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Schwarze 9

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sich selbst vergessend, total der arbeiterklasse und der revolution gewidmet, der<br />

organisation treu, mißtrauisch gegen jede form von emanzipation, die ihm als verfall<br />

der politischen sitten vorkommt und als gefährlich für den sieg, froh jedesmal, wenn<br />

er's in fleisch und knochen spürt, jedesmal, wenn er nicht schlafen kann, bereit, seine<br />

'karriere' oder seine haare zu opfern, um politisch arbeiten zu können, bereit, auch<br />

hippie zu werden, wenn es ein muß, bereit, keine 'familie' und keine kinder zu haben,<br />

um besser arbeiten zu können, genauso bereit, zu heiraten und kinder zu kriegen.<br />

um den proleten näher zu stehen. Aber immer, um besser politisch arbeiten zu<br />

können, stolz, wenn er vor lauter arbeit<br />

kaputtgeht, oder auch sich zu emanzipieren, wenn revolution ohne emanzipation<br />

wirklich nicht mehr geht. bewußt der machtposition, die sein opfer ihm gibt, nützt er<br />

sie manchmal aus, um die anderen zu ähnlichen oder noch größeren opfern zu<br />

zwingen. aber selten. mit geschick und maß. er weiß, daß das bei der neuen linken<br />

schwierig ist. sie steht immer noch auf lustbetonung: er schließlich auch, nicht wahr?<br />

sein machtspiel riskiert er nur bei denen, die dieselbe moral verinnerlicht haben, die<br />

dasselbe machen wie er, wenn auch mit weniger überzeugung, die auch auf kleine<br />

arbeit angewiesen sind, fortdauernde, langfristige, mühsame. mit den oberkadern,<br />

mit den ganz großen klappt es nicht. ihr prestige ist noch<br />

zu hoch für ihn. irgendwas von der 68er - 69er aura ist noch an ihnen. irgendwas<br />

antiautoritäres, irgendwas authentisch spielerisches, irgendwas commediantetragediante,<br />

ein geschick, ihn unter moralischen zwang zu setzen, ohne derselben<br />

moral zu unterliegen: das imponiert ihm. sie erscheinen ihm wie die götter der neuen<br />

moral, seiner moral. sie sind ihm tabu. wie auch alle jene anderen, die ihnen ähnlich<br />

sind, die auch ni dieu ni maitre mehr haben (auch sich selbst nicht), die sich auch<br />

seiner moral nicht unterwerfen lassen, die seine politischen argumentationen nicht<br />

verstehen wollen, die die realität nicht sehen wollen, den prozeß, den langen prozeß<br />

nicht geduldig abwarten wollen, die selbst im langen marsch nicht mitmarschieren<br />

wollen, die nicht alles wollen und trotzdem irgendwo tief unzufrieden scheinen, die<br />

anstatt ihnen zuzuhören, immer irgendwo ein enttäuschtes „hör zu, kleiner militant"<br />

im blick verstecken, die fast immer unorganisiert, doch handeln, aktiv, aber so naiv -<br />

die sind auch irgendwo tabu für ihn.<br />

er wartet ab. er weiß, daß ein ml-isierungsprozeß aller organisationen am laufen ist.<br />

die zeit 'arbeitet' (sie auch) für ihn. er ist die wahrheit der organisationen. ohne ihn,<br />

ohne seine moral kann es keine organisationen geben. er wird erst mit der letzten<br />

'organisation' verschwinden. er war die säule aller kirchen, aller staaten, aller<br />

parteien, aller nachrevolutionszeiten. er wartet ab. eines tages wird er kein<br />

lohnarbeiter mehr sein. er wird auch kein chef sein. es wird keinen chef mehr geben.<br />

er wird ein kollektiver machthaber sein. er produziert die macht. die macht wird sein<br />

sein.<br />

eines tages. für jetzt reicht sein lohn. ein lohn, wie alle anderen politischen<br />

lohnarbeiter ihn auch kriegen. alle anderen, die nicht ahnen, wie zukunftsträchtig ihre<br />

opferbereitschaft ist. die nicht wissen, daß die sado-masochisten per tradition<br />

irgendwann zur macht kommen. die nicht merken, daß „keine macht für niemand" nur<br />

zusammen mit "alle macht dem volke“ gerufen wird. die nicht wissen, daß sie die<br />

wahrheit des volkes sind. die nicht wissen, daß es sich dann tatsächlich lohnen wird,<br />

nach der machteroberung seitens der politischen lohnarbeiter am grauen morgen der<br />

großen sozialen necrolution.

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