir bereit sind

mit Steuermitteln zu finanzieren,

weil es für Kinder kaum

sichere Möglichkeiten gibt,

allein mit dem Rad oder zu

Fuß in die Schule zu kommen.

An dieser Stelle ein ganz heißer

Urlaubstipp: mit dem Zug

nach Paris, Amsterdam oder

Kopenhagen fahren und dort

den Segen der fossilfreien

Mobilität genießen – in einer

fernen Zukunft, wenn Reisen

wieder möglich ist, obwohl ein

durchgeknallter Hühnerhaufen

damit beschäftigt war, sich die

eigenen Taschen vollzustopfen,

statt eine Krise zu managen.

Eva Stegen

Die Zeichnungen von Karl Jilg veranschaulichen, wie wenig Platz Fußgänger an einer Straßenkreuzung haben. Die Schluchten stellen die Straßen dar © Karl Jilg/Swedish Road Administration

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Nachhaltig KULTUR JOKER 27

Jeder kann die Welt verändern

Harald Welzer entwickelt in „Alles könnte anders sein“ eine positive Gesellschaftsutopie

sich jeder daran beteiligen und

unmittelbar damit beginnen

kann. Welzer veranschaulicht

dies mit einer Analogie zur

spielerischen Arbeit mit den

ursprünglichen Lego-Bausteinen

aus dem Jahr 1949. Es gab

damals keine Bauanleitungen,

aber mit Fantasie ließ sich mit

den noch recht undifferenzierten

Steinen alles Mögliche

bauen.Anders wie mit den heutigen

Baukästen, deren Inhalt

in der Regel ein einziges komplexes

Gebilde vordeterminiert.

Er entwickelt im Buch 17

gedankliche Lego-Bausteine

für die Gestaltung einer neuen

Zukunft. Diese Denkfigurenladen

– mit packender Leichtigkeit

erzählt – dazu ein,

Kategorien wie Wirtschaft,

Autonomie, Infrastrukturen,

Gerechtigkeit, Solidarität,

Sinn, Gemeinwohl, Zeit, oder

zwischenmenschliche Beziehungen

verschiedener Art

völlig neu und immer wieder

anders zu denken, ohne selbst

Definitionen vorzugeben.

Im Schlusskapitel „Der neue

Realismus“ entwickelt der Autor

oft eingeleitet mit den Worten

„ich stelle mir vor“ seine

eigenen Positionen zu einigen

Schlüsselbegriffen wie Arbeit,

Stadt, Digitalisierung oder

Bildung. Auch hier wie eigentlich

im gesamten Text besticht

die direkte, unverschnörkelte

Sprache des Autors, die sich

allein schon durch die Fülle

der aufgeführten praktischen

Beispiele selbstorganisierter

Projekte und Initiativen stets

hautnah an der Realität bewegt.

Weit entfernt von der

oft dürren Diktion sozialwissenschaftlicher

Abhandlungen

lässt sich Welzers Buch spannend

und mit Genuss lesen.

Ein Mutmachbuch für alle,

die sich mit Fantasie, Elan und

ohne ideologische Scheuklappen

auf den Weg für eine aktive

Gestaltung einer besseren

Zukunft begeben haben oder

dieses wollen und das richtig

Lust auf Veränderung macht.

Harald Welzer ist neben

seiner publizistischen und

wissenschaftlichen Arbeit

als Dozent auch Direktor der

von ihm ins Leben gerufenen

gemeinnützigen Stiftung „Futurzwei“

www.futurzwei.org.

Auf der Homepage kann man

kostenlos die „Flaschenpost“

der Stiftung bestellen mit regelmäßigen

Berichten über

verschiedenste Projekte gelingender

Zukunftsgestaltung.

Erich Krieger

Zukunftspessimismus beherrscht

derzeit überwiegend

unser Leben und Denken.

Täglich sind wir mit einer fast

endlosen Kette realer oder drohender

Katastrophen sozialer,

ökologischer, ökonomischer

oder politischer Art konfrontiert,

die Lebensmut und

-freude vieler Menschen spürbar

dämpfen.Selbst diejenigen,

die sich in dieser Situation mit

alternativen systemischen

Transformationsstrategien beschäftigen,

begründen diese

zumeist ex negativo mit apokalyptischen

Szenarien, die es

abzuwenden gelte und wirken

dadurch – gewollt oder nicht

–defensiv oder gar resignativ.

Nicht so will es das im Frühjahr

2020 vorgelegte Buch

„Alles könnte anders sein“ des

Soziologen und Zukunftsarchitekten

Harald Welzer. Im Untertitel

verspricht der Fischer

Verlag eine „Gesellschaftsutopie

für freie Menschen“.

Freilich holt auch Welzer zunächst

weit aus: Sehr anschaulich,

mit vielen Beispielen und

Analogien untermauert, beleuchtet

er mit vergleichendem

Blick auf die Lebensbedingungen

der letzten zwei, drei

Generationen vor uns den zivilisatorischen

Fortschritt unserer

heutigen modernen Gesellschaft

und resümiert: „Die

liberale rechtsstaatliche Demokratie

ist die zivilisierteste

Form von Gesellschaft, die

es jemals gegeben hat.“ Aber:

Mit gleicher Entschiedenheit

benennt er die dunkle Seite

dieser Entwicklung. Sie gründe

sich auf die Missachtung sowohl

der Endlichkeit der natürlichen

Ressourcen und die sich

daraus entwickelnde Ideologie

des unendlichen Wachstums

und Konsums und auf die Ausbeutung

und Unterdrückung

von Menschen und Völkern in

anderen Teilen der Welt. Dieses

„gestörte Naturverhältnis“

sei Ursache für eine „Ökonomie,

die ihre eigenen Voraussetzungen

konsumiert.“ Welzer

zeichnet ausführlich und

differenziert diese Dialektik

der Moderne in ihrem Spannungsfeld

zwischen Kultur

und Barbarei und leitet daraus

die Notwendigkeit der Weiterführung

des „zivilisatorischen

Projekts der Moderne“ ab.

Adressaten und potenzielle

Akteure für dieses lustvollen

Lebenssinn schaffende Vorhaben

sieht er in uns allen,

denn: „Der einzige Grund,

aus dem ein Weiterbauen am

zivilisatorischen Projekt nicht

attraktiv sein sollte, ist Phantasielosigkeit.“

Die sieht er aber

allenthalben auf dem Vormarsch,

weshalb die „Wiedereinführung

der Zukunft eine

dringliche Sache ist“. Dabei

sei es vielleicht besser, statt

unablässig immer neues und

noch präziseres Wissen über

die verschiedenen Lebensbedrohlichkeiten

anzuhäufen,

nach den konkreten subjektiven

Voraussetzungen bei den

Menschen für einen aktiven

Einsatz für ein gutes, ein besseres

Leben nachzudenken.

Dies ermögliche „zu sortieren,

was vom bisherigen Verlauf

des zivilisatorischen Projekts

sich als brauchbar und weiterführend

erwiesen hat, was man

neu dazu kombinieren muss

und was man dringend loswerden

muss“. Wissen allein

führe erfahrungsgemäß selten

zu Verhaltensänderungen.

Welzer lässt ein ebenso erhellendes

wie überzeugendes

„Realismustraining“ folgen,

das darin gipfelt, „kleinstmögliche

Zustandsveränderungen“,

die innerhalb der bestehenden

Handlungsspielräume des zivilisatorischen

Projekts durchsetzbar

sind, als hilfreicher

einzuschätzen, als irgendeinen

„großen Wurf“ unterschiedlichster

Revolutionstheorien.

Statt Umsturzversuch setzt

er die unendliche Quantität

„modularer Revolutionen“, die

miteinander kombinierbar sind

und die den Vorteil haben, dass


28 KULTUR JOKER nachhaltig

Auch das Nachtleben in der

schönen Breisgaustadt Freiburg

kennt Gefahren. Diskriminierungen,

Übergriffe und sexuelle

Gewalt müssen Personen benachteiligter

Gruppen, darunter

Frauen oder rassifizierte Menschen,

immer wieder erfahren.

Als wirksames Gegenrezept

gilt „Awareness“, die Sichtbarmachung

und Verhandlung

solcher aggressiver Grenzüberschreitungen.

Im Mittelpunkt

stehen dabei nicht Täter*innen,

sondern betroffene Menschen

und ihre Erfahrungen.

Die Freiburger Initiative

samt&sonders setzt hier mit

einem doppelten Awareness-

Konzept an. Zum einen bietet

samt&sonders Gesprächsräume

und Veranstaltungen zum Thema

Sicherheit im Nachtleben

und ähnlichen gesellschafts-

Zauberwort „Awareness“

Der Verein samt&sonders diskutiert und schafft Schutzkonzepte fürs Nachtleben

politischen Themen, zum anderen

ist der Verein mit Awareness-Strukturen

in Clubs vor

Ort. Langfristiges Ziel ist die

Foto: samt&sonders

Verankerung von Awareness-

Strukturen in allen Freiburger

Clubs mit individuellen Sicherheitskonzepten,

lokalen Awareness-Teams

und Schulungen für

Personal, Kulturschaffende und

Clubbesitzende.

Der Verein samt&sonders

blickt auf einige Erfahrungen

zurück. Seit 2017 ist das Awareness-Team

im Nachtleben

aktiv. Mit Ständen als Informations-

und Rückzugsraum,

einer Nummer für Notfälle und

der Einbindung von Veranstaltenden

sowie dem Tür- und

Barpersonal konnte das Awareness-Konzept

zu vielen Anlässen

bereits umgesetzt werden.

Beratungen und Workshops

mit selbstorganisierten Vereinen

und Gruppen, wie Wohnprojekten

und Jugend(kultur-)

initiativen, aber auch Institutionen

und städtischen Einrichtungen

gehören ebenfalls zum

Tätigkeitsfeld des sogenannten

„A-Teams“. Auf Tagungen und

Katastrophenprävention

Sechs Freiburger Archive unterzeichnen Vereinbarung

Konferenzen war das A-Team

bereits mit Infoständen und als

Ansprechstelle präsent, ebenso

mit Rückzugsräumen bei verschiedenen

Anlässen, etwa auf

Demonstrationen.

Da auch in Corona-Zeiten

Diskriminierungserfahrungen,

gerade in privaten, geschlossenen

Kontexten, geschehen,

hat der Verein ein digitales

Workshop- und Beratungsangebot

geschaffen, das eine

noch breitere Öffentlichkeit

erreicht. Zu wünschen bleibt

nur die gesicherte Förderung

von Räumlichkeiten und einer

Stelle. Auch hier gilt es, die Öffentlichkeit

für die Bedeutung

von Awareness-Angeboten zu

sensibilisieren.

Weitere Infos: www.samtsonders.de

Als die Elbe im Jahr 2002 über

die Ufer trat, hatte niemand mit

den Konsequenzen gerechnet.

In Folge des Jahrhunderthochwassers

wurden Kulturgüter

zerstört und geschädigt. Ähnlich

war es bei dem Brand der

Anna-Amalia-Bibliothek in

Weimar zwei Jahre später, dem

mehr als 50.00 Bücher und

Schriften zum Opfer fielen. Und

schließlich der Einsturz des Kölner

Stadtarchivs 2009, bei dem

der Schaden sich allein durch

Verlust und Restaurierung von

Kulturgütern auf mehr als 700

Millionen Euro belief. Um Kulturgüter

im Katastrophenfall

so gut wie möglich zu schützen

und solchen Szenarien vorzubeugen,

haben sich sechs Freiburger

Archive in einem Notfallverbund

zusammengetan.

