Schwarze 9

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23.12.2012 Aufrufe

und die genossen widerlegen das immer wieder. mit 'guten' argumenten: selbstverwaltung, autonomie, proletarisierungsprozeß usw.: 'diesmal ist es wirklich anders. wir haben aus der geschichte gelernt. die prolis geben ihr mißtrauen aber nicht auf. die haben anscheinend auch aus der geschichte gelernt. dieselben argumente tauchen erneut auf. der flap. diskussionsmüde, sagt eines abends: es stimmt, die katze hat immer die maus gefressen. wichtig ist nicht, daß die katze die maus nicht mehr frißt, nur die katze soll rot sein. darauf wird gelacht. der flap-ausdruck wird dann fast sprichwörtlich. lotta spricht inzwischen vom parteiaufbau. die proleten kämpfen vertrauensvoll weiter. frankfurt, sommer 73. der subjektive aufstand der putzleute ist in vollem gang. das 'putz'papier hat ein unerwartetes echo bei den genossen gefunden. da wird dem unbehagen der 'betriebsarbeiter' eine politische relevanz gegeben. da wird die betriebsarbeit infragegestellt von den leuten, die sie selbst durchführen. da wird die lehrlingsarbeit kritisiert sowie die agitation, der proletarisierungsprozeß und sogar die solidarität des kampfes. da ist nur noch von solidarität des elends zwischen kopf- und handarbeiter die rede. angriff gegen den 'objektivismus' vom subjektiven gesichtspunkt her. im hintergrund wird die alternative gestellt: berufsrevolutionär oder revolutionär im beruf? die basis der politischen arbeit der gruppe ist erschüttert die 'spontane' autorität der obermacker wird scharf angegriffen. die anwesenheit eines informellen tyrannischen ZK wird entlarvt. dann RK-plenum. alle militanten sind da. übervoll. voll rauch. heiß. die atmosphäre ist außerordentlich gespannt. der nervenkrieg hat schon angefangen. seit einer halben stunde hockt man da und niemand ergreift das wort: das informelle, als solches angeklagte ZK nicht, um die vorwürfe nicht zu bestätigen. die putzleute nicht, da sie anscheinend auf einem 'normalen' ablauf bestehen und also erwarten, daß das informelle ZK wie gewöhnlich die sitzung eröffnet. wahrscheinlich ist die sache für sie zu wichtig. sie sind 'subjektiv' in ihre argumente impliziert. dazu, ein aufstand gegen die sozusagen 'natürliche' autorität ist einem vatermord zu nahe. da steigert sich die spannung. elektrizität in der luft. die genossen von der putzgruppe schwitzen und schlucken. die anderen schlucken und schwitzen. Für viele ist es peinlich wie nie. der nervenkampf geht weiter. von der situation sicherer gemacht lächeln da die ZK-genossen. fangen an, das lustig zu finden. wechseln miteinander witze. da ironisiert dann der dany, ZK-obermacker und hauptangeklagter: naja, wie in der satzung vom RK steht und wie jeder weiß, kommt das wort den leuten, die das letzte papier geschrieben haben, zu. also genossen ... nervöses lachen im saal. die putzgenossen schweigen weiter. Total fertig sind sie jetzt, physisch unfähig zu sprechen. sie schlucken und schwitzen. das schweigen geht weiter.

da steht der dany auf und ruft: hat jemand was zu sagen? niemand? ich auch nicht. ich habe also hier nichts zu tun. das plenum hat auch keinen sinn mehr. die sitzung ist aufgehoben. auf wiedersehen. und er geht raus. es folgt dann noch ein peinlicher moment. die 'natürliche' autorität ist nicht mehr da. man ist waise. der vatermord aber ist damit ausgeschlossen. dann endlich mit einem dünnen stimmfaden fängt der matthias von den putzleuten an zu sprechen, über sich gebeugt als ob er zu sich selber spräche. von einer anderen welt her. LAUTER! ruft da jemand. und er sprach mechanisch lauter. was er gesagt hat, wüßte ich nicht. woran ich mich klar erinnere, ist, daß der dany doch zurückgekommen ist. ich weiß es, denn als es später in der inzwischen chaotisch gewordenen diskussion unmöglich war, zu verstehen, was einer sagte, war der dany plötzlich da: er schob eine tafel hoch und runter, worauf stand: DAS ZK BITTET UM RUHE! und jedes mal lief ein großes lachen durch den saal. das plenum hat schließlich ergeben, daß die solidarität des leidens nichts wert ist, wenn keine solidariät des kampfes da ist. - es hat auch ergeben, daß so ein papier - wie das von der stadtteilgruppe heddernheim (Hier S.33 abgedruckt) nach einem derartigen plenum und einer derartigen diskussion konzipierbar gewesen ist von leuten, die damals die kritik der putzgruppe unterstützt hatten! macht der selbstironisierung! einfache technik der selbstironisierung. perle der militanten, der spezialisten der kritik. magisches getränk, das gegen jede kritik immunisiert. wodurch jede kritik bloß eine immunisierungsfunktion hat. wir begrüßen dich, o supreme Tugend! du bringst alltäglich das lachen in unser leben. du läßt uns vergessen, daß wir es ändern wollten. (+)wahrscheinlich hatte er 'baluba-linie' gesagt. baluba: afrikanischer stamm. in italien sprichwörtlich für rückständigkeit in jeder hinsicht. III. kritik als aufhebung wir geben selbstverständlich zu, daß die kritik im militanten alltag nicht identisch ist mit dem alltag der militanten kritik,der kritik, aus der sich ein kampf initiieren läßt, der kämpferischen kritik, die vom kritischen kampf nicht zu trennen ist. die ganz großen, heroischen, epischen momente des militantismus sind hier zu recherchieren. in der tagtäglichen militanten kritik der kapitalistischen gesellschaft, der warengesellschaft, der lohnarbeit, des autoritarismus, der schule, der medien, des spektakels, der unterdrückung, des imperialismus, der familie, der gefängnisse, des rassismus, kurz: der negativität. die kritik der negativität und der kampf gegen die negativität

