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Die - Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer

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Regenerative Energien<br />

Sauber – <strong>und</strong><br />

trotzdem profitabel<br />

<strong>Die</strong> Nutzung erneuerbarer Energien wird angesichts der jüngsten „Ölkrise“<br />

auch in Ungarn immer interessanter. Nicht nur internationale Klimaschutzverpflichtungen,<br />

sondern auch wirtschaftliche Chancen dürften dem Markt<br />

einen neuen Schub verleihen. Biogas <strong>und</strong> Biomasse verzeichnen schon jetzt<br />

kräftige Zuwachsraten, Ungarns gewaltige Ressourcen an Erdwärme sind<br />

dagegen erst ansatzweise erschlossen.<br />

Ungarns Energieversorgung ist<br />

massiv abhängig vom Weltmarkt:<br />

drei Viertel des Energieverbrauchs<br />

werden aus importierten Energieträgern<br />

gedeckt, vor allem aus Gas <strong>und</strong> Öl, aber<br />

selbst das Uran für das einzige Atomkraftwerk<br />

des Landes kommt aus dem Ausland.<br />

Bei steigenden Weltmarktpreisen wird<br />

damit die Nutzung einheimischer, regenerativer<br />

Energiequellen auch wirtschaftlich<br />

immer attraktiver. 2007 lag der Anteil<br />

der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch<br />

Ungarns bei gerade einmal<br />

4,7% - drei Viertel davon entfallen auf die<br />

Wärmeerzeugung.<br />

Nach den Plänen der Regierung soll<br />

dieser Anteil bis 2010 auf 8,2% <strong>und</strong> bis<br />

2013 auf 14% ansteigen. <strong>Die</strong> größten<br />

Potenziale werden dabei der Biomasse<br />

zugeschrieben, zumal Biomasse <strong>und</strong> Biogas<br />

derzeit auch kostenseitig bereits günstig<br />

erzeugt werden können.<br />

Bei der Herstellung von Biokraftstoffen<br />

könnte Ungarn sogar bald einer der führenden<br />

Anbieter in Europa werden – vorausgesetzt<br />

natürlich, die sorgfältige Abwägung<br />

der Vor- <strong>und</strong> Nachteile von Biokraftstoffen<br />

auf globaler Ebene macht dieser<br />

Entwicklung nicht vorzeitig ein Ende.<br />

Biomasse – Rohstoffe en masse<br />

Über 80% der Fläche Ungarns sind geeignet<br />

für die land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche<br />

Nutzung – <strong>und</strong> stellen damit ein riesiges<br />

Biomassepotenzial für die energetische<br />

Nutzung dar. Mehr als 25 Millionen Tonnen<br />

an Abfällen <strong>und</strong> Nebenprodukten fallen<br />

jährlich in Ungarns Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft<br />

an, mindestens 3 bis 4 Millionen<br />

Tonnen davon, im günstigsten Falle<br />

sogar 6 bis 8 Millionen Tonnen sind für<br />

energetische Zwecke verwertbar. In den<br />

vergangenen Jahren sind bereits drei große<br />

<strong>und</strong> mehrere kleine Heizkraftwerke auf<br />

Biomasse-Basis entstanden, die Gesamtleistung<br />

der Biomassekraftwerke beträgt<br />

immerhin schon 150 MW. Experten rechnen<br />

jedoch damit, dass in Zukunft bis zu<br />

12% des Gesamtenergieverbrauchs des<br />

Landes aus Biomasse stammen könnten.<br />

Biomasse hat aber gegenüber anderen<br />

Energieträgern nicht nur ökologische, son-<br />

Zuschüsse für den Bau von Biogasanalgen<br />

können bis zu 70% der<br />

Investitionskosten betragen.<br />

dern auch wirtschaftliche Vorteile. Zum<br />

einen können durch die Kooperation mit<br />

Biomasselieferanten Arbeitsplätze in ländlichen<br />

Regionen erhalten oder geschaffen<br />

werden, was auch der Regionalpolitik der<br />

Regierung entgegenkommt. Zum anderen<br />

haben Biomasse- bzw. Biogasanlagen<br />

im Vergleich zu windenergiebetriebenen<br />

Anlagen den Vorteil, gleichmäßig Leistung<br />

zu erzeugen, was Netz- <strong>und</strong> Regelkosten<br />

verringert. Und schließlich sinken durch<br />

die dezentrale Erzeugung <strong>und</strong> Abnahme<br />