Darunter sind das Bundesarchiv

mit der Abteilung Militärarchiv,

die Abteilung Staatsarchiv Freiburg

des Landesarchivs Baden-

Württemberg, das Universitätsarchiv

sowie das Zentrum für

Populäre Kultur und Musik der

Albert-Ludwigs-Universität,

das Erzbischöfliche Archiv und

das Stadtarchiv Freiburg. Maßnahmen

des Verbundes sind die

gegenseitige Unterstützung,

wenn es zu Bergungsarbeiten,

zur Sicherung und Evakuierung

von Kulturgütern in Ausweichdepots

kommen sollte. Im Rahmen

des Programms werden

auch Mitarbeitende geschult

werden. Zusätzlich werden

Notfallpläne erstellt und die gegenseitigen

Ortskenntnisse verbessert,

um mit den Strukturen

vertraut zu sein. Am 8. März

unterschrieben Vertretende

der Archive die Vereinbarung.

Zukünftig sollen weitere Kultureinrichtungen

hinzustoßen

und ähnliche Verbünde für kleinere

Kulturbetriebe angeboten

werden, welche sich bereits in

Planung befinden.

Plaudern statt Coronastille

Das Freiburger Plaudertelefon bietet ein entspanntes Gesprächsangebot

Corona bedeutet für viele

Alleinstehende Kontakt- und

Gesprächsarmut. Obwohl der

Wille da ist, fehlt es an Gegenübern.

Die Folgen: Langeweile,

Isolation, Vereinsamung.

Dabei gibt es doch so viel zu

plaudern: Über eigene Erfahrungen,

die Welt, Rezepte, Musik,

Filme, Hobbys. In Städten

wie Stuttgart, München oder

Mannheim gibt es bereits ein

unverbindliches Angebot, um

dem entgegenzuwirken: Das

Plaudertelefon. Die Freiburger

Bürgerstiftung hat sich hier inspirieren

lassen und zieht nun

nach. Zunächst zwei Mal die

Woche können Bürger*innen

am Telefon über all das plaudern,

was sie so interessiert.

Ein Sorgentelefon, wie man

v.l.n.r. Christoph Schmider, Ulrich von Kirchbach, Christof

Strauß und Michael Steidel Foto: Stadt Freiburg/Patrick Seeger

es in Freiburg bereits kennt,

soll das Plaudertelefon aber

nicht werden. Vielmehr ein

offener Gesprächsraum zu bestimmten

Themen. Um hier

einen gezielten Zugang zu

schaffen, werden Interessierte

zunächst nach ihren Wunschthemen

befragt und dann an

ein passendes Gegenüber weitergeleitet.

Am anderen Ende

der Leitung sitzen Freiwillige,

die bereit sind, ein niedrigschwelliges

Gesprächsangebot

zu schaffen. Ein ungezwungenes

Miteinander jenseits des

oft belastenden Alltags während

der Pandemie.

Um das Angebot noch weiter

zu entwickeln und mehr

Gesprächstermine schaffen zu

können, sucht die Freiburger

Bürgerstiftung noch Freiwillige.

Wer Lust hat, sich zwei Mal

die Woche Zeit für ein Plaudergespräch

zu nehmen, kann sich

unter plaudern@freiburger-buergerstiftung.de

melden.

Das Freiburger Plaudertelefon

ist montags, 15–17 Uhr,

und freitags, 10–12 Uhr unter

der Nummer 0175 2852758 zu

erreichen.

Foto: Freiburger Bürgerstiftung


nachhaltig KULTUR JOKER 29

Schule als Baumschule

Freiburger Schüler*innen pflanzen Bäume und schützen das Klima

1200 Bäume! Eine beeindruckende

Bilanz gibt das Projekt

„Freiburger Klimapflanzschule“,

das nach dreijähriger

Laufzeit nun abgeschlossen

wurde. 253 Schüler*innen

von Klasse 5 bis 7 waren am

Projekt des Freiburger Waldhauses

beteiligt und konnten

unter Anleitung praktisch arbeiten,

experimentieren und

so erfahren, wie sie selbst

schon früh zum Klimaschutz

beitragen können. Jeder teilnehmenden

Schulklasse war

ein Pflanzbeet zugewiesen

worden, für dessen Pflege sie

verantwortlich war.

Besonders wichtig war den

Projektbetreiber*innnen, den

Michael Broglin, Geschäftsführer der ASF und Umweltbürgermeisterin

Gerda Stuchlik bei der Einweihung der neuen

Gässleflitzer

Foto: Stadt Freiburg/Patrick Seeger

Auf der Suche nach seinem

Lieblings-buntstift wird Benja

klar, dass bei ihnen zuhause irgendwas

nicht stimmt. Ständig

verschwinden Dinge. Papas

Socken, Mamas Kaffeetasse

mit dem Sprung und jetzt sein

Lieblingsstift. Und Benja hat

recht. Im selben Moment muss

sich das Lupa-Mädchen Wuse

vor seinen Eltern rechtfertigen,

dass es schon wieder bei den

Menschen war, obwohl das

strengstens verboten ist. Wuse

lebt mit ihrer Familie unter

den Dielen und in den hohlen

Wänden bei Benja zuhause

und beobachtet alles was in der

Familie von Benja passiert. Als

sie durch ein Loch in der Wand

beobachtet, dass Benjas Mama

die Brötchen vom Vortag einfach

wegschmeißen will, muss

Kindern die zeitliche Dimension

ihres Handeln zu vermitteln.

Das Pflanzen von

Bäumen ist ein nachhaltiger

Beitrag zum Klima für viele

Jahrzehnte. Die gepflanzten

Rotbuchen, Eichen, Elsbeeren,

Douglasien, Weißtannen und

Winterlinden im Stadtwald

speichern CO2 ein und vermindern

so die globale Erwärmung

unseres Planeten. Nachhaltig

ist auch der bildungspolitische

Aspekt des Projekts,

das vom Innovationsfond Klima-

und Wasserschutz der badenova

gefördert wird. Schon

früh und spielerisch werden

Jugendliche so an das Thema

Klima herangeführt und können

Kompetenzen in Sachen

Umweltschutz entwickeln.

Zum Abschluss des Projektes

betont Richard Tuth vom Badenova

Innovationsfonds: “Bei

unseren Förderungen geht es

auch immer darum, Bewusstsein

für Umwelt und Klima

durch konkrete Projekte oder

Maßnahmen zu schärfen und

den Nutzen erlebbar zu machen,

ganz speziell für junge

Menschen“. Das Waldhaus

Freiburg ist aktuell wieder

für Publikum von dienstags

bis freitags, von 9 bis 12:30

Uhr, geöffnet. Infos: info@

Waldhaus-freiburg.de oder Tel:

0761/89 64 77 10.

Abschluss des Waldhaus-Projektes Klimapflanzschule

(v.l.n.r.: Markus Müller (Geschäftsführer Stiftung Waldhaus),

Nicole Schmalfuß (Amtsleiterin Forstamt), Lisa Hafer (Waldhaus)

und Richard Tuth (badenova) Foto: Waldhaus Freiburg

Die Gässleflitzer der ASF

Ein Klimabeitrag der Freiburger Abfallwirtschaft

Die Abfallwirtschaft Freiburg

(ASF) startet in Kooperation

mit der Stadt Freiburg

in ein Pilotprojekt, bei dem

Elektrolastenfahrräder in der

Stadtreinigung eingesetzt werden.

Die Gässleflitzer sollen

den bisherigen konventionellen

Pritschenwagen ersetzen und

vorerst in den Stadtteilen Stühlinger,

Brühl-Beurbarung und

Neuburg eingesetzt werden.

Mit diesem Projekt will die

ASF einen weiteren Schritt in

die Richtung „Emissionsfreie

Stadtteilreinigung“ gehen, um

bis spätestens 2050 Klimaneutralität

zu erreichen. Das Pilotprojekt

startet im März und

umfasst vorerst sechs Fahrzeuge.

Die Elektrolastenräder

Benja & Wuse

Essensretter auf großer Mission

sie was unternehmen, doch

bei dem Versuch die Brötchen

zu retten, wird sie von Benja

gefangen. Die beiden freunden

sich an und Wuse nimmt

Benja mit auf eine Reise durch

die Zeit. Auf dieser Reise wird

Benja bewusst, wie wertvoll

sind überdacht, haben einen

Laderaum und sind mit den

notwendigen Werkzeugen

und Utensilien ausgestattet.

Sie sollen rund ums Jahr in

Gebrauch genommen werden

können. Bisher hat die Stadtreinigung

in Dreierteams pro

Pritschenwagen gearbeitet.

Mitarbeitende trugen Abfälle

zusammen, die dann mit dem

Fahrzeug eingesammelt wurden.

Mit dem Lastenrad soll

jedes Teammitglied ausgestattet

werden. So kann effizienter

und leiser gearbeitet werden.

Pro Rad werden jährlich 2,2

Tonnen CO2 eingespart. Im

Rahmen des Pilotprojektes

also 12,8 Tonnen. „Mit den

Gässleflitzern möchten wir

zeigen, dass Transportdienstleistungen

nicht mehr zwangsläufig

mit klassischen Fahrzeugen

erbracht werden müssen“

erklärt Michael Broglin, Geschäftsführer

des ASF. Noch

wird die Ladung der Räder auf

einem Pritschenwagen zusammengetragen,

doch auch dieser

soll auf lange Sicht durch ein

Fahrzeug mit Elektroantrieb

ersetzt werden. Auch elektrische

Klein- und Großkehrmaschinen

sowie Laubbläser

stehen auf dem Plan. Sollte

das Pilotprojekt sich bewähren,

sollen die Gässleflitzer auf

andere Stadtteile ausgeweitet

werden.

Lebensmittel sind und wieviel

Arbeit in einer Erdbeere steckt.

In Ihrem Buch „Benja&Wuse

– Essensretter auf großer Mission“,

erklären Wenke Heuts

und Inka Vigh auf spielerische

und einfache Art, das Lebensmittel

nicht aus dem Supermarkt

kommen, sondern dass

eine Menge Zeit und Arbeit

dahintersteckt. Sie nehmen

uns mit auf eine Reise durchs

Jahr und zeigen alle Schritte,

die vom Säen bis zum Ernten

einer Erdbeere notwendig sind.

Sie geben praktische Tipps zur

Verwertung vermeintlich verdorbener

Lebensmittel und

dazu, wie man mit kleinen

Tricks, weniger wegwerfen

kann. Maria Schorn

Autorin: Wenke Heuts

Illustratorin: Inka Vigh

Oekom Verlag, 2021,

1. Auflage, 40 Seiten

Preis: 14€


30 KULTUR JOKER nachhaltig

Zwangsarbeit in Freiburg

Das Freiburger Grethergelände arbeitet seine Geschichte im Nationalsozialismus kritisch auf

Das Grethergelände gilt als

Raum für kreative wie solidarische

Gesellschaftsentwürfe.

Unter anderem sind dort Einrichtungen

wie das traditionsreiche

freie Radio Dreyeckland,

die Rosa Hilfe und eine

Beratungsstelle für Geflüchtete

zu finden. Die Geschichte des

Geländes reicht nicht nur weit

in die Vergangenheit, sondern

enthält auch ein dunkles Kapitel.

Die dort ehemals ansässige

Gretherfabrik war in der

Zeit des Nationalsozialismus

ein Ort, an dem Zwangsarbeit

Alltagsgeschehen war. Mit vielseitiger

Unterstützung, etwa

durch das Bundesprogramm

„Demokratie leben!“ und über

ein Stadtjubiläumsprojekt, hat

der Verein GretherKultur nun

eine Aufarbeitung der Vergangenheit

geleistet.

„Wir wissen nun, dass mindestens

60 Männer und Frauen

aus verschiedenen, von der

Wehrmacht besetzten Ländern,

in der Gretherfabrik zur Arbeit

gezwungen wurden. Wie Millionen

anderer Menschen wurden

sie von den Nationalsozialisten

verschleppt, ausgebeutet

und versklavt.“ Eindringlich

erscheint auch das Schicksal

des polnischen Zwangsarbeiters

Roman Kowalczyk. Weil

eine Freiburgerin ein Kind

von ihm erwartete, wurde der

junge Mann im Konzentrationslager

Neuengamme ermordet.

