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Die - Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer

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Fokus Fokus<br />

Abfallwirtschaft<br />

Graugrüne Energie<br />

aus Müll<br />

In den <strong>Industrie</strong>ländern muss<br />

immer mehr Müll entsorgt werden,<br />

zugleich wird Energie immer knapper<br />

<strong>und</strong> teurer. <strong>Die</strong> Verbrennung<br />

von Müll zur Energiegewinnung<br />

würde beide Probleme gleichzeitig<br />

lösen. Alternative Verfahren, die<br />

in Kraft- oder auch Zementwerken<br />

nichtregenerative Energieträger<br />

wie Kohle oder Öl durch Altreifen,<br />

Klärschlamm oder Produktionsreste<br />

ersetzen, sind deshalb auch in<br />

Ungarn zunehmend gefragt.<br />

Im Juni dieses Jahres hat die EU in<br />

ihrer neuen Abfallrahmenrichtlinie die<br />

Verbrennung von Abfällen zur Energiegewinnung<br />

als Verwertungsverfahren<br />

anerkannt. Schätzungen zufolge erreichen<br />

heute 60-70% aller Verbrennungsanlagen<br />

die dafür notwendige Energieeffizienz.<br />

Müllverbrennung gilt mit der neuen<br />

Richtlinie nun nicht länger als bloße<br />

Abfallbeseitigung.<br />

Während unbehandelte Siedlungsabfälle<br />

schon seit Jahrzehnten in konventionellen<br />

Müllverbrennungsanlagen (MVA)<br />

verbrannt werden, wurden in jüngster<br />

Vergangenheit verschiedene, mehrstufige<br />

mechanisch-biologische Verfahren entwickelt,<br />

die Siedlungsabfälle in hochkalorische<br />

Ersatzbrennstoffe verwandeln.<br />

Durch die Aufbereitung kann der Heizwert<br />

des Siedlungsabfalls fast verdoppelt<br />

werden <strong>und</strong> entspricht mit 11-14<br />

MJ/kg etwa dem von Braunkohle. <strong>Die</strong>ser<br />

„Brennstoff aus Müll“ (BRAM) lässt<br />

sich damit in speziellen Ersatzbrennstoff-<br />

Kraftwerken, aber auch in Kohlekraftwerken<br />

zusammen mit den Hauptenergieträgern<br />

oder bei der Energiegewinnung für<br />

die Zementproduktion einsetzen.<br />

Zusammensetzung von Ersatzbrennstoffen<br />

sonstige fossile Energieträger<br />

(Textilien, Gummi, Verb<strong>und</strong>e, etc.)<br />

25 %<br />

Kunststoffe<br />

9 %<br />

Quelle: Oldhafer/Depta/Wünsch: Kraftwerke zur Ersatzbrennstoffverwertung<br />

Wie gut brennt Müll?<br />

In Kraftwerken <strong>und</strong> Zementwerken können Abfälle als Brennstoff die nichtregenerativen<br />

Energieträger Kohle oder Öl ersetzen. Welche Anlagen für welche Materialen geeignet<br />

sind, ergibt sich aus den Eigenschaften des zu verbrennenden „Ersatzbrennstoffes“ (EBS).<br />

Gewerbeabfälle, wie Kunststoffe, Papier, Textil- <strong>und</strong> Faserabfälle oder industrieller<br />

Klärschlamm, Tiermehl, Altholz oder Altöle sind aufgr<strong>und</strong> ihrer homogenen Zusammensetzung<br />

<strong>und</strong> sortenreinen Erfassung besonders gut als Ersatzbrennstoff geeignet. Charakteristisch<br />

ist ihr hoher Kohlenwasserstoff- <strong>und</strong> damit Energiegehalt. Ihr Einsatz in Kraftwerken<br />

ist ohne größere Aufbereitung möglich.<br />

Bei Siedlungsabfällen hingegen sind zunächst Vorbehandlungen notwendig, bevor<br />

sie als Ersatzbrennstoffe konventionelle Energieträger ersetzen können. Siedlungsabfall<br />

meint den Hausmüll, der in jedem Haushalt anfällt, deswegen inhomogener ist <strong>und</strong> einen<br />

hohen Wassergehalt von 25-30% besitzt. Ohne Vorbehandlung kommen Siedlungsabfälle<br />

auf einen Heizwert von lediglich 6-8 MJ/kg <strong>und</strong> taugen so kaum zum Ersatz herkömmlicher<br />

Energiequellen. Zum Vergleich: Steinkohle besitzt einen vier bis fünf Mal so hohen<br />

