Schwarze 9
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Struktur, eine Aufhebung der Trennung von Arbeit und Muße, d.h. Einbeziehen von<br />
„Spaß“, Wohnen, Ferien, Liebe in die kollektiv erlebbaren Bereiche. Wir erprobten<br />
diese Erweiterung des Feldes, auf dem wir miteinander zu tun haben wollten,<br />
durchaus schrittweise und vorsichtig, es gab keine abenteuerlichen Experimente - wir<br />
hätten es eigentlich schaffen können. Bloß: Unter der Hand ging unsere Arbeit in<br />
dieser Zeit zugrunde und damit das - so meine ich - Lebenselixier unseres Kollektivs.<br />
Die Gemeinsamkeit wäre gewiß ausdehnbar gewesen von der Arbeit auf andere<br />
Bereiche, aber sie war nicht konstituierbar auf Kosten des Arbeitszusammenhanges.<br />
Warum ging uns der Arbeitszusammenhang verloren?<br />
Es hört sich bisher so an, als sei der Versuch, anderes und mehr zusammen zu<br />
erleben, Schuld daran gewesen. Ich glaube nicht, daß das so war. Ich glaube<br />
vielmehr, daß wir, als wir merkten, daß wir mit unserem Latein am Ende waren, all<br />
diese Aktionen wie die gemeinsame Reise usw. unternahmen, um uns nicht trennen<br />
zu müssen und um uns die SP zu erhalten.<br />
Das erklärt nun immer noch nicht, warum wir mit der Arbeit ans Ende kamen. Das ist<br />
nur zu verstehen, wenn man sich die Situation der Linken insgesamt vor Augen führt.<br />
Die Sponti-Bewegung (unser Leserpublikum) wuchs an - das Bedürfnis nach<br />
Ideologiekritik schwand, was vom ML zu halten war, hatte sich 'rumgesprochen'.<br />
Sensibilität für Nuancen, um die wir uns schließlich inhaltlich und methodisch von der<br />
hergebrachten Leninismuskritik nur unterschieden, gibt es kaum mehr. Die Spontis<br />
verfallen ihren abstrakten und vergeblichen Forderungen nach Lust und Freiheit hier<br />
und jetzt, sie haben Recht, aber sie treten auf der Stelle. Sie können unsere<br />
Zeitschrift, die neuerdings Illustrationen und Besinnung auf künstlerische und<br />
sexualpolitische Forderungen der Revolte bringt, akzeptieren, ohne sich für ihre<br />
ursprüngliche theoretische Leistung und den Zusammenhang, aus dem heraus sie<br />
entstand - die Auseinandersetzung mit dem Parteigründungsfieber - interessieren zu<br />
müssen. So kommen wir in den Genuß eines wachsenden Publikums, mit dem wir<br />
uns identifizieren können, das unser eigenes "Lager“ ist, das aber unsere<br />
theoretische und praktische Geschichte nicht kennt und nicht teilt und dessen<br />
Erwartungen wir deshalb doch auch wieder fremd gegenüberstehen. Das Wichtigste<br />
von allem aber ist die Veränderung, die mit uns selbst vorgegangen ist, die einfach<br />
der Zahn der Zeit ins uns geritzt hat. Die Ideologiekritik ist jetzt auch für uns erledigt,<br />
wir haben sie gemacht und sind damit zuendegekommen (wenigstens was den ML<br />
betrifft). Gegen Leute, die behaupten, sowas sei schlechterdings sinnlos, werde ich<br />
sie verteidigen, aber ich fühle keine Verpflichtung, niemals zu einem anderen sujet<br />
überzugehen.<br />
J: Natürlich ist es dazu gekommen, daß wir unfähig wurden, die Kritik in der alten<br />
Form weiterzumachen, aber diese Unfähigkeit zeigt doch schließlich das Heranreifen<br />
anderer Fähigkeit. Zwischendurch gibt's natürlich einen Punkt, wo das alte nicht<br />
mehr geht und das neue noch nicht da ist. Die Frage aber ist, ob das neue unbedingt<br />
und vorausgesetzt eine gemeinsames neues sein muß. Ich glaube Sentimentalität<br />
und Angst (im Kapitalismus) bremsen da die Kreativität.<br />
Ist schöpferische Lust nicht auch zerstörerisch, notwendig? Ich denke, der rationale -<br />
gute - Kern meiner mir schon langweilig werdenden Langeweile ist: Ich habe keine<br />
Lust, mich zu wiederholen, zu ritualisieren. Unsere Dogmatismuskritik, wiederholt,<br />
wäre der Beginn der Dogmatisierung unserer selbst. Die Sachen lassen sich nur<br />
einmal sagen. Mich empört kein Leninist mehr, ich muß mich mühsam - begegnet mir<br />
einer - daran erinnern, daß ich mich empören sollte. ( Ein Leninist an der Macht wär'<br />
schon was anderes. Wohlverstanden: daß ich gegen die Typen bin, bleibt ein Teil