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Weltklasse in Zürich - René Furer Architektur Hefte

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ISBN 978-3-9523854-3-2<br />

Heft 24<br />

<strong>Weltklasse</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Bétrix & Consolacio, Frei & Ehrensperger,<br />

Walt & Galmar<strong>in</strong>i<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong>


Heft 24<br />

<strong>Weltklasse</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Bétrix & Consolacio, Frei & Ehrensperger,<br />

Walt & Galmar<strong>in</strong>i<br />

Das begann 1973 mit der schöpferischen Tat<br />

von Res Brügger. Inzwischen geht das feenhafte<br />

Abendbild des Stadions mit se<strong>in</strong>em bekrönenden<br />

Überbau jährlich weltweit auf die Bildschirme.<br />

Die neue Arena behauptet sich <strong>in</strong> ZH-Altstetten<br />

mit ihrem baukünstlerischen Rang als Entspre-<br />

chung zum spitzensportlichen Ereignis. Der<br />

bauliche Rahmen ist mit se<strong>in</strong>er Ausstrahlung für<br />

sich selber e<strong>in</strong>e Sehenswürdigkeit.<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong><br />

1


So sieht die diszipl<strong>in</strong>ierte Vollversammlung um das Spiel aus.<br />

2<br />

Die Hauptsache bleibt dem Betrachter verborgen. Sie liegt zwar <strong>in</strong> der Mitte, aber dort<br />

ganz unten. Nur die Marathonläufer und die Fahrer der Sattelschlepper gew<strong>in</strong>nen bei<br />

ihrer Ankunft den Durchblick. Das Spielfeld ist im Gelände um 7m abgesenkt. Die Grube<br />

ist der Grundsatz des Entwurfs, der Urknall mit dem entsprechenden Folgenreichtum.<br />

Mit dieser Massnahme wird unter der westlichen Haupttribüne auch der Platz für die<br />

weite Logistikhalle e<strong>in</strong>geräumt. Die sanften Stufen der Zuschauerränge gehen als Tarnung<br />

über diesen E<strong>in</strong>schnitt h<strong>in</strong>weg.<br />

3<br />

Der Letzigrund ist deshalb e<strong>in</strong> Tiefbau. Über der e<strong>in</strong>gebetteten Bodenwanne gibt es bloss<br />

das abgehobene und ebenso mächtige Tribünendach. Diese beiden sich ergänzenden<br />

Grossformen bestimmen den Auftritt.<br />

Das ist e<strong>in</strong> bezeichnendes Bild vom lockeren Pausengespräch.<br />

Der Aufmarsch und der Abmarsch nach Spielende sehen mit<br />

ihrer entgegen gesetzten Ausrichtung anders aus.<br />

Wegen dem Laufbahnr<strong>in</strong>g beklagen die Zuschauer beim Fussball im Letzigrund ihre<br />

Spielferne. Der Neubau des Hardturms befristet diesen Misstand der Mittelbarkeit als<br />

Übergangslösung.


Als Fussball-Zentrum mit Weltrang ist San Siro <strong>in</strong> Mailand dem Letzigrund <strong>in</strong><br />

San Siro konfrontiert. Der Bau wirkt bei der Ankunft als mächtiges Gegenüber. Der<br />

mehrfacher H<strong>in</strong>sicht weit überlegen. Wir beachten <strong>in</strong> der Folge die unterschiedliche<br />

Sportpalast hat das Merkmal der Mehrgeschossigkeit. Die gestapelten Tribünen<br />

4 Auslegung der beiden Sportstätten.<br />

vermitteln das mit Nachdruck.<br />

5


10 11<br />

Die beiden vorausgegangenen Bilder vom Letzigrund zeigen<br />

den Gegensatz zwischen der Grossform des Ganzen und<br />

den aufgereihten Sitzplätzen dar<strong>in</strong> auf der Tribüne. Die<br />

Bestuhlung für die Zuschauer führt zu e<strong>in</strong>er ausgesprochenen<br />

Kle<strong>in</strong>teiligkeit. Über diese Vere<strong>in</strong>zelung kommt der<br />

Unterschied zwischen der Umweltaufbereitung und der<br />

Benützerseite zustande, zwischen dem Aufbau des Stadions<br />

und se<strong>in</strong>em Ausbau mit Möbeln. Die Klappsitze stehen<br />

im Dienste der Erreichbarkeit. Sie geben die Be<strong>in</strong>zone der<br />

Sitzenden für die Vorübergehenden als Durchgangsstreifen frei.<br />

Der Letzigrund und San Siro zeigen als Grossformen e<strong>in</strong> anderes Gehabe. In Mailand<br />

haben wir es mit e<strong>in</strong>er Kolossalordnung als bee<strong>in</strong>druckendem Auftritt zu tun. In<br />