Verbindungen, die dem

Rassenmodell des NS-Systems

widersprachen, wurden hart

bestraft. Kowalczyk hatte zuvor

sechs Monate lang auf

dem Grethergelände arbeiten

müssen. Über das persönliche

Schicksal des Mannes, der mit

24 Jahren Gefangener der Nationalsozialisten

wurde, ist nur

wenig in Erfahrung zu bringen.

Oft lagen den Forschenden nur

Dokumente der nationalsozialistischen

Bürokratie vor.

Von der Vergangenheit zeugen

vor allem die Gebäudehüllen.

Das Firmenarchiv der

Gretherfabrik ist leider verschollen.

Dennoch gelang es

den Mitwirkenden des Projekts,

vertiefende Recherchen

anzustellen. Ergebnis dieser

ist eine Broschüre, die von der

Historikerin Maxilene Schneider

verfasst wurde und in der

Einzigartiger

Stadtplan

Neuauflage „Rundgang Jüdisches Freiburg“

auf Deutsch und Englisch

Der Stadtplan „Rundgang Jüdisches

Freiburg“ verortet die

jüdische Geschichte in der Stadt

und lässt die Begehenden die

verschiedenen Orte jüdischen

Lebens besuchen. Es werden

zwei verschiedene Rundgänge

ausgelegt, welche jeweils durch

fast 900 Jahre Geschichte führen.

Neben der Routen durch die

Stadt gibt es einen geschichtlichen

Überblick und Kurzinformationen

zu den Orten und

Personen, gerahmt durch verschiedene

Stadtteile. Es werden

Persönlichkeiten, Gebäude und

Denkmäler passiert. Darunter

auch der Friedrichsbau, welcher

auch heute noch das älteste

Kino Freiburgs beherbergt, die

ehemalige jüdische Metzgerei,

wo es koscheres Fleisch zu kaufen

gab oder den Platz der alten

Synagoge, welche 1938 zerstört

wurde. Diese Art von Stadtplan

ist selten. Im deutschsprachigen

Raum gibt es einen für Hamburg

und einen für Wien zu finden.

Im Jahr 2015 schloss sich

Freiburg an und veröffentlichte

die erste Ausgabe. Dieses Jahr

ist die zweite Auflage in Umlauf

gekommen auf Deutsch und nun

auch auf Englisch, um die Informationen

zugänglicher zu gestalten.

Der Stadtplan kann auf

Anfrage über gcjz-freiburg@

web.de für 2 Euro pro Stück erworben

werden.

Cover: Rundgang

Jüdisches Freiburg,

Gesellschaft für Christlich-

Jüdische Zusammenarbeit

Freiburg e.V. 2020

Buchhandlung Jos Fritz zu erwerben

ist. Am 1. Mai wird darüber

hinaus ein Mahnmal im

Innenhof des Grethergeländes

enthüllt.

Die Broschüre „NS-Zwangsarbeit

auf dem Freiburger Grethergelände.

Ausschnitt eines

öffentlichen Massenverbrechens“

beleuchtet die Zwangsarbeiten

auf dem Grethergelände,

aber auch an anderen Orten

Freiburgs. Ein thematisch orientiertes

Kapitel macht die Verbindungen

zwischen Rassismus

und Ausbeutung greifbar. Am

Ende steht ein „Blick zurück

nach vorn“, ein äußerst kritischer

Blick. Denn lange Zeit

wurden Zwangsarbeiter*innen

in der breiten Öffentlichkeit der

BRD nicht als Opfer des NS-

Systems betrachtet. Erst in den

1980ern konnten zivilgesellschaftliche

Initiativen das Thema

in der Öffentlichkeit verankern.

Und auch das präzise recherchierte

Projekt des Vereins

GretherKultur demostriert: Wir

stehen erst am Anfang der Aufklärung.

Nachhaltig und stylisch

Das Freiburger Start-up Dave‘s Vintage Dream bietet Onlineshop

Der Begriff Fast Fashion fällt

immer häufiger und beschreibt

eine individuelle Konsumkultur,

bei der die Produktion und

der Verkauf von Kleidung vor

allem eins bedeutet: möglichst

viel, so billig wie möglich. Für

die großen Modelabels dieser

Zeit, darunter Namen wie Zara,

H&M und Co, bedeutet das bis

zu 24 Kollektionen pro Jahr.

Das Freiburger Start-up Dave‘s

Vintage Dream möchte vor

allem junge Konsument*innen

auf dieses Problem aufmerksam

machen und eine Alternative

zu Fast Fashion bieten,

die sowohl nachhaltig als auch

stylisch daherkommt. Der

Kopf hinter dieser Idee ist

der 20-jährige David Kugler.

„Mir liegt das Thema Nachhaltigkeit

schon sehr lange am

Herzen“, erläutert der junge

Freiburger. „Vor Corona verbrachte

ich meine Wochenenden

in Secondhand Kaufhäusern

und stöberte nach neuen

Errungenschaften. So kam ich

an einem Abend auf die Idee,

einen eigenen Onlineshop für

Vintage Secondhand Mode

zu eröffnen!“. Gesagt, getan.

Nach vier Monaten Vorarbeit

und Konzipierung ging

der Secondhand Onlineshop

am 9. Februar an den Start.

Seitdem können Secondhand-

Liebhaber*innen online stöbern

und das ein oder andere

Schmuckstück für den heimischen

Kleiderschrank entdecken.

Über seinen Instagram-

Account daves_vintage_dream

hält er seine Kund*innen über

neu eingetroffene Liebhaberstücke

auf dem Laufenden.

Und wer sich für ein Kleidungsstück

entschieden hat,

bekommt es plastikfrei verpackt

und dazu noch eine persönliche

Nachricht von Dave.

„Für mich ist das Secondhand-

Shoppen etwas ganz Besonderes.

Ich liebe es zu wissen,

dass ich diesem Kleidungstück

ein neues Leben geschenkt

und der Umwelt zugleich etwas

Gutes getan habe.“ freut

sich David Kugler.

Weitere Infos: www.davesvintage-dream.com

David

Kugler

Foto: promo


nachhaltig KULTUR JOKER 31

Ein offener Brief

Dietenbach und Kleineschholz –

Ja!, - zwei wirklich klimaneutrale Stadtteile - bitte keine halben Sachen!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Martin Horn,

sehr geehrte Bürgermeister der Stadt Freiburg!

Sehr geehrte Gemeinderäte!

Die politische Führung der Stadt Freiburg hat sich zur Erreichung der Klimaneutralität 2035 im Freiburger Klima- und Artenschutzmanifest bzw. dem eingebundenen

Kurzgutachten vom ifeu-Institut zum Thema nachhaltiges Bauen ein richtiges Ziel gesetzt. Die Stadt Freiburg wolle „zukünftig auch stärker die

Bereiche „Graue Energie“ und „Ressourcenverbrauch“ insbesondere im Bausektor betrachten und die Ergebnisse in Entscheidungsprozesse integrieren. …

die Bedeutung für die Reduktion von Treibhausgasen insgesamt sei global gesehen, nicht unerheblich.“

Bedeutung von grauer Energie und grauen Emissionen

Mit grauer Energie ist die (Primär-)Energie gemeint, die für Herstellung, Transport, Bau und Rückbau u.a. von Wohngebäuden, Straßen und sonstigen Bauten

erforderlich ist. Die graue Energie die beim Wohnungsbau aufgebracht werden muss, führt bei einer gerechneten Standzeit von 50 Jahren in ähnlicher

Größenordnung, wie die Nutzung und die Unterhaltung der Gebäude selbst, zu erheblichen CO2-Emissionen. Diese grauen Emissionen zu minimieren ist

ein wesentlicher Faktor für mehr Klimaschutz beim Neubau.

Die bisherige Gebäudebilanzierung gemäß EnEV/GEG berücksichtigt den klimarelevanten Aspekt der grauen Emissionen nicht. Auf Bundesebene gibt es

zwar seit Jahren Förderprogramme , aber keine Gesetzesnovelle. Z.B. fordert das Bauwende-Bündnis für Anfang 2021, dass eine verpflichtende Ökobilanz

ins GEG aufgenommen werden muss. Die Bundesregierung wusste dies in diesem Jahr mit ihrer parlamentarischen Mehrheit zu verhindern .

Wenn wir als Erdenbürger und besonders wir als Europäer, den Schutz des Klimas nach den Beschlüssen der Weltgemeinschaft von Paris ernst nehmen,

können wir uns keine halben Sachen mehr erlauben! Das Zögern der Bundesregierung sollte die Kommunen eher auffordern zu handeln als auf der Stelle zu

verharren! Freiburg hat sich schon öfter als Vorreiter angeboten. Auch heute werden wieder Pioniere, die bereit sind, deutschlandweit und international neue

Standards zu setzen, gebraucht!

Politischer Handlungsspielraum

Mindestens für Neubauten muss eine dezidierte Bewertung der grauen Energie und der grauen Emissionen, ordnungspolitisch etabliert werden. Die neuen

Stadtteile Dietenbach und Kleineschholz sollten hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Energieverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen

für viele der in Dietenbach oder Kleineschholz zum Einsatz kommenden Baustoffe (z.B. Beton, Ziegel, Mineralwolle, Glas, Aluminium, Solarzellen, etc.)

werden gegenwärtig nicht in Freiburg, am Ort der Entscheidung, eingerechnet. Gegenwärtig, geschieht dies am Ort der Herstellung oder der Weiterverarbeitung,

wenn überhaupt. Wir setzen uns dafür ein, nach dem Motto „Global denken - lokal handeln!“ zu verfahren.

Vielfach wird eingewandt, die Komplexität der Prozesse und die Vielfalt der Baustoffe und deren Dynamik in Herstellung und Transport würden es verunmöglichen

bei der Planung und Auswahl der zu verwendenden Baustoffe einen ordnungspolitischen Hebel, der allgemeine Anerkennung fände, anzusetzen.

Nicht selten wird dann über den Weg der Förderung eine Scheinlösung gesucht, die dann über die damit verbundenen Subventionen die öffentlichen Hände

viel Geld kostet. Das fehlt dann anderweitig. Statt kommunales Geld zu verstreuen ohne das Ziel zu erreichen - lieber einen ordnungspolitischen Rahmen

setzen, der das Ziel dauerhaft nachjustierbar verfolgt!! Die Holzbauförderungsprogramme der Stadt Freiburg und des Landes Baden-Württemberg sind als

reiner Anstoß gedacht. Als solches sind sie auch zu begrüßen. Damit alleine ist aber eine „Bauwende“, von deren Notwendigkeit mittlerweile auch in der

EU in Brüssel gesprochen wird , nicht zu machen. In einer groben Annahme gereicht das von der Stadt angeschobene Programm für 4,5% der angestrebten

6.900 Wohneinheiten in Dietenbach! Die Wirkungsgrenzen einer Subventionspolitik werden angesichts der Größe der Aufgabe grell sichtbar! Selbst wenn

im Laufe der Entstehungsjahre von Dietenbach sich die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass die Stadt etwas drauflegen müsste, bleibt die Begrenztheit der

Maßnahme klar erkennbar. Bei einer Zielsetzung von 2/3 Holzbau müsste die Stadt das 15-fache an Geld in die Waagschale werfen.-Jährlich! Kaum denkbar!

Außerdem zielt diese Maßnahme nur auf die Frage, Holz oder Stahlbeton und lässt die Bewertung aller anderen Baustoffe außer Acht.

