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Gut Aiderbichl Magazin: Sommer 2019

Endlich Gras unter den Pfoten spüren. Jedes Jahr freuen sich unsere Tiere schon ganz besonders auf den Sommer.

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Tierretter im Einsatz<br />

„<br />

Zehn Minuten?“ Biancas<br />

Stimme wird merklich<br />

lauter. „Ist das Dein Ernst?<br />

Du machst mich fertig!<br />

Wie sollen wir das denn hinbekommen?“<br />

Jetzt rennt sie mit dem Handy<br />

am Ohr durchs Büro und die Treppe<br />

runter. Eigentlich habe ich überhaupt<br />

keine Zeit, um mich mit irgendetwas<br />

anderem zu beschäftigen, als mit<br />

dem <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> <strong>Magazin</strong>. Genau<br />

genommen mit der Ausgabe, die<br />

gerade vor Ihnen liegt. In drei Tagen<br />

ist nämlich Abgabe. Trotzdem bin<br />

ich natürlich neugierig geworden.<br />

Als meine immer noch aufgebrachte<br />

Kollegin die Treppen<br />

wieder hochgeschossen<br />

kommt, frage ich nach.<br />

„Da soll in zehn Minuten<br />

oder einer viertel Stunde<br />

ein Hund eingeschläfert<br />

werden und wir sollen den<br />

jetzt nehmen“, schnauft sie.<br />

Es habe wohl einen Beißvorfall<br />

gegeben, in einem Ort<br />

bei Kufstein. „Wer hat denn<br />

Fünf vor zwölf<br />

Rettung in letzter Sekunde!?<br />

Manche Geschichten lesen sich nicht nur wie ein Krimi, sie fühlen sich auch so an.<br />

Sie nehmen einen gefangen, lassen einen nicht mehr los. Vor allem,<br />

wenn sie so tragisch ist, wie die Geschichte von dem wunderschönen Rüden Milow<br />