<strong>Zürich</strong> ist es die sanfte, weil anschmiegsame Verbundenheit mit dem Gelände und<br />

dem städtischen Umfeld. Auch wenn gar nicht gespielt wird, spielt der Letzigrund im<br />

Quartierleben für die Naherholung e<strong>in</strong>e Rolle. Die vordergründigen Schraubenrampen<br />

<strong>in</strong> Mailand s<strong>in</strong>d nicht für K<strong>in</strong>derwagen ausgelegt, sondern bleiben den grossen Buben<br />

vorbehalten. Zu dieser typenhaften Abgrenzung zwischen den beiden Sportstätten<br />

gibt es bekannte geschichtliche Vorfälle.


12<br />

San Siro ist augenfällig über lange zwei Jahrtausende h<strong>in</strong>weg der römischen<br />

Überlieferung des Coliseo verpflichtet. Sie stimmen als Hochbauten <strong>in</strong> der<br />

Mehrgeschossigkeit übere<strong>in</strong>.


Der Letzigrund greift über Rom h<strong>in</strong>aus noch 500 Jahre weiter zurück auf griechische<br />

Vorbilder. Das Olympia-Stadion und das Theater <strong>in</strong> Epidauros bee<strong>in</strong>drucken nicht als<br />

16 Bauten an und für sich, sondern mit der Gelände-Verbundenheit.<br />

Spiele ausgetragen.<br />

17<br />

Epidauros liegt ebenfalls auf dem Peleponnes, Olympia<br />

gegenüber an der Ostküste. Das weltberühmte Theater beim<br />

kle<strong>in</strong>en Hafenstädtchen ist e<strong>in</strong>e der bee<strong>in</strong>druckendsten<br />

Versammlungsgesten, die je gebaut wurden. Über der Bühne<br />

am Hügelfuss f<strong>in</strong>den auf 55 Sitzreihen 15‘000 Zuschauer Platz.<br />

Olympia kann als legendäre Ur-Arena gelten. In dieser unsche<strong>in</strong>baren Mulde wurden<br />

von 776 v.Chr. bis 394 n.Chr. im Abstand von vier Jahren jeweils die panhellenischen


18 19<br />

Delphi liegt <strong>in</strong> den Bergen am Südwesthang des Parnass. Vor dem Apollon-Tempel<br />

endet der Heilige Weg nach Athen auf die Akropolis. Was für se<strong>in</strong> Stadion und<br />

das Theater zutrifft, gilt auch für die ganze Stadtanlage. Die Bilder machen die<br />

E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong>s Gelände anschaulich.


In München wird der Gegensatz zwischen der Land-<br />

schaftsarchitektur des Olympia-Stadions und dem Sport palast<br />

der Allianz-Arena zu e<strong>in</strong>em unvergesslichen Erlebnis. Hier<br />

20 haben wir e<strong>in</strong>e schwer zu überbietende Vergegenwärtigung der<br />

21<br />

geschichtlichen Vorfälle.


In San Siro wird nicht abgesenkt, sondern ebenso entschieden aufgestapelt. Von<br />

e<strong>in</strong>em sanften Bodenrelief und der entsprechenden Anschmiegsamkeit der Wege<br />

Nachdem wir die beiden Stadien mit e<strong>in</strong>er Überlieferung h<strong>in</strong>terbauten, stehen sie jetzt<br />

nicht mehr bloss für sich alle<strong>in</strong> da. Die Betrachtungsweise wird fortgesetzt, <strong>in</strong>dem wir<br />

22 ke<strong>in</strong>e Spur. Das rückt den Letzigrund <strong>in</strong> e<strong>in</strong> vorteilhaftes humanistisches Licht.<br />

uns von der Mitte aus dem Rand der Anlage nähern.<br />

23


Hier kommt das Tribünendach <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhältnis zum halböffentlichen und<br />

r<strong>in</strong>gförmigen Pausenplatz zu se<strong>in</strong>em nächsten Auftritt. Als Verteiler ist das auch<br />

der Ort des Kommens und Gehens. Die beiden grossen Raumgrenzen stimmen als<br />

Horizontbegleiter mit der Waagrechten übere<strong>in</strong>. Die Unterordnung der Lotrechten,<br />

und die damit verbundene Abwesenheit der trennenden Wände, könnte nicht<br />

deutlicher se<strong>in</strong>.<br />

Der Letzigrund glänzt mit se<strong>in</strong>er Dachstärke. Wie <strong>in</strong> München beim Olympiastadion<br />

wird da mit Hilfe von Spitzentechnik im grossen Stil beschirmt. Auch das ist<br />

