Schwarze 9
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Aber wie haben wir bisher gemacht? Am Anfang gab's ja kein Überlegen! Überall war<br />
Leninismus. Und der antiautoritäre Impuls, der unsereinen 68 nach Berlin getrieben<br />
hatte, wollte sich nicht einsalzen lassen.<br />
Revolution war schon das große ÄUSSERE zu dieser Zeit, man hatte sich längst in<br />
Konkurrenz um sie begeben und das verträgt sie nicht. Ich hatte damals vor allem<br />
Lust, was zu produzieren mit anderen zusammen, nicht-entfremdet sozusagen (um<br />
verständlich zu bleiben). Allein zu arbeiten hat mir nie Spaß gemacht, da fällt mir<br />
nichts ein; mit anderen zusammen hat's mir auch nur Spaß gemacht, wenn ich<br />
freigewählt mit ihnen zusammen war. Gemeinsame Arbeit ist man beim<br />
Geldverdienen ja nur gewohnt in Zwangskollektiven, hierarchisch gegliederten. Man<br />
sollte als revolutionäre sozialpolitische Forderung aufstellen, daß Freunde nicht<br />
durch Arbeitsverhältnisse getrennt werden dürfen, bzw. daß jeder das Recht hat, mit<br />
seinen Freunden zusammen einen Arbeitsplatz zu beanspruchen (wenn schon<br />
Arbeit).<br />
P: Bei mir stellte sich das Problem Individualität/Kollektivität lange Zeit als<br />
Identifikation mit anderen dar, mit der Studentenbewegung, mit Dutschke, China und<br />
den alten Theoretikern, in deren Propagierung ich ganz aufging. Als ich 68 bei uns im<br />
Betrieb zu agitieren begann, isolierte ich mich mehr und mehr von meinen<br />
Arbeitskollegen. Verständlich: ich erklärte ihnen ja auch nicht, was mich zur APO<br />
geführt hatte, also meine Bedürfnisse, sondern was ich auf Demos und<br />
Veranstaltungen als gesamtgesellschaftliche Perspektive aufgeschnappt hatte. Aber<br />
darin hatten meine Arbeitskollegen schon einige Erfahrungen. Die teils spöttische,<br />
teils väterliche Zurechtweisung am Arbeitsplatz konnte ich nur ertragen, indem ich<br />
Rückhalt bei denen suchte, denen ich zugehören wollte, und dies bedeutete auch,<br />
meinen bisherigen Erfahrungsbereich zu verleugnen. Ich wurde unpersönlich,<br />
abstrakt. Ich war "einfach nicht mehr der alte!"<br />
Ich bin damals aus allen Institutionen und Organisationen, die mir von der<br />
Gesellschaft korrumpiert schienen, ausgetreten, aus Kirche und Partei, habe<br />
Stammtisch und Bekanntenkreis aufgekündigt, alte Gewohnheiten in Frage gestellt.<br />
Es war ein Gefühl völliger Reinheit, das Gefühl, ein sauberer und anständiger<br />
Mensch geworden zu sein, GLAUBWÜRDIG, dem man jetzt eine neue, bessere<br />
Politik zutrauen könne. Meinen Arbeitskollegen war es gleichgültig, ob ich nun nicht<br />
mehr in der Kirche war oder in der SPD. Für sie war ich nicht einfach schon ein<br />
anderer Mensch, wenn ich einige Brücken abbrach, die ihnen sowieso nichts mehr<br />
bedeuteten. Daß sie dennoch Mitglieder blieben, hatte eben nur bei mir einen<br />
„Stellenwert“, weil ich ja für die Mitgliedschaft in einer anderen Organisation warb.<br />
Das war die DKP.<br />
Ich kam dann 1970 mit eben dem Anspruch nach Berlin, dem später unsere ganze<br />
Kritik galt: Kader sein, Partei gründen, die Arbeiterklasse führen. Die Roten Zellen in<br />
Berlin waren die großen Leuchter.<br />
Ich bin ein Jahr treu und diszipliniert zum Plenum gelatscht, habe aber nie ein Wort<br />
rausgekriegt. Sie redeten vom Betrieb, vom Bewußtsein der Arbeiter und wie man sie<br />
ansprechen könne, und ich hatte das Gefühl, alles besser zu wissen, meine<br />
Arbeitskollegen zu kennen und zu wissen, was sie für Erfahrungen gemacht haben.<br />
Von Politik hatten sie die Schnauze voll, "Politik verdirbt den Charakter". Ich, der ich<br />
stolz war, gerade politischer Mensch geworden zu sein, war zerrissen zwischen den<br />
Erfahrungen am Arbeitsplatz und meinem Wunsch, die ganze Sache umzukrempeln.<br />
Die Pl/Pi schien eine Synthese dieses Widerspruches zu versuchen, autonome<br />
Betriebsgruppen, aber auch Partei. Als die leitenden Kader erfuhren, daß ich schon<br />
einige Jährchen im Betrieb auf dem Buckel hatte, sollte ich gleich in den Betrieb, eine