Wir fordern die Stadtpolitik auf, umzusteuern! - Dafür braucht es seitens der Politik und seitens der Planung und Ausführung, Bewusstsein, Verständnis,

Sachwissen und den politischen Willen. Dafür gibt es nicht nur Ideen, es gibt für die kommunale Ebene bereits Konzepte: Faktor X aus kommunalem Bauen

am Niederrhein und ein vom Ökoinstitut entwickeltes Bewertungstool namens trasig sind zwei davon. Beide Systeme werden in Kommunen bereits angewandt!

Sie sind relativ leicht zu verstehen und können von Polieren, Meistern und Architekten nach kurzer Schulung gehandelt werden. Beide Werkzeuge

erlauben eine einfache Nachjustierung und überzeugen durch ihre formale Gleichberechtigung zu allen Baubranchen.

Sehr geehrte Damen und Herren der Freiburger Stadtpolitik, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir fordern Sie auf, diese Vorreiterrolle dringend anzunehmen

und die politischen Weichen in Freiburg so zu stellen, dass die beiden zukünftigen Baugebiete Dietenbach und Kleineschholz (und alle folgenden

sowieso) bereits nach solchen Zielen realisiert werden können.

Die Unterzeichner

Björn Barkemeyer, Architekt - Freiburg

Nona Bosse, Architektin - Freiburg

Rolf Disch, Solararchitektur - Freiburg

Herbert Griesbach, Architekt - Freiburg

Birgit Stellbrink, Dipl.Ing.arch. - Freiburg

Dr. Torsten Lingott, Vida Holzprojekt - Freiburg

Weissenrieder – Architekten - Freiburg

Zimmerer-Innung Freiburg

Raphael Buob, Zimmerei - Waldkirch

Zimmerei Dobslaw GmbH - Buggingen

Zimmerei Gremmelspacher GmbH - St.Peter

Mio Holzbau e.K. – St. Peter

Michael Kappler, Fa. Daseinplus - Löffingen

Rombach, Bauholz und Abbund GmbH - Oberharmersbach

Steiger + Riesterer, Zimmerei und Abbundzentrum - Staufen

Sutter³ GmbH&Co KG, Projektentwicklung,

Denkmalschutz und Planung - Freiburg

Zimmerei Grünspecht eG – Vorstand - Freiburg

Hermann Hallenberger, Gründer der Zimmerei Grünspecht eG

i Drucksache G19/216, S.4; www.fr-entscheid,de/wp-content/uploads/2020/0112019-10-29 GR Tor? Vorlagel.pdf

ii Siehe z.B. www.ressource-deutschland.deithemen/bauwesen/foerderorogramme/

iii Das Bauwende-Bündnis ist ein Bündnis mehrerer Organisationen mit Bezug zu Ökologie im Bauwesen;

www.bauwende.de/wp-content/uploads/2019/031Stellungnahme-Bauwende-B%c3%bcndnis-GEG-2019-03-21.pdf

iv Siehe wesentliche Inhalte zum GEG in www.dabonline.de/2020/10/15/gekgilt-ab-1-november-die-wichtigsten-fakten-aendenrungen-neue-regeln/

v Siehe z.B. www.de.statista.com/statistik/daten/studie/311503/umfrace/wichtigste-laender-nach-rohstahlproduktion/

vi Siehe z.B. www.ec.europa.eu/info/strategv/priorities-2019-2024/european-green-deal de

vii Annahme: 3 Mehrfamilienhäuser in Holzbauweise à 7 Wohneinheiten pro Jahr. Wenn sich der Bau der Wohnungen für Dietenbach über 15 Jahre

hinweg zieht, macht das 45 Mehrfamilienhäuser oder 315 Wohneinheiten.

viii Berechnungstool; www.kurt.faktor-x.infol - ix www.trasid.ceko.infoitrasid/


32 KULTUR JOKER Grabkultur

Grabbepflanzung

im Frühling © GdF, Bonn


Grabkultur KULTUR JOKER 33

Friedhofseingang© GdF, Bonn

Erinnerungskultur Friedhof

Von Steinmetz*innen, Grabpflege und einem UNESCO Kulturerbe

Am 13. März 2020 wurde

die Friedhofskultur in

Deutschland als Immatrielles

Erbe von der UNESCO aufgenommen.

Unglücklicherweise

überschattete der Start

des Lockdowns den Tag und

ließ so die Pressemeldung

untergehen. Ein Jahr später

lohnt es sich einen näheren

Blick auf die Bedeutung dieses

Aktes zu werfen. Unter

der Aktion „Friedhofskultur

sichtbar machen“ sollten

Friedhöfe im September 2020

durch Informationstafeln

ausgewiesen werden, um das

Kulturerbe wieder mehr in

den Blick der Gesellschaft zu

rücken. Doch was steckt hinter

dieser Friedhofskultur?

Die Begräbniskultur ist mit

der Entstehung und Verbreitung

des Christentums prominent

geworden. Im alten

Ägypten, bei den Griechen

und den Römern gab es Begräbnisse

nur vereinzelt,

waren jedoch Personen mit

Status vorbehalten und kein

Ritual für jedermensch. Vor

dem Erbau der Kirchen fanden

Begräbnisse in Katakomben

und Grabkammern statt

und siedelten sich dann als

Friedhöfe um die christlichen

Bauten an. Der Platzmangel

durch die stetig wachsende

Bevölkerung führte dann

dazu, dass Friedhöfe ausgelagert

wurden hinter die

Stadtgrenzen wo der „umfriedete

Platz“ (frithof/vrithof)

neu situiert wurde. Erst

durch Napoleon entstanden

die parkähnlichen Anlagen,

die wir heute als Friedhöfe

kennen, geleitet durch den

Gleichheitsgedanken, der jedem

Menschen ein Begräbnis

ermöglichen sollte. Während

im Christentum verschiedene

Bestattungsarten, wie

Erd- oder Feuerbestattung,

geläufig sind, werden in islamischer

Tradition die Toten

sarglos, mit dem Blick nach

Mekka ausgerichtet, beerdigt.

Grabsteine sind hier

nicht üblich, werden aber

nach Wunsch ermöglicht.

Das Judentum hingegen hat

eine Sargpflicht und wird in

einem einfachen Holzsarg

ausgeführt. Die Gestaltung

der Grabsteine ist hier ebenso

einheitlicht und schlicht.

Das Handwerk hinter den

Grabsteinen

Das Erkennungszeichen der

christlichen Erinnerungskultur

sind die Grabsteine

auf den Friedhöfen. Diese

wurden und werden von

Steinmetz*innen hergestellt,

eines der ältesten Handwerke

weltweit. Es geht zurück bis

zum Bau der Pyramiden und

erlebte durch die Gotik seinen

Höhepunkt. Es bestand

immer Konkurrenz innerhalb

der Steinhauerzünfte (Baumeister,

Steinmetze, Maurer),

da die Zuständigkeitsbereiche

überlappten und nicht klar

aufgeteilt waren. Im 12. Jahrundert

schlossen sich Steinhauerzünfte

zusammen und

bestanden über die nächsten

700 Jahre, bis sie sich wegen

der eingeführten Gewerbefreiheit

im 19. Jahrhundert

auflösten. Durch die Industrialisierung

wurde die Arbeit

weniger physisch belastend.

Die Arbeitsbereiche, welche

überdauerten waren Grabmal,

Denkmal, Bau und Gestaltung.

Es wird hierbei zwischen

Steinmetzarbeit und

Steinbildhauerei unterschieden.

Während erstere mehr

handwerklich, geometrisch

und bautechnisch fokussiert

arbeitet, legen zweitere ihren

Schwerpunkt auf kreative,

gestalterische Arbeiten. Das

Erschaffen von Grabsteinen

beinhaltet künstlerisches Gestalten

durch Formen, Silhouetten

und Gravuren, welche

in Vielzahl auf Friedhöfen zu

betrachten ist. Ein bekanntes

Beispiel ist das Grab der Caroline

Walter, auch genannt

die schlafende Schöne, auf

dem alten Friedhof in Freiburg.

Nachhaltigkeit im Steinhandel

Steinmetze, die auf nachhaltige

Steinauswahl setzen,

bevorzugen europäische Natursteine.

In Deutschland gibt

es heute noch ca. 250 aktive

Steinbrüche. Hier sind Steinarten

wie Sandstein, Granit,

Basalt, Kalkstein, Dolomit

und Marmor zu finden. Übrigens

fördern Steinbrüche

indirekt die Artenvielfalt von

Flora und Fauna, da sie, wenn

stillgelegt, einen schützenden

Ort für diese Pflanzen und

Tiere bilden. Es entstehen

kleine Tümpel und Grünflächen,

die die Grundlage für

die Erhaltung von der Diversität

der Natur fördern.

Grabpflege als Sozialkultur

Ein weiterer Aspekt der

Friedhoskultur ist die Grabgestaltung

und -pflege. Sie

kann von Friedhofsgärtner

nübernommen werden, viele

lassen es sich aber nicht nehmen,

selbst Hand anzulegen.

Und so entstehen kleine grüne

Oasen und Blumenfleckchen,

die nicht nur die Spazierenden

erfreuen, sondern

auch der Tierwelt Zuflucht

sind. Zudem bietet sich die

Gelegenheit, sich auszutauschen,

gemeinsam den Verstorbenen

zu gedenken und

die Ruhe des Ortes zu genießen.


34 KULTUR JOKER gesundheit

Bunt statt Blau

Komasaufen und Kunst, wie passt das zusammen?

Fahrradmission im Jubiläumsjahr

Freiburger*innen können Preise erradeln

Die Zahlen von Kindern und

Jugendlichen die mit einer Alkoholvergiftung

ins Krankenhaus

eingeliefert werden steigen

unter den 10-15 Jährigen.

Um diesen Umstand entgegenzuwirken,

startet die DAK-

Gesundheit zum zwölften Mal

die Kampagne „bunt statt blau“.

Unter diesem Motto sucht die

DAK Plakate, welche gegen

das Rauschtrinken werben.

Im Rahmen des Wettbewerbs

werden Schüler*innen dazu

aufgerufen sich künstlerisch zu

beteiligen. Ob Fotografie, Collage,

Malen per Hand oder am

Computer, der Kreativität sind

keine Grenzen gesetzt. Auch

Schulen sind eingeladen diese

Aktion mit ihren Schüler*innen

durchzuführen und in diesem

Zuge für das Thema Alkoholmissbrauch

zu sensibilisieren.

Dabei liegt der Fokus auf einer

Aufklärung auf Augenhöhe.

Teilnehmen an der Kampagne

können Einzelne, Gruppen oder

auch Schulklassen. Für Bundesund

Landessieger*innen sind

jeweils drei Preise und ein

Sonderpreis ausgeschrieben.

Die Aktion wird auch auf Instagram

ausgetragen. Wer das

eigene Plakat auf der Platform

hochlädt hat die Chance den

Instagram-Sonderpreis von 300

Euro zu gewinnen. Die Arbeiten

der Gewinner*innen 2020

sind auf der Webseite zu finden.

Einsendeschluss ist der 30.

April 2021. Weitere Informationen

zur Kampagne und dem

Wettbewerb sind unter www.

dak.de/buntstattblau zu finden.

Zum Stadtjubiläum – 900

Jahre Freiburg – soll die Fahrradstadt

gefeiert werden. Mit

der Aktion „Freiburg radelt

mit der Barmer“, will die

Krankenkasse das Fahrrad

fahren weiter ankurbeln. In

einem Zeitraum von knapp

zwei Monaten gibt es gleich

drei verschiedene Missionen

zu erfüllen: Einmal werden

alle zurückgelegten Kilometer

der Teilnehmenden zusammengetragen

mit dem Ziel

99.999 Kilometer zu erreichen.

Ist dies geschafft, wird ein

Stadtjubiläumsbaum mit der

Baumschule Vonderstraß und

der Stadt Freiburg gepflanzt.

Die zweite Aktion besteht aus

dem Freiburger Unternehmens-Battle:

Kolleg*innen

können zusammen einen Kilometerstand

erradeln. Dafür

gibt es Preisgelder von 1.500,

1.000 oder 500 Euro für die

entsprechenden Plätze zu gewinnen.