24 bemerkenswert: Die Stützenschar wirkt im R<strong>in</strong>g zusammen, wie e<strong>in</strong>e Mannschaft. So<br />

25<br />

wird mit der Steifigkeit der W<strong>in</strong>dkraft begegnet.


Die Baustelle gewährt den unverstellten Blick h<strong>in</strong>ter die vordergründige Kulisse.<br />

Wie im Röntgenbild enthüllt der Rohbau den Sachverhalt im Tragwerk. Da kommt<br />

auch der Knotenpunkt zwischen den Trägern und den Stützen zum Vorsche<strong>in</strong>. Der<br />

punktuelle Auftritt der Superlast und ihre Übertragung brachten dem Ingenieur<br />

schlaflose Nächte.<br />

Das e<strong>in</strong>kragende Dach ist stufenlos. Mit se<strong>in</strong>em Quergefälle geht es von der<br />

hohen Haupttribüne kont<strong>in</strong>uierlich h<strong>in</strong>über zur Nebentribüne. In Anbetracht der<br />

26 anspruchsvollen Geometrie war das digitale Rechnen das hilfreiche Instrument beim<br />

27<br />

Bemessen der Bauteile.


28 29<br />

Der Aufriss endet mit dem R<strong>in</strong>g der Leuchtmasten. Der elektrotechnische Überbau<br />

br<strong>in</strong>gt abends den Ersatz für das schw<strong>in</strong>dende Tageslicht. Das telegene Bild von der<br />

Krone stellt sich sogleich e<strong>in</strong>. Was will man noch mehr? Nichts wirkt königlicher.


Wir bef<strong>in</strong>den uns da auf der Rückseite des Stadions, an<br />

der Nahtstelle zum überblickbaren Übungsfeld. Über<br />

den Garderoben liegt der Zugang zur Haupttribüne, dem<br />

Restaurant und den Logen. Beiläufig hat man E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />

die Mühen des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs. Weit über die Gegenwart h<strong>in</strong>aus<br />

dient es der Vorbereitung e<strong>in</strong>er hoffnungsvollen Zukunft.<br />

30 31


Hier rückt die Badenerstrasse als Stadtzubr<strong>in</strong>ger <strong>in</strong>s Blickfeld. Bevor wir uns ihr<br />

zuwenden, braucht es noch Klartext zum vorausgegangenen und schattenreichen<br />

Im Kreisel der Badenerstrasse wird der Letzigraben zur<br />

Herdernstrasse. Als Durchquerer der Talsohle führt sie weiter<br />

zur Duttweiler-Brücke. Dem Stadion liegt hier e<strong>in</strong> öffentlicher<br />

Parkplatz gegenüber, der sich als Vorfahrt für die entspannte<br />

Abwicklung des Zubr<strong>in</strong>gerverkehrs eignet.<br />

Grossbild.<br />

34 35<br />

An der Baslerstrasse, <strong>in</strong> der Nordwestecke des Grundstücks,<br />

wird angeliefert. Das Bild zeigt als Vordergrund das Nebene<strong>in</strong>ander<br />

von zwei mächtigen Rampen. Mit dem Aufgang<br />

endet die Fussgängerverb<strong>in</strong>dung zum Bahnhof Altstetten. Der<br />

parallele Weg dazu <strong>in</strong>s Untergeschoss ist den Bussen und<br />

Sattelschleppern vorbehalten. Die Tramstation <strong>in</strong> der Badenerstrasse liegt dem Stadion zwischen dem Heiligfeld und<br />

dem Letzibad diagonal gegenüber.


