Schwarze 9
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Staatsraison, oder die Oppositionsparteien, die ihn als Propagandaideologie<br />
benützten, alles nicht zuwege gebracht hätten: etwa die Emanzipation der<br />
Menschheit; sondern zu zeigen, was er tatsächlich ("positiv") bewirkt hat: z.B.<br />
Legitimation von spezifischer Herrschaft, Industrialisierung etc. Im Zusammenhang<br />
mit der positiven Kritik wollten wir zeigen, daß Begriffe wie Sozialismus, Arbeit,<br />
Proletariat etc. einen ganz verschiedenen Inhalt haben können je nach ihrer<br />
historischen Funktion in ideologischen oder philosophischen Systemen und daß es<br />
ein großer Irrtum ist zu meinen, von Marx her sei ein unbeschädigter, in sich<br />
zusammenhängender, blitzblanker und bedeutungsscharfer gesellschaftsanalytischer<br />
Begriffskanon auf unsereinen überkommen - ein Irrtum, der auch für die jungen, aus<br />
der Studentenrevolte hervorgegangenen stolzen marxistischen Wissenschaftler<br />
typisch ist, die von Volk, Arbeit, Klassen und Privateigentum reden, als seien diese<br />
Begriffe seit Marx' Zeiten nicht mehrfach bolschewistisch sozialdemokratisch,<br />
positivistisch, kritisch-theoretisch etc. getauft worden und ihrem ursprünglichen<br />
Bedeutungszusammenhang entfremdet bzw. nur noch historisch-spezifisch verhaftet,<br />
d.h. aber auch: die Zusammenhänge, die sie gebaren, existieren nicht mehr und die,<br />
die ihnen heute entsprechen, sind nicht mehr auf den ersten Blick zu erkennen. Dazu<br />
bedarf es der ideologiekritischen Analyse.<br />
Wir hatten gehofft, daß die Negation uns zur Negation der Negation, zur neuen<br />
Position führen würde, daß aus der Ideologiekritik eine positive Vorstellung vom<br />
"Richtigen" hervorgehe. Das hat sich als ein Irrtum herausgestellt. Von der Ebene der<br />
Ideologiekritik, die durch ihren Gegenstand auf einen gewissen Abstraktionsgrad<br />
festgelegt ist, gibt es keine organische Entwicklung zur Konkretion, zur Vermittlung<br />
von persönlicher Erwartung und Sozialkritik - es bleibt nur der Sprung.<br />
J: Die Kritik der alten Linken (Theorie) ist ehrlich nur solange sie negativ bleibt bzw.<br />
positiv nur in dem Sinne, daß sie auf den Begriff bringt, was der Kritisierte im<br />
Unterschied zu dem, was er für sich ist, an sich - also für uns - ist. Auf der<br />
allgemeinen Ebene, auf der sie sich - gebunden durch ihr Objekt - bewegen muß,<br />
gibt es nur Negation, und die Negation der Negation ist das Verlassen dieser Ebene.<br />
Heute freuen sich die Leute, daß die SP nicht mehr so "abstrakt" sind wie im ersten<br />
Jahr. Dazu gehört aber: unser Gruppenzusammenhang ist "abstrakter" geworden,<br />
die Arbeit an der Zeitschrift ist nicht mehr so konkrete Notwendigkeit für uns wie<br />
ehemals. (Es gibt auch Leute, die den theoretischen Gehalt der ersten Hefte<br />
vermissen und mit den neueren nicht mehr soviel anfangen können).<br />
Ohne Frage waren die Ergebnisse in den SP 1-5 "abstrakt". Du kommst wie gesagt<br />
auf dem Wege der theoretischen Ideologiekritik nicht weiter. Wenigstens nicht bei<br />
den politischen Ideologien. Du kommst irgendwann dazu, die politischen Spezialisten<br />
als "spezialisiert auf's Allgemeine" zu kritisieren und damit hat sich's im Grunde. Aber<br />
immerhin, das will getan sein.<br />
Warum machst du's überhaupt?<br />
Als ob die Frage für uns bestanden hätte damals! Du stellst dir die Frage erst, wenn<br />
du den ganzen Kram, der ML heißt (oder Politik allgemein), hinter dir hast, auf diese<br />
oder jene Weise.<br />
Immerhin: es gab Unterschiede zwischen dem, was wir gemacht haben und dem,<br />
was sonst an linker - auch rätedemokratischer - Theorie verbraten wurde. Üblich ist<br />
das Erzählerische. Einer hat ne Meinung über Lenin oder Stalin und bietet sie an. Wir<br />
wollten den BEWEIS. Nicht "wissenschaftlich" - darüber haben wir uns nur den<br />
Gedanken gemacht, daß das, was wir machten, im traditionellen Sinne wohl nicht<br />
Wissenschaft sei, aber dafür nicht weniger wahr - nein, wir wollten den Gegner mit<br />
seinen. eigenen Waffen schlagen. Nicht um ihn besser zu treffen, sondern um ihn