In der dritten Mission

sind Einzelteilnehmende gefragt.

Auch sie können durch

die Kilometeranzahl überzeugen.

Die zu gewinnenden

Preise bestehen aus einem

Birdy City Faltrad im Wert

von 2.600 Euro, einem iPhone

11 im Wert von 1.000 Euro

oder zwei Tageskarten für den

Europa-Park Rust im Wert von

110 Euro. Gesponsert werden

diese Preise neben der BAR-

MER von der JobRad GmbH

und der HUK-COBURG.

Um das Kilometerrennen

möglich zu machen, wurde die

kostenfreie App „Radbonus“

entwickelt. Sie registriert ähnlich

wie ein Schrittzähler die

Kilometeranzahl ohne dabei

Bewegungsprofile anzulegen.

Datensicherheit und Anonymität

werden garantiert. Die

Aktion startet am 19. April

und läuft bis zum 13. Juni. Interessierte

können sich unter

www.radbonus.com/barmerfreiburg

kostenfrei anmelden

und für die Teilnahme die App

herunterladen. Dann heißt es

nur noch sich die Beine warm

zu strampeln.

Bundessiegerin

2020 Janin

Ahlemeyer

Foto: DAK-GEsundheit/

Wigger

Jeder Kilometer zählt - Fahrrad fahren für den guten Zweck

Foto: Promo

Konsequent und liebevoll

Die Hundeschule Face2Face

Kirsten Prignitz und ihre Hunde

Foto: Promo

„Das Wichtigste ist mir die

Bindung und Beziehung von

Hund und Mensch“, sagt Kirsten

Prignitz. Sie ist das Gesicht

zu der 2020 eröffneten

Hundeschule Face2Face in

Freiburg und Umgebung. Klar,

eindeutig und einfach sind die

Kommandos, die sie ihren

Hunden gibt, freundlich und

konsequent ihr Umgang mit

ihnen. Liebevoll ihre Beziehung.

Und genau das möchte

sie auch an ihre Kund*innen

weitergeben. Ihre Stärke ist

es, Mensch und Hund an den

Punkten abzuholen, an denen

sie gerade stehen und individuell

auf ihre Wünsche, Nöte

und Bedürfnisse einzugehen.

Jeder Mensch, jeder Hund

und jede Konstellation sind

da anders. Auch die Beratung

der richtigen Ausstattung und

Ernährung gehören bei ihr

dazu, denn wenn ein Geschirr

irgendwo zwickt oder zu eng

ist hat es auch Einfluss auf das

Lernverhalten des Hundes.

Umsetzen tut sie das vor

allem in Einzeltrainings, die

sie auch als Trainingspakete

anbietet. Daraus ergeben sich

Begegnungen im alltäglichen

Kontext sowie in der häuslichen

Umgebung und können

daran angepasst werden. Ihre

Kund*innen bekommen neben

grundlegenden Hinweisen zu

möglichen Haus- und Ruheregeln

und Trainingsvorschlägen

auch individuelle Tipps

im Umgang mit ihrem Vierbeiner.

Selbst bei schwierigen

Situationen wird nochmal hingeschaut

und eine individuelle

Lösung gefunden. Diese Trainings

mit nur einem Mensch-

Hund-Team beugen außerdem

Überforderungen und bereiten

optimal auf größere Herausforderungen

vor.

Erproben können dann

Mensch und Hund ihre neu erworbenen

Erkenntnisse unter

anderem bei den SocialWalks

mit anderen Mensch-Hunde-

Teams – maximal vier pro

walk oder sie machen bei der

Themen-Tour ´Schnüffeldetektive`

mit. Benötigt jemand

mal wieder eine Auffrischung,

können auch eine Verhaltensoder

eine Telefonberatung in

Anspruch genommen werden.

Das komplette Angebot von

Face2Face kann auf www.

hundeschule-face2face.de eingesehen

werden, außerdem

gibt es schöne Fotos und informative

Kommentare. Auch

bei Google Bewertungen kann

man sich einen Eindruck über

ihre Arbeit machen.

Glücklicherweise funktioniert

das alles auch in den

Corona-Zeiten, da fast alle

Aktivitäten draußen stattfinden

– sommers, wie winters

– und als schöner Nebeneffekt

werden auch viele neue Wege

des Hochschwarzwaldes und

Dreisamtals kennengelernt.

Dagny Borsdorf


gesundheit KULTUR JOKER 35

Steigerung der Patientensicherheit

„Patient Blood Management“ im Ev. Diakoniekrankenhaus

Blut ist ein sehr wertvolles

Organ und transportiert auch

den lebensnotwendigen Sauerstoff

durch unsere Gefäße. Als

medizinisches Konzept zur

Stärkung der körpereigenen

Blutreserven trägt „Patient

Blood Management“ wesentlich

zu Steigerung der Patientensicherheit

bei und wird

deshalb bereits seit 2011 von

der Weltgesundheitsorganisation

für den medizinischen

Alltag eingefordert. Das vom

deutschen Netzwerk Patient

Blood Management 2019/2020

mit dem Silber-Zertifikat und

2020/2021 mit dem Gold-

Zertifikat ausgezeichnete Ev.

Diakoniekrankenhaus Freiburg

konnte innerhalb weniger

Jahre die Anzahl der pro Jahr

verwendeten Blutkonserven

auf heute 600 halbieren.

Blutspender schenken ihr

Blut anderen und leisten damit

einen wertvollen Beitrag

zur Rettung schwerverletzter

Unfallopfer sowie zur Durchführung

großer Operationen.

Aber nirgendwo auf der Welt

werden so viele Transfusionen

durchgeführt wie in Deutschland.

Dabei birgt ein zu liberaler

Umgang mit Blut auch

Risiken: Bereits die Gabe von

einer einzigen Blutkonserve

erhöht das Sterblichkeitsrisiko

des Patienten um das

Sechsfache. Das Risiko für

Prof. Dr. med.

Christoph Wiesenack

© Ev. Diakoniekrankenhaus

Patient Blood Management

Wundinfektion verdoppelt

sich und das für Lungenkomplikationen

verfünffacht sich.

Je mehr Blut gegeben wird,

umso höher ist die Komplikationsrate.

„Blut sollte daher

wie jedes Medikament

nur bei klarer Indikation und

im Bewusstsein der durchaus

relevanten Nebenwirkungen

genutzt werden, da im Grunde

jede Bluttransfusion eine

kleine Organtransplantation

darstellt“, betont Prof. Dr.

Christoph Wiesenack, Ärztlicher

Direktor des Ev. Diakoniekrankenhauses

und Chefarzt

der Anästhesiologischen

Klinik. Statt die Blutarmut

(Anämie) großzügig mit den

ohnehin oft knappen Blutkonserven

zu behandeln setzt das

Ev. Diakoniekrankenhaus auf

ein modernes „Patient Blood

Management“ (PBM), einem

multidisziplinären, evidenzbasierten

Behandlungskonzept

zur Reduktion nicht indizierter

Bluttransfusionen. Im Vordergrund

steht die bei 30 bis 35

Prozent aller Patienten erforderliche

Behandlung der meist

durch Eisenmangel geprägten

Anämie vor dem operativen

Eingriff, die Minimierung

des Blutverlustes während der

Operation sowie die Optimierung

der Anämiebehandlung/-

toleranz nach der Operation.

Bundesweit wird die Initiative

aktuell von rund 200 Kliniken

unterstützt. Im Rahmen

der von 28 Kliniken durchgeführten

Zertifizierung erreichten

vier Kliniken das Level

Bronze, 14 Kliniken das Level

Silber und zehn Kliniken das

© Ev. Diakoniekrankenhaus

Level Gold. Vorausgegangen

ist ein Audit, das Quantität

und Qualität der umgesetzten

Maßnahmen berücksichtigt.

Dabei werden auch typische

Komplikationen während des

Krankenhausaufenthaltes

(Sterblichkeit, Myokardinfarkt,

Schlaganfall, akutes

Nierenversagen, Sepsis, Pneumonie),

Länge des Krankenhausaufenthaltes

sowie präund

postoperative Hämoglobinwerte

ausgewertet.

Weitere Infos: www.patientbloodmanagement.de

Qualitätsmerkmal Krankenhaushygiene

Evangelisches Diakoniekrankenhaus erneut ausgezeichnet

Das Evangelische Diakoniekrankenhaus

erhielt im Rahmen

der nationalen Kampagne

„AKTION Saubere Hände“

zum vierten Mal in Folge die

höchstmögliche Auszeichnung.

Das für zwei Jahre gültige

Gold-Zertifikat bescheinigt

dem Haus bereits seit 2015 ohne

Unterbrechung die erfolgreiche

Umsetzung von umfangreichen

Maßnahmen und sehr

hohe Qualitätsstandards, mit

denen die Gefahr der Weiterverbreitung

von Keimen unterbrochen

wird. Aktuell führen

nur elf der 88 (von 213) teilnehmenden

Krankenhäuser in

ganz Baden-Württemberg die

Auszeichnung „GOLD“.

Die Corona-Pandemie hat

der Gesellschaft deutlich vor

Augen geführt, wie es jeder im

Wortsinne „in der Hand hat“,

das Risiko der Übertragung

von Krankheitserregern zu

beeinflussen. Die Hände sind

die bedeutendsten Überträger

von Krankheitserregern, da

sie beim Kontakt mit den Patienten

und ihrer Umgebung

kontaminiert werden können.

Für Menschen mit Immunschwäche

oder chronischen Erkrankungen

stellen Keime eine

Gefahr dar. Der Auszeichnung

für das Ev. Diakoniekrankenhaus

voraus ging die Erfassung

und Bewertung eines Bündels

von Maßnahmen wie beispielweise

die Verteilung von Desinfektionsmittelspendern

und

der Verbrauch an Desinfektionsmitteln.

Zudem wurde das

Personal direkt bei der Arbeit

beim Patienten begleitet und

geprüft, ob es sich zum richtigen

Zeitpunkt die Hände

Händehygiene im Diakoniekrankenhaus © Ev. Diakoniekrankenhaus

Gesundheitscampus am Diakoniekrankenhaus

desinfiziert. Alle Mitarbeiter

mit Patientenkontakt werden

regelmäßig in Händehygiene

geschult. Für Patienten und Besucher

steht ein Flyer mit Hygieneinformationen

einschließlich

Händedesinfektionsmittel

zur Verfügung. Durchgeführte

Aktionstage zur Händehygiene

wecken gezielt die Aufmerksamkeit

des Personals

oder auch der Besucher und

Patienten des Krankenhauses.

„Patientensicherheit ist Teamarbeit

und gerade beim Thema

Hygiene kommt es darauf an,

dass sich alle Mitarbeiter engagieren

und das eigene Hygieneverhalten

verbessern. Umso

mehr freuen wir uns, dass dieses

Engagement erneut mit dem

GOLD-Zertifikat gewürdigt

wurde“, betont Michael Decker,

Vorstandsvorsitzender des Ev.

Diakoniekrankenhauses, das

dem krankenhaushygienischen

Management eine zentrale Rolle

in der Qualitätssicherung

einräumt.

Vor dem Hintergrund, dass

die hygienische Händedesinfektion

als wichtigste Einzelmaßnahme

zur Vermeidung

von im Krankenhaus erworbenen

Infektionen gilt, hat die

Weltgesundheitsorganisation

© Ev. Diakoniekrankenhaus

die „AKTION Saubere Hände“

ins Leben gerufen. Die

vom Bundesministerium für

Gesundheit begleitete nationale

Kampagne hat sich zum

Ziel gesetzt die Compliance

der Händedesinfektion in

deutschen Gesundheitseinrichtungen

zu verbessern.

Weitere Infos: www.aktionsauberehaende.de.