Die Umfriedung ist unser nächstes und abschliessendes Thema. Sie wird hier entschieden<br />

Mit Rost und Grünspan wenden wir uns sogleich dem stofflichen<br />

Wirken der Oberfläche zu. Da zeigen die erste und die zweite<br />

Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gegensätzliche Vorlieben.<br />

Im Letzigrund handelt es sich um Corten Stahl der zweiten<br />

Generation. Bildhauer wie Bernhard Lug<strong>in</strong>bühl und Jean<br />

T<strong>in</strong>guely haben dafür mit dem Schweissbrenner den Weg bereitet.<br />

als baukünstlerische Aufgabe gesehen und entsprechend gewürdigt. Das Künstlerische hat<br />

Sie umarmen die Vergänglichkeit, ergötzen sich an der Pat<strong>in</strong>a.<br />

38 das Merkmal von e<strong>in</strong>em unwahrsche<strong>in</strong>lichen Schluss. Der schwierige Nachvollzug zeichnet<br />

es als Sonderbereich des Schöpferischen aus.<br />

39<br />

Die Moderne war zunächst trotzig. Sie zog das Weiss dem<br />

Grau vor. Sie liess sich mit Legierungen und dem Z<strong>in</strong>kbad<br />

auf e<strong>in</strong> Verliererspiel mit der Korrosion e<strong>in</strong>. Jean Prouvé hat<br />

es erlebt. Der Blechpresser ist der Erbauer des bedeutenden<br />

Volkshauses <strong>in</strong> Clichy bei Paris. Eugène Beaudou<strong>in</strong> & Marcel<br />

Lods begleiteten ihn dabei 1937 als Architekten.


E<strong>in</strong> Zaun ist als solcher mit e<strong>in</strong>er Durchlässigkeit ausgestattet. Als Stabwerk räumt<br />

er neben dem Durchblick auch den Durchgang e<strong>in</strong>. Das führt zu e<strong>in</strong>em Gleichgewicht<br />

Für das Vorliegende drängt sich jetzt noch e<strong>in</strong>e ganz andere Sprache auf: Das steht<br />

e<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> der Gegenwart, ist schlicht e<strong>in</strong>malig.<br />

40 zwischen dem Trennen und Verb<strong>in</strong>den.<br />

41<br />

Die Vorbilder dazu entstanden vor mehr als drei<br />

Jahrhunderten, und s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Inbegriff für königliche Pracht.<br />

Neben den Vergoldern durften damals auch die Schmiede<br />

etwas kosten.<br />

La Clôture ist französisch als Wort und Tat. Mit dieser<br />

empf<strong>in</strong>dsamen Massnahme wurde das Schloss mit dem<br />

davorliegenden Platz und dem Park dah<strong>in</strong>ter zu e<strong>in</strong>er<br />

übergeordneten Grossartigkeit verbunden.


Noch vor dem Verreisen kommt hier zum letzten Mal San Siro. Se<strong>in</strong> Zugang<br />

verkörpert das Streben der Moderne nach Rostfreiheit <strong>in</strong> der ersten Hälfte des 20.Jh.<br />

42 43


44 45<br />

Versailles entstand bekanntlich nach dem Vorbild von Vaux-le-Vicomte. Hier<br />

konvergieren die beiden Alleen von St. Cloud und Sceaux mit der zentralen Avenue<br />

de Paris. H<strong>in</strong>ter dem Portal geht es auf dem weiten Platz dann sanft bergauf über das<br />

holprige Kopfste<strong>in</strong>pflaster des Klassischen Frankreichs aus se<strong>in</strong>em grossen 17.Jh.


46 47<br />

Im Unterschied zur Willkommensgeste mit dem Gold verzierten Portal bee<strong>in</strong>druckt<br />

das Gitter mit se<strong>in</strong>er schieren Grösse und der prosaischen Schmucklosigkeit.<br />

Fonta<strong>in</strong>ebleau ist nicht nur e<strong>in</strong> königlicher Ort, sondern auch e<strong>in</strong> Kaiserlicher. La<br />

Cour des Adieux bekam se<strong>in</strong>en Namen am 20. April 1814. Auf der berühmten<br />

Hufeisentreppe verabschiedete Napoleon se<strong>in</strong>e Garde vor der Verbannung nach Elba.<br />

Die endgültige Niederlage <strong>in</strong> Watereloo kam e<strong>in</strong> Jahr später am 18. Juni.


48 49<br />

In der Platzfolge von Nancy begegnen wir der verfe<strong>in</strong>erten Kunstschmiedearbeit von<br />

Jean Lamour. Sie br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Zusammenwirken der verschiedenen Aussenräume unter<br />

sich. So überrascht auch die direkte Sichtverb<strong>in</strong>dung zwischen Platz und Park.


