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Schwarze 9

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der militant gibt sich nicht zufrieden mit dem recht zu schreiben, er maßt sich auch<br />

das recht an, im namen der 'proletarier' zu schreiben und macht sich im schreiben<br />

zum `proletarier'. er macht zuerst die proleten zu ganz anderen als er, um dann den<br />

schauder des romanciers zu genießen, sich in die haut des proletariers zu versetzen.<br />

so schmiedet der militante seine ersten tarnungswaffen, hier lernt er seine ersten<br />

untergrundtechniken. in der vorbereitung auf den untergrund (geheimbündelei) ist er<br />

schon im untergrund (geheimbündlerisch).<br />

Geheim (im untergrund) vor der ganzen welt: gegenüber den kapitalisten, gegenüber<br />

den proletariern, gegenüber den anderen militanten und gegenüber sich selbst. ja<br />

das schönste ist, daß er mit sich selbst das spiel spielt, daß er daran glaubt. er muß<br />

daran glauben. da er entschieden hat - weil er ja (kle'in)bürger ist - niemals das<br />

subjekt der revolution sein zu können, ist er nichts. er muß also ein anderer sein, und<br />

wenn es nur in der fiktion ist. der militante braucht seine lüge, um das gefühl zu<br />

haben, zu existieren.<br />

die papiere und zeitungen für militante einerseits und für die proletarische masse<br />

andererseits unterscheiden sich auf der ebene des schreibens: ebenso<br />

unterscheiden sie sich auf der ebene der lektüre.<br />

der militant liest nicht auf gleiche weise die internen papiere und die für die masse<br />

(wie auch nicht die seiten 3 und 4 seiner zeitung).<br />

[Flugblatt >>>>>>]<br />

erstere sind an ihn gerichtet, das weiß er: er schätzt sie daher als arbeitswerkzeuge<br />

ein. letztere sind schon ergebnisse der arbeit, die sich an die masse richten, sollen<br />

reaktionen hervorrufen: sie werden von ihm nach ihrer vermuteten oder erwarteten<br />

wirkung eingeschätzt. jedenfalls existieren sie für ihn nur insofern er selbst sie<br />

geschrieben haben könnte, insofern er sich mit denen identifizieren kann oder nicht,<br />

die sie geschrieben haben - niemals mit denen, die sie lesen. selbst beim lesen<br />

vergißt der militante nie, daß er anders sein will als der proletarier. die proleten<br />

haben nur zugang zum zweiten typ von texten, und wenn ein prolet texte für militante<br />

lesen kann, ist er schon kein prolet mehr: jetzt muß er sich im feld der aktiven<br />

militanten verdient machen, wenn er nicht als 'scheißintellektueller' eingeschätzt<br />

werden will. kaum beginnt ein prolet, die texte für militante verstehen zu wollen,<br />

macht er sich in ihren augen schon verdächtig. man verdächtigt ihn des karrierismus:<br />

sicher will er weiterkommen (sich graduieren) oder schlimmer: sich verbürgerlichen.<br />

der gebrauch des 'du', des 'wir' und der doppelsprache hat zur folge, den<br />

kolonisierten im zustand der 'entpersönlichung' zu halten, in den ihn schon der rassist<br />

gestürzt hatte. die masse der proleten wird auf ein 'ensemble' von massenindividuen<br />

(siehe die übernahme des begriffs massenarbeiter aus der sprache des<br />

entwickeltsten italienischen militantismus, d'operai-massa) zurückgestuft, reduziert.<br />

ihr dasein gewinnen diese massenindividuen nur dank der anwesenheit der<br />

militanten als solche. daran ändert sich auch dadurch nichts, daß sich die militanten<br />

abmühen, die sprachen der proleten zu lernen, seien es die der gastarbeiter oder die<br />

der deutschen proleten (dialekte, umgangssprache etc), oder auch daß die flugblätter<br />

in den entsprechenden sprachen geschrieben werden. die trennung bleibt in allen<br />

sprachen. Und zwar: je mehr sich die sprachen annähern und je mehr die trennung<br />

sich als strukturelle, funktionelle und funktionalisierte und nicht bloß als sprachliche

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