36 KULTUR JOKER MUSIK

Zukunftsmusik

Dominik Faitsch macht Musik, die in keine Schublade passt. Gut so. Danny Schmidt hat sich mit ihm über die

Liebe zu Protestsongs, hinfällige Genregrenzen und Inspiration im Lockdown unterhalten

Kultur Joker: Hi Dominik.

Schön, dass du heute hier bist.

Sag mal, was inspiriert dich?

Dominik Faitsch: Wahnsinnig

viel. Ich glaube, es richtet

sich immer ein bisschen nach der

Phase, in der ich gerade bin. Leider

wäre die häufigere Antwort

aber wohl: Dinge, die mich auf

eine negative Art beschäftigen.

Ich glaube, ich komme da aus

diesem klassischen Singer Songwriter-Background,

in dem man

eben gerne über Sachen schreibt,

die provozieren – oft auch mit

einem politischem Hintergrund.

Und gerade wenn über politische

Themen schreibt, dann ist es ja

fast schon offensichtlich, dass

Die Freiburger Kreuzgangkonzerte

laden auch während

der schweren Pandemie dazu

ein, besinnliche Momente der

Musik zu erleben. Am 24. April,

20 Uhr findet ein Liederabend

unter dem Motto „...but I like

to sing“ in der Kirche St. Martin

am Rathausplatz in Freiburg

statt. Aus Sicherheitsgründen

findet der Abend außer Tradition

Dominik Faitsch

Lesung mit Musik

Blaues Haus zu Breisach

Am 11.April, 18 Uhr, ist

geplant im Blauen Haus

zu Breisach die Veranstaltungsreihe

„Verfolgung-

Widerstand-Exil“ nach coronabedingter,

längerer Pause

fortzusetzen. Monja Sobottka

wird aus Hellmut Sterns Buch

„Saitensprünge“ lesen, dazu

gibt es historische Aufnahmen

mit dem Israel Philharmonic

Orchestra unter den Dirigenten

Paul Klecki, Leonard

Bernstein und Zubin Mehta.

Hellmut Stern, 1928 in Berlin

geboren, musste in den vierziger

Jahren mit seinen Eltern Berlin

verlassen und unternahm ungewollt

eine Odyssee, die ihn elf

Jahre lang von Land zu Land verschlug,

bis er, via China, schließlich

Israel erreichte. In den sechziger

Jahren führte es ihn in

seine Geburtsstadt zurück und

er fand Aufnahme in der Geigengruppe

der Berliner Philharmoniker.

Sein Erinnerungsbuch

legt die historischen, politischen

und kulturellen Triebkräfte offen,

die seine Lebensspanne prägten.

Eintritt frei, Anm.: an mail@

Bronislaw-Huberman-Forum.de

Amerikanische Lieder

Britta Stallmeister und Klaus Simon

in der geräumigen Kirche und

nicht im Kreuzgang statt.

Im Mittelpunkt steht das

„ABC of American Art Song“.

Britta Stallmeister singt Lieder

von US-amerikanischen Komponisten

wie D. Argento, L.

Bernstein (u.a. „I Hate Music“)

und A. Copland („Old American

Songs“). Begleitet wird sie am

Klavier von Klaus Simon.

Elektronisches Experiment

Stockhausens „Kontakte“

Das ensemble profectio freiburg

/ Duo Nakamura-Pons spielt

Karlheinz-Stockhausens musikalischen

Meilenstein „Kontakte“ in

der Aufstellung Klavier, Schlagzeug

und Elektronik/Klangregie.

Es war das erste Stück Stockhausens,

in dem er Elektronik auf

traditionelle Instrumente stoßen

ließ. Ein klassisches Werk, das

jedoch nur selten zur Aufführung

gelangt. Schlagzeugaufbau

und Aufbau der Elektronik sind

kompliziert, ebenso die Partitur

des Stücks. Als Highlight gelten

die Rotationsbewegungen der

Elektronik. Aufführung soll am

17. April, 20 Uhr im E-Werk sein.

Ein Einführungsvortrag erfolgt

zuvor um 19 Uhr. Offene Probe

ist am 16. April, 17 Uhr.

man eher auf die Dinge eingeht,

die man scheiße findet! (lacht)

Ich glaube, das kommt bei mir

aus dieser alten Liebe für Protestsongs.

Da ist was, das stört mich,

damit will ich mich beschäftigen.

Und am Ende kommt vielleicht

ein Song bei raus.

Kultur Joker: „Mariuhana

oder Trends aus Südostasien –

Hauptsache nicht mit mir allein“,

heißt‘s in deiner neuen Single

Zigaretten. Wie hast du die vergangen

Monate im Lockdown

erlebt?

Dominik Faitsch: Ich fand‘s

überraschend produktiv. Wenn

der Moment erreicht war und

ich mich mit der Enttäuschung

darüber abgefunden habe, das

ich gerade keine Konzerte spielen

darf und es jetzt eher die Zeit

für Songwriting, Producing etc.

ist, habe ich es mir in meinem

Heimstudio bequem gemacht

und dabei sind wahnsinnig viele

Songs fertig geworden, die es

sonst vielleicht nicht geworden

wären. Trotzdem gab‘s aber genauso

die Momente, in denen ich

mir gedacht hab: Boah, ich geh

ein. Alles in allem war ich dann

aber doch überrascht, wie gut ich

mit meinem kreativen Workflow

klar kam.

Kultur Joker: Gerade für aufstrebende

Künstler*innen sind

Streamingdienste zweifellos

wichtige Plattformen, ihre Musik

zu verbreiten und Aufmerksamkeit

zu erzeugen – insbesondere,

wie wenn jetzt schon seit einem

Jahr Konzerte und Touren ausfallen.

Dabei stehen Spotify,

Apple Music und co. aber oft in

der Kritik, insbesondere für ihren

Umgang mit weniger reichweitestarken

Künstler*innen, da

finanziell gesehen nur die ganz

Großen von den Diensten profitieren.

Wie siehst du das?

Dominik Faitsch: Ich glaube,

am Ende des Tages überwiegen

die Vorteile des Streamings, da

es nunmal gerade das Maß der

Foto: Dominik Faitsch

Dinge ist. Gerade als Newcomer

ist es ja ein wichtiges Statement,

dass man auf Spotify ist, weil es

für viele Hörer*Innen ein Gütesiegel

darstellt – auch wenn ich es

natürlich begrüßen würde, wenn

es nicht so wäre.

Momentan versuche ich mich

eher mit dem Publicity-Gewinn,

als mit dem finanziellen Erfolg

zu trösten. Denn die 10.000

Streams auf Spotify reichen vielleicht

mal für einen Teller Pasta

beim Italiener, bedeuten aber

vor allem, das ich gehört und gefunden

werde. Dementsprechend

bringt es natürlich viel für junge

Künstler*innen ihre Musik bei

Streamingdiensten anzubieten,

auf der anderen Seite ist aber einfach

nicht fair, was die finanzielle

Seite angeht.

Kultur Joker: Den klassischen

Singer-Songwriter-Typus möchtest

du bewusst nicht bedienen,

deine Musik soll sich über solche

Genregrenzen hinwegsetzen und

das hört man auch. Dennoch

wird man mit deutschsprachigem

Gesang ja schnell in gewisse

Schublade gepackt. Fällt es dir

leicht, trotzdem auf Deutsch zu

singen?

Dominik Faitsch: Teilweise

sogar leichter. Die Agenda überlegt

man sich ja zumeist Nachhinein

– es beginnt damit, dass ich

etwas mache, das wird mir langweilig

und dann überlege ich mir

etwas Neues. So kam es irgendwie

dazu, dass ich auf den Gedanken

gekommen bin, andere

Genres mit einfließen zu lassen,

Genres. die ich als Hörer schon

selbst immer vergöttert habe. Ob

das Funk, HipHop oder Soul oder

ganz buntes Zeug wie die Red

Hot Chili Peppers ist, bei denen

man nie sagen konnte, was die

eigentlich genau machen. Oder

wenn man sich heutige Popmusik

anschaut, etwa Billie Eilish oder

Ariana Grande, da weiß niemand

mehr so richtig, ist das noch Pop

oder was auch immer – und das

find ich geil! Natürlich muste ich

mir dann aber auch überlegen

wo textlich hingeht, denn was

ich jetzt mache ist ja längst nicht

mehr dieses reine Polit-Singer-

Songwriter-Ding.

Kultur Joker: Das klingt befreiend.

Dominik Faitsch: Genau!

Das war tatsächlich befreiend

und dann dachte ich mir so: Ja,

dann singt man das Zeug halt

auf Deutsch. Und das macht

auch ganz andere Themen auf.

Ich habe jetzt angefangen über

Sachen zu schreiben, die ich davor

nicht gemacht hätte. Zum

Beispiel Zigaretten: Ich glaube,

das ist einer meiner ehrlichsten

Songs und der lebt von einer Art

HipHop-Beat. Diese Mischung,

das zensiert meine Texte nicht,

sondern macht eher neue Bahnen

auf und das ist total erfrischend.

Kultur Joker: Und was bringt

die Zukunft?

Dominik Faitsch: Erstmal

wird die Single-Welle weiter

geritten! (lacht) Es kam ja jetzt

erst die zweite und es sind noch

ein paar in der Warteschlange.

Ich bleibe erstmal bei diesem

Zweimonatsrhythmus, kann mir

aber gut vorstellen, dass dann im

Sommer eine EP mit fünf, sechs

Songs kommt, also mit den Singles

die bis dahin da sind und

ein paar neuen Songs. Vielleicht

mache ich in diesem Rhythmus

weiter und nach dem Winter

kommt die zweite EP und nächstes

Jahr vielleicht ein Album,

aber ich glaube das ist gar nicht

so wichtig. Jetzt hat erstmal Priorität,

dass die Songs rausgehen,

dass ich zeigen kann, hier kommt

neues und vor allem vielseitiges

Material. Bisher klingt ja auch

jedes Lied irgendwie anders und

vielleicht sagt irgendwann mal

jemand: Wenn du die jetzt alle

auf ein Album packst, das kann

sich doch keiner von vorne bis

hinten anhören! Aber dann sag

ich: Musst du ja nicht – ich hab

einfach Bock auf diesen Stilcocktail

und den will ich zelebrieren.

Aber das wichtigste für

die Zukunft ist natürlich: sobald

wieder gespielt werden darf, wird

gespielt. Das ist das größte Versprechen,

was ich gerade machen

kann, glaube ich.

Kultur Joker: Danke für das

Gespräch!

Die aktuelle Single Zigaretten

von Dominik Faitsch erschien am

05.03.2021 auf allen bekannten

Streamingdiensten.

Weitere Infos:

www.dominikfaitsch.com

www.faitschmusik.bandcamp.

com

www.instagram.com/faitschmusik


Musik KULTUR JOKER 37

Voice Event. Der Freiburger Jugendchor

Möglichkeiten und Chancen in Zeiten der Pandemie nutzen

Alle Chöre können davon „ein

Lied singen“: Der erste Lockdown

traf uns wie vom Schlag:

Der Chor war in keiner Weise

organisatorisch oder technisch

darauf vorbereitet. Ein Jugendchor

ohne Proben fällt auseinander.

Deshalb musste es mit

regelmäßigen Treffen irgendwie

weitergehen.

Der Chor startete nahtlos mit

Proben über Zoom. Diese Onlineproben

stellen jede Musikgruppe

vor das Problem, dass

ein gemeinsames und gleichzeitiges

Musizieren durch die

Zeitverzögerungen zwischen

den Teilnehmenden nicht möglich

ist. Somit stellten sich alle

Sänger*innen auf stumm und

hörten nur auf den Chorleiter.