Nancy wurde dann um 1900 Kulturvermittler zwischen Brüssel und Paris. Die belgische<br />

Touristen aus der ganzen Welt pilgern zur Porte Dauph<strong>in</strong>e am westlichen Stadtrand.<br />

Hauptstadt verdankt ihren damaligen Vorrang Victor Horta. Sie hat sich <strong>in</strong>zwischen den<br />

Die überdachte Endstation ist Guimards Meisterwerk. Das sehenswerte Kle<strong>in</strong>od liegt<br />

52 unbeschreiblichen Luxus geleistet, se<strong>in</strong> Volkshaus abzubrechen. Horta hat auch Hector<br />

Guimard ausgebildet, den Erbauer des Castel Béranger an der Rue La Fonta<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />

Paris-Auteuil. Der kam dann als Métropolita<strong>in</strong>-Architekt zu zusätzlichem Ruhm. Se<strong>in</strong>e<br />

Abgänge <strong>in</strong> die U-Bahn s<strong>in</strong>d beispielhaft für die Kunstschmiede-Arbeit des Jugendstils.<br />

zwischen zwei Grossartigkeiten, die Avenue Foch und Bois de Boulogne heissen.<br />

53


56 57<br />

Das endet mit den bee<strong>in</strong>druckenden Beleuchtungskörpern im Garten des<br />

Kongresshauses von 1939 der Architekten Haefeli Moser Steiger. In dieser begnadeten<br />

E<strong>in</strong>zelheit ist die Sorgfalt von Max Ernst Haefeli erkennbar. Die bewehrten Maillart-<br />

Pilze stehen möglicherweise als E<strong>in</strong>fluss dah<strong>in</strong>ter.


Die Gartenbeleuchtung an <strong>Zürich</strong>s Seefuss gehört zusammen<br />

mit der Pariser Métro zum Aussenausbau städtischer Räume im<br />

elektrotechnischen Zeitalter. Edison rückte mit der Glühbirne<br />

auch die Strassen überlieferter Städte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Licht.<br />

59


Zusammenfassend<br />

Im Frühl<strong>in</strong>g 2004 gewannen die Architekten Marie-Claude Bétrix & Eraldo Consolacio<br />

zusammen mit Roland Frei & Lisa Ehrensperger den Studienauftrag für den Neubau des<br />

Stadions. Max Walt & Carlo Galmar<strong>in</strong>i s<strong>in</strong>d die Bau<strong>in</strong>genieure. Die namhaften Fachleute<br />

wurden der besonderen Herausforderung mit e<strong>in</strong>er unwahrsche<strong>in</strong>lichen baukünstlerischen<br />

Leistung gerecht. Von den grossen L<strong>in</strong>ien bis zu den E<strong>in</strong>zelheiten spricht sie für<br />

sich selber.<br />

Das Umfeld<br />

Das Quartier Altstetten gehört mit Albisrieden und Höngg zum Stadtteil <strong>Zürich</strong> West.<br />

Das Limmattal ist dafür der landschaftliche Rahmen. Se<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>earität bündelt die Verkehrswege<br />

mit dem Abfluss. Die Fortbewegung auf den Strassen und Schienen verzweigt<br />

sich dann <strong>in</strong> Baden nach Bern und Basel.<br />

60<br />

Der Letzigrund ist e<strong>in</strong> Baugeviert <strong>in</strong> der Talsohle zwischen der Badenerstrasse und der<br />

Baslerstrasse. Das Areal bekommt e<strong>in</strong>e Aufteilung nach dem Stadion selber und den<br />

zugeordneten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsfeldern, die im Nordwesten dah<strong>in</strong>terliegen. In diesem Nebene<strong>in</strong>ander<br />

grenzt das Alltägliche und Arbeitssame an das Sonntägliche und Festliche. Die<br />

beiden Bereiche stimmen im Merkmal des weiten Aussenraumes übere<strong>in</strong>.<br />

Beim Betrieb br<strong>in</strong>gt die Versammlung den Unterschied.<br />

61<br />

Der Umraum<br />

In dieser Aufteilung behält die Arena mit ihrer Prägnanz die Vorherrschaft. Sie tritt mit<br />

der entsprechenden Deutlichkeit hervor. Im Grundriss zeichnet sie die mehrschichtige<br />

Konzentrik aus, die auf der Tribüne mit der E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> Sektoren ihre radiale Ergänzung<br />

hat. Dah<strong>in</strong>ter trennt der Zaun die beiden Raumr<strong>in</strong>ge, die als öffentliche und halböffentliche<br />

Bereiche vorwiegend der Erreichbarkeit dienen. In der äusseren Ansicht des Stadions<br />

wirkt das Übere<strong>in</strong>ander von Umfriedung und Beleuchtungskranz. Das mächtige<br />

