Schwarze 9
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von mir, aber nicht mehr der, der mich vorantreibt). Mich empört am meisten<br />
gegenwärtig die Fassade, zu der wir selbst zu werden drohen.<br />
B: Unsere eigenen Erwartungen an Zusammenarbeit, inhaltliche Arbeit überhaupt,<br />
linke Aktivität, Selbstverwirklichung usw. haben sich gewandelt - nicht zuletzt gerad<br />
durch all das, was wir zusammen gemacht haben. Gewisse Einschränkungen ist<br />
keiner mehr bereit, hinzunehmen. Es gibt genug neues, was angeeignet wird - aber<br />
muß es jeweils wieder ein Gegenstand für alle sein? Was die einzelnen Genossen<br />
jetzt im Kopf oder in der Feder haben, was sie lesen, herausfinden oder vergessen -<br />
muß das die Sache auch der anderen sein? Wir hatten unsere gute Zeit miteinander,<br />
das gemeinsame Interesse hat sich aufgebraucht und neue Perspektiven - gerade im<br />
Zusammenhang mit den SP - tauchen nicht mehr von vornherein als gemeinsame<br />
auf. Die Emanzipation (vom ML) im Kollektiv scheint umgeschlagen zu sein in eine<br />
Emanzipation vom Kollektiv, wobei nicht ausgemacht ist, daß nicht neue Kollektive<br />
die einzelnen wieder aufnehmen werden oder auch die alte Gruppe noch einmal eine<br />
Auferstehung erlebt. Vorläufig heißen die - inbezug auf die SP - ganz pragmatischen<br />
Fragen: Sollte man ein neues kollektives Projekt forcieren, ist dies Voraussetzung für<br />
eine sinnvolle Weiterarbeit? Oder wäre dies falsch, hieße es, Entwicklungen leugnen<br />
und Vergangenes mit Gewalt fortschleppen wollen? Kann unsere Gruppe bzw.<br />
können die Individuen in ihr eine partielle Vereinzelung einiger oder aller,<br />
Abwendung vom Kollektiv, zulassen und doch zugleich soviel ihrer alten Solidarität<br />
und arbeitsmäßigen Loyalität bewahren, um die SP fortzusetzen?<br />
J: Ich glaube, die Kategorien "Lust und Leistung" treffen die Veränderungen nicht, die<br />
geschehen sind. Sie gehören selbst zur Ideologie, sind Abstraktionen, empirisch<br />
nicht vorzufinden in der Gegensätzlichkeit in der sie vorgestellt werden.<br />
Das Experimentieren mit der „Lust“ (so vorsichtig und schrittweise geschah es nicht:<br />
es scheint mir mehr Momente von „Zwangshaftigkeit" enthalten zu haben, als die<br />
durch diese Experimente kritisierten Arbeitsverhältnisse) - es geschah aus der Suche<br />
nach einem Ersatz für den schwindenden Gruppenzusammenhang.<br />
Wir haben unkritisch versucht, uns der neuen „Kraft durch Freude"-Ideologie der<br />
spaßigen Spontis anzupassen, haben für die weitere Promotion des uns äußerlich<br />
werdenden eigenen Produkts SP nach einem geistigen Lolly die Mäuler aufgesperrt.<br />
Und das raffinierte an der hedonistischen Ideologie ist, daß bei ihr das Äußerliche als<br />
Inneres sich gibt.<br />
Hinter allem steckte - und da liegt der Grund für die Notwendigkeit der<br />
Selbstdarstellung -, daß die Frage "Was tun?" auch bei uns aufgetaucht ist. Und auf<br />
der Ebene, auf der sich diese Frage stellt, gibt es nur eine Antwort: Nichts tun. Tu<br />
was gegen die, die Dir diese Frage aufdrängen. Sie ist niemandes eigene Frage.<br />
Versuch rauszukriegen woher sie sich dir stellt.<br />
Unsere Krise ist gewiß nicht bloß eine individuelle. Sie ist Ausdruck der allgemeinen<br />
Krise der Sponti-Bewegung, die in der Tat nicht mehr aktionsfähig ist. Verzweiflung<br />
über die offenbare Unfähigkeit, kollektiv zu handeln, ohne daß die politischen<br />
Untugenden des Taktierens, des Kompromisses, der Realpoliitik dazwischenhaken.<br />
Irgendwas stimmt an der Sponti-Theorie - soweit vorhanden - nicht. Spontaneismus<br />
ist Lebenshaltung, keine Basis für Organisierung, für politische Theorie schon gar<br />
nicht. Du kannst dich spontan (selbsttätig) organisieren oder desorganisieren, oder in<br />
einer bzw. gegen eine Organisation spontan verhalten, kannst auch spontan eine<br />
Theorie entwickeln oder zerstören, aber du kannst nicht Spontaneität zum Prinzip<br />
erheben, das sich proklamieren ließe.<br />
"Seid spontan“. „seid selbsttätig", "organisiert euch selbst" - klingt 'n bißchen