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Schwarze 9

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nicht bezahlt?" „doch. aber was tu ich zu hause? ich langweile mich. lieber arbeiten<br />

gehen."<br />

der lillo langweilte sich. er ist vielleicht aus langeweile von frankfurt weggegangen. er<br />

hat vielleicht aus langeweile geheiratet. er wird vielleicht aus langeweile kinder<br />

haben. jetzt langweilt er sich wahrscheinlich weiter, irgendwo in deutschland, mit<br />

seinem fünfjahresvertrag mit einer schallplattenfirma, für welche er wahrscheinlich<br />

ganz schöne nostalgisch, heimwehvolle, langweilige lieder komponieren wird.<br />

- geschieht ihm recht, würde möglicherweise die genossin sagen, die mir eines tages<br />

sagte: „ich freue mich, daß du traurig bist. die genossen, die ausflippen wie du, die<br />

sollen wenigstens traurig sein.“ geschieht ihm recht. er hätte besser gewartet, bis<br />

daß aus den diskussionen ein gutes sinnvolles politisches zentrum entstanden wäre.<br />

und es geschieht auch den anderen recht, ciccio und gaetano. die haben auch nicht<br />

viel mehr verstehen wollen. die sind jetzt nach hause, nach sizilien zurück. sie<br />

brauchen von ihrer blöden piazza nicht mehr zu träumen. jetzt haben sie sie doch.<br />

selbst die emigration haben sie nicht richtig verweigert. was ist das für eine<br />

unmittelbarkeit, einfach nach hause zu gehen. die emigration hätten sie am<br />

effektivsten hier verweigert.<br />

- nicht naiv und auf der hohe der politik ist dagegen diese frau aus einer<br />

frauengruppe, die nach rotterdam gefahren ist, um dort abtreiben zu lassen. und das<br />

an dem tag, wo die öffentlich angekündigte abtreibung von ihren kolleginnen in<br />

frankfurt organisiert worden ist. wenigstens eine, die verstanden hat, was politisch ist,<br />

die begriffen hat, daß man nicht abtreibt, um abzutreiben, und daß insofern sie<br />

sowieso privilegiert ist, sie das nicht zu bedauern hat: vorfahrt würden auf jeden fall<br />

die proletfrauen haben: sie sind unterprivilegiert und dazu so naiv, daß sie das<br />

wirklich brauchen, um sich zu politisieren.<br />

- naiv auch diese rocker, die glauben eine rote faust würde was anderes bedeuten,<br />

als eine rote fahne oder als hammerundsichel, die wiederum fäuste bedeuten. ihnen<br />

muß man das auch erklären.<br />

- wie oft soll man dir erklären, daß, wenn du auf der schallplatte hörst "Warum geht<br />

es mir so dreckig?" das dann nicht bedeutet, daß du haschen sollst! außerdem, du<br />

wohnst ja in einem opel-gastarbeiterwohnheim und nicht in einer wohngemeinschaft.<br />

du hast nicht zu versuchen, in den wohnheimen eine kommune zu machen. dann<br />

würdest du keinen kredit mehr haben bei deinen älteren landsleuten, die auch da<br />

wohnen, und die an die traditionen gebunden sind. du bist eine avantgarde, als<br />

solche bekannt. wenn sie kein vertrauen mehr zu dir haben, dann auch nicht mehr zu<br />

unserer organisation. dann ist der kampf am arsch. gerade in diesem krisenmoment<br />

des europäischen kapitalismus, wo der kampf härter wird. also wirklich, es ist doch<br />

besser, du kehrst nach apulien zurück. die genossen da werden dich besser<br />

brauchen als die hier. wir möchten gern, daß du verstehst. wir werden auch nicht<br />

sagen, daß du aus gründen mangelnder disziplin zurückkehrst. zufrieden?<br />

das unmittelbare leben ist metapher der metapher geworden, ist politik der politik<br />

geworden. damit scheint der zirkel der dialektik geschlossen und die negation der<br />

negation erreicht zu sein.

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