Heizwert (27-33 MJ/kg).<br />

<strong>Deutsch</strong>land - beispielhafte<br />

Müllvorbehandlung zur<br />

Ersatzbrennstoffgewinnung<br />

In <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> Österreich wird die<br />

mechanisch-biologische Vorbehandlung<br />

von Hausmüll schon seit mehreren Jahren<br />

praktiziert, denn in diesen Ländern<br />

darf aufgr<strong>und</strong> der Deponierungsverbote<br />

von 2005 bzw. 2004 kein unbehandelter<br />

Müll mehr abgelagert werden, sondern<br />

lediglich Müllverbrennungsreste oder<br />

eben mechanisch-biologisch aufbereiteter<br />

Müll. In <strong>Deutsch</strong>land gibt es bereits<br />

60, in Österreich 17 solcher Anlagen mit<br />

Stör-/Inertstoffe<br />

(Steine, Glas, Metall)<br />

1%<br />

nachwachsende<br />

Energieträger (Pappe/Papier,<br />

Textilien, Holz, Organik)<br />

65%<br />

einer Gesamtkapazität von 6,4 Mio. bzw.<br />

686000 t/Jahr. Außerdem haben derartige<br />

(Vor-) Behandlungsanlagen (MBA) unter<br />

der Bevölkerung eine wesentlich höhere<br />

Akzeptanz als herkömmliche Müllverbrennungsanlagen,<br />

<strong>und</strong> sie gelten als<br />

umweltfre<strong>und</strong>licher, weil beispielsweise<br />

auch die Einrichtung einer Rauchgasreinigung<br />

entfällt.<br />

Ungarn – Importland für<br />

Ersatzbrennstoffe aus BRAM<br />

Auch in Ungarn ist die Ersatzbrennstoffverbrennung<br />

seit ein paar Jahren nicht mehr<br />

unbekannt. Altöl, Kunststoffverpackungen<br />

oder Altreifen werden schon seit Jahren in<br />

den vier ungarischen Zementwerken eingesetzt.<br />

Beispielsweise bei Büchl Hungária<br />

Wie funktioniert Mechanisch-biologische Müllbehandlung?<br />

Ziel der mechanisch-biologischen Behandlungsverfahren ist, durch Vergärung <strong>und</strong> Verrottung<br />

den organischen Anteil des Abfalls zu minimieren. Das Material wird durch Zerkleinerung<br />

<strong>und</strong> Siebung auf Fein- <strong>und</strong> Grobfraktion getrennt. Magnetscheider sortieren<br />

die noch stofflich verwertbaren Metallteile aus. In der biologischen Phase wird der Abfall<br />

unter geregelter Sauerstoffzufuhr <strong>und</strong> Temperatur wochenlang anaerob gerottet <strong>und</strong> anaerob<br />

oder aerob vergärt bzw. getrocknet. So verliert der Stoff Wasser, die organische Fraktion<br />

wird biologisch abgebaut, der Abfall verdichtet sich. Danach entstehen durch komplexere<br />

Klassierung <strong>und</strong> Sortierung die Outputs: ofenfertiger, oft pelletierter Ersatzbrennstoff,<br />

Wertstoffe zur stofflichen Verwertung sowie ggf. Inertstoffe zur Deponie.<br />

Kft. in Győr erfolgt die Aufbereitung der<br />

Ölemulsionen <strong>und</strong> die Zerkleinerung der<br />

Kunststoffe. <strong>Die</strong> Verwendung von Ersatzbrennstoffen,<br />

die aus vorbehandeltem Müll<br />

gewonnen wurden (BRAM), ist aber bisher<br />

kaum verbreitet. Das Interesse steigt jedoch<br />

zunehmend, auch deshalb, weil aus Abfällen<br />

gewonnener Strom seit 2007 als „grüner<br />

Strom“ anerkannt wird. Dadurch besteht<br />

für die Stromversorger eine Abnahmepflicht<br />

für solchen Strom zu einem höheren<br />

Preis. Er liegt derzeit bei über 20Ft/kWh,<br />

gegenüber 12 Ft/kWh für Strom aus dem<br />

Kohlekraftwerk Visonta.<br />

Verwendung von Siedlungsabfällen in <strong>Deutsch</strong>land<br />

Bislang verfügt Ungarn nur über eine einzige<br />

mechanisch-biologische Vorbehandlungsanlage<br />

(MBA) für Brennstoff aus<br />

Müll (BRAM). Sie wurde 2005 wurde<br />

von der österreichischen Entsorgungsfirma<br />

A.S.A in Gyál mit einer Jahresleistung von<br />

10000-15000 Tonnen gebaut.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wird BRAM zur Verbrennung<br />