Tribünendach ist als waagrechtes Dazwischen der Horizontbegleiter.<br />

Die Umfriedung<br />

Die dem Stadion <strong>in</strong>newohnende Konzentrik führt e<strong>in</strong>e gewisse Eigenständigkeit des<br />

Spielfeldes, der Tribüne und des rückwärtigem Umraumes herbei. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander<br />

verschachtelt, wie Matrioschka-Puppen. Die vordergründige Umfriedung beteiligt sich<br />

an dieser Ordnung, und die überwachten E<strong>in</strong>gänge gehören dazu.<br />

Die Architekten haben damit auch das Ausgrenzen als Teil der baukünstlerischen Aufgabe<br />

verstanden. Der Zaun ist nicht bloss e<strong>in</strong>e schützende Massnahme, sondern e<strong>in</strong> eigenständiges<br />

Werk von Rang. Im H<strong>in</strong>blick auf die Anmut, die Venustas heisst, stellt sich im<br />

Entzücken e<strong>in</strong>e Komplizenschaft zwischen Entwerfern und Betrachtern e<strong>in</strong>; der Funke<br />

spr<strong>in</strong>gt über.<br />

Offen und öffentlich<br />

Mit dem Betriebsbeg<strong>in</strong>n am 7. September 2007 verschob sich die Zuständigkeit für die<br />

Anlage von den Erbauern zu den Benützern. Seither ladet der Letzigrund auch die Flaneurs<br />

zum Lustwandeln e<strong>in</strong>. Auf dem beschw<strong>in</strong>gten <strong>Architektur</strong>spaziergang offenbart<br />

sich die Stadt im weiten und zentrifugalen Sichtfeld. Das Tribünendach wird als Kolossalordnung<br />

zum Vordergrund. Der rückwärtige Übungsbetrieb ist en passant für Schaulustige<br />

e<strong>in</strong>e erbauliche Zerstreuung. So stellt sich hier für den Ort der Vorbereitung auf<br />

sportliche Spitzenleistungen e<strong>in</strong>e humanistische E<strong>in</strong>bettung e<strong>in</strong>.


Das Kommen und Gehen<br />

Die Besucherwege beg<strong>in</strong>nen an den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs. Die Strassenbahn<br />

kommt dabei an erster Stelle. Die ebenso lange wie geradl<strong>in</strong>ige Transportschiene<br />

<strong>in</strong> der Badenerstrasse wird vor und nach dem Ereignis jeweils gefordert. Auch die nahe<br />

S-Bahn-Station Hardbrücke dient mit Sonderzügen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Stadions <strong>in</strong> den<br />

öffentlichen Verkehr.<br />

Man macht sich auf den Weg. Das H<strong>in</strong>gehen hat durchgehend das Merkmal des Annäherns.<br />

Die versammelnde weil konvergierende Fortbewegung f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den r<strong>in</strong>gförmigen<br />

Umgängen ihre konzentrische Ergänzung. Mit Hilfe der polaren Geometrie lässt sich das<br />

so erörtern. Nach dem E<strong>in</strong>treten hat man vom Kraterrand die <strong>in</strong>nere Weite der Anlage<br />

aus dem Überblick vor sich.<br />

Dreiseitig, U-förmig<br />

Die Herdernstrasse führt aus dem Letzigraben am Stadion vorbei zur Duttweiler-Brücke.<br />

Die Besucher verwenden die Taltraverse für die Vorfahrt. Die Badenerstrasse und die<br />

Baslerstrasse ergänzen die ausgezeichnete Verkehrslage zur U-förmigen Dreiseitigkeit.<br />

Die Architekten ergänzen den äusseren Rahmen der Hauptstrassen mit <strong>in</strong>neren Wegen,<br />

welche die Arena umklammern. So wird sie für die Erreichbarkeit buchstäblich <strong>in</strong> die<br />

Zange genommen. Der <strong>in</strong>nere Umgang ist ebenfalls U-förmig; aber er liegt gegenläufig<br />

zu den Strassen.<br />

Abgesenkt<br />

Mit dem Absenken wird das E<strong>in</strong>betten vollzogen. Das Tieferlegen des Spielfeldes um<br />

sieben Meter ist der frühe Entscheid, der zur Vorherrschaft der Waagrechten führt. Der<br />

angelagerte Tribünenbau beg<strong>in</strong>nt ganz unten mit der weiten E<strong>in</strong>stellhalle. Mit den Sattelschleppern<br />

der Veranstalter, den Fernsehwagen und den Reisebussen versammeln sich<br />

hier die D<strong>in</strong>os des Strassenverkehrs. Die Zufahrt geht über e<strong>in</strong>e Rampe von der Baslerstrasse,<br />

und das führt weiter bis aufs Spielfeld.<br />

Das ist auch der monumentale Rahmen für die Ankunft des Marathons. Mit dem Schock<br />

des Begeisterungsknalls endet hier augenblicklich „Die E<strong>in</strong>samkeit des Langstreckenläufers“.<br />

