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Schwarze 9

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J: Was wir im ersten Jahrgang der S.P. machten, war allgemeine Kritik von<br />

Ideologien, die einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben<br />

("Verallgemeinerung der Erfahrungen der Massen“). Das Besondere schimmert bei<br />

dieser Kritik nur durch in der Destruktion des Allgemeinheitsanspruches, im<br />

Demonstrieren, Aufdecken seiner Grenzen = Nichtallgemeinheit, der besonderen<br />

Interessen, die hinter diesem Anspruch sich verbergen. Schimmerte auch durch in<br />

der Form, die wir wählten. Nicht bloß schlechte Meinung - wie oft bei Antileninisten -<br />

über das Demagogentum, sondern spezifische Kritik an ganz bestimmten<br />

Äußerungen, die allerdings als pars pro toto genommen wurden. Daher die<br />

"Zitatologie“. Es sollte nie eine neue allgemeine Theorie über den Leninismus<br />

herauskommen, auch nicht eine allgemeine Theorie der revolutionären Bewegung<br />

(=Ideologie), sondern nur der Allgemeinheitsanspruch der Kommunisten als<br />

ideologisch, avantgardistisch im schlechten Sinne, als den Zielen der Emanzipation<br />

der Menschheit und jedes Individuums widersprechend gezeigt werden.<br />

Kritik der traditionellen Avantgarden als Leute, die sich auf's Allgemeine und damit<br />

auf die Vermittlung spezialisieren, Kritik der Vermittler-Avantgarden, das war der<br />

Ausgangspunkt unserer Zeitschrift.<br />

Und da wir diese Avantgarden kritisierten, gesellte sich (versuchsweise) ihr<br />

Gegenpart uns zu: Die, die alle Vermittlungen ablehnen, die sich weigern, zu<br />

kommunizieren, die wollen, daß du für sie bist oder gegen sie, die charismatischen,<br />

die Avantgarden der Unmittelbarkeit. Totalitätsanspruch auf beiden Seiten, Einigung<br />

mit ihnen ist unmöglich: Entweder du kriechst zu Hammer und Sichel, zur roten Faust<br />

oder what the hell, oder du gibst deine Individualität auf, um eine andere zu<br />

verherrlichen. Individualität als Angst vor den Anderen als den falschen, den<br />

Verfälschern der eigenen Individualität, als Autarkie des einzelnen - diese Angst ist<br />

typisch für die, die den ML nie kritisiert haben, sondern sich nur von ihm (und von<br />

sich selbst) abgewandt haben, die ihre eigene ML-Vergangenheit nur von sich<br />

wegschieben, sie als eine Art Unfall betrachten, ihr nicht ins Auge sehen können,<br />

weil vom ML kein Weg - auch kein kritischer - zum Individuum führen darf.<br />

Was muß das Individuum auf dem Weg zu einer (repressionsfreien, einer nichthierarchischen)<br />

Gemeinschaft aufgeben? Gar nichts, möchte man sagen. Es soll sich<br />

nur bereichern. Also muß es aufgeben die Armut. Armut aber (wie Arbeit) adelt in<br />

gewisser Weise, erlaubt die großen Gesten der Verzweiflung, aristokratische Gesten.<br />

Es geht aber doch nicht, mir nicht, um das Abschaffen der Vermittlungen, sondern<br />

um ihre Aneignung, ihre Veränderung. Das ist ein Prozeß oder ein Akt, der zum<br />

wirklichen nicht-gezwungenen Kollektiv führt. Der Einzelne kann sich wehren, kann<br />

sich verweigern, kann verzweifeln. Sich vermitteln (direkt), ist eine Aktion des<br />

miteinander, wenigstens in der Perspektive.<br />

Wir haben im Zusammenhang mit unserer Nr. 6, mit dem Surrealismus etc. über<br />

diese Dinge gegrübelt. Die Phantasie an die Macht? Sie IST an der Macht.<br />

Wenigstens im meistverstandenen Sinn. Nur Phantasien lassen uns überleben.<br />

"Phantasie an die Macht" wird ja benutzt in diesem Sinn: Phantasie als das was man<br />

sich lediglich ausdenkt, ausmalt. Die wirklichen Schritte sind in diesem Sinn häufig<br />

wenig phantasievoll. Wenn wir leben wollen (im Vaneigem'schen Sinn) müssen wir<br />

zugleich mit der Macht die Phantasie verändern bzw. aufheben. Nicht Verherrlichung<br />

des Traums, sondern Aufspüren seiner Wurzeln, um diese auf realem Boden zur<br />

Entfaltung zu bringen.<br />

B: Wir haben unsere Art der Auseinandersetzung mit dem ML auch "positive Kritik"<br />

genannt. D.h. wir waren weniger daran interessiert, den ML anzuklagen um seiner<br />

Unterlassungen willen, ihm vorzuhalten, was er bzw. die Regime, die ihn als

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