Schwarze 9
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natürlich verdächtig. Die Provokation, die dieser Lösungsvorschlag für mich bedeutet,<br />
könnte gar nicht so stark sein, wenn er nur absurd, illusorisch wäre - provozieren<br />
kann ja nur das Mögliche. Wo ich anscheinend Illusionen zurückweisen will - wozu<br />
sollte das erforderlich sein - drückt sich vielleicht eher die Angst vor unerwünschten<br />
Möglichkeiten aus. Welche provozierenden Möglichkeiten birgt also die Propagierung<br />
der "Abschaffung der Arbeit"?<br />
Soweit die Abschaffung der Arbeit von den Lordstown-Autoren als<br />
gesamtgesellschaftliche Lösung angesprochen wird, soweit sie sich darauf einlassen,<br />
die sozialistische Perspektive ins Auge zu fassen, kommen tatsächlich einige nicht<br />
sehr schöne Möglichkeiten zum Vorschein. Stefan hat oben auf die Konsequenzen<br />
hingewiesen, die sich aus der Zielsetzung Automation für den Weg ergeben:<br />
zunächst alles andere als - gesamtgesellschaftlich - Abschaffung der Arbeit. Mit ein<br />
paar Hinweisen auf Wiener ist nichts über den entscheidenden Punkt gesagt: wie die<br />
(noch) nicht automatisierte Produktion aufhören wird, Arbeit im Sinn der Lordstown-<br />
Autoren zu sein. Außerdem stellt sich bei den Vorstellungen Wieners die Frage, wie<br />
eine verstärkte Zentralisierung von Macht als Folge der Automation zu verhindern<br />
wäre.<br />
Ich meine nicht, daß man hierzu etwas sagen muß und schon garnicht, daß ein<br />
Automationskonzept die Voraussetzung für die aktive Verweigerung der geforderten<br />
Arbeit, für produktive Sabotage, sein müßte. Eine beschissene Arbeit zu sabotieren<br />
braucht nicht den alternativen Gesellschaftsentwurf als Voraussetzung - die<br />
Situation, und Menschen, die sie gleichzeitig herstellen und darunter leiden, das<br />
genügt vollkommen. Diesen Rechtfertigungszwang scheinen aber die „amis de<br />
quatre millions de jeunes travailleurs", die über Lordstown schreiben, zu verspüren,<br />
sonst hätten sie sich die Allgemeinplätze über Automation gespart.<br />
Richtig ist dagegen ihre Kritik an der bereits praktizierten Automation: „.. die<br />
Maschinen ersetzen eher die Kontrolleure und Aufseher als die unqualifizierten<br />
Arbeiter“ (22). Aber die Lösung liegt noch nicht in einer Erweiterung bzw.<br />
Vervollständigung der Automation.<br />
Wie sich der Weg als arbeitsreich erweist, wo das ungewisse Ziel die Abschaffung<br />
der Arbeit per Automation ist, so sieht die Gesellschaft, die auf dem Weg der<br />
praktizierten "Abschaffung der Arbeit“ (angefangen in den amerikanischen<br />
Automobilfabriken) zu erreichen ist, jedenfalls auf den ersten Blick nicht so ganz und<br />
gar arbeitsfrei aus: "Die Arbeiter, für die das Arbeitswerkzeug keine heilige Sache<br />
mehr ist, die man unter keinen Umständen in ihrer ersten Funktion umkehren darf,<br />
die nicht länger akzeptieren, ihr Leben für die beweihräucherten Fetische zu opfern,<br />
werden im geeigneten Moment am besten wissen. wie man die Instrumente benützt,<br />
die sie vom Kapital erben werden. Sie werden wieder alles in Gang zu setzen<br />
wissen, was notwendig sein wird, um die revolutionären Aufgaben zu meistern: sich<br />
kleiden, sich ernähren, sich schützen, sich bewaffnen, ... LEBEN.“ (30) Was ist hier<br />
abgeschafft? Von Spiel ist keine Rede mehr, die äußeren Notwendigkeiten treten als<br />
„revolutionäre Aufgaben" nur etwas unerbittlicher auf als vorher. Mit einer neuen<br />
inneren Haltung geht's an die alte Arbeit!? Wodurch ist das Schaffen von Kleidung,<br />
Nahrung, Schutz keine "Arbeit" mehr? Wodurch ist das Überleben jetzt zum LEBEN<br />
geworden, wenn auf die Veränderung der Organisation der Arbeit mit dem Hinweis<br />
auf die Abschaffung der Arbeit verzichtet wurde?