in Kraftwerken jedoch eher<br />

noch aus dem Ausland importiert, wo die<br />

Müllvorbehandlung schon weiter fortgeschritten<br />

ist.<br />

Auch die Kraftwerke in Pécs <strong>und</strong><br />

Ajka interessieren sich für den Einsatz<br />

von Ersatzbrennstoffen, das Kraftwerk<br />

Vértes hat schon eine Versuchsgenehmigung<br />

für 20.000 Tonnen. Förderlich für<br />

die Bereitschaft, Anlagen zur Müllvorbe-<br />

handlung zu errichten, wirkt wohl hier<br />

auch eine EU-Vorschrift, nach der der<br />

organische Anteil des deponierten Mülls<br />

bis 2014 auf 35% des Niveaus von 1995<br />

gesenkt werden soll.<br />

Deponieausbau <strong>und</strong> konventionelle<br />

Müllverbrennung<br />

Eine deutliche Zunahme der Kapazität von<br />

mechanisch-biologischen Vorbehandlungsanlagen<br />

in Ungarn ist allerdings eher fraglich<br />

– trotz der Vorteile für die Umwelt.<br />

Denn der u.a. mit EU-Mitteln geförderte<br />

Bau neuer Deponien konterkariert<br />

derartige Bemühungen zumindest teilweise.<br />

Noch immer wird die billigere Ablagerung<br />

gegenüber der Verbrennung bevorzugt.<br />

Und auch wenn sich die Recycling-<br />

quoten stetig erhöhen, wird der Bedarf<br />

an konventionellen Müllverbrennungsanlagen<br />

(MVA) vorerst nicht sinken – im<br />

Gegenteil. Dass die derzeit einzige MVA<br />

in Budapest (42.000 Tonnen/Jahr) nicht<br />

ausreichen wird, zeigt auch eine, für das<br />

Umweltministerium im letzten Jahr<br />

erstellte Studie, die langfristig von einer<br />

Steigerung der Siedlungsabfälle bis 2028<br />

um ca. 25% ausgeht.<br />

Demnach sind zwei neue Müllverbrennungsanlagen<br />

mit einer Kapazität<br />

von 150.000 t/Jahr sowie die „Mitverbrennung“<br />

von ca. 200.000 Tonnen Müll<br />

im Kraftwerk Visonta geplant. <strong>Die</strong> nationale<br />

„Siedlungsabfall-Strategie“ sieht vier<br />

weitere Müllverbrennungsanlagen vor (in<br />

Pécs, Várpalota, Kunszentmárton <strong>und</strong> zwischen<br />

Debrecen <strong>und</strong> Nyíregyháza).<br />

<strong>Die</strong> Studie des Ministeriums geht<br />

außerdem davon aus, dass an der Grenze<br />

zu Österreich in Heiligenkreuz die lange<br />

umstrittene Verbrennungsanlage mit<br />

einer Kapazität von 325.000 Tonnen<br />

doch errichtet wird. <strong>Die</strong>se hatte bislang<br />

heftigen Protest unter der ungarischen<br />

Bevölkerung ausgelöst <strong>und</strong> war selbst<br />

vom vorherigen Umweltminister Gábor<br />

Fodor kritisiert worden.<br />

Auch anderswo stoßen geplante Verbrennungsanlagen<br />

nicht selten auf den<br />

Widerstand von Bevölkerung oder Stadtverwaltung.<br />

In Várpalota z.B. hat das<br />

Oberinspektorat den Plan einer von der<br />

EU finanzierten Verbrennungsanlage im<br />

April dieses Jahres nach Widerstand der<br />

Stadtverwaltung auch in zweiter Instanz<br />

abgelehnt. Gründe für die Ablehnung<br />

sind neben fehlender Informationen<br />

auch Umweltschutzbedenken: Grünenorganisationen<br />

wie Humusz warnen,<br />

dass Rauchgas, das bei der Verbrennung<br />

entsteht, aufgr<strong>und</strong> seiner nicht geklärten<br />

Zusammensetzung <strong>und</strong> seines Schwermetallgehalts<br />

unterschätzte Ges<strong>und</strong>heitsrisiken<br />

bergen. Zudem sei deren langfristige<br />

Wirkung mit den derzeitigen EU-<br />

Grenzwerten nicht messbar. Statt sog.<br />

End-of-Pipe-Lösungen sollte der Fokus<br />

stärker auf eine nachhaltige Abfallpolitik<br />

gelegt werden: oberste Priorität sollte die<br />

Abfallvermeidung, stoffliche Verwertung<br />

<strong>und</strong> erhöhte Kompostierung sein.<br />

Daniel Kovács<br />

K o n t a K t<br />

Umweltberatung bei der DUIHK:<br />

Annamária HEGYI<br />

Tel.: +36 1 345 7625<br />

Fax: +36 1 345 7615<br />

E-Mail: hegyi(at)ahkungarn.hu<br />

10 2008 | 4 Wirtschaft in Ungarn Wirtschaft in Ungarn 2008 | 4 11<br />

Ablagerung<br />

11%<br />

Verbrennung<br />

28%<br />

Quelle: destatis<br />

stoffliche Verwertung<br />

61%

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