Die Umkleideräume der Sportler liegen darüber im Erdgeschoss. Darauf folgen der<br />

öffentliche Umgang und die abgehobenen VIP-Logen mit dem Restaurant unter dem<br />

Dach. Zum jährlichern Treffen der <strong>Weltklasse</strong> gehören auch 5000 Stehplätze <strong>in</strong> den<br />

Kurven, die für Blechtrommler mit Tambour-Brüstungen ausgestattet s<strong>in</strong>d.<br />

Das Querprofil<br />

Die Zugänge <strong>in</strong> die Arena liegen erdgeschossig am sanft ansteigenden Umgang. Das<br />

führt im Aufriss zur Besonderheit des West-Ost-Gefälles. Es durchwaltet den ganzen Bau<br />

und bekommt mit dem Platzbedarf für die VIP-Tribüne und das Restaurant e<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />

Nachdruck. Als Luftbalken ist das im Aufriss der Gegenspieler zum betrieblichen<br />

Untergrund.<br />

Darunter<br />

Wie das Coliseo hat der Letzigrund als H<strong>in</strong>tergrund im Untergrund se<strong>in</strong>e Verliesse. Die<br />

Logistikebene gehört dazu. Dah<strong>in</strong>ter liegt der fensterlose Tunnelraum, der mit se<strong>in</strong>er<br />

Länge von 130 Metern für Spr<strong>in</strong>ter und Spr<strong>in</strong>ger als Aufwärmstrecke dient. Der Garderobegang<br />

darüber be<strong>in</strong>druckt ebenfalls als ausgesprochener Stabraum.<br />

Die V-Stützen<br />

Beim E<strong>in</strong>treten <strong>in</strong> die Arena ist man plötzlich der verblüffenden Wirkung des riesigen<br />

e<strong>in</strong>kragenden Daches ausgesetzt. Die Untersicht verzwergt auch die Stützen, obwohl sie<br />

als dichter Verbund der Inbegriff für gegenwärtige Spitzenbautechnik s<strong>in</strong>d. Bau-kunst<br />

wird hier als Tragwunder zum Erlebnis. Selten wird so viel mit so wenig derart anmutig<br />

bewältigt.<br />

Der Takt der V-Stützen ist e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf das im H<strong>in</strong>tergrund wirkende Tragwerk. Die<br />

Bau<strong>in</strong>genieure suchten im Internet vergeblich absichernde Vorfälle zum ihrem nur von<br />

Stützen getragenen Tribünendach. Jetzt müssen sie sich mit der eigenen schöpferischen<br />

Leistung abf<strong>in</strong>den. Nennen wir es, Jamaika h<strong>in</strong> oder her, den Ursa<strong>in</strong>-Bolt-Effekt: In der<br />

Geschichte der Menschheit (und ich wäge die Worte sorgfältig ab) ist Baustoff noch gar<br />

nie dermassen beansprucht worden.<br />

62<br />

Darüber<br />

Der Elektriker geht auf dem Dach se<strong>in</strong>en eigenen Weg. Se<strong>in</strong>e Ueberstrahler nutzen die<br />

sich bietende Gelegenheit für e<strong>in</strong>e Krone und für den Weltruhm. „Die Flutlichtanlage ist<br />

Bestandteil der Gesamtarchitektur. Die Lichtmasten rahmen den Himmel über dem Stadion.<br />

So wird aus den funktionalen Anforderungen e<strong>in</strong> ästhetischer Mehrwert gewonnen.”<br />

63<br />

Am Schluss bleibt der E<strong>in</strong>druck des Spielerischen,<br />

der glücklichen Fügung. Alles fand auf<br />

entspannte Art se<strong>in</strong>en Platz, ruht gelöst <strong>in</strong> sich<br />

selber. Diese Leichtigkeit der Wirkung behauptet<br />

sich durchgehend, und die soeben beschriebenen<br />

Stützen br<strong>in</strong>gen das auf den Punkt.