überhaupt angerufen?“, frage ich.<br />

„Eine ehemalige Kollegin“, entgegnet<br />

Bianca, die schon wieder am Telefon<br />

hängt. In Gänserndorf hätte Milow,<br />

so heißt der sechsjährige American<br />

Staffordshire Terrier noch Platz.<br />

Aber auch nur, weil einen Tag später<br />

zwei Hunde aus Gänserndorf nach<br />

Henndorf umziehen werden.<br />

Unser Chef sitzt gerade in einer<br />

Baubesprechung. Er ruft aber sofort<br />

zurück. Aufgeregt erklärt sie Dieter<br />

Ehrengruber den Grund ihres Anrufs.<br />

Sofort stimmt er einer Aufnahme zu.<br />

Ich versuche mich auf meinen Text<br />

zu konzentrieren. So recht will das<br />

aber nicht gelingen. Man kann doch<br />

nicht wegen eines einzigen Vorfalls<br />

sofort den Hund euthanasieren, geht<br />

es mir durch den Kopf.<br />

Bianca hat nun die Telefonnummer<br />

von der Besitzerin<br />

bekommen und ruft bei ihr<br />

an. Diese ist sehr aufgeregt<br />

und möchte um<br />

das Leben von Milow<br />

kämpfen. Sie hat den<br />

Rüden von einer<br />

Tierschutzorganisation<br />

übernommen.<br />

Die hatte<br />

ihn wiederum aus<br />

einer spanischen<br />

Tötungsstation geholt.<br />

Oh nein, denke<br />

ich mir. Ich merke,<br />

Bianca Pöckl<br />

telefoniert gerade<br />

mit der Besitzerin<br />

von Milow,<br />

der kurz vor dem<br />

Telefonat von<br />

den Behörden<br />

beschlagnahmt<br />

wurde. Im Nachhinein<br />

stellte sich<br />

heraus, dass der<br />

Fall doch einige<br />

Fragen aufwirft<br />

wie mir die Geschichte schon jetzt an<br />

die Nieren geht. Vor einem Jahr habe<br />

ich mir in Spanien drei Tierheime, darunter<br />

auch eine Perrera angesehen.<br />

Also eine Tötungsstation. Ich weiß<br />

noch, wie entsetzt ich war, weil bestimmt<br />

ein Drittel aller Zwinger mit<br />

sogenannten Listenhunden besetzt<br />

war. Nicht nur, dass Hunderassen wie<br />

American Staffordshire Terrier oder<br />

Pitbull dort gerade in Mode sind.<br />

Milow stammt<br />

aus einer spanischen<br />

Tötungsstation<br />

In Spanien benötigen Halter dieser<br />

Rassen eine von der Stadt- oder<br />

Gemeindeverwaltung ausgestellte<br />

Lizenz. Dafür muss der Halter einen<br />

Versicherungsnachweis, ein polizeiliches<br />

Führungszeugnis sowie ein<br />

psychologisches <strong>Gut</strong>achten vorlegen.<br />

Das macht aber kaum jemand und so<br />

landen viele dieser Hunde im Tierheim<br />

oder einer Perrera.<br />

Biancas Gesichtsausdruck entspannt<br />

sich ein wenig. Die Besitzerin erklärt,<br />

dass Milow jetzt abgeholt wird und<br />

im Laufe des Tages eingeschläfert<br />

werden soll. Also haben wir doch<br />

noch eine Chance, ihn aus dieser<br />

Sackgasse herauszubekommen.<br />

An dieser Stelle möchte ich jetzt<br />

schon Entwarnung geben. Nur 24<br />

Stunden nachdem wir das erste Mal<br />

etwas vom Schicksal des Hundes erfahren<br />

haben, sitzt er bereits in einer<br />

gesicherten Box in einem unserer<br />

Fahrzeuge und ist auf dem Weg nach<br />

<strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> Gänserndorf. Die<br />

Gemeinde hat uns relativ schnell<br />

zugesichert, dass wir den Hund<br />

übernehmen können. Allerdings darf<br />

er nicht mehr in die Öffentlichkeit<br />

integriert werden, heißt es. Milow<br />

ist nämlich schon aktenkundig und<br />

wurde von den Behörden als auffällig<br />

eingestuft. Die Besitzerin beschreibt<br />

den schwarzweißen Rüden als<br />

Angsthund. Auch die Mitarbeiter des<br />

Tierheims, in dem Milow eine Nacht<br />

verbringen musste, sprechen von<br />

einem sehr ängstlichen und vollkommen<br />

verunsicherten Hund.<br />

Bianca und ich sehen uns die Fotos<br />

an, die Milows Besitzerin uns geschickt<br />

hat. Ein sehr hübscher und<br />

verspielter Kerl blickt uns von den<br />

Bildern entgegen. Inzwischen haben<br />

die Behörden die vorliegenden Bescheide<br />

und auch ein <strong>Gut</strong>achten geschickt.<br />

Tatsächlich gab<br />

es bisher lediglich<br />

einen Abnahmebescheid.<br />

Der<br />

Hund befand<br />

Unser Neuzugang untersucht seine neue Umgebung. Pflegerin Martina Ruzicska<br />

und Milow waren sofort ein Herz und eine Seele<br />

Milow am<br />

nächsten Tag auf<br />

<strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong><br />

Gänserndorf.<br />

Bisher erweckt<br />

er den Eindruck,<br />

einfach nur ein<br />

ganz normaler<br />

Hund zu sein<br />

sich zum Zeitpunkt der Übernahme<br />

durch <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> also offiziell im<br />

Besitz der Gemeinde. Aber ich denke,<br />

die Prognose für diesen Hund mit der<br />

Vorgeschichte spricht nicht für ein<br />

langes Leben. Halt, ich muss mich<br />

korrigieren. Die Prognose sprach<br />

nicht für ein langes Leben. Jetzt ist er<br />

ja in unserer Obhut.<br />

Was ist bei dieser<br />

Geschichte nur alles<br />

schiefgelaufen<br />

Gerade hat Bianca mit Hundepflegerin<br />

Martina gesprochen. Milow<br />

hat seine erste Nacht in Gänserndorf<br />

verbracht und diese auch sehr gut<br />

überstanden. Martina erzählt, Milow<br />

habe sie begrüßt, als wären sie schon<br />

ewig Freunde. Von Aggressionen<br />

bisher keine Spur. Dabei liest sich das<br />

<strong>Gut</strong>achten und alles andere, was uns<br />

die Behörden da geschickt haben,<br />

wie die Akte eines Schwerverbrechers.<br />

Irgendwie tut mir<br />

der Hund leid. Er hat einfach<br />

die falsche Rasse. Und wie wir<br />

heute erfahren haben, war der<br />

in den Medien aufgebauschte<br />

Beißvorfall eher eine Bagatelle.<br />

Was ist da nur alles schiefgelaufen,<br />

frage ich mich. Ein Hund kommt<br />

nie böse oder aggressiv zur Welt.<br />

Das muss ich an dieser Stelle wohl<br />

nicht extra erwähnen. Wir werden<br />

jedenfalls alles dafür tun, Milow ein<br />

schönes Leben zu bieten. Der Schlüssel<br />

dazu heißt Liebe und Vertrauen.<br />

Natürlich gepaart mit einer großen<br />

Portion Fachkenntnis und Umsicht.<br />

Ulrike Ulmann<br />

22 <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong><br />

<strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> 23

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