Das gemeinsame Singen und

sich gegenseitig besser hören

können fiel komplett weg. Glück

im Unglück: dank eines anstehenden

Generationenwechsels

gibt es zur Zeit zwei Chorleiter,

den Chorgründer Christian

Geugelin und seinen Nachfolger

Sebastian Oberlin. Die Chorleiter

probten parallel in verschiedenen

Onlinegruppen. Anschließend

teilten sie den Chor

in zahlreiche Einzelstimmgruppen

ein, die fortgeschrittene

Sänger*innen leiteten.

Schon bald kam der Gedanke

auf, die Stärke der

Sänger*innen, ihre guten und

sicheren Stimmen, mit dem

„Allein-Singen-müssen“ zu

kombinieren – es entstanden in

zwei Monaten gleich vier virtuelle

Chorvideos. Die Videos

wurden mit der Onlineplattform

der Stadt verlinkt, unter „#freiburghältzusammen“,

ebenfalls

auf der Homepage und YouTube

abrufbar.

Ab Juni 2020 probte der Chor

dann auf dem Schulhof im Freien.

Die große Frage war nun,

wie mangels Auftrittsmöglichkeiten

Nachwuchssänger*innen

zum neuen Schuljahr gefunden

werden konnten. Dank einer

Werbekampagne stießen einige

Zöglinge hinzu. Der Chor mietete

einen Saal an, um Corona

konform die Proben weiterführen

zu können.

Erneut Online-Proben!

Der Nachwuchs sollte trotz Online-Proben

wie gewohnt ausgebildet,

zudem ein Konzertprogramm

vorbereitet werden. Die

Chorleiter stiegen von Zoom auf

Proben mit Jamulus um. Um

dies erfolgreich umzusetzen,

mussten alle Teilnehmer*innen

mit einem technischen Mindeststandard

ausgestattet werden,

mit LAN-Kabel und USB-Mikrofon.

Mit Jamulus kann der

Chor tatsächlich musizieren: die

Sänger hören sich gleichzeitig

und der Klang ist besser.

Ein kürzlich für Voice Event

geschriebenes Arrangement soll

als Videoclip gedreht werden.

Die Planungen hierfür sind in

vollem Gange. Der Chor arbeitet

auch auf sein großes Jahreskonzert

am 24. Oktober 2021

hin und hat weitere Events in

petto.

Raumklang zusammengedacht

Das Sinfonieorchester Basel in der Fondation Beyeler

Eine Kollaboration zweier

Größen des Basler Kulturlebens

ereignete sich im März. Das

Sinfonieorchester Basel und

die Fondation Beyeler kamen

für eine besondere Online-Veranstaltung

zusammen. In der

aktuellen Ausstellung „Rodin/

Arp“ spielten Mitglieder*innen

des Sinfonieorchesters Werke

von Bach, Bridge, Britten und

Saint-Saëns. Das Konzertvideo

von 30 Minuten Länge ist online

abrufbar und Teil des neuen

digitalen Formats „Sound of

Sculpture“, das sich den wechselseitigen

Beziehungen von

Raum, Skulptur und Musik

widmet. Hier treffen Museum

und Orchester aufeinander.

Passend dazu wird auch im

Video zum Konzert verschiedenen

Zugängen Raum gegeben.

Im Anschluss an die Musikstücke,

die den virtuellen

Gang durch die Museumsräume

begleiten, folgt ein Gespräch

zwischen dem Kurator der „Rodin/Arp“-Ausstellung,

Raphaël

Bouvier, und dem Künstlerischen

Direktor des Sinfonieorchesters

Basel, Hans-Georg

Hofmann. Hofmann sieht in der

Begegnung der Künste eine faszinierende

synästhetische Wirkung:

„Die Begegnung von Rodins

Der Kuss mit dem Lament

für zwei Bratschen von Frank

Bridge hat in einer Zeit, in der

man sich nur eingeschränkt

berühren kann, eine besondere

Spannung.“

Wer neugierig geworden ist

und selbst eine Begegnung mit

Rodins Werk wünscht, kann die

Ausstellung noch bis zum 16.

Mai besuchen. Hier trifft der

große Erneuerer der Bildhauerei

des späten 19. Jahrhunderts,

Auguste Rodin, auf den einflussreichen

Abstrakten des 20.

Jahrhunderts, Hans Arp. Eine

wuchtige Begegnung zweier

Experimentatoren, die ihre Zeit

enorm prägten.

Öffnungszeiten der Fondation

Beyeler täglich, 10–18 Uhr,

mittwochs bis 20 Uhr. Online-

Tickets mit Zeitslot sind unter

www.fondationbeyeler.ch/tickets

erhältlich.

Das Video zu den „Sound

Sculptures“ ist online abrufbar:

www.fondationbeyeler.ch/

digitale-kunsterlebnisse

Auch wenn die wöchentliche

Chorprobe natürlich schöner

wäre Voice Event hat es geschafft

sich den Gegebenheiten

bestmöglich anzupassen. Mit

einem riesigen Engagement

und viel positiver Einstellung

der Sänger*innen und der Chorleiter

ist diese schwierige Zeit

gemeistert worden. Alle hoffen

natürlich auf ein baldiges Wiedersehen

und – hören!

Der Freiburger A-Capella-Jugendchor Voice Event mit Fokus

auf Pop und Jazz-Arrangements wurde 1998 gegründet. Die

Mitglieder sind Schüler*innen aus Freiburg und Umgebung

ab 13 Jahren. Sie werden sängerisch und chorisch ausgebildet.

Der Chor wurde schon nach wenigen Jahren deutschlandweit

bekannt durch Erfolge in Wettbewerben und zahlreiche

Konzertreisen. Berühmte Chorcoaches wie Eric Sohn

(Wise Guys), Roger Treece (Partner von Bobby McFerrin)

und der Real Group haben mit Voice Event gearbeitet.

www.voiceevent.de

Musik zum Gottesdienst

Das Bezirkskantorat Emmendingen

Das Bezirkskantorat Emmendingen

wartet mit zwei

Veranstaltungen klassischer

Musik auf. Am 25. April, 17

Uhr wird in der Evangelischen

Stadtkirche Emmendingen

gottesdienstliche Abendmusik

zu hören sein. Margret Görner

spielt Flötenmusik von Barock

bis Modern. Begleitet wird sie

von Bezirkskantor Jörn Bartels

an der Orgel.

Am 2. April, 17 Uhr, Karfreitag,

wird in der Stadtkirche

die Violinsonate a-moll (solo)

von Johann Sebastian Bach zu

hören sein. Das trauerschwere

und doch filigran gefasste

Stück schafft nicht zuletzt

einen hoffnungsstarken Ausblick.

Neben der Musik erfolgt

ein Gottesdienst. Das Stück

wird im Rahmen der „Musica

Crucis“ aufgeführt. Es spielt

Ines Then-Bergh in Begleitung

von Jörn Bartels.

Ines Then-Bergh

Foto: Morten Kjaer

Foto: promo

Nora Kamm ist Saxophonistin

mit afrikanischen Einflüssen.

Zuvor kam sie jedoch

auch mit verschiedenen anderen

Musikkulturen in Kontakt,

spielte etwa in einem deutschbrasilianisch-französischen

Trio. Mit ihrer neuen Band

TRIBA hat sie im Januar ein

neues Album aufgenommen,

das sich der afrikanischen Musik

nähert. Ein Fokus liegt dabei

auf perkussiven Elementen.

Saxophonic Worldviews

Nora Kamm im E-Werk

Ihr Sound bleibt

darüber hinaus

so eingängig wie

groovig. Für das

Format „Klangformator“

wird

Nora Kamm am

14. April, 20 Uhr

ins E-Werk Freiburg

kommen,

wenn die Corona-Maßnahmen

dies erlauben.

Foto: Renaud Alouche


38 KULTUR JOKER veranstaltungen

Politanalyse im Livestream Freiburg

Antisemitismus hat weltweit

Aufwind erhalten. Nicht zuletzt

ein Erbe der Trump-Ära. Der

jüdisch-amerikanische Milliadär

George Soros gilt dabei oft

als Zielscheibe antisemitischer

Hetze. Emily Tamkin, die bereits

über den Geschäftsmann

geschrieben hat, kommt mit ihrem

(auf Englisch gehaltenen)

Vortrag „The Influence of Soros

& Future Of Jewish America“

am 20. April, 19 Uhr ins Carl-

Schurz-Haus. Am 27. April,

19.15 Uhr hält Prof. Dr. Heinz

Bude dort den Vortrag „Wut,

Schmerzhafte Einblicke

Freiburg

Cie LaPerformance stellen

ein umfassendes Thema in

den Vordergrund ihrer neuen

Performance „Zerbrechlichkeit

und andere Geschichten“.

Der zweite Teil der Trilogie

„Obeying Life“ führt den Fokus

von den übergeordneten

Strukturen der Gesellschaft

zum einzelnen Menschen

und seiner Sehnsucht nach

zwischenmenschlicher Resonanz.

Auf der Bühne zu sehen

sind verschiedene Kammern,

die Einblick in unterschiedliche

Bereiche des Lebens ermöglichen.

Erinnerungen an

Kindheit, Jugend und Alter

geben Momentaufnahmen oft

schmerzlicher Intimität. Premiere:

24. April, 19 Uhr im E-

Werk. Weitere Aufführungen:

25.04., 18 Uhr sowie 29.04.–

01.05., jew. 19 Uhr.

Tanz die Alternative Freiburg

„My Blue Is Your Green“ des

Performancekollektivs VAYA

Art of Human Movement

stellt die alles entscheidende

Frage nach der Perspektive.

Viele Konflikte entbrennen

doch gerade deshalb, weil eine

Partei glaubt, im Besitz einer

Wahrheit zu sein, die auch eine

andere für sich beansprucht.

VAYA stellen dem eine Alternative

entgegen: Was wenn

wir von der absoluten Erkenntnis

ließen und fehlbar werden?

Mit akrobatischen Elementen,

eigens komponierten Sounds,

Herausgeber:

Art Media Verlagsgesellschaft mbH

Auerstr. 2 • 79108 Freiburg

Redaktionsleitung (V.i.S.d.P.):

Christel Jockers

Redaktion:

Cornelia Frenkel

Peter Frömmig

Annette Hoffmann

Marion Klötzer

Erich Krieger

Nike Luber

Fabian Lutz

Georg Rudiger

Claus Weissbarth

Friederike Zimmermann

u.a.

Terminredaktion:

Elisabeth Jockers

Verzweiflung & Revolte: Über

die Macht von Stimmungen

in der Gesellschaft“. Gerade

die enormen Folgen populistischer

Hetze halten uns dazu

an, darüber nachzudenken, wie

Politik und Gesellschaft heute

zueinander stehen. Soziologe

Heinz Bude hat gesellschaftliche

Stimmungen analysiert

und wagt einen internationalen

Rundumblick. Beide Veranstaltungen

sind online über

die Website des Carl-Schurz-

Hauses abrufbar.

visuellen Effekten und Illusionen

gibt die Performance

einen Anblick, der gewohnte

Wahrnehmungsmuster zu

erschüttern weiß. Premiere:

29. April, 20 Uhr im E-Werk.

Weitere Termine:

30.04.–

02.05., jew.

20 Uhr.

Layout/Satz:

Art Media Verlag

Telefon: 0761 / 72072

E-mail: grafik@kulturjoker.de

redaktion@kulturjoker.de

Anzeigen/Telefon:

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GmbH & Co. KG, Ludwigshafen

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Anzeigen und Artikel liegt beim Verlag.

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schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte,

Fotos, Vorlagen und für Programmhinweise

kann keine Garantie übernommen werden,

sie sind aber herzlich willkommen.

Freiburgs dunkle Kapitel

Das iz3w unterzieht die Freiburger Stadtgeschichte einer kritischen

Das Freiburger Stadtjubiläum

klingt zunächst nach großer

Festlichkeit. Doch das muss

und sollte es nicht in jedem Fall

sein. Mit der Veranstaltungsreihe

„War da was? Freiburger

Geschichte ungeschönt“ setzt

sich das Informationszentrum

3. Welt (iz3w) kritisch mit

Themen wie Rassismus, Kolonialismus

und der NS-Zeit

auseinander – Themen, die alle

mit der Geschichte Freiburgs

zusammenhängen.