der Energie aus Biomasse-Anlagen auch<br />

Netzentwicklungs- bzw. Erhaltungskosten<br />

sowie Transportverluste.<br />

Gras statt Kohle<br />

Bereits heute gibt es in Ungarn zahlreiche<br />

Biogasanlagen, weitere sind im Bau. <strong>Die</strong><br />

ungarische Regierung fördert diese Entwicklung<br />

nach Kräften. Mit staatlichen<br />

Subventionen sollen allein 2009 <strong>und</strong> 2010<br />

etwa 35 kleine Biogasanlagen mit einer<br />

Kapazität von jeweils 250 kW bis 3 MW<br />

entstehen, die Zuschüsse können 40 bis<br />

70% der Investitionskosten erreichen.<br />

Schon bis Ende 2013 könnte sich die Zahl<br />

der Anlagen sogar auf insgesamt gut 100<br />

erhöhen, die eine Gesamtleistung von 200<br />

MW erreichen können.<br />

Derzeit gibt es bereits 14 auf Klärschlammbehandlung<br />

basierende Anlagen,<br />

zwei weitere sind im Bau. Dazu kommen<br />

noch sechs Biogasanlagen auf landwirtschaftlicher<br />

Basis: jährlich fallen 14 bis 15<br />

Mio. m3 Gülle in der Viehhaltung sowie<br />

300.000 Tonnen Schlachtabfälle an, die<br />

ebenfalls in Biogasanlagen entsorgt <strong>und</strong><br />

verwertet werden können. Der Vorteil bei<br />

der Verwertung von Biogas aus Abfällen:<br />

es gibt praktisch keine öffentliche Ablehnung,<br />

wie sie derzeit der Herstellung von<br />

Biokraftstoffen aus Energiepflanzen entgegenschlägt.<br />

<strong>Die</strong> Verwendung von Mais oder<br />

Weizen zur Produktion von Biokraftstoffen<br />

ist hingegen auch in Ungarn umstritten.<br />

Im Moment werden zwar Energiepflanzen<br />

(Energiegras, Energiewälder) ledig-<br />

lich auf einigen h<strong>und</strong>ert Hektar angebaut,<br />

hauptsächlich zu Experimentierzwecken.<br />

Angestrebt ist jedoch eine Ausweitung<br />

auf 100.000 ha in den nächsten 9 Jahren.<br />

Allerdings ist geregelt, dass Energieplantagen<br />

nur auf Äckern errichtet werden dürfen,<br />

deren Bodenqualität einen bestimmten<br />

Wert nicht übersteigt.<br />

Umso vielversprechender ist daher ein<br />

ungarischer Züchtungserfolg bei neuen<br />

Energiepflanzen. <strong>Die</strong> öffentliche Gesellschaft<br />

für Agrarforschung <strong>und</strong> Entwick-<br />

lung im kleinen Ort Szarvas im Südosten<br />

des Landes hat ein Energiegras mit einem<br />

Heizwert entwickelt, der nicht nur über<br />

dem von Pappeln oder Akazien liegt, sondern<br />

selbst über dem ungarischer Braunkohle.<br />

Der Anbau des zwei Meter hohen<br />

Grases ist seit 2005 zugelassen <strong>und</strong> selbst<br />

auf Böden schlechterer Qualität möglich, so<br />

dass das Argument der Nahrungskonkurrenz<br />

zumindest teilweise entkräftet wird.<br />

Mit Biogas Geld sparen<br />

<strong>und</strong> verdienen<br />

Dass Landwirtschaft <strong>und</strong> Energieerzeugung<br />

gleichzeitig von Biogas-Projekten<br />

profitieren können, zeigt ein Beispiel in<br />

Nyírbátor, wo die Firma Franz Eisele &<br />

Söhne eine der größten Biogasanlagen<br />

Europas errichtet hat. Auftraggeber war<br />

der Agrar-Großbetrieb Batorcoop, der<br />

einerseits den in der Anlage erzeugten<br />

Strom nutzt, andererseits von der preiswerteren<br />

Abfallentsorgung. <strong>Die</strong> 2,25<br />

MW–Anlage verwandelt nämlich jährlich<br />

fast 150.000 m3 Gülle, Festmist oder<br />

Schlachtereiabfälle in Strom.<br />

In ganz Europa einzigartig ist die Biogasanlage<br />

in Kaposvár. Dort werden die als<br />

Nebenprodukt der Zuckerherstellung entstehenden<br />

Zuckerrübenschnitzel <strong>und</strong> -reste<br />

zu Biogas vergärt <strong>und</strong> dann verfeuert.<br />

<strong>Die</strong> Zuckerfabrik kann dadurch 40-50%<br />

ihres Energieverbrauchs auf „grünem“<br />

Wege decken.<br />

Und auch eine der bekanntesten Brauerein<br />

des Landes, die Dreher Sörgyár Zrt.<br />

