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Schwarze 9

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auf die Ausnahme des surrealistischen Abenteuers existierte in Europa davon nichts<br />

weiter bis zur Wiederaufnahme des radikalen situationistischen Projekts in den 6oer<br />

Jahren.<br />

5<br />

Der Dadaismus als Bewegung einer originär künstlerischen Intelligenz unterscheidet<br />

sich von seinem Nachfolger, dem Surrealismus, durch seinen grundsätzlichen<br />

Nihilismus im Ursprung, damit seiner Kompromißlosigkeit der Politik gegenüber und<br />

damit auch durch seinen schnellen Tod. Gelangt der Dadaismus kaum je von der<br />

Aufhebung der Kunst zu deren Verwirklichung im Alltag, so war sein radikaler<br />

Ausgangspunkt auch seine Stärke: Konnten sich die Surrealisten entweder von ihrer<br />

KP entwaffnen oder sich später vom kapitalistischen Spektakel integrieren lassen, so<br />

hatten die meisten deutschen Dadaisten für die Politik nur ein lautes Lachen übrig<br />

(Huelsenbeck: 'Der Mensch kann es sich nicht mehr gefallen lassen, durch politische,<br />

ökonomische und religiöse Schlagworte hin und hergeschoben zu werden').<br />

6<br />

Die Sprache, sagt Dada, ist die schlechteste aller Konventionen, sie ist zu<br />

destruieren, zu entmystifizieren, zu befreien. Der Un-Sinn der Hugo Ballschen<br />

Lautgedichte etwa - Reduzierung der Sprache auf Laute - ist Ausdruck eines<br />

verzweifelten Willens, den Menschen aus dem immer enger werdenden Netz ihrer<br />

Miß-Verständnisse einen 'Sprachlichen Nenner' zu geben, auf dem sie wieder<br />

kommunizieren können. Den Wörtern, die ihre Unschuld verloren haben, ihre volle<br />

Bedeutung zurückzugeben, sie auf Un-Sinn zu reduzieren, die Antinomie zwischen<br />

Sinn und Unsinn zu transzendieren, die zwischen Sprechen und Schweigen. Diese<br />

Destruktion der gewöhnlichen Sprache ist bereits ein erster Sieg über das<br />

herrschende Realitätsprinzip, ein Sieg des Gottes Dionys, ein Spiel mit dem Feuer,<br />

mit der Verrücktheit, ein Sprechen in vielen Zungen. Das Ziel ist Worte, die statt auf<br />

sich selbst über sich hinausweisen. 'Statt Waren, Symbole'.<br />

7<br />

Dada hat neue Möglichkeiten des Sagens realisiert und für immer die Tür der Kunst<br />

als spezialisierte Sphäre zugeschlagen: Dada hat definitiv das Problem der<br />

Verwirklichung der Kunst gestellt, wie vorher der junge Marx das Problem der<br />

Verwirklichung der Philosophie gestellt hatte. Diese Verwirklichung bedeutete, als<br />

gelebte Poesie, daß man sich nicht in einem 'Werk' realisieren kann, sondern ohne<br />

Umwege. Das 'alles', auch das Unsinnige, 'sagen' der Dadaisten implizierte bereits<br />

die Auflösung der Domäne der Literatur als separierter Sphäre. Nur, daß 'alles sagen'<br />

nicht ohne die Freiheit des alles tun können existieren kann: Das Scheitern Dadas ist<br />

mit dem Scheitern der deutschen Revolution verbunden. Dada hatte auch keine<br />

Chance seiner Verwirklichung im Spartakus, denn Spartakus war nicht das deutsche<br />

Proletariat, und das war klassenbewußt, d.h. so unrevolutionär wie eh und je.<br />

8

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