und die genossen widerlegen das immer wieder. mit 'guten' argumenten:<br />

selbstverwaltung, autonomie, proletarisierungsprozeß usw.: 'diesmal ist es wirklich<br />

anders. wir haben aus der geschichte gelernt. die prolis geben ihr mißtrauen aber<br />

nicht auf. die haben anscheinend auch aus der geschichte gelernt. dieselben<br />

argumente tauchen erneut auf.<br />

der flap. diskussionsmüde, sagt eines abends: es stimmt, die katze hat immer die<br />

maus gefressen. wichtig ist nicht, daß die katze die maus nicht mehr frißt, nur die<br />

katze soll rot sein. darauf wird gelacht. der flap-ausdruck wird dann fast<br />

sprichwörtlich. lotta spricht inzwischen vom parteiaufbau. die proleten kämpfen<br />

vertrauensvoll weiter.<br />

frankfurt, sommer 73. der subjektive aufstand der putzleute ist in vollem gang. das<br />

'putz'papier hat ein unerwartetes echo bei den genossen gefunden. da wird dem<br />

unbehagen der 'betriebsarbeiter' eine politische relevanz gegeben. da wird die<br />

betriebsarbeit infragegestellt von den leuten, die sie selbst durchführen. da wird die<br />

lehrlingsarbeit kritisiert sowie die agitation, der proletarisierungsprozeß und sogar die<br />

solidarität des kampfes. da ist nur noch von solidarität des elends zwischen kopf- und<br />

handarbeiter die rede.<br />

angriff gegen den 'objektivismus' vom subjektiven gesichtspunkt her. im hintergrund<br />

wird die alternative gestellt: berufsrevolutionär oder revolutionär im beruf? die basis<br />

der politischen arbeit der gruppe ist erschüttert<br />

die 'spontane' autorität der obermacker wird scharf angegriffen. die anwesenheit<br />

eines informellen tyrannischen ZK wird entlarvt.<br />

dann RK-plenum.<br />

alle militanten sind da. übervoll. voll rauch. heiß. die atmosphäre ist außerordentlich<br />

gespannt. der nervenkrieg hat schon angefangen. seit einer halben stunde hockt<br />

man da und niemand ergreift das wort: das informelle, als solches angeklagte ZK<br />

nicht, um die vorwürfe nicht zu bestätigen. die putzleute nicht, da sie anscheinend<br />

auf einem 'normalen' ablauf bestehen und also erwarten, daß das informelle ZK wie<br />

gewöhnlich die sitzung eröffnet. wahrscheinlich ist die sache für sie zu wichtig. sie<br />

sind 'subjektiv' in ihre argumente impliziert. dazu, ein aufstand gegen die sozusagen<br />

'natürliche' autorität ist einem vatermord zu nahe.<br />

da steigert sich die spannung. elektrizität in der luft. die genossen von der<br />

putzgruppe schwitzen und schlucken. die anderen schlucken und schwitzen. Für<br />

viele ist es peinlich wie nie. der nervenkampf geht weiter.<br />

von der situation sicherer gemacht lächeln da die ZK-genossen. fangen an, das lustig<br />

zu finden. wechseln miteinander witze. da ironisiert dann der dany, ZK-obermacker<br />

und hauptangeklagter: naja, wie in der satzung vom RK steht und wie jeder weiß,<br />

kommt das wort den leuten, die das letzte papier geschrieben haben, zu. also<br />

genossen ... nervöses lachen im saal. die putzgenossen schweigen weiter. Total<br />

fertig sind sie jetzt, physisch unfähig zu sprechen. sie schlucken und schwitzen. das<br />

schweigen geht weiter.

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