in Budapest, konnte vor wenigen Wochen<br />

ein Biogaskraftwerk in Betrieb nehmen,<br />

Biogasanlage in Sandbrink.<br />

das in Verbindung mit<br />

einer Abwasserkläranlage<br />

das in der Brauerei anfallende<br />

Abwasser in Biogas<br />

umwandelt, mit dem<br />

dann 10% des Energiebedarfs<br />

der Brauerei gedeckt<br />

werden können.<br />

Einen ausgesprochen positiven monetären<br />

Nebeneffekt hat wiederum die Biomasse-Anlage<br />

in Pálhalma, einem Stadtteil<br />

von Dunaújváros an der mittleren Donau.<br />

Dort werden demnächst ca. 100 Tausend<br />

Tonnen landwirtschaftlicher Biomasse verarbeitet.<br />

Bis zu 70% der Einnahmen des<br />

Betriebes stammen aus dem verkauften<br />

Strom, der Rest aus dem Verkauf der eingesparten<br />

Emissionsquote an Österreich.<br />

Es ist der bisher einzige Emissionshandelsvertrag,<br />

den ein landwirtschaftliches Unternehmen<br />

mit dem Staat abgeschlossen hat.<br />

Bio-Kraftstoffe: Hoffnung<br />

oder Illusion?<br />

Ungarn hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2010<br />

den Anteil der Biokraftstoffe am Gesamt-<br />

kraftstoffverbrauch auf 5,75% zu erhöhen,<br />

bis 2020 soll dieser Anteil weiter auf 10%<br />

steigen. <strong>Die</strong> von der ungarischen Mineralölfirma<br />

MOL angebotenen Kraftstoffe enthalten<br />

schon seit 2005 2% Biokomponenten.<br />

Seit Juni 2007 wird auch der Kraftstoff<br />

EVONEO vertrieben, der einen Biokomponentengehalt<br />

von 4,4% erreicht.<br />

Derzeit wird Bioethanol in Ungarn<br />

schon von der Szeszgyár Rt. in Győr <strong>und</strong><br />

von der Fa. Hungrana Kft. in Szabadegyháza<br />

hergestellt. Sie stellen insgesamt 70-<br />

80.000 Tonnen Bioethanol im Jahr her, in<br />

beiden Betrieben laufen bedeutende Investitionen<br />

zur Kapazitätserweiterung.<br />

<strong>Die</strong> anspruchsvollen Pläne im Bereich<br />

Biokraftstoff könnte allerdings durch die<br />

gegenwärtige Diskussion um deren Auswirkungen<br />

auf die Nahrungsmittelversorgung<br />

einen Dämpfer erhalten. In Ungarn wurden<br />

in den vergangenen zwei Jahren Anträge<br />

für weitere 38 Großinvestitionen eingereicht,<br />

vier wurden bisher genehmigt.<br />

Allerdings dürfte nur ein Teil der<br />

geplanten Anlagen in Betrieb gehen, denn<br />

nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums<br />

wäre dazu eine Rohstoff-Menge<br />

von 9 Mio. Tonnen Mais jährlich erforderlich.<br />

Ungarns Maisproduktion hat aber im<br />

Durchschnitt der vergangenen<br />

Jahre nur 7 Millionen<br />

Tonnen erreicht, selbst<br />

im Spitzenjahr 2005 wurden<br />

gerade einmal 9 Millionen<br />

erreicht, 2007 gar<br />

nur 4 Millionen. Angesichts<br />

dieser Anbaukapazitäten<br />

würden die Biosprit-<br />

Anlagen paradoxerweise<br />

sogar Getreideimporte<br />

notwendig machen, die<br />

wiederum auch den Preis<br />

der Biokraftstoffe erhöhen<br />

würden. Bis Ende 2008 rechnen Experten<br />

daher nur mit der Inbetriebnahme von 3-<br />

4 Bioethanolwerken, bis 2010 mit maximal<br />

7 Betrieben.<br />

Auch technologisch bestehen Zweifel an<br />

der Realisierbarkeit der aktuell beantragten<br />

Projekte. Aus Stroh, Holzresten, Abfallprodukten<br />

der Agrarwirtschaft, Altholz, Sägerestholz<br />

oder Waldholz können heute zwar<br />

schon Biokraftstoffe der 2. Generation synthetisiert<br />

werden. Dazu zählen Biogas mit<br />

der Qualität von Erdgas, „verflüssigte“ Biomasse<br />

(sogen. Biomasse-to-Liquid - BtL)<br />

<strong>und</strong> Bioethanol auf Lignozellulosebasis.<br />

<strong>Die</strong> derzeit beantragten Projekte hingegen<br />

sind noch für Biokraftstoffe der 1. Generation<br />

konzipiert.<br />

Dirk Wölfer<br />

6 2008 | 4 Wirtschaft in Ungarn Wirtschaft in Ungarn 2008 | 4<br />

Foto: Dettmer

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