64<br />

Impressum Heft 24 weitere <strong>Hefte</strong> von<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong><br />

<strong>Weltklasse</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Bétrix & Consolacio, Frei & Ehrensperger,<br />

Walt & Galmar<strong>in</strong>i<br />

Heftübersicht und Bestellung<br />

www.renefurer.ch<br />

über den Verfasser<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong> war von 1968 –1994 Dozent<br />

für <strong>Architektur</strong>theorie an der ETH <strong>Zürich</strong>.<br />

Text und Bilder<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong><br />

Kontakt<br />

furer@bluew<strong>in</strong>.ch<br />

<strong>René</strong> <strong>Furer</strong><br />

Bodenacherstraße 101<br />

CH-8121 Benglen<br />

Gestaltung<br />

Grafilu<br />

Druck<br />

Vögeli AG, Langnau<br />

© 2012 <strong>René</strong> <strong>Furer</strong>, Benglen ZH<br />

Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck,<br />

Aufnahme <strong>in</strong> elektronische<br />

Datenbanken, Mailboxen sowie sonstige<br />

Vervielfältigungen, auch auszugsweise<br />

und <strong>in</strong> Ausschnitten, nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Herausgebers.<br />

ISBN 978-3-9523854-3-2<br />

Heft 1 Entwurfsfaktoren<br />

Der Bauzyklus<br />

ISBN 978-3-9523262-0-6<br />

Heft 2 Herzog & de Meuron<br />

Rehab Burgfeld<br />

ISBN 978-3-9523262-1-3<br />

No.03 Lord Norman Foster<br />

Millau<br />

ISBN 978-3-9523262-2-0<br />

Heft 4 Rudolf Gabarel<br />

Waldfriedhof Davos<br />

ISBN 978-3-9523262-3-7<br />

Heft 5 Gigon/Guyer<br />

Kalkriese<br />

ISBN 978-3-9523262-4-4<br />

Heft 6 Haerle Hubacher<br />

Eigenheim Stapel<br />

ISBN 978-3-9523262-5-1<br />

Heft 7 K. Moser, O.R. Salvisberg<br />

Zwei E<strong>in</strong>gänge<br />

ISBN 978-3-9523262-6-8<br />

Heft 8 Herzog & de Meuron<br />

Allianz-Arena<br />

ISBN 978-3-9523262-7-5<br />

Heft 9 Bob Gys<strong>in</strong> + Partner BGP<br />

E<strong>in</strong> Glashaus<br />

ISBN 978-3-9523262-8-2<br />

Heft 10 Märkte<br />

im Orient<br />

ISBN 978-3-9523262-9-9<br />

Heft 11 Wohnungsbau<br />

Die Schweiz im 20. Jh.<br />

ISBN 978-3-9523419-0-2<br />

Heft 12 Theo Hotz<br />

Sihlcity<br />

ISBN 978-3-9523419-1-9<br />

Heft 13 Christoph Haerle<br />

Rieselbrunnen<br />

ISBN 978-3-9523419-2-6<br />

Heft 14 architextur<br />

verfe<strong>in</strong>ert – vergröbert<br />

ISBN 978-3-9523419-3-3<br />

Heft 15 Atlas –<br />

Oasen<br />

ISBN 978-3-9523419-4-0<br />

Heft 16 Die Geburt<br />

der Allee<br />

ISBN 978-3-9523419-5-7<br />

Heft 17 Großgeräte<br />

<strong>in</strong> der Landschaft<br />

ISBN 978-3-9523419-6-4<br />

Heft 18 Reyner Banham<br />

Behälter<br />

ISBN 978-3-9523419-7-1<br />

Heft 19 Archigram<br />

<strong>in</strong> Monte-Carlo<br />

ISBN 978-3-9523419-8-8<br />

Heft 20 Le Palais Idéal du Facteur<br />

F. Cheval à Hauterives<br />

ISBN 978-3-9523419-9-5<br />

Heft 21 NEAT<br />

Bauplätze<br />

ISBN 978-3-9523854-0-1<br />

Heft 22 Ma<strong>in</strong>-Donau-Kanal<br />

ISBN 978-3-9523854-1-8<br />

Heft 23 Savoyen<br />

ISBN 978-3-9523854-2-5<br />

Heft 24 <strong>Weltklasse</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

ISBN 978-3-9523854-3-2<br />

Heft 25 EM2N<br />

Die Viadukt Bögen<br />

ISBN 978-3-9523854-4-9

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