Aufgrund der weiterhin

vorherrschenden

Pandemie-Lage sind die

meisten Formate digital

abrufbar. Die Veranstaltungen

konnten 2020

nicht stattfinden und

sind daher auf dieses

Jahr verlegt.

Los geht es am 19.

April, 20 Uhr mit einem

Vortrag zum Thema Erinnerungskultur.

Auch

in Freiburg ein hitzig

debattiertes Thema, wie

etwa die Diskussionen

um den Platz der Alten

Synagoge belegen. Vor

dem Hintergrund der

Planung eines NS-Dokumentationszentrums

Rebecca Mary Narum ist

Choreografin und Performerin

mit einer eigenen, kraftvollen

Perspektive. Ihr neues Tanzstück

„The Doll in Her Pocket“

nimmt sich die Stereotypen von

Weiblichkeit vor und

hinterfragt sie auf intensive

Weise.

Rebecca Mary Narum

ist nicht nur im Bereich

Tanz aktiv, sondern hat

auch einen Bachelor in

Kulturanthropologie

inne. Entsprechend wissend

führt ihre Choreografie

in unterschiedliche

Kulturen von Weiblichkeit.

Nicht selten erscheint

Weiblichkeit dabei

als vom männlichen

Blick bestimmt und so

sind es auch in „The Doll

in Her Pocket“ viele Klischees,

denen wir begegnen.

Doch Narum weiß,

wie man diese überspitzt

und damit zum Problem

macht, dem wir uns alle

annehmen müssen. Provokant

wird dies vor

allem dann, wenn wir

widmet sich iz3w-Redakteurin

Larissa Schober einer genauen

Betrachtung des Konzepts. Der

Vortrag wird voraussichtlich

online aus dem ArTik übertragen.

In Kooperation mit der Israelitischen

Gemeinde Freiburg

folgt am 6. Mai, 20 Uhr ein Vortrag

des Historikers Heinrich

Schwendemann zur jüdischen

Geschichte in Freiburg. Dabei

Schädel-Collage

Betrachtung

Foto: iz3w

nicht nur nach weiblichen Negativbildern,

sondern eben gerade

nach weiblicher Stärke fragen,

wie es auch Narum in ihrem

Stück tut. Brauchen wir dafür

Klischeebilder oder können wir

wird deutlich, dass Jüd*innen

in Freiburg nicht nur zur Zeit

des Nationalsozialismus Verfolgung

und Diskriminierung

erlitten. Von 1424 bis 1862 etwa

durften Jüd*innen in Freiburg

keinen Wohnsitz nehmen.

Weitere Veranstaltungen sind

bis zum 24. Juni je nach Pandemielage

online oder in physischer

Begegnung ge-plant.

Darunter eine stadtgeschichtliche

Erkundungstour zu

vergessenen Orten der

Stadt (11. Mai, 17 Uhr),

ein Vortrag zur deutschen

Rassenkunde an

der Freiburger Universität

(17. Mai, 20 Uhr) und

ein Vortrag zu Freiburger

Denkmälern und ihrer

Geschichte (24. Juni, 20

Uhr). Bei allen Veranstaltungen

wird immer wieder

und in aller Dringlichkeit

deutlich, wie weit die

Freiburger Geschichte bis

in unsere Freiburger Gegenwart

reicht und welche

Folgen das für unsere heutige

Gesellschaft hat. Zeit

also, über Freiburgs dunkle

Kapitel zu diskutieren!

Weitere Infos: www.iz3w.org

Tanz die Weiblichkeit

„The Doll in Her Pocket“ erkundet Weiblichkeit in all ihren Klischees

und Facetten

das Konzept auch offener und

umfassender denken?

Rebecca Mary Narum zeigt

in ihren Bewegungen und Darstellungen,

was heute möglich

ist, möglich sein kann und wo

die Schwierigkeiten

liegen. Inspiriert

von Geschichten wie

etwa „Frau Einstein“,

„Die Wolfsfrau“ oder

„The Bell Jar“ sowie

von Gesprächen

mit verschiedenen

Menschen und deren

Hintergründen öffnet

Narum einen Begegnungsraum,

der wagt,

fordert und nicht alles

zu beantworten sucht.

Am Ende steht Rebecca

Mary Narums

Gedanke: In uns allen

ist etwas Weibliches.

Onlinepremiere:

16. April, 20

Uhr, Live-Stream:

www.infreiburgzuhause.de

Foto: Jürgen Gocke


VERANSTALTUNGEN KULTUR JOKER 39

LABORMANIFEST#12 – PART ONE

Die freien Tanzszenen Freiburg, Basel und Straßbourg vernetzen sich im Dreiländereck

Treue Blutspender*innen trotz Pandemie

Die Blutspendezentrale am Universitätsklinikums Freiburg ist dankbar für die große Solidarität der Spender*innen

Wie überall herrschen auch

in der Blutspendezentrale des

Universitätsklinikums Freiburg

seit einem Jahr besondere

Umstände. Es bleibt eine Herausforderung

unter den aktuellen

Auflagen einen reibungslosen

Ablauf und möglichst

angenehmen Aufenthalt zu

ermöglichen. Und insbesondere

in Zeiten von Corona ist die

Blutspendezentrale auf treue,

aber auch neue Spender*innen

angewiesen. „Wir sind unseren

Spender*innen sehr dankbar,

dass sie uns auch unter erschwerten

Bedingungen unterstützen“,

sagt Dr. Markus

Umhau, Ärztlicher Leiter der

Blutspendezentrale am Universitätsklinikum

Freiburg.

Insgesamt sei die Stimmung

zuversichtlich und geprägt von

Solidarität. „In einer Umfrage

unter unseren Spender*innen

haben wir für das vergangene

Jahr ein überwältigend positives

Feedback erhalten.“

Blutspenden werden das ganze

Jahr über dringend benötigt,

beispielsweise nach schweren

Unfällen. In der Blutspendezentrale

des Universitätsklinikums

Freiburg gelten strenge

Hygiene- und Abstandsregelungen

sowie Einlasskontrollen,

damit sicher gespendet

werden kann. Nach einem

Spendeneinbruch zu Beginn

der Corona-Pandemie hatten

sich die Zahlen im Verlauf

des vergangenen Jahres stabilisiert.

„Trotz Corona konnten

wir 29.000 Vollblut-Spenden

zählen. Es ist toll, dass sich

die Spender*innen so schnell

auf die neuen Bedingungen

eingelassen und uns die Treue

gehalten haben“, so Umhau.

Jährlich sorgen etwa 16.000

Menschen aus Freiburg und der

Region dafür, dass rund 12.000

Patient*innen mit Krebserkrankungen

oder bei großen

Operationen sicher mit Blut

versorgt werden können.

Blutspenden sicher möglich

Blutspenden können am

Universitätsklinikum Freiburg

mit und ohne Termin erfolgen.

Bei jeder Blutspende werden

der Personalausweis und nach

Möglichkeit der Impfpass benötigt.

Spender*innen müssen

zwischen 18 und 72 Jahre alt

sein (Erstspender*innen bis

Die diskursive Plattform von

tanznetz|freiburg LABOR-

MANIFEST#12 initiiert die

Vernetzung zwischen den freien

professionellen Tanzszenen

Basel (CH), Straßbourg (F)

und Freiburg i. Breisgau (D).

Das Triangle Meeting sollte

im ROXY Birsfelden im März

in Basel 2021 stattfinden. Aufgrund

der pandemiebedingten

Theaterschließung haben sich

die Organisator*innen entschieden

das Treffen in zwei

Teile aufzuteilen.

PART ONE fand als Auftakt

des Triangle Meetings vom

25.03. – 28.03.2021 in Form

von vier moderierten Vorträgen

und Labs im digitalen

Raum statt. Übergreifendes

Ziel ist es, Berührungspunkte

zu schaffen, sich gegenseitig

besser kennenzulernen und

kreativen Treibstoff zu generieren.

Dies gibt dann die

Grundlage für PART TWO,

der dann vom 9. bis 12. September

2021 im ROXY Birsfelden

in Basel mit einem

umfangreicheren Programm

stattfinden soll.

Das Vernetzungstreffen der

Ausgabe #12 wird vom Tanzbüro

Basel in Koproduktion

mit Roxy Birsfelden und

tanznetz|freiburg und in Zusammenarbeit

mit Pole Sud,

CDCN Strasbourg durchgeführt.

Die Umsetzung und

inhaltliche Konzeption übernehmen

die Tänzerinnen und

Choreografinnen Johanna

Heusser (Basel), Zina Vaessen

(Freiburg/Basel) und Jasminka

Stenz (Basel/Freiburg).

Das Labormanifest ist seit

2015 eine wichtige Plattform

der freien Tanzszene in Freiburg

– ein Freiraum. Jede Ausgabe

eröffnet eine diskursive

und performative Plattform,

einen Raum für Reflexion, Vision

und Weiterentwicklung,

für Recherche und strukturelle

Fragen. Das Format lebt

von seinem kollektiven Geist.

Das Credo lautet: „Wir lernen

miteinander und voneinander“.

Die einzelnen Ausgaben

werden jeweils mit einem

spezifischen thematischen

Schwerpunkt von Tanzprofis

eigenständig organisiert. In

Ausgabe #11 war bereits die

Basler Tanzszene im Freiburger

SÜDUFER zu Gast. Eine

fruchtbare Woche in der sich

herausstellte, dass die Vernetzung

im Dreiländereck unglaublich

viel Potenzial für die

Tanzlandschaft birgt, welches

bislang ungenutzt blieb.

Die freie Tanzszene Freiburgs

erhält seit 2018 durch

die bundesweite Förderung

Tanzpakt Stadt-Land-Bund

Aufwind. Nachhaltige Strukturen

wurden entwickelt und

in diversen Qualifizierungsund

Produktionsangeboten

durchgeführt. Die Tanzstadt

Freiburg konnte seitdem

überregional ihre Wahrnehmung

wieder verstärken. Das

tanznetz|freiburg ist in Kooperation

mit dem Kulturamt

Freiburg und dem E-WERK

Freiburg Antragsteller und seit

2018 für die Umsetzung der

Formate zuständig. Damit die

Triebe der Aufbauarbeit der

letzten Jahre sich weiter im

Boden verankern können, um

nachhaltig Blüten zu tragen,

wird bereits am Fortschreibungsantrag

für die nächste

TANZPAKT Runde gearbeitet.

Weitere Infos unter:

Tanzbüro Basel

www.tanzbuero-basel.ch/

tanznetz-freiburg.de

www.tanznetz-freiburg.de/

labormanifest/

ROXY Basel

www.theater-roxy.ch/

Pole-Sud CDCN

www.pole-sud.fr/

64 Jahre). Männer können alle

8 Wochen, Frauen alle 12 Wochen

zur Blutspende kommen.

Ausführliche Informationen,

Terminspende und

Symbolische Vernetzung im Dreiländereck

Foto: Johanna Heusser

Kreativer Austausch der Tänzer*innen

Foto: Jennifer Rohrbacher, tanznetz|freiburg

Spender*innenfragebogen unter:

www.blutspende-uniklinik.de

Öffnungszeiten

Blutspendezentrale

Montag und Dienstag | 8 Uhr bis

15 Uhr, Mittwoch und Donnerstag

| 12 Uhr bis 19 Uhr

Freitag und Samstag | 8 Uhr bis

13 Uhr

Auch in schwierigen Zeiten bleibt das Team der Blutspendezentrale am Universitätsklinikum

Freiburg positiv

Foto: Universitätsklinikum Freiburg


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